Über Erwerbstätigkeit der Bf. in Österreich vermittelter vorrangiger Anspruch auf Familienleistungen für die in Rumänien wohnhafte Kindesgroßmutter (laut EuGH-Urteil "Tomislaw Trapkowski")
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Ausgleichs-/Differenzzahlung für die Kinder nn x sowie mm x ab dem - auf Grund Nichtfestlegung eines Endzeitpunktes - für den Zeitraum vom bis zum zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Eingabe vom stellte die, die rumänische Staatsbürgerschaft besitzende, seit dem Oktober 2017 in Österreich wohnhafte und seit diesem Zeitpunkt ebenda nichtselbständig erwerbstätige Bf. den Antrag auf Ausgleichszahlung für ihre beiden in den Jahren 1 bzw. 2 geborenen Kinder. Den Angaben der Bf. gemäß sind die Kinder im, in Rumänien domizilierten Haushalt der Mutter der Bf. wohnhaft und besuchen in vorgenanntem Staat die Schule. Als Ergebnis eines Vorhalteverfahrens ist festzuhalten, dass die Bf. seit November 2017 in zweiter Ehe mit einem rumänischen Staatsbürger verheiratet ist und im gemeinsamen in Österreich gelegenen Haushalt wohnt. Nach den Angaben der Bf. wird für die in Rumänien wohnhaften Kinder aus erster Ehe rumänisches Kindergeld bezogen.
Mit Bescheid vom wurde der Antrag der Bf. auf Ausgleichszahlung ab Oktober 2017 mit der Begründung, dass unter Berücksichtigung der Entscheidung des (Tomislaw Trapkowski) der gemäß der zuständigen nationalen Behörde die Bestimmung obliege, welche Personen, nach nationalem Recht Anspruch auf Familienleistungen haben, wobei mangels Zugehörigkeit der Kinder zum Haushalt der Bf. deren vorrangiger Anspruch auf nämliche Leistungen nicht erfüllt sei, abgewiesen.
In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom führte die Bf. ins Treffen, dass - in Anbetracht der nachgereichten Unterlagen - die Republik Österreich ob Vorliegen eines EU- Sachverhaltes zur Leistung von Ausgleichs/Differenzzahlungen verhalten sei. Ergänzend wurde angemerkt, dass die Bf. und ihr Ehegatte für den Unterhalt der Kinder im Überweisungsweg monatliche Zahlungen im Ausmaß von 100 bis 200 Euro an die Mutter der Bf. tätigen.
Als Ergebnis eines Vorhalteverfahrens gab die Bf. dem Finanzamt unter Nachreichung von Belegen bekannt, dass ihre (aus erster Ehe stammenden) Kindern am rumänischen Wohnsitz ihrer Mutter leben, wobei dieser per Gerichtsbeschluss - während der Tätigkeit der Bf. in Österreich - die Obsorge übertragen worden sei. Den ebenfalls beigelegten Bestätigungen der Schulbehörden sei zu entnehmen, dass beide Kinder in unmittelbarer Nähe deren Wohnortes gelegene Schulen besuchen. Der Lebensmittelpunkt der Bf. liege in Österreich und besuche sie ihre Kinder alle drei bis vier Monate. Abschließend führte die Bf. aus, dass in Ansehung der Größe der in Österreich gelegenen Wohnung (35m2) und fehlender finanzieller Mittel ein gemeinsames Zusammenleben mit ihren Kindern derzeit nicht möglich sei.
Aus den, seitens der rumänischen Behörden übermittelten Unterlagen (E411) geht hervor, dass in vorgenanntem Staat monatliche Familienleistungen für die Kinder der Bf. in Gesamthöhe von rund 38 Euro zur Auszahlung gelangen.
Das Finanzamt schloss sich den Ausführungen der Bf. nicht an und wies, - unter nochmaligem Hinweis auf die mangelnde Haushaltszugehörigkeit der Kinder - das Rechtsmittel mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom ab.
