Scheinselbständigkeit, § 47 Abs. 2 EStG
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Diana Sammer in der Beschwerdesache Bf., Adresse, vertreten durch Ancora Steuerberatung GmbH, Gierstergasse 6, 1120 Wien, über die Beschwerde vom gegen folgende Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Amstetten Melk Scheibbs vom
1. Bescheide für die Jahre 2005 bis 2009, mit welchen gemäß § 82 EStG 1988 der Arbeitgeber für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn zu entrichtenden Lohnsteuer in Anspruch genommen wird und
2. Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (DB) für die Jahre 2005 bis 2009 und
3. Bescheide über die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen (DZ) für die Jahre 2005 bis 2009
zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
1. Verfahren vor der Abgabenbehörde
1.1.GPLA- Prüfung für den Zeitraum 01/2005-12/2009
Bei der Bf. (im Folgenden kurz: Beschwerdeführerin) fand für den Zeitraum bis eine gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben statt. Dabei wurden nachfolgende Prüfungsfeststellungen in der Niederschrift über die Schlussbesprechung am gemäß § 149 Abs. 1 BAO anlässlich der GPLA-Prüfung getroffen:
„6. Scheinselbstständige Arbeiten:
Für die Beurteilung des Vorliegens eines Dienstverhältnisses sind die gesetzlich bestimmten Kriterien (Weisungsgebundenheit, Eingliederung in die Arbeitgeberorganisation) sowie die ergänzend in der Judikatur des VfGH und VwGH herausgearbeiteten Kriterien (Beispiel Unternehmerwagnis, Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr) zu berücksichtigen.
Überwiegend bei der Beurteilung des Gesamtbildes der Tätigkeit die Merkmale der Unselbstständigkeit ist von einem Dienstverhältnis auszugehen. Das äußere Erscheinungsbild des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses ist dabei nicht maßgeblich.
Im gegenständlichen Fall ist neben dem Vorliegen der Gewerbescheine auch die Anmeldung an die gewerbliche Sozialversicherung bedeutungslos, da aufgrund der Befragung der Personen (Weisungsgebundenheit, kein Unternehmerrisiko sowie Eingliederung in die Arbeitgeberorganisation, Vorgabe der Arbeitszeit, etc.) ein Dienstverhältnis iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 anzunehmen ist.
Weiters ist anzumerken, dass vermeintliche Werkverträge für Leistungen im Bereich Trockenausbau, Bauhilfsarbeiten, Verspachteln von Gipskartonplatten, zusammenräumen etc. nicht als solche zu qualifizieren sind, da kein individualisiertes, konkretisiertes und einheitliches Werk vorliegt, sondern diese werden als einzelne manuelle Leistungen erbracht, somit kann die behauptete Selbstständigkeit der Beschäftigten in-und ausländischen Arbeitskräfte nicht nachvollzogen werden.
Folgende Personen waren im Prüfungszeitraum Scheinselbstständig tätig:
A, B, C, D“.
Die belangte Behörde führte im Vorfeld bzw. im Zuge der GPLA-Prüfung Ermittlungen zur Frage der Selbständigkeit der streitgegenständlichen Personen durch:
In dem am mit Herrn A aufgenommenen „Fragebogen zur Selbständigkeit von EU-Ausländern“ hat dieser Folgendes ausgesagt: er arbeite seit Oktober 2007 für die *** **. Er sei wegen der schlechten Einkommensverhältnisse nach Österreich gekommen und habe das Gewerbe in Österreich deshalb angemeldet, da es die einzige Möglichkeit sei, in Österreich zu arbeiten. Arbeitsverträge seien nur mündlich erfolgt, einen schriftlichen Vertrag habe er nie unterschrieben, die vertraglichen Leistungen habe Herr *** a festgelegt.
Vereinbart sei entweder Stundenlohn (€ 17) oder eine Pauschale nach Besichtigung (je nach Baustelle) gewesen.
Für die Ausübung seines Gewerbes benötige er Bohrmaschine, Spachtlerzeug, Leiter, Elektroschleifer etc., dieses habe er selbst angekauft. Arbeitsmaterial stelle die Firma zur Verfügung. Von einem Angestellten der Firma ***, Herrn X, werde ihm gesagt, auf welcher Baustelle er arbeiten solle. Ebenso werde ihm von diesem gesagt, wo er auf der Baustelle arbeiten soll bzw. welche Arbeiten er auszuüben habe.
Er arbeite mit einem Kollegen, der ebenfalls selbstständig sei.
Hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsfortgang und Arbeitsqualität werde er von Herrn X bzw. Herrn *** a kontrolliert. Arbeitsbeginn und Arbeitsende müsse er nicht melden, er könne kommen und gehen wann er wolle. Er müsse jedoch melden, wenn er krank sei oder auf Urlaub gehen wolle. Er könne sich durch seinen Kollegen vertreten lassen. Abgerechnet werde in Form von Rechnungen, welche er mithilfe seiner Vermieterin erstelle. Das Haftung und Gewährleistungsrisiko würden er und sein Kollege tragen. Außer den Einkünften aus dem Werkvertrag erziele er derzeit keine Einkünfte. Es habe auch schon Privatbaustellen gegeben und werde es diese auch wieder geben.
In dem am mit B aufgenommenen „Fragebogen zur Klärung, o b ein Dienstverhältnis gem. § 47 Abs 2 EStG vorliegt“, führte dieser – befragt zur Tätigkeit für die Firmen der Beschwerdeführerin aus: Er kenne Herrn *** schon ca. zehn Jahre. Ein Bewerbungsgespräch habe es nicht gegeben, er habe Herrn *** gefragt ob er bei seinen Firmen arbeiten könne. Er sei im Zeitraum ab Jänner 2005 bei sämtlichen Firmen der Firma *** tätig gewesen. Seine Tätigkeiten bestanden in Maurerarbeiten, Stemmen, Heckenschneiden, Zusammenräumen und anderen Hilfstätigkeiten. Eine Vereinbarung hinsichtlich seiner Tätigkeit bei den Firmen *** sei nicht abgeschlossen worden, seine zu machenden Arbeiten wären vorher besprochen worden. Werkzeug habe er mitgenommen.
Arbeitszeiten wurden eher nicht vereinbart, außer, wenn Termine mit anderen Firmen vereinbart wurden, musste er mit seiner Arbeit fertig sein. Glaublich habe er im Jahr 2007 seine Arbeit tatsächlich aufgenommen. Seine Arbeit müsse er persönlich erbringen. Befragt, ob er zu einem bestimmten Zeitpunkt auf Weisung der Firma *** die tägliche Arbeit aufgenommen habe, führte er aus, dass die ersten Arbeitseinsätze jeder Baustelle von Herrn *** a persönlich koordiniert wurden. Listen, welche Arbeiten er zu machen habe, habe er von Herrn *** a erhalten. Ab ca. 2008 bekam er seine Auftragsarbeiten von Herrn Y (Angestellter der Firma ***). Er habe sich die Arbeiten selber eingeteilt, außer bei Terminarbeiten anderer Firmen. Kontrolle bis Anfang 2008 erfolgte von Herrn *** a. Später von Herrn Y. Auf die Frage ob er an bestimmte Weisungen gebunden gewesen sei gab er an, dass ihm die Vorstellungen unterbreitet wurden und er das dann so gemacht habe. Es sei anfangs als Entlohnung ein Fixum vereinbart worden. Ab ca. September 2008 wurden 200 Arbeitsstunden mit ca. € 3.000.- brutto vereinbart.
Er konnte sich nicht vertreten lassen, seine Abwesenheit musste er Herrn *** oder Herrn Y bekannt geben. Er konnte Arbeitsaufträge nicht sanktionslos ablehnen und habe einen Vertrag bezüglich Geheimhaltung unterschrieben. Da er keinen Schaden bisher angerichtet habe, könne er nicht sagen, wer für einen solchen gehaftet hätte.
