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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.02.2019, RV/5100497/2018

Keine Wiederaufnahme des Verfahrens - keine Parteienidentität zu EuGH Verfahren.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Walter Aiglsdorfer in der Beschwerdesache Bf, über die Beschwerde vom  gegen den Bescheid der belangten Behörde vom (St.Nr.: xxx), betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich die Vergütung von Energieabgaben für das Jahr 2011 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, das Verfahren betreffend Vergütung von Energieabgaben für das Jahr 2011 wieder aufzunehmen.
Der Unabhängige Finanzsenat hätte die Berufung gegen den negativen Bescheid des Finanzamtes vom am als unbegründet abgewiesen.
Gestützt worden sei die Entscheidung auf das Argument, dass gem. § 2 EnAbgVergG idF BBG 2011 für Zeiträume nach dem ein Vergütungsanspruch nur noch für Betriebe bestehe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter liegen würde.
Da es sich bei der Beschwerdeführerin um einen Dienstleistungsbetrieb iSd EnAbgVergG handle, sei folglich keine Energieabgabenvergütung gewährt worden und der angefochtene Bescheid unverändert geblieben.
Im Juli dieses Jahres hätte der Europäische Gerichtshof im Fall Dilly's Wellnesshotel GmbH nunmehr allerdings entschieden, dass die Änderung des Energieabgabenvergütungsgesetzes durch das BBG 2011 unionsrechtswidrig sei. Bei der Gewährung einer Energieabgabenvergütung würde es sich nämlich um eine Beihilfe handeln, die laut EU-Recht entweder einer Genehmigung durch die Europäische Kommission oder einer Berufung auf die Freistellung von der Genehmigungspflicht bedurft hätte. Im Falle der Änderungen durch das BBG 2011 sei weder das eine noch das andere der Fall gewesen.
In Folge hätte das Bundesfinanzgericht am darauf erkannt, dass die Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe gem. § 2 Abs. 1 EnAbgVergG idF BBG 2011 nicht mit in Kraft getreten sei und eine Vergütung für Dienstleistungsbetriebe daher weiterhin zustehen würde.

Aus diesem Grunde werde beantragt, dass das Verfahren betreffend die Energieabgabenvergütung der Beschwerdeführerin für das Jahr 2011 wieder aufgenommen werde.
Ein Verfahren sei einer Wiederaufnahme unter anderem dann zugänglich, wenn der diesbezügliche Bescheid von Vorfragen iSd § 116 BAO abhängig gewesen sei und über eine derartige Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde oder dem zuständigen Gericht nachträglich anders entschieden worden sei.
Unter einer Vorfrage sei dabei eine Rechtsfrage zu verstehen, für deren Entscheidung die Behörde zwar nicht zuständig sei, die für ihre Entscheidung aber eine notwendige Grundlage bilden würde.

Gegenständlich seien das Finanzamt beziehungsweise der Unabhängige Finanzsenat (UFS)

zwar nicht zuständig gewesen, über die Unionsrechtskonformität des EnAbgVergG idF BBG 2011 zu entscheiden, doch hätten sie sich, aufgrund des Anwendungsvorranges von unmittelbar anwendbarem Unionsrecht, zweifelsohne an selbiges zu halten.

Der EuGH, als das zur Entscheidung zuständige Gericht, hätte nun im Nachhinein darüber befunden, dass die durch das BBG 2011 eingeführte Einschränkung der Vergütung auf Produktionsbetriebe unionsrechtswidrig sei.
Die Behörden hätten sich in ihrer Anwendung des EnAbgVergG idF BBG 2011 also auf eine nicht vorhandene Genehmigung beziehungsweise auf eine ungültige Freistellung von der Genehmigungspflicht gestützt. Nach traditioneller Einschätzung würde hier also eine rechtliche Fehlbeurteilung vorliegen.

Folglich würde es sich um eine Rechtsfrage (Vorfrage) zu deren Entscheidung das Finanzamt beziehungsweise der UFS zwar nicht zuständig gewesen sei handeln, die aber sehr wohl die notwendige Grundlage für die Entscheidung gebildet hätte, ob eine Energieabgabenvergütung zustehen würde oder nicht.