In ihrem mit datierten Vorlageantrag führte die Bf. aus, dass der Aufenthalt der Kinder bei ihrer in Rumänien wohnhaften Mutter in der Erwerbstätigkeit in Österreich begründet liege. Die Bf. betonte unter nochmaliger Bezugnahme auf die die Republik Österreich treffende Verpflichtung zur Leistung von Differenzzahlungen, dass - ungeachtet dessen, dass der leibliche Vater der Kinder bestätigter Maßen lediglich umgerechnet 25 Euro monatlich zu deren Unterhalt beitrage - die Rente ihrer Mutter bei weitem nicht ausreiche, sodass die Bf. dieser zwecks Bestreitung der Unterhaltskosten der Kinder monatlich 150 bis 250 Euro überweise.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Festgestellter Sachverhalt:
In der Folge legt das BFG nachstehenden, sich aus der Aktenlage sowie den Vorbringen der Bf. resultierenden Sachverhalt zu Grunde:
Die, die rumänische Staatsbürgerschaft besitzende Bf. ist seit Oktober 2017 sowohl in Österreich wohnhaft als auch erwerbstätig. Die beiden minderjährigen Kinder der Bf. leben unbestrittener Maßen im, in Rumänien domizilierten Haushalt ihrer Großmutter und besuchen in nämlichen Saat die Schule. In Rumänien selbst kommt es zur Auszahlung von Familienleistungen im monatlichen Ausmaß von rund 38 Euro.
Der mit mangelnder Haushaltszugehörigkeit der Kinder begründeten Abweisung des Antrages auf Ausgleichs-/Differenzzahlung tritt die Bf. im Wesentlichen mit dem Argument der im Falle der Verwirkung eines EU- Sachverhaltes die Republik Österreich treffende Verpflichtung zur Leistung einer Differenzzahlung sowie der Überweisung von monatlichen Geldbeträgen an ihre Mutter zwecks Bestreitung der Unterhaltskosten ihrer Kinder entgegen.
2. Rechtliche Beurteilung
Der unter Punkt 1 festgestellte Sachverhalt war vom Verwaltungsgericht wie folgt zu beurteilen:
2.1. Prüfung der Anspruchsberechtigung im Zeitraum vom bis zum
Einleitend ist anzumerken, dass der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe (FB) - wie den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 FLAG zu entnehmen -, der Monat ist. Das Bestehen des FB-Anspruches für ein Kind kann somit je nach dem Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein ( ).
Die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen – wie die FB und der KAB – ist ein zeitraumbezogener Abspruch. Die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum FB und damit auch der KAB zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum – das ist der Monat (§ 10) – zu beantworten (; ; ; ).
Ein derartiger Ausspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren,jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides ( ; ; /0067).
In Ansehung vorstehender Ausführungen und der Tatsache, dass der den Anspruch des Bf. auf Ausgleichszahlung abweisende Bescheid der belangten Behörde lediglich den Beginn des Zeitraumes mit , jedoch keinen Endzeitpunkt ausweist, ist nämlicher Endzeitpunkt mit Bescheiderlassung festzulegen, so dass der abweisende Ausspruch somit den Zeitraum vom bis zum umfasst bzw. den Verhandlungsgegenstand vor dem BFG in nämlichem Umfang begrenzt.
2.2. Rechtgrundlagen
2.2.1. nationales Recht
Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, haben nach § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.
Nach § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Personen haben nach § 2 Abs. 8 FLAG 1967 nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.
§ 3 FLAG 1967 legt zusätzliche Voraussetzungen für Personen und Kinder fest, die nicht österreichische Staatsbürger sind.
Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach § 5 Abs. 3 FLAG 1967 für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.
Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach § 5 Abs. 4 FLAG 1967 für Kinder, für die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe besteht. Die Gewährung einer Ausgleichzahlung (§ 4 Abs. 2) wird dadurch nicht ausgeschlossen.
Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, nach § 53 Abs. 1 FLAG 1967 in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hierbei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.
2.2.2. Unionsrecht:
Diese Verordnung gilt nach Art. 2 Abs. 1 VO 883/2004 für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.
Nach Art. 3 Abs. 1 lit. j VO 883/2004 umfasst der sachliche Geltungsbereich dieser Verordnung auch Familienleistungen.
Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben nach Art. 4 VO 883/2004 Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.
Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, dürfen Geldleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder nach dieser Verordnung zu zahlen sind, gemäß Art. 7 VO 883/2004 nicht auf Grund der Tatsache gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt werden, dass der Berechtigte oder seine Familienangehörigen in einem anderen als dem Mitgliedstaat wohnt bzw. wohnen, in dem der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat.
Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen nach Art. 11 Abs. 1 VO 883/2004 den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind bestimmt sich nach diesem Titel.
Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt nach Art. 11 Abs. 3 lit a VO (EG) 883/2004 Folgendes:
Eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats.
Eine Person hat nach Art. 67 erster Satz VO 883/2004 auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.
Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten nach Art. 68 Abs. 1 VO 883/2004 folgende Prioritätsregeln:
a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.
b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach folgenden subsidiären Kriterien:
i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;
ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;
iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.
Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen gemäß Art. 68 Abs. 2 VO 883/2004 nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Abs. 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.