In dem mit Herrn C am aufgenommenen „Fragebogen zur Klärung, ob ein Dienstverhältnis gem § 47 Abs 2 EStG vorliegt“, führte dieser – zu seiner Tätigkeit für die Beschwerdeführerin befragt – aus: Der Kontakt zu seinen Auftraggebern Firma *** sei durch Bekannte von ihm zustande gekommen. Er sei zu Herrn *** gefahren und habe um Arbeit angefragt. Je nach Arbeitsanfall habe er bei sämtlichen Firmen der Familie *** gearbeitet. Die genauen Tätigkeiten seien aus seinen Rechnungen ersichtlich. Eine Vereinbarung hinsichtlich seiner Tätigkeit bei den Firmen *** sei nicht abgeschlossen worden. Er habe die Arbeiten mit den eigenen Betriebsmitteln durchgeführt. Fixe Arbeitszeiten seien nicht vereinbart worden. Glaublich habe er im September 2006 die Arbeit tatsächlich aufgenommen. Er habe seine Arbeitsleistung persönlich erbringen müssen. Auf die Frage, ob er zu einem bestimmten Zeitpunkt auf Weisung der Fa. *** die tägliche Arbeit aufgenommen habe, gibt er an, dass dies erst gewesen sei, wenn er seine vorherige Tätigkeit vollendet gehabt habe.
Der Zeitrahmen sei ihm von Herrn bzw. Frau *** (nur wenn nach ihm andere Professionisten tätig geworden seien) vorgegeben worden. Den Arbeitsablauf habe er sich selbst eingeteilt. Er habe vom jeweiligen Projektleiter seine Weisungen erhalten bzw. wurde er kontrolliert. Es sei Stundenlohn laut Rechnung vereinbart worden, weil er es so vorgeschlagen habe. Er hätte sich vertreten lassen können, habe es aber nicht gemacht. Seine Abwesenheit habe er Herrn a *** und Frau *** b bekannt geben müssen. Aufträge habe er sanktionslos ablehnen können. Zur Geheimhaltung im Zuge seiner Tätigkeit sei er eigentlich nicht verpflichtet gewesen. Es sei nie ein Schaden angefallen. Er habe keine Haftpflichtversicherung betreffend eines eventuell angerichteten Schadens abgeschlossen. Der Gewerbeschein sei gelöst worden, weil er Fenster und Türen eingesetzt habe.
1.2. Bescheide betreffend die Lohnsteuer, DB, und DZ für die Jahre 2005-2009 vom
Auf Grundlage dieser Feststellungen hat die zuständige Abgabenbehörde die verfahrensrelevanten Bescheide, jeweils vom , erlassen.
1.3. Berufung vom
Mit Anbringen vom wurde Berufung gegen die genannten Bescheide erhoben. Nach Mängelbehebungsauftrag wegen fehlender Begründung und Fristverlängerung wurde mit Schreiben vom (fristgerecht) die Berufung nachfolgend begründet:
„Im Auftrag der Abgabepflichtigen begründen wir die Berufung wie folgt:
Die Nummerierung folgt der Gliederung des Betriebsprüfungsberichts.
ad 1.) 2.) 5.) 6.) 7.) 8.) 9.) 10.) 11.) 14.)
Die in diesen Punkten angeführten Beträge hinsichtlich „illegaler Beschäftigung“ sind keinen konkreten Personen zugeordnet und somit als Begründung für den Bescheid unzureichend. Aus diesem Grund kann zu diesen Beträgen inhaltlich nicht Stellung genommen werden; in Ermangelung einer ordnungsgemäßen Bescheidbegründung erfolgt jeodch die Festsetzung entsprechender Abgabenbeträge ohne rechtliche Basis.
ad 3.)
Herr A ist sowohl steuerlich (St.Nr. 2) als auch sozialversicherungsrechtlich (VSNR 2a) erfasst. Gemäß seiner Einkommensteuererklärung wurden die Sozialversicherungsbeiträge auch bezahlt.
Aus den eigenen Angaben des Professionisten geht hervor, dass er selbstständig und für mehrere Auftraggeber tätig ist und auch in Arbeitsgemeinschaften mit anderen Selbstständigen arbeitet. Herr A ist sich bewusst, dass das Haftung-und Gewährleistungsrisiko von ihm zu tragen ist und verfügt über eigenes Werkzeug. Wie man im Hinblick auf dieses Gesamtbild seiner Tätigkeit zu dem Schluss kommt, dass Herr A in einem unselbstständigen Vertragsverhältnis zur *** ** steht ist unverständlich.
Weiters ist grundsätzlich nicht nachvollziehbar, was die Fragen Nr. 28, 29 und 30 im Fragenkatalog für die Qualifikation als Dienstnehmer oder Selbstständige aussagen soll. Die Arbeit auf Baustellen ist ja wohl grundsätzlich zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer abzustimmen, um effizientes und sinnvolles Tätigwerden aller Beteiligten zu ermöglichen.
ad 4.) 12.) 16.)
Herr C ist sowohl steuerrechtlich (St.Nr. 1) als auch sozialversicherungsrechtlich (VSNR 1c) erfasst.
Herr C ist gegenüber der *** ** als selbstständiger Unternehmer aufgereten. Aufgrund unserer Aktenlage war Herr C im Prüfungszeitraum auch für mehrere Auftraggeber tätig und schon durch diese Tatsache das Gesamtbild eines Selbstständigen erfüllt. Darüber hinaus hat die Behörde selbst Herrn C bereits für die Jahre 2006-2008 als Selbstständigen eingestuft, indem sie Schätzungsbescheide betreffend die Einkommensteuer ausgefertigt hat. Diese Schätzung, die wohl auf entsprechenden Erhebungen der Behörde beruht, Einkünfte aus Gewerbebetrieb ergeben hat, wurde er auch als Unternehmer im Sinn des USt-Gesetzes eingestuft.
Herr C ist daher nicht als Dienstnehmer der Bf. einzustufen, die Vorschreibung von Lohnsteuern und sonstigen lohnbezogener Abgaben und Steuern ist daher rechtswidrig.
ad 13.) 15.) Herr D ist sowohl steuerrechtlich (St.Nr. 3) als auch sozialversicherungsrechtlich (VSNR 3d) erfasst. Da es sich um eine nicht protokollierte Einzelfirma handelt, ist Herr D nicht im Firmenbuch eingetragen.
Herr D war von 2007-2009 im Raum Amstetten als selbstständiger Trockenbau tätig und ist auch so gegenüber der Bf. aufgetreten. Es ist nicht die Obliegenheit des Auftraggebers die Abgabenmoral ihres Vertragspartners zu kontrollieren und es trifft sie dafür auch keine Haftung. Der Auftraggeber kann vielmehr wohl darauf vertrauen, dass die Behörde einem reinen „Dienstnehmer“, also gar nicht selbstständig Tätigen keine Steuernummer erteilt.
Herr D ist daher nicht als Dienstnehmer der Bf. einzustufen, die Vorschreibung von Lohnsteuern und sonstiger lohnbezogener Abgaben und Steuern ist daher rechtswidrig.“
1.4. Ergänzungsersuchen Abgabenbehörde vom
Mit Schreiben vom ersuchte die Abgabenbehörde um Ergänzung der Berufung. Neben der Übermittlung einer Beilage, welche eine Aufgliederung des Prüfers enthielt, führte sie aus:
„Ergänzungspunkte:
Die oben angeführte Berufung wurde durch die Begründung vom ergänzt. Darin wird im Wesentlichen folgendes bemängelt:
Die Bescheide wären aufgrund der schlecht nachvollziehbaren Berichtsdarstellung (Bericht vom stellt die Bescheidbegründung dar) mangelhaft.
Zur leichteren Nachvollziehbarkeit wird in der Beilage eine Aufgliederung des Prüfers übermittelt, damit Nachforderungsbeträge den entsprechenden Dienstnehmern zugeordnet werden können. Aus Sicht der Abgabenbehörde ist die Begründung damit ausreichend, zumal Sie während der Prüfung auch Akteneinsicht in den Prüfer-Arbeitsbogen genommen hatten und die Vernehmungsprotokolle und weitere Dokumente übermittelt bekamen. Auf das gewahrte Parteiengehör im Rahmen der Prüfung (mehrere Vorbesprechungen sowie die Schlussbesprechung) wird zusätzlich hingewiesen.
