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Maßnahmenbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 20.03.2019, RM/2100012/2019

Keine Aktivlegitimation des früheren organschaftlichen Vertreters einer gelöschten GmbH im Abgabenverfahren

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RM/2100012/2019-RS1
Mit der Löschung einer GmbH im Firmenbuch ist nach der Rechtsprechung des OGH auch der Wegfall der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft verbunden (; ). Die GmbH hat auf Grund ihrer Vermögenslosigkeit und Löschung im Firmenbuch ihre Rechts- und Parteifähigkeit durch die Vollbeendigung verloren.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin in der Beschwerdesache des Einschreiters, betreffend die gelöschte GmbH, über die Maßnahmenbeschwerde nach § 283 BAO vom   wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt des Finanzamtes in Form von Prüfungshandlungen im Sinne des § 147 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO)

beschlossen:

Die Maßnahmenbeschwerde wird gemäß § 283 Abs. 4 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Beim Bundesfinanzgericht langte am eine als Maßnahmenbeschwerde nach
§ 283 bezeichnete Eingabe betreffend die eine gesellschaft mit beschränkter Haftung (=GmbH) ein.
Die GmbH war infolge Vermögenslosigkeit am gemäß § 40 Abs. 1 Firmenbuchgesetz (FBG) im Firmenbuch gelöscht worden.
Der Einschreiter (kurz = ES), eine natürlich Person, war laut Firmenbuch bis zur Löschung einziger organschaftlicher Vertreter der GmbH.
Alleingesellschafterin der GmbH war eine englische Gesellschaft, die am im englischen Gesellschaftsregister gelöscht worden war.
Mit der Maßnahmenbeschwerde wird die Durchführung einer Außenprüfung ohne Prüfungsauftrag bei der GmbH gerügt.

Der ES bezieht sich in der Beschwerde auf Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes, wonach nach der Löschung einer Gesellschaft im Firmenbuch Ermittlungen zur Abgabenerhebung unzulässig seien.
Dem ES als ehemaligen organschaftlichen Vertreter einer bereits gelöschten Gesellschaft fehle daher die gesetzliche Aktivlegitimation in abgabenrechtlichen Angelegenheiten für das gelöschte Steuersubjekt tätig zu werden.

Das Finanzamt führe ohne Prüfungsauftrag Erhebungen bzw. eine Außenprüfung bei der bereits gelöschten GmbH durch.
Dies sei ein rechtswidriger Verwaltungsakt im Sinne des § 283 BAO.
Mit der vorliegenden Maßnahmenbeschwerde begehrt der ES konkret, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Außenprüfung und die Erhebungen des Finanzamtes betreffend die gelöschte GmbH.

Rechtslage


§ 79 Bundesabgabenordnung (BAO):
Für die Rechts- und Handlungsfähigkeit gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. § 2 Zivilprozessordnung ist sinngemäß anzuwenden.

§ 80 Abs. 3 BAO
Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.

§ 260 Abs. 1 BAO
Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
a) nicht zulässig ist oder …………………………………………………………………

§ 283 Abs. 1 BAO
Gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Abgabenbehörden kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde (Maßnahmenbeschwerde) erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
…………………………………………………………………………………………………..

§ 283 Abs. 4 BAO
4) Der angefochtene Verwaltungsakt ist vom Verwaltungsgericht mit Erkenntnis für rechtswidrig zu erklären, wenn die Maßnahmenbeschwerde nicht mit Beschluss bzw. mit Erkenntnis
a) als nicht zulässig oder nicht fristgerecht eingebracht zurückzuweisen ist (§ 260),
 

Erwägungen des Bundesfinanzgerichtes

Der ES erachtet behauptete Prüfungshandlungen des Finanzamtes im Sinne des § 147 Abs. 1 BAO als rechtswidrigen Verwaltungsakt, weil kein Prüfungsauftrag (§ 148 Abs. 2 BAO) vorliege. Diese Prüfungshandlungen seien mangels Prüfungsauftrag als rechtswidriger Verwaltungsakt bei einem bereits gelöschten Steuersubjekt und somit als Ausübung unmittelbarer abgabenbehördlicher Zwangs- und Befehlsgewalt gemäß § 283 BAO anzusehen.