Nach der bisherigen Rechtsprechung würde ein neues EuGH-Urteil jedoch trotzdem keinen Wiederaufnahmegrund iSd § 303 Abs. 1 lit. c BAO darstellen, da es diesbezüglich an der notwendigen Parteienidentität mangle. Eine Vorfrage müsse nämlich gegenüber der Partei des wiederaufzunehmenden Verfahrens bindend entschieden worden sein, weshalb Vorabentscheidungen keinen Wiederaufnahmegrund für Verfahren anderer darstellen würden.

Dem lasse sich entgegenhalten, dass das Ziel des Instituts der Wiederaufnahme, die Erreichung eines insgesamt rechtmäßigen Ergebnisses sei. Dementsprechend hätte der Verfassungsgerichtshof bereits in einem anderen Fall, eine Wiederaufnahme in verfassungskonformer Interpretation zugelassen, obwohl der die rechtliche Beurteilung betreffende Sachverhalt keine Vorfrage im technischen Sinne gewesen sei.

Wenn es sich gegenständlich - mangels Parteienidentität - daher auch nicht um eine Vorfrage im technischen Sinne handle, so würde die Nichtzulassung einer Wiederaufnahme aber eine unionsrechtswidrige Interpretationsweise des § 303 BAO darstellen.

Da die einschränkenden Änderungen der Energieabgabenvergütung durch das BBG 2011, mangels Genehmigung oder Berufung auf die Freistellung von der Genehmigungspflicht, unionsrechtswidrig seien, würde der Anwendungsvorrang des Unionsrechts die Verdrängung der entsprechenden nationalen Normen bewirken. Die österreichischen Verwaltungsbehörden und Gerichte würden die entsprechenden gesetzlichen Änderungen durch das BBG 2011 daher gar nicht anwenden dürfen und hätten weiterhin das EnAbgVergG in der alten Fassung heranzuziehen.

Würde man den Wiederaufnahmetatbestand des § 303 BAO folglich dahingehend interpretieren, dass eine Vorfrage mangels Parteienidentität nicht vorliege und eine Wiederaufnahme demgemäß nicht zulässig wäre, würde unseres Erachtens der Sinn und Zweck des Anwendungsvorranges unterlaufen werden.

Einer Wiederaufnahme sei in unionsrechtskonformer Interpretationsweise daher stattzugeben.

Unter Beachtung des entsprechenden seien die Energieabgaben der Beschwerdeführerin für das Jahr 2011 folglich gem. § 2 EnAbgVergG idF vor BBG 2011 in der eingangs beantragten Höhe zu erstatten.
Der entsprechende Energieabgabenvergütungsantrag (ENAV1) würde diesem Schreiben beiliegen.

Da zurzeit gegen das BFG-Erkenntnis vom eine Amtsrevision beim VwGH anhängig sei, werde angeregt, das Verfahren bis zur Entscheidung der Revision antragsgemäß aussetzen.

Mit Bescheid vom wurde gegenständlicher Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgewiesen.
Für das Jahr 2011 sei ein Antrag auf Energieabgabenvergütung gestellt worden. Dieser Antrag sei vom Finanzamt bescheidmäßig abgewiesen worden (keine Vergütung von Energieabgaben, da kein Produktionsbetrieb vorliegen würde).