Sie werden um Mitteilung gebeten ob Sie die Begründung in verfahrensrechtlicher Hinsicht als ausreichend erachten!
Dienstnehmereigenschaft der Herrn A, C und D:
Es wird ins Treffen geführt, dass durch die Vergabe einer Steuernummer durch das Finanzamt, dem Besitzen einer Gewerbeberechtigung und die Sozialversicherung bei der SVA der gewerblichen Wirtschaft bei einer Person für jedes Arbeitsverhältnis ein Dienstverhältnis praktisch nicht mehr in Betracht komme und beinahe jede Form des Tätigwerdens ein Werkvertragsverhältnis darstellen müssen.
Ihre Ansicht, dass ein Finanzamt einem „reinen Dienstnehmer“ keine Steuernummer vergeben dürfe, ist praxisfern. Die Fallkonstellation, dass ein im Hauptberuf tätiger Angestellter auch Einkünfte aus Vermietung erzielt, ist sehr häufig. Auch diese Person benötigt eine Steuernummer, deshalb werden die nsA-Einkünfte aber nicht zu gewerblichen Einkünften. Sehr häufig stehen gewerbliche Einzelunternehmer zusätzlich noch in einem Dienstverhältnis. Jedes Vertragsverhältnis ist für sich zu beurteilen, ob die Merkmale eines Dienstverhältnisses vorliegen oder nicht. Eine Steuernummernvergabe entscheidet diese Frage überhaupt nicht, das Innehaben einer Gewerbeberechtigung ebenso wenig.
Aufgrund der Rechtsprechung (z.B. UFS-Entscheidung UFSG, GZ RV/0824-G/07 vom , Scheinselbstständigkeit von im Baugewerbe mit Hilfstätigkeiten beschäftigten Personen) und der Ermittlungsergebnissen aus der GPLA-Prüfung sieht sich die Abgabenbehörde veranlasst die Berufung abzuweisen.
Für eine positive Erledigung der Berufung ist eine weitere Begründung erforderlich, die das behauptete Nichtvorliegen von Dienstverhältnissen untermauert.“
1.5. Ergänzungsbeantwortung vom
Nach Fristverlängerungen wurde mit Schreiben vom eine Stellungnahme abgegeben, in welcher nachfolgend ausgeführt wurde:
„In Beantwortung Ihres Ersuchens um Ergänzung zur Berufung gegen die Haftung-und Abgabenbescheide 2005-2009 vom können wir wie folgt Stellung nehmen:
Ad „Nachvollziehbarkeit der Berichtsdarstellung“
Vorab sei Ihnen im Sinne ihrer Frage für die ergänzende Aufgliederung des Prüfers gedankt.
Ad „Dienstnehmer Eigenschaft der Herren A, C und D“
Dass unsere Ansicht, dass für „reine Dienstnehmer“ keine Steuernummer zu vergeben ist, als „praxisfern“ bezeichnet wird, erstaunt doch sehr. Ohne die Behörde über die eigenen Regelungen, Formulare und die Bundesabgabenordnung belehren zu wollen, sei doch festgehalten, dass ausschließlich unselbstständig Erwerbstätige nicht unter einer eigenen Steuernummer erfasst werden. Weiters sei festgehalten dass es nicht nur den Vorgaben der Finanzverwaltung sondern auch unserer Erfahrung entspricht, dass vor Erteilung einer Steuernummer durch die Behörde die „Echtheit“ des Unternehmers überprüft wird.
[…]
Der Hinweis, dass ein im Hauptberuf tätiger Angestellter auch Einkünfte aus Vermietung erzielen kann, ist natürlich richtig, im gegenständlichen Fall aber wohl nicht relevant wieso Vermittlungstätigkeit unselbstständige Einkünfte im gewerbliche Einkünfte verwandeln soll, ist nicht nachvollziehbar und wurde unsererseits wohl auch nicht behauptet.
Wir haben den Charakter der Tätigkeit der angeführten Personen bereits in früheren Darstellungen beschrieben diese haben in den finanzamtlichen Fragebögen ihre Tätigkeit als Gewerbebetrieb dargestellt. Die Herren sind gegenüber der Gesellschaft als selbstständige Unternehmer aufgetreten; die Gesellschaft hat aus dem Gesamtbild der Tätigkeit und dieses Auftretens, zudem unter anderem auch die abgabenrechtliche Registrierung gehört, wissen müssen dass es sich um Gewerbetreibende handelt, die ihre steuerrechtlichen Obliegenheiten selbst zu verantworten haben.“
1.6. Berufungsvorentscheidung Abgabenbehörde:
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde dazu aus:
„Nach dem Wortlaut der nachgereichten Begründung zur Berufung vom wird die Vorschreibung von Lohnabgaben für angeblich selbständig tätige Bauarbeiter (sog. Scheinselbständige) nach einer Außenprüfung durch das Finanzamt bekämpft. Dazu wurden im Wesentlichen folgende Einwände vorgebracht:
- Die strittigen Arbeitskräfte waren sowohl steuerlich als auch sozialversicherungs-
rechtlich erfasst.
- Sie sollen selbständig und für mehrere Auftraggeber tätig gewesen sein.
- Es sei ihnen bewusst gewesen, dass sie das Haftungs- und Gewährleistungsrisiko zu
tragen gehabt hätten.
- Sie verfügten über eigenes Werkzeug.
- Herrn C hat die Behörde selbst als Selbständigen und Unternehmer im Sinne des UStG eingestuft.
- Es sei nicht Obliegenheit des Auftraggebers, die Abgabenmoral seiner Vertragspartner zu kontrollieren und daher treffe ihn auch keine Haftung.
- Der Auftraggeber könne darauf vertrauen, dass die Behörde einem reinen Dienstnehmer, der also gar nicht selbständig ist, keine Steuernummer erteile.
Nachdem für die Bw. verschiedene, im Prüfungsbericht vom angeführte, abgabenrelevante Feststellungen den einzelnen Beschäftigten nicht zuordenbar waren, wurde vom Finanzamt am eine entsprechende Aufgliederung der Nachforderungsbeträge übermittelt. Gleichzeitig wurde die Bw. davon in Kenntnis gesetzt, dass die Vergabe einer Steuernummer und der Besitz einer Gewerbeberechtigung oder die Anmeldung bei der SVA der gewerblichen Wirtschaft das Vorliegen eines Dienstverhältnisses nicht ausschließt. Zusätzlich wurde die Bw. auf einschlägige Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenats zu vergleichbaren Sachverhalten hingewiesen.
Im Ergänzungsschreiben vom bekräftigt die Bw. ihre Ansicht, dass das Finanzamt für unselbständig Erwerbstätige keine Steuernummern zu vergeben hätte. Unter Hinweis auf die Website des BMF wird festgehalten, dass es nicht nur den Vorgaben der Finanzverwaltung sondern auch der eigenen Erfahrung der Bw. entspreche, dass vor Erteilung einer Steuernummer durch die Behörde die Echtheit des Unternehmers überprüft wird.
Dem ist zu entgegnen, dass bei der ersten Kontaktaufnahme eines Steuerpflichtigen mit dem Finanzamt bzw. bei einer etwaigen routinemäßigen Überprüfung der Steuererklärung üblicherweise keine Untersuchungen angestellt werden, ob der Pflichtige seinen Auftraggebern gegenüber selbständig oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses gem. § 47 Abs. 2 EStG tätig ist. Diesbezügliche Feststellungen bleiben in der Regel einer Außenprüfung (GPLA) vorbehalten. Wie bereits erwähnt, ist eine Steuernummer beim Finanzamt oder der Besitz einer Gewerbeberechtigung für die Beurteilung einer Leistungsbeziehung im Zuge einer GPLA nicht relevant. Mit dem Einwand, dass die strittigen Mitarbeiter für mehrere Auftraggeber tätig waren, ist ebenfalls nichts gewonnen. Dass Bauarbeiter neben ihrer Tätigkeit für ihren Arbeitgeber in ihrer Freizeit mitunter auch andere (private) Baustellen betreuen, ist allgemein üblich und kein Umstand, der gegen ein Dienstverhältnis mit dem jeweiligen Arbeitgeber spricht. Auch nichtselbständig tätige Bauarbeiter verfügen oft über eigenes Werkzeug wie Spachteln, Maurerkellen und auch Bohrmaschinen.