Wird nach Artikel 67 beim zuständigen Träger eines Mitgliedsstaats, dessen Rechtsvorschriften gelten, aber nach den Prioritätsregeln der Absätze 1 und 2 des vorliegenden Artikels nachrangig sind, ein Anspruch auf Familienleistungen gestellt, so gilt Folgendes:
a) Dieser Träger leitet den Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, teilt dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Abs. 2 genannten Unterschiedsbetrag;
b) der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger der vorrangig zuständig ist.
Nach Art. 60 Abs. 1 VO 987/2009 werden die Familienleistungen bei dem zuständigen Träger beantragt. Bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung ist, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates fallen und dort wohnen. Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf die Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaates, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als Vormund des Kindes oder der Kinder handelt, gestellt wird.
2.3. Rechtliche Würdigung:
Ab Mai 2010 gilt die Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rats vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit mit der Durchführungsverordnung (EG) 987/2009 für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union. (vgl. Csaszar in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, Rz 19 und 20 zu § 53)
Diese Verordnungen sind anwendbar, wenn ein Sachverhalt vorliegt, der zwei oder mehr Mitgliedstaaten berührt.
Aufgrund der Erwerbstätigkeit der Bf. in Österreich und dem Wohnort der Kindesgroßmutter und der Kinder in Rumänien und aufgrund der Tatsache, dass sämtliche der genannten Personen rumänische Staatsangehörige sind, liegt ein grenzüberschreitender Sachverhalt mit Unionsbezug vor. Die VO 883/2004 ist gemäß deren Art. 2 Abs. 1 auf die genannten Personen persönlich anwendbar.
Die von der Bf. beantragte Familienbeihilfe ist weiters unter die Familienleistungen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. j VO 883/2004 zu subsumieren, daher ist diese Verordnung im gegenständlichen Fall auch sachlich anwendbar.
Nach dem Unionsrecht unterliegen Personen, für die die VO 883/20014 gilt, immer nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates (Art. 11 Abs. 1 VO 883/2004). Welche Rechtsordnung hierfür in Frage kommt, ist unter Titel II Art. 11 ff VO 883/2004 geregelt.
In der Regel sind dies gemäß Art. 11 Abs. 3 lit. a VO 883/2004 die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates, also jenes Staates, in welchem eine selbständige oder nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt wird, und zwar auch dann, wenn die Person im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnt.
Die Bf. ist in Österreich beschäftigt, wobei es keinen Hinweis darauf gibt, dass sie auch außerhalb des Bundesstaates Österreich einer nichtselbständigen oder selbständigen Tätigkeit nachgeht. Die Bf. unterliegt daher den österreichischen Rechtsvorschriften.
Da im gegenständlichen Fall die VO 883/2004 zu berücksichtigen ist, finden allerdings die auf Wohnortklauseln beruhenden Bestimmungen des § 2 Abs. 1 FLAG 1967, welche den Familienbeihilfenbezug auf den Wohnort im Bundesgebiet abstellt, des § 2 Abs. 8 FLAG 1967, welche auf den wesentlich durch den Wohnort bestimmten Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet abstellt, und des § 5 Abs. 3 FLAG 1967, das einen vom Wohnort abhängigen Ausschluss der Familienbeihilfe bei ständigem Aufenthalt des Kindes im Ausland vorsieht, zufolge des Art. 7 VO 883/2004 und dessen Anwendungsvorrangs insoweit keine Anwendung. Zufolge des in Art. 4 VO 883/2004 normierten Gleichbehandlungsgrundsatzes für Personen, für die diese Verordnung gilt, finden die durch den Anwendungsvorrang dieser Bestimmung verdrängten Bestimmungen des § 3 Abs. 1 und 2 FLAG 1967 mit besonderen Voraussetzungen für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, keine Anwendung. (vgl. ).
In diesem Zusammenhang hat der EuGH zu Art. 67 VO 883/2004 und Art. 60 Abs. 1 VO 987/2009 in seiner Entscheidung vom , C-378/14 (Tomislaw Trapkowski) ausgesprochen:
„38Aus Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 in Verbindung mit Art. 60 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 ergibt sich zum einen, dass eine Person Anspruch auf Familienleistungen auch für Familienangehörige erheben kann, die in einem anderen als dem für ihre Gewährung zuständigen Mitgliedstaat wohnen, und zum anderen, dass die Möglichkeit , Familienleistungen zu beantragen, nicht nur den Personen zuerkannt ist, die in dem zu ihrer Gewährung verpflichteten Mitgliedstaat wohnen, sondern auch allen „beteiligten Personen“ , die berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben, zu denen die Eltern des Kindes gehören, für das die Leistungen beantragt werden.
