Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 08.04.2019, RV/7105136/2014

Einstellung des Beschwerdeverfahrens bei Überlassung an Zahlungs statt

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Markus Knechtl LL.M. in der Beschwerdesache Verlassenschaft nach VN_NN gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 vom wegen Zurückweisung der Anträge auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2012 und 2013 zur Steuernummer 09-1**/**** beschlossen:

I. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensablauf / Sachverhaltsdarstellung

Am langte bei dem Finanzamt Wien 1/23 (belangte Behörde) über FinanzOnline eine Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2012 ein.

Am langte bei der belangten Behörde in Papierform eine Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2013 ein.  Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen wurden keine geltend gemacht. Es wurde lediglich angegeben, dass im Veranlagungszeitraum eine bezugsauszahlende Stelle vorlag. Neben dem Familiennamen findet sich der Hinweis "gestorben Datum1". Auf der letzten Seite wurde im Kästchen "Steuerliche Vertretung" der Name und die Kontaktdaten eines Wirtschaftstreuhänders eingetragen. Daneben findet sich eine eigenhändige Unterschrift mit Beifügung des Datums "".

Am  verfasste die belangte Behörde ein Ersuchen um Ergänzung mit nachfolgendem Inhalt, das an die Verlassenschaft nach VV_NN, zH des steuerlichen Vertreters adressiert ist:
"Sie werden ersucht eine Einantwortungsurkunde nach verst. VN_NN dem Finanzamt vorzulegen. Sollte eine Einantwortung (noch) nicht erfolgt sein, ist ein Beschluss des Verlassenschaftsgerichtes vorzulegen aus dem zu ersehen ist wer berechtigt ist die Arbeitnehmerveranlagung durchzuführen und wer über Guthaben, die aus der Veranlagung entstehen verfügen darf."

Am langte die vom einschreitenden steuerlichen Vertreter verfasste Antwort samt Beilage bei der belangten Behörde ein. Beigelegt war ein Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom Datum2, wonach die Verlassenschaft nach VV_NN überschuldet sei und im Sinne des Antrages vom Datum3 die Aktiven der überschuldeten Verlassenschaft dem Bruder des Verstorbenen überlassen werden und dieser ermächtigt werde, darüber zu verfügen.

Am erließ die belangte Behörde für das Jahr 2012 einen Bescheid, mit dem der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung zurückgewiesen wurden. Die Begründung lautet wie folgt:
"Aus den vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass das Verlassenschaftsgericht niemandem die Gesamtrechtsnachfolge nach VV_NN eingeräumt hat. Auch keine Unterlagen sind vorhanden aus denen zu ersehen wäre, dass das Verlassenschaftsgericht jemandem das Recht übertragen hätte die Arbeitnehmerveranlagung im Finanzamt zu beantragen. Mangels Antragslegitimation kann daher eine Arbeitnehmerveranlagung nicht durchgeführt werden. Der Antrag ist daher zurückzuweisen."

Für das Jahr 2013 erließ die belangte Behörde am selben Tag einen Bescheid, mit dem der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2013 abgewiesen wurde. Die Begründung ist ident mit der zurückweisenden Erledigung für 2012.

Beide Erledigungen weisen folgenden Adressaten auf:
"Ing Verl n VV_NN
z.H. Dkfm Vertreter
Adr_Vertreter
Ort_Vertreter
"

Am langte bei der belangte Behörde jeweils eine für das Jahr 2012 und für das Jahr 2013 vom einschreitenden steuerlichen Vertreter verfasste Beschwerde mit folgendem Inhalt ein:
"Betrifft: Ing.Verl n VV_NN, St.Nr. 09 1**/****

Vorgang: Bescheid [Anm: Jahr] - Beschwerde

Sehr geehrte Damen und Herren!

Mit o.a.Bescheid haben Sie den Antrag vom [Anm: Antragsdatum] auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr [Anm: Jahr] zurückgewiesen, weil, wie Ihrer Begründung zu entnehmen ist, das Verlassenschaftsgericht niemandem die Gesamtrechtsnachfolge nach VV_NN eingeräumt hat.

Im Namen und Auftrage meiner Mandantschaft bringe ich gegen o.a. Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde ein und stelle den Antrag, eine erklärungsgemäße Veranlagung durchzuführen.