Entscheidend für die Beurteilung, ob jemand im Rahmen eines Werkvertrages oder eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG tätig ist, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs das tatsächlich verwirklichte Gesamtbild der vereinbarten Tätigkeit.
Nach den mit den strittigen Mitarbeitern der BW aufgenommenen Niederschriften bzw. den von diesen ausgestellten Rechnungen ergibt sich folgendes Bild:
Herr D hat für „Selbständige Tätigkeiten“ (ohne nähere Leistungsbezeichnung) der BW im März 2008 2.200 € und von April bis Juli gleichbleibend jeweils 2.400 € p.m. verrechnet. Seinen im Jahr 2009 gelegten Rechnungen zu Folge hat er zusammengeräumt, weggeräumt, sauber gemacht, gestemmt, gemauert, verputzt, gemalt und sonstige diverse Arbeiten verrichtet. Dafür hat er etwa in den Monaten Februar, März und April 2009 gleichbleibend jeweils 3.600,-- € zuzüglich 20 % MWSt verrechnet.
Herr C hat etwa im Oktober 2007 für 226,75 „Arbeitsstunden für selbständige Tätigkeiten in xy“ € 2.521 € in Rechnung gestellt. Im Februar 2008 hat er für „Arbeitsstunden für selbständige Tätigkeit“ 2.400 € und im August ein „Pauschale für selbständige Tätigkeiten“ in der Höhe von 3.000 € verrechnet. Eine genauere Leistungsbezeichnung ist seinen Rechnungen nicht zu entnehmen. In der mit ihm am aufgenommenen Niederschrift antwortete Herr C auf die Frage nach seiner Tätigkeit mit einem Hinweis auf die Rechnungen. Nach seinen Angaben konnte er sich seine Arbeitszeit zwar frei einteilen, musste die Arbeitsleistung aber persönlich erbringen. Er wurde vom jeweiligen Projektleiter kontrolliert und musste sich auch an dessen Weisungen halten. Theoretisch hätte er sich vertreten lassen können, tatsächlich wurde von dieser Möglichkeit aber nie Gebrauch gemacht. Bezahlt wurde ein Stundenlohn.
Herr B hat der BW 2006 und 2007 jeweils „Arbeitsstunden für selbständige Arbeiten“ und 2008 pauschal für „Selbständige Tätigkeiten“ ohne nähere Bezeichnungen gerundete Beträge (z.B. € 1.400,--, € 1.500) verrechnet. Nach seinen Angaben im Fragebogen vom hat er für die Firmen der Familie *** Maurerarbeiten durchgeführt, gestemmt, Hecken geschnitten, zusammengeräumt und andere Hilfstätigkeiten verrichtet.
Auch er konnte sich nach seinen Angaben die Arbeiten weitgehend selber einteilen, konnte sich aber nicht vertreten lassen. Als Bezahlung sollen anfangs ein Fixum und ab September 2008 für 200 Arbeitsstunden ca. € 3.000 € brutto vereinbart gewesen sein.
Auch Herr A war offenbar für mehrere Firmen der Familie *** tätig. In einem Fragebogen hat er am dem Finanzamt mitgeteilt, dass er Spachtelarbeiten verrichtet. Im Juli 2008 (Niederschrift v. 18.7.) gab er bekannt, seit Oktober 2007 für die *** ** tätig zu sein. In einer Rechnung vom hat er der Bf. (Bw) für Spachtelarbeiten (207 h x € 17,00) 3.519 € verrechnet. In der am mit Herrn A aufgenommen Niederschrift wurde u.a. festgehalten, dass er entweder nach Stunden bezahlt wird oder ein Pauschale erhält. Auch er hat mit eigenem Werkzeug gearbeitet, das Arbeitsmaterial wurde aber, ausgenommen bei Tätigkeiten auf „privaten Baustellen“, vom Auftraggeber beigestellt. Bezüglich Arbeitszeit, Arbeitsfortgang und Qualität wurde er angeblich von Herrn X oder Herrn *** a kontrolliert. Er soll sich seine Arbeitszeit zwar frei eingeteilt haben, musste sich bei Krankheit oder Urlaub aber abmelden. Nach seinen Angaben in der Niederschrift konnte er sich bei der Arbeit vertreten lassen. Ob von dieser Möglichkeit auch tatsächlich Gebrauch gemacht wurde, geht aus der Niederschrift nicht hervor.
Gemäß § 47 Abs. 2 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Ein Werkvertrag liegt hingegen dann vor, wenn die Verpflichtung zur Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernommen wird, wobei es sich bei dem „Werk“ um eine schon im Vertrag konkretisierte Leistung handeln muss.
Aus dem vorliegenden Sachverhalt ist nicht erkennbar, dass die strittigen Mitarbeiter der BW mit der Herstellung eines Werkes beauftragt gewesen wären. Ihren Aussagen und Abrechnungen zu Folge wurden sie entweder nach der geleisteten Arbeitszeit entlohnt oder sie verrechneten pauschale, oft monatlich gleichbleibende Beträge, wie sie für ein Dienstverhältnis typisch sind. Den Angaben in den Niederschriften und den Rechnungen ist zu entnehmen, dass sie hauptsächlich Hilfstätigkeiten verrichteten, die keiner oder nur einer geringfügigen Einschulung bedürfen. Dass in solchen Fällen die “Rechtsprechung in der Regel von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ausgeht (z.B. UFSG, GZ. RV/0824—G/07 vom , UFSW, GZ. RV/02868-W/06 vom ) wurde bereits im Ergänzungsersuchen des Finanzamts vom erwähnt. Da die betroffenen Personen somit offenbar in einem Dienstverhältnis (§ 47 Abs. 2 EStG) zur BW standen, war die Berufung abzuweisen.“
1.7. Vorlageantrag der Beschwerdeführerin:
Mit Anbringen vom wurde fristgerecht der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt. Die Beschwerdeführerin führte begründend aus:
„Nach § 47 (2) EStG liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Hierfür sind nach dem Gesetz bzw. der Rechtsprechung des VwGH drei Elemente bestimmend:
Weisungsgebundenheit
Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers
Fehlen eines Unternehmerrisikos
Kennzeichnend für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses ist, dass der Verpflichtung des Arbeitnehmers seine Arbeitskraft laufend zur Verfügung zu stellen, die Verpflichtung des Arbeitgebers gegenübersteht, dem Arbeitnehmer einen vom Erfolg unabhängigen Lohn zu bezahlen (VwGH 2007/15/0223).
Die für das Dienstverhältnis charakteristische Weisungsunterworfenheit ist durch weitgehende Unterordnung gekennzeichnet und führt zu einer weitreichenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Dienstnehmers (VwGH 2007/15/0223). Die Weisungsgebundenheit tritt erst bei leitenden Tätigkeiten in den Hintergrund.