40Es obliegt jedoch der zuständigen nationalen Behörde, zu bestimmen, welche Personen nach nationalem Recht Anspruch auf Familienleistungen haben.
41Nach alledem ist Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 987/2009 dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Fiktion dazu führen kann, dass der Anspruch auf Familienleistungen einer Person zusteht, die nicht in dem Mitgliedstaat wohnt, der für die Gewährung dieser Leistung zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind, was von dem vorlegenden Gericht zu prüfen ist.“
Das Unionsrecht selbst vermittelt somit keinen originären Anspruch auf nationale Familienleistungen. Es ist nach wie vor Sache der Mitgliedstaaten, wem sie unter welchen Voraussetzungen wie lange Familienleistungen zuerkennen. Das Unionsrecht verlangt allerdings im Allgemeinen, dass diese Zuerkennung diskriminierungsfrei erfolgen muss, und im Besonderen, dass die Familienangehörigen einer Person, die in den Anwendungsbereich der VO 883/2004 fällt, so zu behandeln sind, als hätten alle Familienangehörigen ihren Lebensmittelpunkt in dem Mitgliedstaat der Familienleistungen gewähren soll. (, , , , )
Die nach Art. 67 VO 883/2004 iVm Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO987/2009 vorzunehmende Fiktion bewirkt, dass die Wohnsituation auf Grundlage der im Streitzeitraum im anderen EU-Mitgliedstaat gegebenen Verhältnisse (fiktiv) ins Inland übertragen wird. Diese Fiktion besagt aber nur, dass zu unterstellen ist, dass alle Familienangehörigen im zuständigen Mitgliedstaat wohnen. Ob etwa ein gemeinsamer Haushalt besteht, ist dagegen sachverhaltsbezogen festzustellen. (, , , , ).
Wer von den unionsrechtlich grundsätzlich als anspruchsberechtigte Personen anzusehenden Familienangehörigen tatsächlich primär oder sekundär oder gar keinen Anspruch auf österreichische Familienleistungen hat, ist daher nach nationalem Recht zu beurteilen. (, , )
Es ist daher im gegenständlichen Fall nach österreichischem Recht zu prüfen, ob der Bf. einen Familienbeihilfenanspruch hat oder nicht, wobei zu fingieren ist, dass alle Familienangehörigen, sprich die Mutter der Bf., sowie die Kinder der Bf. in Österreich wohnen (weshalb – wie bereits ausgeführt – die auf Wohnortklauseln beruhenden Bestimmungen außer Acht zu lassen sind).
§ 2 Abs. 2 erster Satz FLAG 1967 stellt hinsichtlich des Familienbeihilfenanspruchs primär auf die Haushaltszugehörigkeit mit einem Kind ab und nur subsidiär (§ 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG 1967) darauf ab, welche Person die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt. Einem Anspruch auf Familienbeihilfe im Sinne des zweiten Satzes des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 steht der ausschließliche Anspruch einer Person, bei der das Kind im strittigen Zeitraum haushaltszugehörig war, zwingend entgegen (, ).
Da im gegenständlichen Fall die Kinder der Bf. bei der Kindesgroßmutter (in Rumänien) getrennt von der Bf. leben und daher bei dieser (Großmutter) haushaltszugehörig sind, besteht nach österreichischem Recht kein Anspruch auf Familienleistungen der Bf; ein nach nationalem Recht nicht bestehender Anspruch kann nicht durch das Unionsrecht begründet werden. Der vorrangige Anspruch auf Familienleistungen steht somit bei dem gegebenen Sachverhalt der Kindesgroßmutter zu, solange die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach in der Person der Bf. erfüllt sind.
Der im Verwaltungsverfahren seitens der Bf. ins Treffen geführten Frage nach der überwiegenden Kostentragung durch ihre Person kommt in Ansehung vorstehender Ausführungen keine Entscheidungsrelevanz zu.
Es war daher wie im Spruch zu befinden.
3. Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist nicht zulässig, weil keine zu lösende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Die verfahrensrechtlichen Fragen wurden im Einklang mit der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gelöst. Die entscheidungsrelevanten (materiell)rechtlichen Fragen sind durch die zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und durch den klaren Regelungsinhalt der angeführten gesetzlichen Bestimmungen geklärt. Die gegenständliche Entscheidung weicht auch von der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union nicht ab.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 Art. 67 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO 987/2009, ABl. Nr. L 284 vom S. 1 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7101188.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at