Keine sachliche Unbilligkeit, wenn nicht alle Rechtsmittel ausgeschöpft wurden
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter
A
in der Beschwerdesache
BF,
vertreten durch
StB,
gegen
FA
vertreten durch
AB
wegen
behaupteter Rechtswidrigkeit der Bescheide vom , betreffend Abweisung der Anträge auf Nachsicht der Einkommensteuer 2000 und 2001 nach § 236 BAO
nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am
zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Der BF war in den Jahren 2000 und 2001 Gesellschafter einer Wirtschaftstreuhand OEG, die im Jahr 2000 einen neuen Gesellschafter aufnahm und im Jahr 2002 rückwirkend gemäß Art III UmGrStG in eine GmbH eingebracht wurde.
Verfahren betreffend die Feststellung der Einkünfte für die Jahre 2000 und 2001 für die Wirtschaftstreuhand OEG:
Im Jahr 2006 wurden die veranlagten Jahre 2000 und 2001 hinsichtlich der Umsatzsteuer und der Feststellung der Einkünfte der OEG einer Betriebsprüfung unterzogen. Die Feststellungen der BP führten zu Änderungen der Gewinnanteile der Gesellschafter. Gegen die nach Wiederaufnahme der Verfahren erlassenen, als Feststellungsbescheid intendierten Erledigungen wurde Beschwerde erhoben. Diese wurde mit als unzulässig zurückgewiesen. (RV/6100256/2006)
Darauf erließ das FA mit neuerlich nach Wiederaufnahme der Verfahren für das Jahr 2000 sowie das Jahr 2001 eine als Feststellungsbescheid intendierte Erledigung. Auch gegen diese Schriftstücke wurde wiederum Beschwerde erhoben. Auch diese Beschwerde wurde mit als unzulässig zurückgewiesen. (RV/6100816/2015)
Darauf erließ das FA mit neuerlich nach Wiederaufnahme der Verfahren Bescheide für das Jahr 2000 sowie das Jahr 2001. Auch gegen diese wurde wiederum Beschwerde erhoben. Dieses Beschwerdeverfahren ist derzeit noch nicht erledigt. (RV/6100006/2016)
Sonstige (Beschwerde)Verfahren betreffend den BF für die Jahre 2000 und 2001:
Diese Änderungen der als Feststellungsbescheid intendierten Erledigungen im Jahr 2006 (erster Verfahrensgang) wurden vom FA „nach § 295 Abs. 1 BAO“ in die Einkommenssteuerbescheide der Jahre 2000 und 2001 auch beim BF übernommen. Mit Anträgen vom beantragte der BF durch seine ausgewiesene Vertreterin unter anderem die ersatzlose Aufhebung der betroffenen Einkommenssteuerbescheide nach § 295 Abs. 4 BAO. Gleiches beantragte der BF auch die ersatzlose Aufhebung nach § 209a BAO sowie gemäß § 236 BAO die Nachsicht der Abgabenschulden.
Das FA wies die Anträge nach § 295 Abs. 4 BAO mit Bescheid vom zurück und führte dazu aus, dass ein derartiger Antrag nach der im Jahr 2015 geltenden Fassung des § 304 BAO nur bis zur Verjährung eingebracht werden könne. Die nach § 295 Abs. 1 BAO erlassenen Einkommensteuerbescheide seien mit Datum vom erlassen worden. Die Verjährungsfrist habe aufgrund der Bestimmungen der §§ 207 ff. BAO für das Jahr 2000 ebenso wie für das Jahr 2001 mit dem Ende des Jahres 2007 geendet.
Weiters wies das FA auch die Anträge nach § 209a BAO zurück und begründete dies damit, dass kein Antragsrecht nach § 209a BAO existiere, da es sich dabei um eine Verjährungsbestimmung handle. Daher sei auch diese Anträge als Anträge nach § 295 Abs. 4 BAO zu werten und es würden für diese Anträge die gleichen Ausführungen gelten wie in den Bescheiden über die Anträge nach § 295 Abs. 4 BAO.