Die Gesamtrechtsnachfolge oder Universalsukzession ist nicht auf eine einzelne rechtliche Position beschränkt, sondern betrifft den Eintritt des Gesamtrechtsnachfolgers in die Rechtsposition des Rechtsvorgängers. Der Rechtsnachfolger tritt in alle Rechte und Pflichten seines Vorgängers ein.

Die Einzelrechtsnachfolge oder Singularsukzession ist die Rechtsnachfolge hinsichtlich eines bestimmten einzelnen Gegenstandes oder Rechtes.

Aus dem Beschluss des Bezirksgerichtes Liesing vom Datum2 für Verlassenschaftssache VV_NN geht ganz klar hervor, dass vom erblichen Bruder lng. AB sämtliche Aktiva und Passiva, per Saldo bleibt eine Überschuldung von € 8.332,33, übernommen wurden.

Im Sinne des Antrages vom Datum3 wurden die Aktiven der überschuldeten Verlassenschaft dem erblichen Bruder gegen Bezahlung der angeführten Passiva gemäß § 155 AußStrG an Zahlungs Statt überlassen.

In der Begründung des Beschlusses wird ausdrücklich erwähnt, dass sämtliche von den §§ 154 und 155 AußStrG geforderten Voraussetzungen für eine Überlassung an Zahlungs Statt gegeben sind.
Zur Information sei noch darauf hingewiesen, dass sich für 2012 eine Nachforderung von € 366,-- hingegen für 2013 eine Gutschrift von € 822,73 ergeben würde."

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom hat die belangte Behörde die Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Beide Erledigungen weisen denselben Bescheidadressaten auf wie die angefochtenen Bescheide. Die Beschwerdevorentscheidungen enthalten folgende Begründung:
"Aus dem Beschluß des Bezirksgerichtes Liesing vom Datum2 in der Verlassenschaftssache VV_NN geht hervor, dass vom erblichen Bruder sämtliche Aktiva und Passiva (Überschuldung EUR 8 332,33) an Zahlungs statt überlassen werden. In diesem Beschluß sind die, dem Verlassenschaftsgericht  bekannten Aktiva und Passiva aufgelistet. Nur an diesen Vermögenswerten ist für den erblichen Bruder eine Einzelrechtsnachfolge entstanden. Durch die Einkommensteuererklärung 2012 und 2013 würde ein zusätzliches Guthaben entstehen. Trotz 
Aufforderung ist innerhalb angemessener Frist kein Nachweis vorgelegt worden, dass der Umstand, weiterer Steuergutschriften dem Verlassenschaftsgericht mitgeteilt worden wäre und um eine Erteilung einer Antragslegitimation für die Veranlagung 2012 ersucht worden ist. Die bisher gestellten Veranlagungsanträge sind daher zurecht zurückgewiesen worden. Die Berufung ist abzuweisen. Diese Erledigung erfolgte trotz offener Frist zur Beantwortung eines offenen Fragevorhaltes zur Verfahrensbeschleunigung. Falls eine Antragslegitimation erwirkt wird, kann innerhalb der gesetzlichen Frist ein Neuantrag erfolgen.
"

Vorlageantrag

Am langte bei der belangten Behörde je ein Vorlageantrag für 2012 und für 2013 ein, der vom einschreitenden steuerlichen Vertreter verfasst wurde. Der Antrag lautet:
"Mit Beschwerdevorentscheidung vom 20.10., zugestellt am 22.10., wurde unter Hinweis auf die bescheidmäßige Begründung die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid [Anm: Jahr] vom 04.08. abgewiesen.

