Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.02.2019, RV/5101166/2016

Besteuerungsrecht bei Doppelwohnsitz in China und Österreich aufgrund des Mittelpunktes des Lebensinteresses

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter in der Beschwerdesache über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Darstellung des verwaltungsbehördlichen Verfahrens:

Aufgrund der elektronischen Abgabenerklärung für die Arbeitnehmerveranlagung 2013 vom erstellte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2013 datiert vom , beim steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers eingelangt am .

Darin wich das Finanzamt insoweit von der Abgabenerklärung ab, als € 171.270,38 als ausländische Einkünfte mit Progressionsvorbehalt angesetzt wurden, um einen Durchschnittssteuersatz von 45,93 % zu errechnen.

Gegen diesen Bescheid wandte sich der Beschwerdeführer mit Beschwerde vom , beim Finanzamt per Post eingelangt am und begehrte die oben genannten € 171.270,38 an ausländischen Einkünften bei der Berechnung der Einkommensteuer 2013 nicht anzusetzen.

Der Beschwerdeführer sei im Veranlagungsjahr vom 1. Jänner bis gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA Österreich/China in China ansässig gewesen, weswegen Österreich kein Besteuerungsrecht für die dort erzielten Einkünfte habe. Er sei von seinem österreichischen Arbeitgeber vom bis zum nach China entsandt worden. In Österreich habe er zwar seine Wohnung beibehalten, doch in China einen Wohnsitz zur Dienstverrichtung begründet. Da sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers für die Dauer der befristeten Entsendung nach China verlagerte habe, sei China entsprechend des Doppelbesteuerungsabkommens Ansässigkeitsstaat und habe damit das Besteuerungsrecht auf sein gesamtes Welteinkommen (für diesen Zeitraum). Mit dem Ende der Entsendung habe sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers wieder nach Österreich verlagert.

Die Beschwerdevorentscheidung datiert folgte das Finanzamt weitgehend dem Begehren des Beschwerdeführers, setzte aber weiterhin € 18.318,22 an ausländischen Einkünften für die Berechnung des Durchschnittssteuersatzes an, ohne dies weiter zu begründen.

Der als "Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2013, der Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 BAO " (Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961) bezeichnete Antrag auf Vorlage an das Bundesfinanzgericht gemäß § 264 Abs. 1 BAO begehrte auch die € 18.318,22 an ausländischen Einkünften, welche das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung als progressionsrelevant angesetzt hatte, bei der Berechnung der Steuer des Beschwerdeführers außer Acht zu lassen. Der Beschwerdeführer sei am Zeitraum vom bis in China ansässig gewesen. Ab September 2013 habe er sich wieder in Österreich aufgehalten und liege das Besteuerungsrecht ab diesem Zeitpunkt in Österreich. Entsprechende berichtigte Lohnzettel seien mit der Abgabenerklärung eingereicht erreicht worden und € 152.952,16, welche der Beschwerdeführer in China bezogen habe, von der österreichischen Besteuerung (vollständig) freizustellen und auch nicht für einen Progressionsvorbehalt zu berücksichtigen. Beigelegt war ein berichtigter Auslandslohnzettel und der Beitragsgrundlagennachweis für das Jahr 2013.

Beweiswürdigung und sich daraus ergebender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer hat sich im Auftrag seines Arbeitgebers vom bis in China aufgehalten und dort einen Wohnsitz begründet. Die österreichische Wohnung hat er beibehalten, jedoch lag nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Verfahrensparteien der Mittelpunkt des Lebensinteresses des Beschwerdeführers während der genannten Zeit in China. Ab September 2013 befand sich der Beschwerdeführer wieder in Österreich und lag hier seit diesem Zeitpunkt der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen.

Nach den vorgelegten, vom Finanzamt nicht in Zweifel gezogenen Unterlagen, über die ausländischen und inländischen nichtselbstständiger Einkünfte des Beschwerdeführers betrugen die inländischen steuerpflichtigen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit € 68.942,82, die in Österreich nicht steuerbaren Einkünfte aus China € 152.982,16.

Rechtslage und rechtliche Erwägungen:

Nach § 1 Abs. 1 und 2 EStG  1988 (Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988) sind in Österreich natürliche Personen unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Das Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom , BGBl 1992/679, AÖF 1992/343 (DBA China) sieht in Artikel 4 Abs. 1 vor, dass als eine in einem Vertragsstaat ansässige Person eine Person anzusehen ist, die nach dem Recht des Vertragsstaats dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihres Hauptsitzsitzes, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder des anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist.