Nachsichtverfahren (gegenständliches Beschwerdeverfahren):
Mit Schriftsatz vom beantragte der BF die Nachsicht der aufgrund der Nichtbescheide vom bei der OEG im Jahr 2006 festgesetzten Einkommensteuer für 2000 und bei 2001. Auch bereits entrichtete Abgaben könnten nachgesehen werden. Die bereits entrichtete Abgabenschuldigkeit seit jedenfalls unbillig, da die am ergangenen „Grundlagenbescheide“ als Nichtbescheide einzustufen seien. Sachliche Unbilligkeit sei überdies infolge der überlangen Verfahrensdauer gegeben, da die derzeit gültigen Bescheide ohne ergehen der Nichtfeststellungsbescheide nicht ergangen wären. Ansonsten würde durch die Erlassung von Nichtbescheiden jegliche Steuerforderung festgesetzt werden können und die Entscheidung über die dagegen erhobenen Beschwerden könnte bis zur Verjährung der abgeleiteten Bescheide verzögert werden und im Endeffekt eine ungerechtfertigte Steuereinhebung erzielt werden.
Mit Bescheid vom wurden die Nachsichtansuchen des BF betreffend der Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2000 und das Jahr 2001 jeweils von als unbegründet abgewiesen. Eine persönliche Unbilligkeit sei nicht behauptet worden. Sachliche Unbilligkeit liege vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete. Gegen den am erlassenen Feststellungsbescheid sei eine Beschwerde des BF vom anhängig. Eine er normale Belastungswirkung bzw. ein atypischer Vermögenseingriff lägen nicht vor. Die Nachsicht diene nicht dazu, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen (vor allem Bescheidbeschwerden) nachzuholen. Ebenso diene die Nachsicht nicht dazu Unrichtigkeiten der Abgabenfestsetzung zu beseitigen. Die Unbilligkeit beziehe sich nicht auf die Festsetzung, sondern auf die Einhebung der Abgabe. Der Antragsteller habe es im Verfahren der Festsetzung der Einkommensteuer unterlassen, rechtzeitig einen Antrag nach § 295 Abs. 4 BAO innerhalb der für die Anträge maßgeblichen Frist des § 304 BAO zu stellen und habe es dadurch durch eigenes Verschulden verabsäumt seine Rechte geltend zu machen. Er habe auch keine Säumnisbeschwerde gemäß § 26 VwGG eingebracht, mit der es ihm möglich gewesen wäre seine Rechte geltend zu machen. Nach Ablauf der maßgeblichen Frist sei nach dem Willen des Gesetzgebers keine Aufhebung der Änderungsbescheide mehr möglich.
Dagegen erhob der BF mit Datum durch seinen ausgewiesenen spezialbevollmächtigten Vertreter Beschwerde und führte dazu aus, dass der Bescheid vom an dem Umstand nichts ändere, dass nach Erlassung des Bescheides nach § 295 Abs. 1 BAO Feststellungsbescheide mit gleichem Inhalt wie die ergangenen Bescheide erlassen worden seien. Mit diesen Bescheiden werde die (ursprünglich) unzulässige Abänderung nach § 295 Abs. 1 BAO nicht saniert. Es gehe nicht um die Fehlerhaftigkeit des Vorgehens des BF sondern um Rechtsanwendungsfehler auf Seite der Behörde weswegen die Ausführungen, dass es sich beim Nachsichtverfahren um kein verkapptes Rechtsmittel handle, unberechtigt sei. Damit sei jener Teil der Einkommensteuer für 2000 und für 2001 sachlich unbillig, der auf die Tangenten aus nichtigen Grundlagenbescheiden entfalle.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurden diese Beschwerden als unbegründet abgewiesen.
Darauf beantragte der BF durch seinen ausgewiesenen spezialbevollmächtigten Vertreter fristgerecht die Vorlage der Beschwerden zur Entscheidung durch das BFG.
Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde dieser Beschwerdefall gemäß § 9 Abs. 9 BFGG der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zur Entscheidung zugewiesen.