Im Namen und Auftrage meines Mandanten stelle ich den Antrag, dieses Rechtsmittel der II. Instanz (Bundesfinanzgericht) zur Entscheidung vorzulegen sowie eine eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Vorlagebericht 

Im Anschluss daran wurden die Beschwerdeakten dem Bundesfinanzgericht vorgelegt und vom Finanzamt als belangter Behörde im Vorlagebericht angeführt, dass strittig wäre, ob eine Veranlagung durchzuführen ist, obwohl keine Person antragslegitimiert sei. Verwiesen wurde darauf, dass es durch die Überlassung an Zahlungs statt zu keiner Gesamtrechtsnachfolge komme. Nur für einzelne (konkrete) Vermögensobjekte, die mit Gerichtsbeschluss überlassen werden, trete eine Einzelrechtsnachfolge ein. Derjenige, dem das Gericht auf Antrag bestimmte Vermögensbestandteile überträgt (§ 153 Abs. 2 AußStrG) oder an Zahlungs statt überlässt (§ 154 Abs. 1 AußStrG), werde insoweit zum Einzelrechtsnachfolger und wirtschaftlichen Eigentümer im Sinn des § 24 Abs. 1 lit. d BAO. Lediglich über die betreffenden, im Gerichtsbeschluss genannten Vermögensgegenstände könne durch den laut Gerichtsbeschluss Berechtigten verfügt werden. Daher hat die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde die gegenständliche Beschwerde der Gerichtsabteilung 1059 zugewiesen.

Mitteilung

Mit Schreiben vom hat das Bundesfinanzgericht dem steuerlichen Vertreter, welcher die Beschwerde eingebracht hatte, mitgeteilt, dass im Falle der Einstellung des Beschwerdeverfahrens mangels Gesamtrechtsnachfolge keine Zustellung des Beschlusses oder einer Mitteilung an einen einschreitenden steuerlichen Vertreter vorgesehen ist, zumal es keine Möglichkeit gibt, einer vertretungslosen Verlassenschaft Rechtsmittelerledigungen zuzustellen.
Eine Äußerung des steuerlichen Vertreters ist unterblieben.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Ing. VV_NN ist am Datum1 verstorben. Mit Beschluss des Verlassenschaftsgerichts vom Datum2 wurden die Aktiva der Verlassenschaft, die genau aufgeführt sind, dem Bruder des Verstorbenen an Zahlungs statt überlassen. In der Auflistung der Aktiva ist kein Guthaben bei der belangten Behörde angeführt. Es besteht auch kein Guthaben bei der belangten Behörde.

Der Antrag zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2012 wurde über FinanzOnline unter Bezugnahme der Steuernummer der Verlassenschaft übermittelt. Der Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2013 wurde in Papierform gestellt, wobei als Antragsteller der Verstorbene genannt ist. Die Erklärungen wurden von einem steuerlichen Vertreter, der auch der steuerliche Vertreter des Verstorbenen war, eingereicht.

Sämtliche Erledigungen weisen folgende Adressierung auf:
Ing Verl n VV_NN
z.H. Dkfm Vertreter
Adr_Vertreter
Ort_Vertreter

Eine für die Verlassenschaft vertretungsbefugte Person konnte nicht gefunden werden.

Beweiswürdigung

Aus dem Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom geht hervor, dass Ing. VV_NN am Datum1 verstorben ist und die Verlassenschaft mit € 8.332,33 überschuldet ist. Das Aktivvermögen und die Passiva (Kosten in Zusammenhang mit der Beerdigung) sind im Beschluss genau aufgelistet. Das Aktivvermögen setzt sich aus Guthaben bei Sozialversicherungsträgern (Pensionsversicherungsanstalt, Gebietskrankenkasse), Wertpapierbeständen und Bankguthaben zusammen. Diese Aktiva wurden dem Bruder des Verstorbenen, Ing. AB an Zahlungs statt überlassen. Ein - allfälliges - Guthaben beim Finanzamt Wien 1/23 ist im Beschluss über die Überlassung an Zahlungs statt nicht angeführt.

Ein Einantwortungsbeschluss wurde nicht vorgelegt. Es wurden auch keine anderen Unterlagen vorgelegt, aus denen ersichtlich wäre, wer zur Vertretung der Verlassenschaft berechtigt ist.

Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten, zu denen auch ein Ausdruck der über FinanzOnline übermittelten Steuererklärung für 2012 und die in Papierform übermittelte Steuererklärung für 2013 gehören. Das Antwortschreiben des steuerlichen Vertreters vom weist dieselbe eigenhändige Unterschrift auf wie auch die Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2013.

Rechtsgrundlagen

§ 79 BAO lautet:

§ 79. Für die Rechts- und Handlungsfähigkeit gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. § 2 Zivilprozeßordnung ist sinngemäß anzuwenden.