Am sei nunmehr ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt worden, weiters ein Antrag, die Entscheidung über die Wiederaufnahme gemäß § 271 BAO auszusetzen.
Es sei auf das BFG Erkenntnis zu der RV/5100360/2013 vom verwiesen worden.
Im Jahr 2014 hätte das BFG Linz in einem Vorabentscheidungsverfahren drei Fragen an den EuGH vorgelegt. Das BFG Linz hätte in diesem Erkenntnis der Beschwerde Folge gegeben. Gegen dieses Erkenntnis sei eine Amtsrevision eingebracht worden. Es würde sich dabei aber um einen anderen Beschwerdeführer (Vorabentscheidungsverfahren) handeln.
Der Verfassungsgerichtshof hätte in seinem Erkenntnis vom , G 5/09 unter anderem mit näherer Begründung ausgeführt, dass das Hervorkommen einer Entscheidung eines innerstaatlichen Höchstgerichtes und ebenso eines im Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Urteils des europäischen Gerichtshofes zur Auslegung von Gemeinschaftsrecht (nunmehr: Unionsrecht) keine Berechtigung zur Wiederaufnahme rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren nach dem Vorfragentatbestand vermitteln würde.
Nichts anderes könne für eine zu einem anderen Verfahren nachträglich ergangene, von der Beurteilung durch die Abgabenbehörde erster Instanz abweichenden, UFS-Entscheidung gelten.

EuGH-Entscheidungen seien keine Wiederaufnahmegründe der entschiedenen Vorfrage ( G 5/09) u.a.; ; , 2007/16/0073; , 2008/16/0053; , 2008/13/0161).
Nicht zuletzt wegen mangelnder Parteienidentität seien Vorabentscheidungen (Art. 267 AEUV) daher keine Wiederaufnahmegründe für Verfahren anderer (als des Anlassverfahrens) Parteien.

Der Verwaltungsgerichtshof würde auch in ständiger Rechtsprechung erkennen, dass Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die nach einem rechtskräftig abgeschlossenen Abgabenverfahren ergehen, als solche keine Wiederaufnahmegründe für das abgeschlossene Verfahren bilden würden und zwar weder hinsichtlich der darin getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, noch hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung. Sowohl eine Sachverhaltsfeststellung, als auch deren rechtliche Beurteilung würde nämlich auf einer behördlichen Willensbildung beruhen, deren Ergebnis rechtlich erst mit Erlassung der betreffenden Entscheidung entstehen würde. Selbst wenn daher in einer späteren Entscheidung aufgrund des dort ermittelten Verfahrens eine Tatsache als erwiesen angenommen werde, würde es sich dabei nicht um eine solche handeln, die bereits im abgeschlossenen Verfahren bestanden hätte oder bloß später hervorgekommen sei, sondern um das Ergebnis eines späteren Rechtsfindungsaktes ().

Aufgrund obiger Ausführungen würden im gegenständlichen Fall keine Gründe für die Wiederaufnahme des bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens über den Antrag auf Energieabgabenvergütung für das Jahr 2011 vorliegen.

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Energieabgabevergütung für das Jahr 2011 sei daher abzuweisen gewesen. Aus diesem Grund würde daher im gegenständlichen Verfahren auch keine Veranlassung für eine Aussetzung der Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag gemäß § 271 BAO bestehen und demnach sei dieser Antrag ebenfalls abzuweisen gewesen.

Mit Eingabe vom wurde Beschwerde gegen den Energieabgabenvergütungsbescheid 2011 vom eingereicht.
(Anmerkung Richter: dieser Bescheid behandelt die Abweisung der Wiederaufnahme des Verfahrens, nicht die Energieabgabenvergütung).

Die Beschwerde richte sich gegen die Versagung der Energieabgabenvergütung dem Grunde nach.
Es werde der Beschwerdeantrag gestellt, die entrichteten Energieabgaben für das Jahr 2011 mit einem Betrag von 60.265,58 € zu vergüten.

Zudem werde gem. § 262 Abs. 2 lit. a BAO den Antrag gestellt, von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung abzusehen und die Beschwerde direkt dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.

Es werde (bezugnehmend auf die Berufungsentscheidung GZ. RV/1007-L/12 des ) außerdem der Antrag gestellt, das Gericht möge das Verfahren gem. § 303 Abs. 1 lit. c BAO wiederaufnehmen und für das Jahr 2011 gem. § 1 Abs. 1 EnAbgVergG eine Vergütung von Energieabgaben in der genannten Höhe gewähren.

Der Unabhängige Finanzsenat hätte die Berufung gegen den negativen Bescheid des Finanzamtes vom am als unbegründet abgewiesen.

