zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.05.2019, RV/1100091/2019

Familienbeihilfenanspruch eines subsidiär Schutzberechtigten, der ein Praktikum im Rahmen eines Bildungsplanes absolviert.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gerhild Fellner

in der Beschwerdesache des Adr,

betreffend den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom  hinsichtlich Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag

zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verwaltungsgeschehen:

Der angefochtene Bescheid enthielt die Begründung, laut den vorgelegten Unterlagen beziehe der Beschwerdeführer Arbeitslosengeld und somit liege keine unselbständige Tätigkeit in Österreich vor. Es bestehe daher kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Dagegen wandte sich der Beschwerdeführer mit Beschwerde und erläuterte: Es sei bekannt, dass er bei der Firma E in C arbeite, wo er sich im Rahmen einer verbindlichen Ausbildungsvereinbarung mit integriertem Bildungsplan zum Karosseriebautechniker ausbilden lasse. Er besuche regelkonform die Berufsschule in C und werde nach Abschluss dieser Ausbildung eine Lehrabschlussprüfung ablegen. Nach seinem Verständnis befinde er sich daher in einer Ausbildung, die einer Lehre entspreche. Er habe inzwischen das erste Lehrjahr mit Berufsschule positiv abschließen können und befinde sich nun im zweiten Lehrjahr.

Über seinen Antrag habe er auch seitens des Finanzamtes C die Familienbeihilfe zugesprochen bekommen. Dementsprechend habe er seine weitere Lebensgestaltung ausgerichtet. Er sei im Juli 2018 in eine Wohnung in X umgezogen, die er sich ohne den Bezug der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages nicht leisten könnte. Seine Mietkosten inklusive Betriebskosten beliefen sich derzeit auf ca. € 550,00. Zudem habe der Umzug erhebliche Unkosten nach sich gezogen, die es zu decken gelte. Ein Ausstieg aus dem Mietvertrag sei frühestens nach einem Jahr möglich, und mit allen Schwierigkeiten verbunden, die aufträten, wenn man als b-ischer Staatsbürger eine Wohnmöglichkeit suche.

Bei der bisher bezogenen Familienbeihilfe handle es sich um einen gutgläubigen Bezug. Es stelle sich die Frage, ob er hätte erkennen müssen oder können, dass ihm dieser Bezug nicht zustehe. So habe das Finanzamt C einen rechtsgültigen positiven Bescheid erlassen, er habe alle Angaben vollständig und korrekt gemacht, selbst für seine Sozialarbeiterin sei ein allfälliges Nicht-Zustehen nicht erkennbar gewesen.

Selbst das Finanzamt G und das Finanzamt C verträten in dieser Sache unterschiedliche Rechtsauffassungen. Als subsidiär Schutzberechtigter stelle er sich die Frage, ob er sich auf eine behördliche Rechtsauffassung verlassen könne bzw., ob es eine solche gäbe.

In der Folge erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung seitens der Abgabenbehörde.

Nach Nennung der bezughabenden familienbeihilfenrechtlichen Gesetzesstellen wurde darin ausgeführt: Es werde außer Streit gestellt, dass dem Beschwerdeführer die Stellung eines Vollwaisen im Sinne des § 6 Abs. 5 FLAG 1967, die ihm grundsätzlich einen Eigenanspruch vermittle, zukomme. Ebenso unstrittig sei er aber ein subsidiärer Schutzberechtigter, für welchen § 3 Abs. 4 FLAG 1967 die grundlegende gesetzliche Regelung hinsichtlich des Anspruches auf Familienbeihilfe darstelle.

Diese Gesetzesstelle bringe zum Ausdruck, dass subsidiär schutzberechtigte Personen als selbst Anspruchsberechtigte dann Anspruch auf Familienbeihilfe hätten, wenn sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhielten und selbständig oder unselbständig erwerbstätig wären.

Im Falle des Beschwerdeführers liege keine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 4 FLAG 1967 vor. Die Abgabenbehörde zitierte vergleichsweise das Erkenntnis des .

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergebe sich eine objektive Erstattungspflicht bei zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe. Subjektive Momente, wie Verschulden, Gutgläubigkeit oder die Verwendung der Familienbeihilfe, seien nach ständiger Rechtsprechung des VwGH für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich. Entscheidend sei ausschließlich, dass der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten habe.

In der Folge brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein. Er führte aus, die Rückforderung seitens des Finanzamtes G sei seines Erachtens rechtswidrig und der Bescheid dementsprechend aufzuheben oder abzuändern.