Die persönlichen Weisungen sind auf den zweckmäßigen Einsatz der Arbeitskraft gerichtet. Der Arbeitnehmer verspricht nicht die Ausführung einzelner Arbeiten, sondern stellt seine Arbeitskraft zur Verfügung. Für eine persönliche Weisungsgebundenheit spricht:
Die Verpflichtung zur persönlichen Leistungserbringung: keine Möglichkeit, sich vertreten zu lassen
Unterwerfung unter die betriebliche Kontroll- und Ordnungsvorschriften sowie unter das Disziplinarrecht
Keine Möglichkeit, die Annahme weiterer Arbeiten zu verweigern
Die Verpflichtung, die jeweils zugewiesenen Arbeiten zu übernehmen
Die Vereinbarung eines Stundenhonorars
Keine ständig wechselnden Auftraggeber
Eine organisatorische Eingliederung wird durch jede nach außen als auf Dauer angelegte erkennbare Tätigkeit hergestellt. Der Arbeitnehmer muss Teil des geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers sein. Dafür spricht, dass
Der Arbeitnehmer an einen bestimmten Arbeitsort gebunden ist und seine Tätigkeit am Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers ausübt
Er zur Einhaltung bestimmter Arbeitsstunden verpflichtet ist
Der Arbeitgeber die Planung und Vorbereitung sowie die Kontrolle der Tätigkeit vornimmt
Unternehmerrisiko liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die Höhe seiner Einnahmen beeinflussen, Aufräge auch ablehnen kann und für seine Ausgaben selbst aufkommen muss, sie also vom Auftraggeber nicht ersetzt werden.
lm gegenständlichen Fall behauptet die Behörde, dass die Bf. so genannte Scheinselbständige beschäftigt habe und setzt im Wege von Haftungsbescheiden Lohnsteuer für die Jahre 2005 bis 2009 sowie Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag für denselben Zeitraum fest. Dabei geht es um die Tätigkeit von insgesamt vier Personen, die innerhalb dieser Periode für die Abgabenpflichtige Aufträge übernommen und durchgeführt haben.
Bei allen vier ergibt sich aus dem Sachverhalt klar, dass sie das Unternehmerrisiko zu tragen hatten. Sie hatten weder vorgegebene Arbeitszeiten, noch Anspruch auf Zulagen, Entgeltfortzahlung, Anspruch auf Entgelt auch bei unverschuldeter Unmöglichkeit oder Ersatz von Spesen. Niemand der vier hatte mit der Auftraggeberin eine erfolgsunabhängige Grundentlohnung vereinbart oder von dieser erhalten.
Wenn die Behörde schreibt, dass durch den Einwand, dass „die strittigen Mitarbeiter für mehrere Auftraggeber tätig waren“ ebenfalls nichts gewonnen sei für die Einstufung als Selbständige, widerspricht sie damit klar dem vom VwGH entwickelten Kriterienkatalog, nach dem wechselnde Auftraggeber gegen eine Dienstnehmereigenschaft sprechen.
Wenn die Behörde moniert, dass die von ihr als Scheinselbständige eingestufte Personen von Vertretern der Auftraggeberin kontrolliert worden seien und sich an deren Weisungen zu halten gehabt hätten, unterlässt Sie damit die entscheidende Differenzierung zwischen einer persönlichen und einer sachlichen Weisungsgebundenheit.
Dass eine sachliche Gebundenheit hinsichtlich Art der Durchführung und Terminbindung bestanden hat, ist klar und für einen Werkvertrag wesensbildend. Eine persönliche Weisungsgebundenheit ist aber weder aus der Bescheidbegründung noch aus dem Sachverhalt ablesbar. Tatsächlich kann von einer Unterwerfung der vier Personen unter die Ordnungsvorschriften oder das Disziplinarrecht der Auftraggeberin nicht ausgegangen werden. Diese vier Personen hatten sowohl die Möglichkeit, sich bei der Durchführung der vereinbarten Tätigkeiten vertreten zu lassen wie auch die Aufträge abzulehnen. Dies ergab sich schon dadurch, dass zumindest zwei von ihnen sich regelmäßig nicht im Inland aufgehalten haben und daher auch von einer organisatorischen Eingliederung in den Betrieb der Auftraggeberin nicht ausgegangen werden kann.
Weiters verkennt die Behörde die Rechtslage, wenn sie meint, dass „auch nichtselbständig tätige Bauarbeiter (...) oft über eigenes Werkzeug wie Spachteln, Maurerkellen und auch Bohrmaschinen“ verfügten. Geht man davon aus, dass sie damit nicht die private Geräteausstattung von Bauarbeitern meint, die diese in der Freizeit verwenden, stellt sich die Frage, worauf die Behörde mit dieser Anmerkung abzielt.
Dass Bauarbeiter regelmäßig private Gerätschaft auf den Baustellen ihrer Arbeitgeber verwenden, widerspricht völlig den Branchengegebenheiten und kann wohl kaum gemeint sein. Tatsache ist, dass der Einsatz eigener Arbeitsmittel für die Tragung von Unternehmerrisiko durch die Aufragnehmer spricht. Ebenso merkwürdig mutet die Aussage, dass „Bauarbeiter neben ihrer Tätigkeit für ihren Arbeitgeber in ihrer Freizeit mitunter auch andere (private) Baustellen betreuen (sei) allgemein üblich und kein Umstand, der gegen ein Dienstverhältnis mit dem jeweiligen Arbeitgeber spricht“, an.
Die vier angesprochnen Personen verbringen nicht ihre Freizeit auf diversen Baustellen, sondern sind selbständige Einzelunternehmer, die ihren Lebensunterhalt durch Tätigkeit am Bau verdienen wollen. Wieso dies Teil ihrer „Freizgestaltung“ sein soll, bleibt rätselhaft und wirft ein Licht auf die Sachverhaltserhebung durch die Behörde.
Herr D, Herr C, Herr B und Herr A A sind nicht weisungebunden tätig und auch nicht in die betriebliche Organisation der Auftraggeberin eingebunden gewesen. Dass sie Teil ihrer Arbeit in Regie erbracht haben, ist keineswegs branchenunüblich. Wie die Behörde selbst ausführt wurde von den vier Personen gleichermaßen gegen Pauschalentgelt gearbeitet, sodass das von ihnen getragene Unternehmerrisiko klar erkennbar ist. Sie haben der Auftraggeberin eindeutig einen Erfolg und nicht ihre weisungsgebundene Tätigkeit geschuldet.
Aus dem Gesamtbild der Tätigkeit der vier Personen ergibt sich, dass die Merkmale der Selbständigkeit überwiegen. An einer Einbindung in die betriebliche Organisation der Auftraggeberin fehlt es bei Personen, die innerhalb einer relativ kurzen Periode im ln- wie Ausland tätig sind ebenso wie bei Leuten, die sich bei der Durchführung von Aufträgen von Dritten vertreten lassen können. Eine persönliche Weisungsgebundenheit lag ebenso wenig vor und wird von der Behörde auch durch kein Argument untermauert geschweige denn bewiesen. Schließlich ist aus dem Sachverhalt auch deutlich, dass die vier Personen unternehmerisches Risiko getragen haben durch die Absenz dienstnehmerähnlicher Entlohnung, durch den Einsatz eigener Arbeitsmittel und dadurch, dass sie der Auftraggeberin nicht lediglich ihre Arbeitskraft geschuldet haben. Wenn die Behörde eine Entlohnung nach geleisteter Arbeitszeit und nach Pauschalen gleichermaßen als Indiz für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses ansieht, beweist sie damit, dass ihr der Wille zu einer sinnvollen Differenzierung abgeht.
Wenn beide Preisgestaltungsmodelle - die in der Baubranche bekannter Maßen beide üblich sind - gleichermaßen Elemente einer Dienstnehmerähnlichkeit sein sollen, würde
dies die einschlägige Rechtsprechung des VwGH ad absurdum führen.
Wir beantragen daher die Aufhebung der Haftungsbescheide vom ."
Die Berufung wurde vom Finanzamt am der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorgelegt.
2. Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht
Gemäß § 323 Abs. 38 BAO, in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2013, sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängige Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.
2.1. Beweiserhebung durch das Bundesfinanzgericht:
Das Bundesfinanzgericht hat Beweis erhoben durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten GPLA Prüfungsakt inkl. u.a. diversen Niederschriften, Fragebögen und Rechnungen.
Streitpunkt:
Im Beschwerdefall ist strittig, ob die für die Beschwerdeführerin tätigen vier Personen - es handelt sich um Herrn A, Herrn Stummer, Herrn C und Herrn D – für die Beschwerdeführerin selbständig oder im Rahmen eines Dienstverhältnisses tätig wurden.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
1. Die Beschwerdeführerin wurde durch Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft vom gegründet und am in das Firmenbuch eingetragen. Gegenstand des Unternehmens laut Gesellschaftsvertrag ist Vermietung und Verpachtung. Laut GISA-Abfrage besaß sie von bis das reglementierte Gewerbe „Immobilientreuhänder“.