Gestützt wurde die Entscheidung auf das Argument, dass gem. § 2 EnAbgVergG idF BBG 2011 für Zeiträume nach dem ein Vergütungsanspruch nur noch für Betriebe bestehe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter liege.
Da es sich bei der Beschwerdeführerin um einen Dienstleistungsbetrieb iSd EnAbgVergG handeln würde, sei folglich keine Energieabgabenvergütung gewährt worden und der angefochtene Bescheid unverändert geblieben.
Im Juli dieses Jahres hätte der Europäische Gerichtshof im Fall Dilly's Wellnesshotel GmbH nunmehr allerdings entschieden, dass die Änderung des Energieabgabenvergütungsgesetzes durch das BBG 2011 unionsrechtswidrig sei. Bei der Gewährung einer Energieabgabenvergütung würde es sich nämlich um eine Beihilfe handeln, die laut EU-Recht entweder einer Genehmigung durch die Europäische Kommission oder einer Berufung auf die Freistellung von der Genehmigungspflicht bedurft hätte. Im Falle der Änderungen durch das BBG 2011 sei weder das eine noch das andere der Fall gewesen.

Die Behörde hätte sich damals in ihrer Anwendung des EnAbgVergG idF BBG 2011 also auf eine nicht vorhandene Genehmigung beziehungsweise auf eine ungültige Freistellung von der Genehmigungspflicht gestützt.

Der Anwendungsvorrang von unmittelbar anwendbarem Unionsrecht würde die Verdrängung von nationalen Normen bewirken, die diesem entgegenstehen, weshalb die durch das BBG 2011 eingeführte, unionsrechtswidrige Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe, weder von den Verwaltungsbehörden noch von den Gerichten anzuwenden sei.
Folgerichtig hätte das Bundesfinanzgericht bereits am erstmals darauf erkannt, dass die Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe gem. § 2 Abs. 1 EnAbgVergG idF BBG 2011 nicht mit in Kraft getreten sei und eine Vergütung für Dienstleistungsbetriebe daher weiterhin zustehen würde.

Dass die Abgabenbehörde das EnAbgVergG idF BBG 2011 trotzdem angewendet hätte, sei daher eine rechtliche Fehlbeurteilung.
Aus diesem Grunde sei beim Finanzamt am beantragt worden, dass das Verfahren betreffend die Energieabgabenvergütung der Beschwerdeführerin für das Jahr 2011 wieder aufgenommen werde.
Ein Verfahren sei einer Wiederaufnahme unter anderem dann zugänglich, wenn der diesbezügliche Bescheid von Vorfragen iSd § 116 BAO abhängig gewesen und über eine derartige Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde oder dem zuständigen Gericht nachträglich anders entschieden worden sei.
Unter einer Vorfrage sei dabei eine Rechtsfrage zu verstehen, für deren Entscheidung die Behörde zwar nicht zuständig sei, die für ihre Entscheidung aber eine notwendige Grundlage bilden würde.
Gegenständlich seien das Finanzamt beziehungsweise der Unabhängige Finanzsenat (UFS) zwar nicht zuständig gewesen, über die Unionsrechtskonformität des EnAbgVergG idF BBG 2011 zu entscheiden, doch hätten sie sich, aufgrund des Anwendungsvorranges von unmittelbar anwendbarem Unionsrecht, zweifelsohne an selbiges zu halten.
Der EuGH, als das zur Entscheidung zuständige Gericht, hätte nun im Nachhinein darüber befunden, dass die durch das BBG 2011 eingeführte Einschränkung der Vergütung auf Produktionsbetriebe unionsrechtswidrig sei.
Die Behörden hätten sich in ihrer Anwendung des EnAbgVergG idF BBG 2011 also auf eine nicht vorhandene Genehmigung beziehungsweise auf eine ungültige Freistellung von der Genehmigungspflicht gestützt. Nach traditioneller Einschätzung würde hier also eine rechtliche Fehlbeurteilung vorliegen.
Folglich würde es sich um eine Rechtsfrage (Vorfrage) handeln, zu deren Entscheidung das Finanzamt beziehungsweise der UFS zwar nicht zuständig gewesen seien, die aber sehr wohl die notwendige Grundlage für die Entscheidung bilden würde, ob eine Energieabgabenvergütung zustehe oder nicht.
Nach der bisherigen Rechtsprechung würde ein neues EuGH-Urteil jedoch trotzdem keinen Wiederaufnahmegrund iSd § 303 Abs. 1 lit. c BAO darstellen, da es diesbezüglich an der notwendigen Parteienidentität mangle. Eine Vorfrage müsse nämlich gegenüber der Partei des wiederaufzunehmenden Verfahrens bindend entschieden worden sein, weshalb Vorabentscheidungen keinen Wiederaufnahmegrund für Verfahren anderer darstellen würden.