Er habe nämlich einen positiven und rechtsgültigen Bescheid des Finanzamtes C vom auf Zuerkennung der Familienbeihilfe erhalten und sämtliche notwendigen Unterlagen bereits damals eingereicht. Er befinde sich in einem aufrechten Lehrverhältnis mit der Firma E in C und habe das erste Lehrjahr im Jahr 2018 positiv abgeschlossen. Lehrverhältnis und Leistungsbezug entsprächen einem üblichen Lehrverhältnisses.

Er erachte die rechtliche Würdigung des Finanzamtes als falsch. Die Behörde habe selbst festgestellt, dass er sich seit Mai 2017 in einem überbetrieblichen Lehrverhältnis befinde. Weshalb ein Lehrverhältnis nicht als Erwerbstätigkeit und als Dienstverhältnis zählen sollte, sei ihm nicht klar. Eine Erwerbstätigkeit bzw. ein Dienstvertrag bestehe definitionsgemäß aus einer persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit, einer Weisungsgebundenheit, dem Schulden von Arbeitskraft, einem Dauerschuldverhältnis und dem Umstand, dass keine eigenen Betriebsmittel vorhanden seien.

All diese Voraussetzungen lägen in seinem Fall vor. Er beziehe nicht bloß Arbeitslosengeld des AMS X, wie vom Finanzamt angenommen, sondern auch einen finanziellen Beitrag, den die Firma E an das AMS leiste. Die Tatsache allein, dass es sich um ein überbetriebliches Lehrverhältnis handle, könne nichts daran ändern, dass er gegen Entgelt seine Arbeitskraft anbiete und somit eine Erwerbstätigkeit vorliege.

Die seitens des Finanzamtes zitierte Entscheidung sei mit seinem Fall nicht vergleichbar, weil der dort betroffene subsidiär Schutzberechtigte nicht - wie der Beschwerdeführer - eine Lehre, sondern lediglich einen Hauptschulabschlusslehrgang absolviere. Ein solcher Hauptschulabschlusslehrgang könne nicht mit einem Lehrverhältnis gleichgesetzt werden,  er persönlich habe den Hauptschulabschlusslehrgang bereits gemacht. In einem solchen Fall werde nicht die Arbeitskraft geschuldet, was bei einem Lehrverhältnis sehr wohl der Fall sei.

Da er keine Mittel aus der Grundversorgung beziehen und sein Lehrverhältnis als unselbständige Tätigkeit zu werten sei, erfülle er alle Voraussetzungen im Sinne des § 3 Abs. 4 FLAG 1967 und habe Anspruch auf Familienbeihilfe. Dass diese Voraussetzungen vorlägen, ergebe sich auch daraus, dass ihm seitens des Finanzamtes C die Familienbeihilfe, welche er gutgläubig bezogen habe, unter denselben Voraussetzungen zugesprochen worden sei. Die Rückzahlung würde seine soziale und wirtschaftliche Verarmung nach sich ziehen.

Er beantrage daher, den Rückzahlungsbescheid und die Beschwerdevorentscheidung als rechtswidrig aufzuheben, den Bescheid des Finanzamtes C vom  wieder in Geltung zu setzen, in eventu, auf die Rückforderung der Familienbeihilfe wegen Unbilligkeit laut § 236 BAO zu verzichten.

II. Sachverhalt:

  • Der Beschwerdeführer ist am 1122.1999 in A geboren und b-ischer Staatsbürger.

  • Er brachte am in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

  • Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten mit einer Aufenthaltsberechtigung bis zum  zu.

  • Mit einem weiteren Bescheid verlängerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers bis zum .

  • Ab 5566.2016 wohnte der Beschwerdeführer im „Ambulant betreuten Wohnen" des Instituts für Sozialdienste in C, am 3344.2018 verzog er in eine Wohnung nach X.

  • Für den Zeitraum bis war der Beschwerdeführer Teilnehmer der Stiftung Y, die die Ausbildung und Unterstützung arbeitsloser Jugendlicher zum Ziel hat.

  • In diesem Rahmen absolvierte er ein Praktikum bei Z GmbH & Co KG in C und besuchte begleitend dazu fachspezifische Kurse und die Berufsschule zur Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung.

  • Als Aufnahmedatum eines konkreten Dienstverhältnisses war der geplant.

  • Die finanzielle Absicherung war gewährleistet durch eine Leistung nach dem Arbeitslosengesetz über das AMS Vorarlberg sowie durch einen monatlichen, ab Juni 2017 ausbezahlten, Bildungsbonus in Höhe von € 200,00 bis einschließlich .