2. In den Jahren 2006 bis 2009 hat die Beschwerdeführerin die nachstehenden Personen fallweise beschäftigt: Herrn A A, Herrn D, Herrn C und Herrn B zu unterschiedlichen Zeiträumen:
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Name | Zeitraum |
A | - |
D | - |
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Alle 4 Personen waren in den Zeiträumen ihrer Beschäftigung bei der Beschwerdeführerin zur Sozialversicherung der Gewerblichen Wirtschaft angemeldet.
Aufgrund der Feststellungen aus der GPLA-Prüfung wurden sie durch die Sozialversicherung mit o.a. Beschäftigungszeiten als „Arbeiter“ pflichtversichert.
A verfügte im Beschwerdezeitraum über eine aufrechte Gewerbeberechtigung für das freie Gewerbe „Verspachteln von bereits montierten Gipskartonplatten unter Ausschluss jeder an einen Befähigungsnachweis gebundenen Tätigkeit“ (von bis ).
D verfügte im Beschwerdezeitraum über eine aufrechte Gewerbeberechtigung für das freie Gewerbe „Reinigungsgewerbe, umfassend die Reinigung von allen oder wenigstens mehreren Hausbewohnern zugänglichen Stiegen, Gängen, Kellern (ausgenommen Kellerabteile), Waschküchen, Trockenräumen und Liften in Wohngebäuden, […].“ (von bis )
C verfügte im Beschwerdezeitraum erst ab über eine Gewerbeberechtigung für das freie Gewerbe „ Montage von Fenstern und Türen in bestehende Maueröffnungen durch Einschäumen unter Ausschluss jeder an einen Befähigungsnachweis gebundenen Tätigkeit und Herstellung von Öffnungen im Mauerwerk, sofern dadurch das konstruktive Gefüge von Bauwerken nicht berührt wird" sowie über „Handelsgewerbe“ (von bis )
B verfügte im Beschwerdezeitraum erst ab über eine Gewerbeberechtigung für das freie Gewerbe „Durchführung einfacher Gartenarbeiten (Rasenmähen, Bewässern der Grünflächen, Vertikutieren, Jäten, Mulchen, Heckenschneiden) sowie Schneeräumung und Entrümpelung“ (von bis ).
3. Die vier sog. Selbständigen haben für die Beschwerdeführerin verschiedenste Arbeiten - laut Rechnungen „selbständige Tätigkeiten“ - durchgeführt, beispielsweise Reparaturarbeiten, Reinigungsarbeiten, Räumungsarbeiten, Malerarbeiten, sowie Stemmen, Zusammenräumen und Spachtelarbeiten.
Schriftliche Vereinbarungen bzw. Verträge existierten nicht.
Es wurde von der Beschwerdeführerin (vertreten durch Herrn *** a bzw. einen Angestellten) bestimmt, auf welcher Baustelle die sog. Werkvertragsnehmer für welche Tätigkeiten eingesetzt wurden. Es gab vor Ort direkte Weisungen, Darauf hatten diese keinen Einfluss.
Die sog. Selbständigen waren zwar nicht an fixe Arbeitszeiten gebunden, jedoch mussten sie – sofern es nachfolgende Professionisten gab – bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ihre Arbeiten beendet haben bzw. wurde ein Zeitrahmen für die Arbeiten vorgegeben.
Es musste der Beschwerdeführerin bekannt geben werden, wenn sie krank waren bzw. Urlaub nehmen wollten.
Die für die Tätigkeiten benötigten (Klein)-Werkzeuge haben die sog. Selbständigen selbst gekauft und mitgebracht. Das sonstige benötigte Arbeitsmaterial wurde von der Beschwerdeführerin gestellt.
Die sog. Selbständigen haben die Arbeiten ausschließlich selbst durchgeführt. Die Möglichkeit der Vertretung war teilweise gegeben, wurde aber entweder nicht in Anspruch genommen oder wäre eine Vertretung durch einen Kollegen möglich gewesen.
Es erfolgte eine Kontrolle hinsichtlich der Durchführung der Arbeit, Arbeitsfortgang und Qualität und Arbeitsleistung durch die Beschwerdeführerin bzw. einen ihrer Angestellten.
Die Haftungsfrage für eventuelle Schäden blieb offen, da durch die sog. Selbständigen laut eigenen Aussagen keine Schäden verursacht wurden.
Die Bezahlung erfolgte zum überwiegenden Teil nach geleisteter Stundenanzahl, gelegentlich wurde auch als Pauschalbetrag abgerechnet.
Der dargestellte Sachverhalt wird wie folgt beurteilt:
Gemäß § 41 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) haben den Dienstgeberbeitrag alle Dienstgeber zu leisten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen. Dienstnehmer sind ua. auch Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 EStG 1988 stehen (Abs. 2 leg. cit.).
Die Pflicht zur Entrichtung eines Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag gründet sich auf § 122 Abs. 7 und Abs. 8 des Wirtschaftskammergesetzes (WKG) 1998.
Gemäß § 47 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.
Der Legaldefinition des § 47 Abs 2 EStG 1988 sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. Die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers zeigt sich ua in der Vorgabe der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Arbeitsmittel durch den Auftraggeber sowie die unmittelbare Einbindung der Tätigkeit in betriebliche Abläufe des Arbeitgebers (zB ; ; ).
In Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf weitere Abgrenzungskriterien (wie etwa auf das Fehlen eines Unternehmerrisikos, oder die Befugnis, sich vertreten zu lassen) Bedacht zu nehmen (zB ; und ).
Ob bzw in welcher Ausprägung und Intensität im konkreten Fall die einzelnen genannten Kriterien vorliegen, ist eine Sachverhaltsfrage ( ).
Für das Bestehen eines Dienstverhältnisses kommt es nicht auf die von den Vertragspartnern gewählte Bezeichnung als Dienstvertrag oder als Werkvertrag an. Entscheidend ist vielmehr die tatsächlich verwirklichten vertraglichen Vereinbarungen ().
Eine Entlohnung nach Arbeitstagen oder Arbeitsstunden stellt nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung ein Indiz dafür dar, dass die im Betrieb eines Arbeitgebers tätige Person nicht einen bestimmten Arbeitserfolg schuldet, sondern ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Monatliche Einnahmenschwankungen aufgrund einer unterschiedlich hohen Anzahl geleisteter Arbeitsstunden sprechen daher nicht gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses (vgl / 2007/15/0163; ; ).
Bauarbeiter sind idR nichtselbständig tätig; die Abrechnung nach geleisteten Arbeitsstunden ist ein gewichtiges Indiz für das Vorliegen einer nichtselbständigen Tätigkeit, spricht doch ein vereinbarter Stundenlohn grundsätzlich für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses (E , 94/13/0121; E , 97/13/0164).
Als „Subunternehmer“ tätige „Spachtler“ stehen in einem Dienstverhältnis, wenn in ihren „Aufträgen“ keine als Werk konkretisierte Leistung beschrieben war und zeitraumbezogen nach Monaten abgerechnet wurde, ohne dass die Rechnungen Bezugnahmen auf als Werk deutbare Leistungen enthalten hätten oder als Teil- oder Schlussrechnungen ausgewiesen waren (E , 2008/13/0071; vgl auch E , 2007/13/0071) (dazu Kirchmayr/Denk in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Kommentar zum EStG , § 47, Rz 79)
Bauarbeiter sind idR in den geschäftl Organismus eingegliedert und tragen auch kein ins Gewicht fallendes Unternehmerrisiko (, zur Scheinselbständigkeit von polnischen Verspachtlern; ebenso ).