Art. 4 Abs. 2 DBA China legt fest, dass, wenn eine Person in beiden Vertragsstaaten im Sinne des Art. 4 Abs. 1 DBA China ansässig sein sollte, die Person als in dem Vertragsstaat ansässig gilt, indem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt sie im beiden Vertragsstaaten über die ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragsstaat ansässig, zudem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).

Nach Art. 15 Abs. 1 DBA China dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen (abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen), die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbstständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Vertragsstaat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Vertragsstaat besteuert werden.

Wendet man diese Regeln auf dem Fall des Beschwerdeführers an, so zeigt sich das nach § 1 Abs. 1 und 2 EStG 1988 ein Besteuerungsrecht Österreichs auf das gesamte Welteinkommens des Beschwerdeführers bejaht werden müsste, da dieser immer über eine Wohnung und damit einen Wohnsitz in Österreich verfügt hat.

Doppelbesteuerungsabkommen dienen dazu, bei internationalen Steuersachverhalten aufgrund der unterschiedlichen Steuerrechtssysteme der betroffenen Staaten Doppel- oder Doppelnichtbesteuerung zu verhindern. Dies geschieht oft dadurch, dass für bestimmte Sachverhalte einem der betroffenen Staaten ein Besteuerungsrecht zugesprochen wird. Als Spezialnormen gehen die Doppelbesteuerungsabkommen dem § 1 Abs. 1 und 2 EStG 1988 vor.

Berücksichtigt man nun Art. 4 Abs. 1 und 2 DBA China zeigt sich das der Beschwerdeführer bis Ende August 2013 über einen Doppelwohnsitz in China und Österreich verfügte. Da sich jedoch die Arbeitsstätte und das gesamte Lebensumfeld des Beschwerdeführers zu dieser Zeit in China befand, sind die Verfahrensparteien übereinstimmend davon ausgegangen, dass sich der Mittelpunkt des Lebensinteresses des Beschwerdeführers bis Ende August 2013 in China und danach aufgrund der Übersiedlung in Österreich befunden hat. Damit ist das Besteuerungsrecht in den Einkünften des Beschwerdeführers aus nichtselbstständiger Arbeit im Jahr 2013 zweigeteilt. Im Zeitraum vom 1. Januar bis steht das unbeschränkte Besteuerungsrecht China und ab 1. September bis Österreich zu.

Die vorgelegten Aktenteile lassen keinen Zweifel an der Richtigkeit der vom Beschwerdeführer vorgenommene Aufteilung der inländischen steuerpflichtigen und ausländischen nicht steuerbaren chinesischen Einkünfte zu. Die Zuordnung der Höhe dieser Einkünfte wurde vom Finanzamt auch nicht bestritten. Vielmehr ergibt sich aus den Berechnungsgrundlagen im Akt des Finanzamtes und auch einem handschriftlichen Aktenvermerk auf dem Beschwerdeschreiben, dass es eigentlich die Absicht des Finanzamtes war, der Beschwerde vollständig stattzugeben. Dies ist, soweit ersichtlich, aus im Nachhinein nicht mehr eindeutig nachvollziehbaren technischen Gründen bei der Bescheiderstellung unterblieben.

Unterliegen die in China erzielten nichtselbstständigen Einkünfte des Beschwerdeführers im Jahr 2013 nicht dem österreichischen Besteuerungsrecht, können diese nach Art. 4 Abs. 1 und 2 DBA China auch nicht im Wege des Progressionsvorbehalts zur Berechnung der österreichischen Tarifsteuer nach § 33 EStG 1988 herangezogen werden und war dementsprechend der Beschwerde stattzugeben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Dieses Erkenntnis folgt einerseits dem oben zitierten Gesetzeswortlaut und andererseits jenem des Doppelbesteuerungsabkommens mit China (siehe oben). Auch die Einkommensteuerrichtlinien 2000 Folgen der hier vertretenen Rechtsansicht in der Rz. 7597. Es wurden daher keine Rechtsfragen berührt, deren Bedeutung über die Entscheidung des konkreten Falles hinausgehen, weswegen eine Revision gegen dieses Erkenntnis unzulässig ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 4 Abs. 2 DBA RC (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen China (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 679/1992
Art. 15 Abs. 1 DBA RC (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen China (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 679/1992
§ 33 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Zitiert/besprochen in
Oberrader in BFGjournal 2020, 151
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5101166.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at