Dem lasse sich entgegenhalten, dass das Ziel des Instituts der Wiederaufnahme die Erreichung eines insgesamt rechtmäßigen Ergebnisses sei. Dementsprechend hätte der Verfassungsgerichtshof bereits in einem anderen Fall entschieden, eine Wiederaufnahme in verfassungskonformer Interpretation zugelassen, obwohl der die rechtliche Beurteilung betreffende Sachverhalt keine Vorfrage im technischen Sinne gewesen sei (VfSlg 12566/1990; Ritz, BAO5, § 303, Rz 41).

Wenn es sich gegenständlich - mangels Parteienidentität - daher auch nicht um eine Vorfrage im technischen Sinne handeln würde, so würde die Nichtzulassung einer Wiederaufnahme aber eine unionsrechtswidrige Interpretationsweise des § 303 BAO darstellen.
Da die einschränkenden Änderungen der Energieabgabenvergütung durch das BBG 2011, mangels Genehmigung oder Berufung auf die Freistellung von der Genehmigungspflicht, unionsrechtswidrig seien, würde der Anwendungsvorrang des Unionsrechts die Verdrängung der entsprechenden nationalen Normen bedeuten. Die österreichischen Verwaltungsbehörden und Gerichte würden die entsprechenden gesetzlichen Änderungen durch das BBG 2011 daher gar nicht anwenden dürfen und hätten weiterhin das EnAbgVergG in der alten Fassung heranzuziehen.
Würde man den Wiederaufnahmetatbestand des § 303 BAO folglich dahingehend interpretieren, dass eine Vorfrage mangels Parteienidentität nicht vorliege und eine Wiederaufnahme demgemäß nicht zulässig wäre, würde unseres Erachtens der Sinn und Zweck des Anwendungsvorranges unterlaufen werden.

Unseren entsprechenden Antrag auf Wiederaufnahme vom hätte das Finanzamt jedoch mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom abgewiesen. Begründet wurde die Abweisung im Wesentlichen mit mangelnder Parteienidentität und damit, dass Vorabentscheidungen des EuGH daher nicht den Vorfragetatbestand des Wiederaufnahmeparagrafen erfüllen würden. Auf die unionsrechtlichen Bedenken sei hingegen nicht eingegangen worden.

Das Gericht werde daher ersucht, die Argumente entsprechend zu würdigen und eine Wiederaufnahme zu verfügen.

Darüber hinaus werde angeregt, das Gericht möge dem Europäischen Gerichtshof, zur Klärung der Unionsrechtskonformität der österreichischen Bestimmungen zur Wiederaufnahme eines Verfahrens, gem. Art 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorlegen:
 < „Steht das Unionsrecht einer nationalen Verfahrensordnung entgegen, die es nicht ermöglicht, dass bereits zuvor durch nationale Behörden oder Gerichte entschiedene Rechtssachen, aufgrund neuerer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (im Sinne dieser Rechtsprechung) neu entschieden werden, wenn sich eben jene Rechtssachen auf Zeiträume beziehen, über die der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil abgesprochen hat?"