Je nach Ausgestaltung handelt es sich um einen Dienst- oder Werkvertrag. Sind die Personen für wechselnde (private) Auftraggeber tätig und stellen sie Arbeitsmittel bei, spricht dies gegen einen Dienstvertrag (). Eine Abrechnung nach geleisteten Arbeitsstunden stellt für sich allein noch keine erfolgsabhängige Entlohnung dar und spricht – vor allem bei organisatorischer Eingliederung und Überwachung – für eine nichtselbständige Tätigkeit ( ). (Jakom, EStG, § 47, Rz9)
Nach der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis dann vor, „wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet“. Das steuerrechtliche Dienstverhältnis ist daher charakterisiert durch das „Schulden der Arbeitskraft“. Ein – für die Annahme, dass die Tätigkeit selbständig ausgeübt worden ist, sprechender - Werkvertrag liegt hingegen dann vor, wenn die Verpflichtung zur Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernommen wird, wobei es sich bei dem „Werk“ um eine schon im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handeln muss. Die Verpflichtung aus einem Werkvertrag besteht darin, die genau umrissene Leistung (in der Regel bis zu einem bestimmten Termin) zu erbringen (, mwN).
Im gegenständlichen Fall existierten keine vertraglichen Vereinbarungen oder Werkverträge, was durch die sog. Selbständigen übereinstimmend bestätigt wurde.
Die Beschäftigungszeiten der streitgegenständlichen Personen wurden von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
Die stundenweise Abrechnung der geleisteten Arbeit ergibt sich für das Gericht einerseits aus den Aussagen der von der belangten Behörde vernommenen Personen, andererseits aus den vorgelegten Rechnungen, welche sich im Akt befinden.
Die vorgelegten Abrechnungen lassen jedoch nicht erkennen, dass die sog. Selbständigen einzelne Werke – im oa. dargestellten Sinn – geschuldet oder erbracht hätten. Die „Leistungsgegenstände“ wurden nur sehr allgemein umschrieben, abgerechnet wurden überwiegend nach tatsächlich geleisteten Stunden; zB „Spachtelarbeiten“, „117 Std für selbständige Arbeiten“; oder „Arbeitsstunden für selbständige Tätigkeiten“ oder „zusammengeräumt, weckgeräumt, saubergemacht, diverse Arbeiten“. Die Abrechnungen waren teilweise zeitraumbezogen (für einen Monat), der überwiegende Anteil der Rechnungen enthält aber lediglich ein Rechnungsdatum und keine weitere Zuordnungsmöglichkeit, weder hinsichtlich eines Zeitraumes noch einer Spezifizierung der Tätigkeit im Sinne eines Einsatzortes oder welche Tätigkeiten tatsächlich durchgeführt wurden. All dies sind Umstände, die nicht den Rückschluss zulassen, dass hier einzelne (konkrete) Werke erbracht worden wären.
Sofern die Beschwerdeführerin vorbringt, dass von den Personen auch gegen Pauschalentgelt gearbeitet wurde, so bleibt festzuhalten, dass aus den Rechnungen nicht nachvollzogen werden kann, auf welchen Überlegungen sich die Pauschalbeträge gründen. Dort findet sich lediglich die Beschreibung „Für selbständige Tätigkeiten“ bzw. „Pauschale für selbständige Tätigkeiten“, „Diverse Arbeiten“ oder Ähnliches. Die Beschwerdeführerin macht keine Angaben darüber, auf welcher Grundlage die Pauschalhonorare der sog. Selbständigen berechnet wurden, insbesondere, ob vor bzw. bei der Vergabe von Aufträgen an die sog. Selbständigen über den jeweils notwendigen Zeitaufwand und die Stunden(honorar)sätze gesprochen wurde.
Dass zwischen der Beschwerdeführerin und den sog. Selbständigen die Ausführung einzelner Werke vereinbart bzw. dass solche tatsächlich erbracht worden wären, kann daher ausgeschlossen werden. Die sog. Selbständigen haben der Beschwerdeführerin vielmehr ihre Arbeitskraft für die Durchführung der ihnen zugewiesenen Arbeiten geschuldet.
Die in § 47 Abs. 2 EStG 1988 enthaltene Definition des Dienstverhältnisses ist eine eigenständige des Steuerrechtes; sie ist weder dem bürgerlichen Recht, noch dem Sozialversicherungsrecht, noch anderen Rechtsgebieten entnommen. Durch sie soll ein tatsächliches Verhältnis, oder mit anderen Worten, ein Zustand umschrieben werden ( Zl. 84/13/0015; vom , Zl. 84/14/0147).
Bei der Beurteilung, ob eine Leistungsbeziehung die Tatbestandsvoraussetzungen des § 47 Abs. 2 EStG 1988 erfüllt, kommt es daher weder auf die von den Vertragspartnern gewählte Bezeichnung des Vertragswerkes an (; ; ; ), noch darauf, wie eine Rechtsbeziehung auf anderen Gebieten, wie beispielsweise dem Sozialversicherungsrecht, Gewerberecht oder dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu beurteilen ist ().
Dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin die streitgegenständlichen Personen wiederholt als „selbständig“ bezeichnet hat, kommt daher ebenso wenig entscheidungsrelevante Bedeutung zu, wie dem Umstand, dass die sog. Subunternehmer über Gewerbeberechtigungen verfügt haben und bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft versichert gewesen sind , sowie dass die Abrechnung der geleisteten Arbeitsstunden in Form von Honorarnoten erfolgte. Bei der steuerlichen Beurteilung einer Tätigkeit kommt es nicht darauf an, in welches äußere Erscheinungsbild die Vertragspartner ihr Rechtsverhältnis gekleidet haben oder welche Beurteilung auf anderen Rechtsgebieten zutreffend sein sollte (vgl. ).
Unabhängig davon ist anzumerken, dass nicht jeder der sog. Selbständigen in den ihn betreffenden entscheidungsrelevanten Zeiträumen über eine aufrechte Gewerbeberechtigung verfügte bzw die Beiträge zur Sozialversicherung generell nicht entrichtet wurden und es im Übrigen zu einer Nachversicherung durch die GKK als Arbeiter kam.
Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin kommt es auch nicht auf den auf eine Selb- oder Unselbständigkeit gerichteten Willen der vertragsschließenden Parteien an, sondern nur auf das tatsächlich verwirklichte Geschehen.
Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass das Finanzamt selbst die Tätigkeit der Personen als selbständig eingestuft habe, indem es an sie Steuernummern vergeben habe, geht daher ins Leere und ist für das Verfahren nicht zielführend.
Die Ermittlungsergebnisse des BFG weisen zudem in die völlig andere Richtung.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die (persönliche) Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. In Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist auf weitere Abgrenzungskriterien, wie insbesondere das Fehlen eines Unternehmerrisikos, Bedacht zu nehmen (; ; ; ).
Die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers zeigt sich u.a. in der Vorgabe der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Arbeitsmittel durch den Auftraggeber sowie in der unmittelbaren Einbindung der Tätigkeit in die betrieblichen Abläufe des Arbeitgebers (; ).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die – für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses maßgeblichen – persönlichen Weisungen auf den zweckmäßigen Einsatz der Arbeitskraft ausgerichtet und dafür charakteristisch, dass der Arbeitnehmer nicht die Ausführung einzelner Arbeiten verspricht, sondern seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt ( ; ; ; Zl. 2007/15/0163).
Zur Weisungsbindung und zur organisatorischen Eingliederung ergibt sich im Beschwerdefall folgendes Bild:
a. Die vier streitgegenständlichen Personen haben auf diversen Einsatzorten/Baustellen gegen Entgelt Bau-, Reinigungs- und sonstige Hilfstätigkeiten für die Beschwerdeführerin durchgeführt.
b. Die Einteilung der Arbeit erfolgte durch Herrn *** bzw. einem Angestellten der Beschwerdeführerin. Den sog. Selbständigen wurden die Einsatzorte/Baustellen zugewiesen. Sie konnten keinen Einfluss darauf nehmen, auf welcher Baustelle sie eingesetzt werden.
c. Es gab zwar keine vereinbarten Arbeitszeiten, doch wurde bei den auf die Tätigkeiten der Selbständigen folgenden weiteren Arbeiten durch Professionisten ein Zeitrahmen dahingehend vorgegeben, bis wann sie ihre Tätigkeiten zu erledigen hätten.