§ 80 BAO lautet:

2. Vertreter.

§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

(2) Steht eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens oder deren gesetzlichen Vertretern zu, so haben die Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht, die im Abs. 1 bezeichneten Pflichten und Befugnisse.

(3) Vertreter (Abs. 1) der aufgelösten Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.

§ 82 BAO lautet:

§ 82. (1) Soll gegen eine nicht voll handlungsfähige Person, die eines gesetzlichen Vertreters entbehrt, oder gegen eine Person, deren Aufenthalt unbekannt ist, eine Amtshandlung vorgenommen werden, so kann die Abgabenbehörde, wenn die Wichtigkeit der Sache es erfordert, auf Kosten des zu Vertretenden die Betrauung eines gesetzlichen Vertreters (§ 1034 ABGB) beim zuständigen Gericht (§ 109 Jurisdiktionsnorm) beantragen.

(2) Ist zweifelhaft, wer zur Vertretung einer Verlassenschaft befugt ist, oder wer beim Wegfall einer juristischen Person oder eines dieser ähnlichen Gebildes oder eines sonst verbleibenden Vermögens vertretungsbefugt ist, gilt Abs. 1 sinngemäß.

§ 154 AußStrG idF BGBl I 58/2010 lautet:

Überlassung an Zahlungs statt

§ 154. (1) Das Gericht hat die Aktiven einer überschuldeten Verlassenschaft auf Antrag den Gläubigern zu überlassen, wenn nicht schon eine unbedingte Erbantrittserklärung oder ein Antrag auf Überlassung als erblos vorliegt und kein Verlassenschaftsinsolvenzverfahren eröffnet wurde.

(2) Das Vermögen ist zu verteilen:
1. zunächst in sinngemäßer Anwendung der §§ 46 und 47 IO;
2. sodann an den Sachwalter des Verstorbenen, soweit ihm für das letzte Jahr Beträge zuerkannt wurden;
3. schließlich an alle übrigen Gläubiger, jeweils im Verhältnis der Höhe ihrer unbestrittenen oder durch unbedenkliche Urkunden bescheinigten Forderungen.

Rechtliche Erwägungen

Gemäß § 79 BAO gelten für die Rechts- und Handlungsfähigkeit (hier betreffend den Nachlass und nach Einantwortung betreffend die Erben) die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes; § 2 Zivilprozessordnung ist sinngemäß anzuwenden. Die Rechtsfähigkeit von natürlichen Personen endet mit dem Tod (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 79 Anm 7).

Für den Zeitraum zwischen dem Tod des Verstorbenen und der Einantwortung kennt das bürgerliche Recht die Rechtsfigur des ruhenden Nachlasses (§ 531 ABGB - hereditas iacens). Da gemäß § 79 BAO im Abgaben(verfahrens-)recht für die Rechts- und Handlungsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts gelten, ist der ruhende Nachlass beispielsweise auch Adressat von Bescheiden (vgl. etwa ; ; ).

Somit ist ein Bescheid nach dem Tod des Erblassers über eine in dessen Person entstandene Abgabenschuld vor der Einantwortung an die Verlassenschaft (vertreten durch den Verlassenschaftskurator, Erbenmachthaber oder den bzw. die erbserklärten Erben) und nach der Einantwortung an die Erben als Rechtsnachfolger zu richten (; Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 19 Anm 8).

Als Verlassenschaftsverfahren bezeichnet das Gesetz alle Verfahren, die sich mit der rechtlichen Abwicklung des Nachlasses befassen. Dazu zählen neben der Verlassenschaftsabhandlung auch alle Verfahren, in denen es nicht zu einer Einantwortung kommt (kein ausreichendes Vermögen, überschuldetes Vermögen, Fehlen der inländischen Abhandlungsgerichtsbarkeit oder erblose Verlassenschaft - vgl Bittner, Außerstreitgesetz2 (2012) Vor § 143 Rz 1). Die Bestimmungen über die eigentliche Verlassenschaftsabhandlung beginne mit der Vertretungsvorsorge, die in § 156 AußStrG geregelt ist. Davor finden sich die Bestimmungen über das Vorverfahren. Zu diesem Vorverfahren gehört auch die Überlassung an Zahlungs statt (§ 154 und § 155 AußStrG).