In der mündlichen Verhandlung vom führte der BF zusammengefasst aus, dass im gegenständlichen Fall auf Grund der vorher eingetretenen Verjährung der ESt 2000 und 2001 eine Anwendung des § 295 Abs. 4 BAO nicht möglich gewesen sei.
Der AB führte dazu aus, dass auch das FA nunmehr die Auffassung vertrete, dass der § 295 Abs. 4 im gegenständlichen Fall nicht angewendet werden konnte, da die Verjährung bzw. Fristen des § 304 verstrichen waren und auch eine frühere Entscheidung des BFG nichts daran geändert hätte.
Ergänzend führte der AB aus, Hauptpunkt der Argumentation des FA sei, dass es in den Feststellungsverfahren keine Verjährung gebe und bis dato noch keine rechtsgültigen Bescheide ergangen seien. Im Zuge eines Nachsichtverfahrens seien diese jedoch zu berücksichtigen oder würden berücksichtigt werden müssen, wenn sie einmal existierten und rechtmäßig zustande kämen. Das Nachsichtverfahren berücksichtige Unbilligkeiten bei der Einhebung und nicht bei der Abgabenfestsetzung. Das bedeute, es sei nicht unbillig wenn die Abgabe festgestellt, festgesetzt und entrichtet werde. Die Tangente nach § 295 BAO diene nur der Festsetzung und nicht der Einhebung.
Zusätzlich sei zu erwähnen, dass auf Grund der im Jahr 2006 geltenden Rechtslage nach der Rechtsprechung des VwGH in Fällen in denen keine rechtmäßigen Feststellungsbescheide ergangen seien und es damit zu einer unrechtmäßigen Festsetzung der ESt gekommen sei, die Bekämpfung der ESt-Bescheide durchzuführen gewesen sei. (VwGH 2010/15/0064 vom ).
Der BF führte aus, dass dabei übersehen werde, dass die Bescheide aus 2006 im Spruch einen Verweis auf den jetzt als Nichtbescheid festgestellten BP-Bericht enthielten und damit rechtswidrig wären, was nicht sanierbar sei. Wenn noch ausständige BFG Entscheidungen, die Bestätigung der BP bei der Personengesellschaft brächten, läge ein anderer Bescheid und nicht den vom vor. Der Feststellungsbescheid führe zu einem abgeleiteten Bescheid, zu einem abgeleiteten Bescheid könnten keine Argumente gebracht werden. Diese seien immer gegen den Grundlagenbescheid zu richten und den gibt es bis heute nicht. Das sei der Grund gewesen, warum er gegen den ESt-Bescheid nicht berufen habe.
Der Bescheid aus dem Jahr 2006 beziehe sich eben auf die „bescheidmäßige Feststellung“ des FA zur StNr. der OEG vom . Diesen Bescheid gebe es aber nicht, er sei nicht existent und deswegen gebe es einen rechtswidrigen Spruch für diese beiden ESt-Bescheide. § 236 BAO sei genau für solche Fälle vorgesehen.
Er habe nicht vergessen ein Recht geltend zu machen, er habe kein Rechtsmittel gegen die ESt-Bescheide geltend machen können, dies sei bereits in der Beschwerde entsprechend ausgeführt worden. Das Nachsichtverfahren diene somit nicht der Nachholung nicht geltend gemachter Rechte.
Das BFG hat dazu erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 9 BFGG kann der Geschäftsverteilungsausschuss einer Einzelrichterin oder einem Einzelrichter oder Senat eine ihr oder ihm zufallende Rechtssache durch Verfügung abnehmen, wenn die Einzelrichterin oder der Einzelrichter oder Senat verhindert oder wegen des Umfangs ihrer oder seiner Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert ist. Auf Grund des im Verfahrensgang dargestellten Beschlusses des Geschäftsverteilungsausschusses ist sohin die nun zur Entscheidung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens berufene Gerichtsabteilung zuständig.
Das BFG legt den folgenden Sachverhalt seiner Entscheidung zu Grunde:
Mit Gesellschaftsvertrag vom schlossen sich der BF und ein weiterer Wirtschaftstreuhänder zur BF & Dr. X OEG (FN 111 h) zusammen. Mit Zusammenschlussvertrag vom schlossen sich - unter Anwendung des Art. IV UmgrStG - die BF & Dr. X OEG und Mag. Y, ein dritter Wirtschaftstreuhänder, zur BF, Dr. X & Partner OEG zusammen.