Die zeitgerechte Erbringung der Arbeiten war somit jedenfalls relevant, da die Beschwerdeführerin ihrerseits an bestimmte Termine gebunden war. Eine Leistungsbeziehung, bei der ein Arbeiter seine Arbeitskraft (laufend) zur Verfügung stellt, und bei der das Hauptaugenmerk des Empfängers der Arbeitsleistung darauf gerichtet ist, dass die Arbeiten zeitgerecht erbracht werden, trägt ein (auf die zeitgerechte Erbringung der Arbeiten zielendes) Weisungsrecht zwangsläufig mit sich. Dies wird auch durch die Aussage des Herrn B sowie Herrn C bestätigt.
Zudem mussten der Beschwerdeführerin Abwesenheiten (Krankheit, Urlaub) bekannt gegeben werden.
Das Vorliegen eines persönlichen Weisungsrechtes ist daher im Ergebnis zu bejahen.
d. Die Arbeitseinsätze wurden vor Ort durch entsprechende Verantwortliche der Beschwerdeführerin koordiniert und die Arbeiten (teilweise mittels Listen) den jeweiligen Personen zugewiesen. Die Kontrolle der Arbeitsleistung, sowie Weisungen betreffend Durchführung der Arbeiten, Arbeitsfortgang und Arbeitsqualität erfolgten durch Herrn *** selbst oder einem Angestellten der Beschwerdeführerin.
e. Sofern Arbeitsmaterial benötigt wurde, wurde es von der Beschwerdeführerin beigestellt, die sog. Selbständigen steuerten zu ihrer Tätigkeit für die Beschwerdeführerin selbst nur das benötigte Kleinwerkzeug bei.
Die sog. Selbständigen waren demnach an die von der Beschwerdeführerin vorgegebene Arbeitseinteilung, ihre Arbeitsvorgaben und den Arbeitsort gebunden. Die Planung und Vorbereitung der von ihnen durchzuführenden Tätigkeiten erfolgte durch die Beschwerdeführerin, sie hatten ihre Arbeitsanweisungen zu befolgen. Die Beschwerdeführerin kontrollierte die von ihnen ausgeübte Tätigkeit auch selbst oder ließ sie durch andere ihr zurechenbare Personen kontrollieren. Die sog. Selbständigen waren daher in ein betriebliches Ordnungssystem eingebunden.
Die Beschwerdeführerin hat die sog. Selbständigen zweckmäßig, nämlich dort, wo sie sie gerade gebraucht hat, eingesetzt und sie hat ihre Arbeiten kontrolliert. Für das Bundesfinanzgericht besteht daher kein Zweifel daran, dass die Beschwerdeführerin – im Sinne der dargestellten Rechtsprechung – gegenüber den sog. Selbständigen ein persönliches Weisungsrecht ausgeübt hat bzw. dass diese bei der Durchführung ihrer Arbeiten „unter der Leitung des Arbeitgebers“/der Beschwerdeführerin (§ 47 Abs. 2 EStG 1988) standen.
An dieser Beurteilung vermag auch der Umstand, dass die sog. Selbständigen an keine fixen Arbeitszeiten gebunden gewesen sind, nichts zu ändern, weil die Möglichkeit, sich seine Arbeitszeit frei einteilen zu können, weder gegen das Bestehen einer persönlichen Abhängigkeit noch gegen das Bestehen einer betrieblichen Eingliederung spricht ().
Dass die sog. Selbständigen eingegliedert gewesen sind und ihre Tätigkeit auch weisungsgebunden ausgeübt haben, zeigt ihre mangelnde Gestaltungsfreiheit und spricht nach Ansicht des BFG für das Vorliegen von Dienstverhältnissen der streitgegenständlichen vier Personen zur Beschwerdeführerin iSd § 47 Abs. 2 EStG.
Hinzu kommt, dass die sog. Selbständigen weitestgehend nach (tatsächlich) geleisteten Arbeitsstunden sowie (monatlichen) Leistungszeiträumen entlohnt worden sind. Aber auch die – im gegenständlichen Fall zum Teil erfolgte - Ausbezahlung eines vom tatsächlichen Erfolg unabhängigen Pauschalentgeltes spricht nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes dafür, dass die sog. Selbständigen der Beschwerdeführerin ihre Arbeitskraft und nicht die Herstellung eines bestimmten Werkes geschuldet haben.
Bereits das Vorliegen dieser Kriterien spricht klar für das Bestehen eines steuerlichen Dienstverhältnisses.
Auf andere Abgrenzungskriterien wie das Vorliegen eines Unternehmerrisikos muss daher an sich nicht mehr eingegangen werden. Es ist aber auch nicht erkennbar, dass die sog. Selbständigen ein Unternehmerrisiko, weder auf der Einnahmen – noch auf der Ausgabenseite, getragen haben.
Aus der Aussage der Beschwerdeführerin, bereits der Einsatz eigener Arbeitsmittel spräche für die Tragung des Unternehmerrisikos durch die Auftragnehmer, kann nichts gewonnen werden, da festgestellt wurde, dass die sog. Selbständigen zwar ihr (Klein-)Werkzeug selbst mitbrachten, jedoch das (Arbeitsmaterial) von der Beschwerdeführerin beigestellt wurde.
Auch die Argumentation des Unternehmerrisikos mit der Abrechnung mittels Pauschalentgelt führt nicht zum Erfolg, wie bereits oben ausgeführt wurde.
Wenn ein Auftragnehmer sich bei seiner Arbeitsleistung vertreten lassen kann und das Bestimmungsrecht darüber nicht dem Auftraggeber zusteht, spricht dies in der Regel für ein Werkvertragsverhältnis ( Zl. 2000/15/0078).
Die theoretische Vertretungsmöglichkeit war im gegenständlichen Fall bei den sog. Selbständigen laut ihren Aussagen (ausser bei Herrn Stummer) gegeben, wurde faktisch jedoch nicht in Anspruch genommen. Andererseits wurde aber auch von diesen bestätigt, dass eine Verpflichtung zur persönlichen Arbeitsleistung bestand.
Dies ist jedoch im gegenständlichen Fall für die Entscheidung nicht von Relevanz, da bereits die Kriterien der Eingliederung in den betrieblichen Organismus, sowie die Weisungsgebundenheit durch das Bundesfinanzgericht eindeutig bejaht wurden.
Dass die sog. Selbständigen auch für andere Auftraggeber tätig waren, wird vom Bundesfinanzgericht nicht in Zweifel gezogen, ändert es jedoch nichts an den Feststellungen hinsichtlich des streitgegenständlichen Verhältnisses und kann mit dieser Argumentation der Beschwerdeführerin sohin nichts gewonnen werden.
Da aufgrund der obigen Sachverhaltsfeststellungen die belangte Behörde bei Beurteilung des Gesamtbildes der strittigen Tätigkeiten zu Recht von einem Überwiegen der Merkmale eines Dienstverhältnisses und somit einer nichtselbständigen Tätigkeit bei den im Streitzeitraum von der Beschwerdeführerin beschäftigten Personen ausgegangen ist, kann in der Heranziehung der Beschwerdeführerin zur Haftung für die Lohnsteuer bzw ihr gegenüber erfolgten Festsetzung der Dienstgeberbeiträge und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag keine Rechtswidrigkeit erkannt werden.
Es war daher der Beschwerde der gewünschte Erfolg zu versagen.
Zur Zulässigkeit der Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im vorliegenden Fall entscheidungswesentlich die in freier Beweiswürdigung vorgenommene Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes war, liegen die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht vor (vgl ).
Hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen eines Dienstverhältnisses und der hierfür zu prüfenden Kriterien weicht das Bundesfinanzgericht mit dem vorliegenden Erkenntnis zudem nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, sondern folgt der in den Erkenntnissen vom , 97/13/0164; , 2009/15/0200; , 2007/15/0223; , 2008/15/0180 und , 2012/15/0025, zum Ausdruck gebrachten Judikaturlinie, weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden war.
Wien, am
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 41 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 47 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7103097.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at