Vor der Annahme durch den Erben wird die Verlassenschaft so betrachtet, als wenn sie noch vom Verstorbenen besessen würde. Die überwiegende Lehre definiert den Nachlass als juristische Person (Koziol/Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I14 Tz 246;Sprohar/Heimlichin Fenyves/Kerschner/VonkilchABGB 3 [ Klang] § 547 aF Rz 3 mwN; vgl auch Grabner/Wiesner in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 1 Anm 2). Der ruhende Nachlass soll als Rechtssubjekt die Zeitspanne zwischen dem Erbfall und der Einantwortung überbrücken (Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 Rz 7).

Der ruhende Nachlass verliert seine Rechtspersönlichkeit erst mit der Einantwortung. Konsequenterweise besteht er dann weiter, wenn eine Einantwortung nicht stattgefunden hat (Obermaier, Zum Unterbleiben der Verlassenschaftsabhandlung, ÖJZ 2008/15).

Als juristische Person bedarf es eines Vertreters, der für diese juristische Person (Verlassenschaft) handelt. Solche Vertreter können ein Verlassenschaftskurator, Erbenmachthaber oder der bzw. die erbserklärten Erben sein. Mit der Bestellung des Verlassenschaftskurators enden die Rechte der präsumtiven oder erbantrittserklärten Erben nach § 810 ABGB (Spruzina in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 810 Rz 11). Die „Antretung der Erbschaft ", die Erbantrittserklärung, ist gegenüber dem Gerichtskommissär abzugeben (§ 157 Abs 1 AußStrG - Bittner, Außerstreitgesetz2 (2012) § 171 Rz 8).
Weder aus dem Beschluss des Bezirksgerichtes Liesing noch aus den Eingaben des steuerlichen Vertreters ist ersichtlich, dass der Bruder des Verstorbenen oder eine andere Person eine Erbserklärung (Erklärung einer erbberechtigten Person, eine Erbschaft anzunehmen, wobei zwischen bedingter und unbedingter Erbserklärung unterschieden wird) abgegeben hätte. Vielmehr lässt sich aus dem Beschluss, mit dem die Aktiva an Zahlungs statt überlassen wurden, ableiten, dass gerade keine Erbserklärungen abgegeben wurden und das Verlassenschaftsverfahren mit der Überlassung an Zahlungs statt beendet wurde. Hat kein Erbe eine Erbserklärung abgegeben, kann die in § 810 ABGB vorgesehene Vertretungsfunktion nicht ausgeübt werden. Es wurde auch keine Amtsbestätigung gem § 172 AußStrG vorgelegt, obwohl das Finanzamt mehrfach um Nachweise zur Antragslegitimation ersucht hatte.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein Verlassenschaftskurator oder Erbenmachthaber (eine Person, die von einem Erben mit der Vertretung im Rahmen der Verlassenschaftsabhandlung betraut ist) bestellt worden wäre.  

Der Beschluss über die Überlassung an Zahlungs statt stellt einen materiell-rechtlichen Erwerbstitel dar. Er stellt aber keinen Erwerbstitel für die Erbschaft selbst, sondern nur für die im Beschluss bezeichneten einzelnen Bestandteile dar und führt zur Einzelrechtsnachfolge ; der Zustand des ruhenden Nachlasses bleibt im Übrigen erhalten (Nemeth in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 (2012), §§ 798-798a Rz 5; Spruzina in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 798 Rz 2). Allerdings wirkt die Überlassung an Zahlungs statt verfahrensbeendend (Obermaier, Zum Unterbleiben der Verlassenschaftsabhandlung, ÖJZ 2008/15).
Wurden jemanden Vermögensgegenstände überlassen (zB ein bereits bestehendes Abgabenguthaben), so ist dem Berechtigten  zwar das im Überlassungsbeschluss ausgewiesene Aktivum (zB Abgabenguthaben) auszuzahlen, er ist aber nicht berechtigt, durch Abgabe einer Erklärung auf Arbeitnehmerveranlagung nach dem Erblasser quasi ein Guthaben zu schaffen (UFS Wien , RV/1877-W/09).