III. Gesetzliche Grundlagen:

Auf die bereits in der Beschwerdevorentscheidung zitierten Gesetzesstellen § 2, § 3 Abs. 1-3, § 6 Abs. 1 und 5 sowie § 26 Abs. 1 FLAG 1967 wird - um Wiederholungen zu vermeiden ohne neuerliche wörtliche Wiedergabe - hingewiesen.

Die für den Streitfall zentrale Norm ist  § 3 Abs. 4 FLAG 1967 wonach, abweichend von Abs. 1, Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe haben, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 sind Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Arbeitslohn) Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis.

Arbeitslohn liegt dann vor, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (Doralt, EStG 12, § 25 Tz 12).

IV. Rechtliche Würdigung:

Strittig ist: Erfüllt der Beschwerdeführer im Streitzeitraum die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe iSd § 3 Abs. 4 FLAG 1967?

Nicht strittig ist, dass  - bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967 - grundsätzlich ein Eigenanspruch gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 gegeben ist.

Das Bundesfinanzgericht zieht nicht in Zweifel, dass der Beschwerdeführer im Streitzeitraum für die Z GmbH & Co KG in C tätig war. Es handelte sich jedoch hiebei nicht um ein reguläres Arbeits- oder Lehrverhältnis. Vielmehr absolvierte der Beschwerdeführer als Stiftungsteilnehmer über die Stiftung Y (Verein zur yyy) ein Praktikum mit dem Ziel, ab in ein konkretes Dienstverhältnis übernommen zu werden.

Grundlage seiner Tätigkeit war nicht ein Dienstvertrag, sondern ein zwischen ihm, dem Unternehmen (Z GmbH & Co KG, E, C), der Arbeitsstiftung Y und dem AMS vereinbarter Bildungsplan. Finanziell abgesichert war er durch eine als "Arbeitslosengeld" bezeichnete Leistung des AMS nach dem Arbeitslosengesetz (Arbeitsmarktförderung) sowie durch einen Bildungsbonus. Ein im Akt aufliegendes Schreiben des AMS vom weist die im Streitzeitraum und darüber hinaus an den Beschwerdeführer ausbezahlten Leistungen als "Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes" aus.

Aus dem dargestellten Sachverhalt geht hervor, dass der Beschwerdeführer zwar tätig, aber nicht "erwerbstätig" iSd § 3 Abs. 4 FLAG 1967 war. Er erhielt keinen Arbeitslohn, wie er wesentliches Merkmal einer unselbständigen Tätigkeit ist, sondern eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung und einen Bildungsbonus (vgl. hiezu auch Herwig Aigner/Rudolf Wanke, in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 3 Rz 275 bis 280).

Zumal daher die Voraussetzungen gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967 für den Familienbeihilfenbezug eines subsidiär Schutzberechtigten mangels Vorliegens einer unselbständigen Erwerbstätigkeit im Streitzeitraum nicht gegeben waren, war die Rückforderung der - deshalb zu Unrecht bezogenen - Beträge rechtens.

Soweit der Beschwerdeführer wiederholt auf die anfangs seitens des Finanzamtes C zugesprochene, dann seitens des Finanzamtes G zurückgeforderte Familienbeihlfe hingewiesen hat und abweichende Rechtsauslegungen der beiden Ämter bzw. einen Zustand der Rechtsunsicherheit vermutet, ist ihm zu entgegnen:  

Wird eine behördliche Beurteilung betreffend das Zustehen der Familienbeihilfe als nicht gesetzeskonform erkannt, besteht kein Rechtsanspruch der rechtsunterworfenen Bürger auf die Beibehaltung der bisher gepflogenen, als rechtswidrig erkannten Vorgangsweise. Die Behörde ist sogar verpflichtet, von der als rechtswidrig erkannten Vorgangsweise abzugehen. Auch das Finanzamt C hätte daher im Streitfall die zunächst in unzutreffender Beurteilung der Rechtslage zugesprochene Familienbeihilfe zurückfordern müssen.

Soweit der Beschwerdeführer den gutgläubigen Bezug und Verbrauch der Familienbeihlfe betont hat - woran das BFG nicht zweifelt - ist er auf die schon in der Beschwerdevorentscheidung erläuterte, objektive Erstattungspflicht gemäß § 26 Abs. 1 FLAG hinzuweisen, die allein auf die Unrechtmäßigkeit des Bezuges abstellt.

Soweit der Beschwerdeführer in seinem Vorlageantrag in eventu die Möglichkeit einer Nachsicht gemäß § 236 BAO angesprochen hat, obliegt eine Entscheidung darüber den Finanzamt.

Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.

V. Zulässigkeit/Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der strittigen Rechtsfrage lässt sich klar aus dem Gesetz ableiten.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at