Nach § 79 BAO gelten für die Rechts- und Handlungsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Zur Handlungsfähigkeit von Kapitalgesellschaften zählt auch die Geschäftsfähigkeit, die Fähigkeit, sich selbst durch eigenes rechtsgeschäftliches Handeln zu berechtigen und zu verpflichten.

Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist als juristische Person zwar rechtsfähig (Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4, § 26 Rz 24), kann jedoch nur durch ihre hiezu befugten (berufenen oder bestellten) Organe (Vertreter) rechtswirksam handeln (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 79 Anm. 11). Die Gesellschaft muss einen oder mehrere Geschäftsführer haben. Zu Geschäftsführern können nur physische, handlungsfähige Personen bestellt werden. Die Bestellung erfolgt durch Beschluss der Gesellschafter (§ 15 Abs. 1 GmbHG).

Ohne vertretungsbefugte Organe ist eine GmbH nicht handlungsfähig.


Nach § 80 Abs. 3 BAO ist Vertreter einer aufgelösten GmbH nach Beendigung der Liquidation, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.
Diese Vertretungsregelung erfasst aber nur jene Fälle, in denen eine Liquidation (§ 89 GmbHG) stattgefunden hat. Nicht erfasst sind Fälle, in denen eine Kapitalgesellschaft wie im vorliegenden Fall gemäß § 40 Abs. 1 FBG wegen Vermögenslosigkeit durch das Gericht gelöscht wurde.

Mit der Löschung der GmbH im Firmenbuch ist nach der Rechtsprechung des OGH konstitutiv auch der Wegfall der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft verbunden (vgl. ; ). Damit ist auch die Funktion des ES als organschaftlicher Vertreter der GmbH erloschen.
Die GmbH hat auf Grund ihrer Vermögenslosigkeit und Löschung im Firmenbuch ihre Rechts- und Parteifähigkeit durch die Vollbeendigung verloren. Auf diese Rechtsfolgen wird auch vom ES selbst ausdrücklich verwiesen.


Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist eine Beschwerde zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist. Eine Beschwerde ist zB bei mangelnder Aktivlegitimation des ES unzulässig (vgl. Ritz, a. a. O., § 260 Tz 5).

Die Löschung der GmbH im Firmenbuch ist unstrittig, womit auch die organschaftliche Vertretung des ES für die GmbH weggefallen ist. Der ES ist folglich nicht befugt, etwaige Amtshandlungen betreffend die gelöschte, ehemals von ihm vertretene GmbH mit einer Maßnahmenbeschwerde zu bekämpfen.

Da dem ES als ehemaligem Geschäftsführer der gelöschten GmbH die Legitimation, für die GmbH eine Maßnahmenbeschwerde einzubringen, fehlt, war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

Damit ist über die Beschwerde aber bereits entschieden.

Im Übrigen informativ wird klargestellt, dass im gegenständlichen Fall - neben der mangelnden Legitimation - auch die weiteren Voraussetzungen für eine Maßnahmenbeschwerde fehlen würden.
Die Rechtsprechung definiert die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt folgendermaßen:

„Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar – dh ohne vorangegangenen Bescheid – in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als ‚Zwangsgewalt‘, zumindest aber als – spezifisch verstandene – Ausübung von ‚Befehlsgewalt‘ gedeutet werden kann. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt ein ausdrücklicher Befolgungsanspruch nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist“ ().

Im gegenständlichen Beschwerdefall wird die Durchführung einer Außenprüfung gerügt. Diesen Amtshandlungen fehlt es aber an einem Anfechtungsgegenstand, welcher als physische "Zwangsgewalt" (wie Festnahme, Beschlagnahme, Vollstreckungshandlungen ohne vorhergehenden Vollstreckungsauftrag, Hausdurchsuchung, Personendurchsuchung), zumindest aber als Ausübung von "Befehlsgewalt", gedeutet werden könnte.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Unzulässigkeit des Einschreitens im Fall der fehlenden Vertretereigenschaft ist hinreichend geklärt. Eine ungeklärte Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung liegt folglich nicht vor, weshalb die Revision unzulässig ist.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 40 Abs. 1 FBG, Firmenbuchgesetz, BGBl. Nr. 10/1991
§ 283 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 79 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 283 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 283 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 10 Abs. 2 FBG, Firmenbuchgesetz, BGBl. Nr. 10/1991
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RM.2100012.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at