In Anwendung der oben ausgeführten gesetzlichen Bestimmungen auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt sich, dass mangels Einantwortung keine Gesamtrechtsnachfolge vorliegt, sodass keine Rechte oder Pflichten, vor allem nicht verfahrensrechtliche Rechtspositionen, wie das Recht zur Erhebung einer Beschwerde übergegangen sind.

Gibt es jedoch keinen Vertreter der juristischen Person "ruhender Nachlass", der für diese Person rechtsgeschäftliche Handlungen vornehmen kann, kann es auch niemanden geben, der für die juristische Person einen Bescheid oder eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichts entgegen nehmen kann. Ohne einen Vertreter für die Verlassenschaft erscheint auch eine gewillkürte Vertretung durch einen Wirtschaftstreuhänder nicht denkbar, weil die Bevollmächtigung durch den Vertreter der Verlassenschaft erfolgen müsste. Wegen der fehlenden Möglichkeit , eine Rechtsmittelentscheidung einer vertretungslosen Verlassenschaft zuzustellen, kann eine solche durch das Gericht auch nicht wirksam erlassen werden. Ein noch anhängiges Beschwerdeverfahren kann nur eingestellt werden. Dies hat zur Konsequenz, dass eine Erledigung des Bundesfinanzgerichts nur an die Abgabenbehörde zugestellt werden kann. Auch eine mündliche Verhandlung kann nicht stattfinden, weil die Verlassenschaft - mangels Vertreter - nicht geladen werden kann und es niemanden gibt, der für die Verlassenschaft Erklärungen abgeben kann.

Gemäß § 82 Abs 1 BAO kann die Abgabenbehörde, wenn die Wichtigkeit der Sache es erfordert, auf Kosten des zu Vertretenden (die Verlassenschaft) die Betrauung eines gesetzlichen Vertreters (§ 1034 ABGB) beim zuständigen Gericht (§ 109 Jurisdiktionsnorm) beantragen. Dasselbe gilt sinngemäß, wenn zweifelhaft ist, wer zur Vertretung einer Verlassenschaft befugt ist (§ 82 Abs 2 BAO). Gemäß § 269 BAO haben im Beschwerdeverfahren die Verwaltungsgerichte die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind.

Ein an eine "Verlassenschaft " gerichteter Bescheid wird nicht wirksam, wenn er einer Person zugestellt wird, die erst NACH dem Zustelltag vom Gericht zur Vertretung der Verlassenschaft (§ 810 ABGB) ermächtigt wird. In diesem Fall ist auch eine rückwirkende Sanierung des unterlaufenen Fehlers bei der Bescheidadressierung ausgeschlossen (). Auf den gegenständlichen Beschwerdefall bezogen bedeutet dies, dass die Erledigungen des Finanzamtes Wien 1/23 gar nicht wirksam wurden, weil es keine Person gab, welche berechtigt war, die Verlassenschaft zu vertreten.

Nach Bestellung eines Verlassenschaftskurators (auf Kosten der Verlassenschaft) könnte die Rechtsmittelerledigung zwar wirksam der Verlassenschaft zugestellt werden. Allerdings führt die Bestellung eines Verlassenschaftskurators nicht dazu, dass die bislang erstellten Erledigungen (Abweisungsbescheid, Zurückweisungsbescheid, Beschwerdevorentscheidungen) als zugestellt gelten würden. Die Bestellung eines Verlassenschaftskurators würde nur vermeidbare Kosten und hohen Verwaltungsaufwand verursachen, weshalb von einem Antrag auf Bestellung mangels Erforderlichkeit Abstand genommen wird.

Das Beschwerdeverfahren war einzustellen. Dieser Beschluss kann daher rechtswirksam nur an die Amtsp­artei ergehen, weil aus den bereits genannten Gründen an die Verlassenschaft ohne Bestellung eines Verlassenschaftskurators nicht zugestellt werden könnte und das Bundesfinanzgericht eine derartige Bestellung nicht als geboten erachtet.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht folgt der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, es liegt daher kein Grund für eine Revisionszulassung vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 79 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 82 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 154 AußStrG, Außerstreitgesetz, BGBl. I Nr. 111/2003
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7105136.2014

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at