 < „Widerspricht es dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts, wenn Erkenntnisse aus einem Vorabentscheidungsverfahren gem. Art 267 AEUV - insbesondere der Rechtssache , Dilly's Wellnesshotel GmbH - aus verfahrensrechtlichen Gründen, auf zuvor bereits entschiedene Rechtssachen nicht mehr angewendet werden können, obwohl diese - im Lichte des betreffenden Vorabentscheidungsverfahrens - unionsrechtswidrig entschieden wurden?"
 < „Widerspricht eine (nach Ablauf eines Jahres einzige) nationale Regelung zur Wiederaufnahme eines bereits abgeschlossenen Verfahrens (für den Fall, dass eine zuständige Behörde oder ein zuständiges Gericht eine, der Entscheidung zugrunde liegende Frage, im Nachhinein anders entscheidet), dem Unionsrecht, wenn die Zulässigkeit der Wiederaufnahme davon abhängt, dass sowohl das Verfahren betreffend die, der Entscheidung zugrunde liegenden Frage, als auch das Verfahren, das wiederaufgenommen werden soll, dieselbe Person (Partei) betreffen muss ( = Parteienidentität) - obwohl klar ist, dass diese Voraussetzung bei einem Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof gem. Art 267 AEUV niemals erfüllt sein kann, da hier das fragestellende Gericht die Partei ist?"

Für den Fall, dass sich das Gericht (gegebenenfalls auch im Lichte der Antworten auf die möglichen Vorlagefragen an den EuGH) der Argumentation betreffend die Wiederaufnahme anschließen würde, seien unter Beachtung des entsprechenden die Energieabgaben der GmbH für das Jahr 2011 gem. § 1 EnAbgVergG iVm § 2 EnAbgVergG idF vor BBG 2011 in der eingangs beantragten Höhe zu erstatten.

Mit Vorlagebericht vom wurde gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die belangte Behörde beantragte darin die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen, da in der Beschwerde beantragt wurde, diese unmittelbar dem Bundesfinanzgericht vorzulegen (§ 262 Abs. 2 lit. a BAO).

ENTSCHEIDUNG

A) Dem Erkenntnis wurde folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:

Die Beschwerdeführerin hat bereits im Jahr 2012 (am ) einen Antrag auf Vergütung der Energieabgaben bei der belangten Behörde eingereicht.

Dieser Antrag wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom negativ entschieden und in weiterer Folge mit Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom als unbegründet abgewiesen.

Mit Datum wurde ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens bei der belangten Behörde eingereicht, da nunmehr der Europäische Gerichtshof anders entschieden hätte ().

Die Beschwerdeführerin weist selbst darauf hin, dass nach der bisherigen Rechtsprechung ein neues EuGH Urteil keinen Wiederaufnahmegrund darstellt (mangelnde Parteienidentität).
Allerdings würde in gegenständlichem Fall eine Wiederaufnahme in verfassungskonformer Interpretation zulässig sein (unionsrechtswidrige Interpretationsweise des § 303 BAO).

Nicht strittig ist gegenständlich, dass es sich beim Betrieb der Beschwerdeführerin um keinen sog. „Produktionsbetrieb“ handelt. Dies ist aber in Bezug auf das Verfahren betreffend Wiederaufnahme nicht von Relevanz.

B) Beweiswürdigung:

Der Antrag auf Vergütung der Energieabgaben für 2011 datiert vom . Mit Bescheid vom wurde diesem Antrag seitens der belangten Behörde nicht gefolgt.
Im anschließenden Rechtsmittelverfahren hat der Unabhängige Finanzsenat die diesbezüglich eingebrachte Berufung als unbegründet abgewiesen ().
Dieser Bescheid erwuchs unstrittig in Rechtskraft.

Erst am wurde ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens bei der belangten Behörde eingereicht. Eine Wiederaufnahme sei unter Verweis auf ein EuGH Verfahren zulässig.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom abgewiesen.

Mit Eingabe vom wurde innerhalb der verlängerten Rechtsmittelfrist gegen diesen Bescheid Beschwerde erhoben.

Die diesbezügliche Beschwerde beruft sich hier ebenfalls wiederum auf ein abgeschlossenen EuGH-Verfahren () bzw. auf ein noch offenes VwGH-Verfahren mit angeschlossenem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH (der Verwaltungsgerichtshof hat die Amtsrevision abermals dem EuGH vorgelegt – , C-585/17).
Zum heutigen Zeitpunkt liegt diesem Ersuchen noch keine Antwort vor.

C) Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. c BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Tatsachen sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände; also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, Wien 2017, § 303, Tz 21 und die dort zitierte Judikatur).

Keine Wiederaufnahmegründe (keine Tatsachen) sind u.a. höchstgerichtliche Erkenntnisse, wie etwa EuGH-Entscheidungen oder Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, Wien 2017, § 303, Tz 23 und die dort zitierte Judikatur).

EuGH-Entscheidungen sind keine Wiederaufnahmegründe der entschiedenen Vorfrage (vgl. G 5/09 u.a.; vgl. ; ; ; ).
Nicht zuletzt wegen mangelnder Parteienidentität sind Vorabentscheidungen (Art 267 AEUV) daher keine Wiederaufnahmegründe für Verfahren anderer (als des "Anlassverfahrens") Parteien (z. B. Tumpel/Gaedke, ; BMF, ÖStZ 2002, 94; Ehrke, ÖStZ 2002, 296; EStR 2000, Rz 7377i; BMF, AÖF 2006/192, Abschn 1.4; aM Fraberger/Schwarz, ecolex 1998, 166ff; Althuber, Rechtsschutz, Tz 221; Beiser, ).
Ebenso wenig sind VwGH-Entscheidungen, die wegen des Vorranges von Unionsrecht eine nationale Vorschrift für unanwendbar beurteilen, für Verfahren anderer Parteien als Wiederaufnahmegründe anzusehen (Ritz, Bundesabgabenordnung, Kommentar, Wien 2017, § 303, Tz 40 und ).

Unter Bedachtnahme auf die dargestellte Rechtslage konnte der Beschwerde aus nachstehenden Erwägungen kein Erfolg beschieden sein:

Da demnach das , Rs "Dilly´s Wellnesshotel GmbH", auf das die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stützt, nach der herrschenden Rechtsauffassung keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund darstellt, konnte der Beschwerde keine Erfolg beschieden sein.

Überdies hat der Unabhängige Finanzsenat im vorliegenden Fall bezüglich des Antrages vom auf Vergütung der Energieabgaben bereits mit Entscheidung vom , RV/1007-L/12 entschieden.
Demnach liegt in gegenständlicher Sache jedenfalls res judicata vor.

Richtig ist, dass gegen das BFG-Erkenntnis vom eine Amtsrevision beim VwGH anhängig ist.
Ein Grund für eine Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens kann darin allerdings nicht erkannt werden. In oben genannter Revision geht es um die Vergütung von Energieabgaben. In der hier zu beurteilenden Sache geht es allerdings um die Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Verfahrens.

Zum erwähnten VfGH Erkenntnis betreffend Wiederaufnahme ist anzumerken, dass es in diesem Erkenntnis darum gegangen ist, dass eine Wiederaufnahme dann zulässig sein sollte, wenn die gleiche Behörde in einem anderen Jahr anders entschieden hat (Anmerkung Richter: eine „quasi“-Vorfrage). Der gleiche Steuerpflichtige sollte auch in einem anderen Jahr gleich behandelt werden wie zum Beispiel in der konkreten Vorfrage. Gegenständlich handelt es sich allerdings um einen anderen Steuerpflichtigen – es liegt demnach keine Vorfrage vor.

Auch der Darstellung, dass in unionsrechtskonformer Interpretationsweise der Wiederaufnahme stattzugeben wäre, kann nicht gefolgt werden. Die Regelung der Wiederaufnahme im Gesetz der BAO lässt keine unionsrechtswidrige Gestaltung erkennen; demnach wird auch nicht beabsichtigt, allenfalls ein Vorabentscheidungsverfahren in Gang zu setzen, welches im Übrigen für Verwaltungsgerichte nicht verpflichten ist.

D) Revision:

Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die Entscheidung in der Streitfrage, ob ein EuGH-Urteil einen tauglichen Wiederaufnahmegrund darstellt, auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stützt (vgl. insbesondere ), ist die Revision nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 267 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100497.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at