Mit Vertrag vom vereinbarten die Gesellschafter der BF, Dr. X & Partner OEG die Einbringung ihrer Mitunternehmeranteile in die Z Wirtschafts- und Steuerberatungs-GmbH (FN 222 g). Für diese Einbringung wurden die umgründungssteuerrechtlichen Begünstigungen des Art. III UmgrStG in Anspruch genommen.
Ebenfalls am wurde ein Antrag auf Löschung der BF, Dr. X & Partner OEG sowie auf Vermögensübernahme gemäß § 142 HGB (nunmehr UGB) durch die Z Wirtschafts- und Steuerberatungs-GmbH verfasst, welcher am beim Firmenbuch des Landesgerichtes Salzburg eingebracht wurde.
Mit Beschluss vom wurde vom Landesgericht Salzburg die Eintragung der Vermögensübernahme gemäß § 142 HGB (nunmehr UGB) durch die Z Wirtschafts- und Steuerberatungs-GmbH bei der BF, Dr. X & Partner OEG (FN 111 h) sowie deren Löschung im Firmenbuch antragsgemäß bewilligt. Der Firmenbucheintrag vom lautet:
„Vermögensübernahme gemäß § 142 HGB durch Z Wirtschafts- und Steuerberatungs-GmbH (FN 222 g) …. Die Gesellschaft ist aufgelöst und gelöscht.“
Für das Jahr 2000 wurde mit Datum ein Bescheid über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO an die BF, Dr. X & Partner OEG gerichtet, für das Jahr 2001 ein ebensolcher Feststellungsbescheid an dieselbe Bescheidempfängerin mit Datum .
Nach einer Außenprüfung nahm das Finanzamt das Verfahren hinsichtlich der Feststellung von Einkünften für 2000 und 2001 gemäß § 303 Abs 4 BAO wieder auf und erließ neue, als Feststellungsbescheide intendierte Erledigungen für diese Jahre. Diese Erledigungen datieren vom und waren alle an die BF, Dr. X & Partner OEG gerichtet.
Die Einkommensteuer des BF für das Jahr 2000 wurde erstmals mit Bescheid vom festgesetzt. Die Einkommensteuer des BF für das Jahr 2001 wurde erstmals mit Bescheid vom festgesetzt.
Nach der oben angeführten Betriebsprüfung der OEG ergingen am Erledigungen des FA, die als Einkommensteuerbescheid 2000, geändert gemäß § 295 Abs. 1 BAO bzw. Einkommensteuerbescheid 2001, geändert gemäß § 295 Abs. 1 BAO bezeichnet wurden.
Beide Bescheide erwuchsen in Rechtskraft, der BF erhob gegen diese Bescheide keine Berufung.
Der oben angeführte Sachverhalt ergibt sich aus den Akten des Beschwerdeverfahrens und ist von den Parteien des Verfahrens unbestritten.
In rechtlicher Hinsicht ist zum gegenständlichen Verfahren Folgendes auszuführen:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Gemäß § 236 Abs. 2 BAO findet Abs. 1 auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.
Gemäß § 236 Abs. 3 BAO gelten die Bestimmungen des § 235 Abs. 2 und 3 auch für die Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten.
Eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung liegt vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt ( VwGH 30.4.1999, 99/16/0086; 25.1.2001, 98/15/0176; 26.2.2003, 98/13/0091; 28.4.2004, 2001/14/0022; 30.1.2006, 2005/17/0245, AW 2005/17/0061), „sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Sachliche Unbilligkeit einer Abgabeneinhebung ist grundsätzlich in Fällen anzunehmen, in denen das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Steuerpflichtigen führt. Der in der anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen, im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist“ ( VwGH 21.1.2009, 2008/17/0138).
Eine solche Unbilligkeit kann beispielsweise vorliegen, wenn eine vom Gesetz objektiv nicht gewollte Doppelbesteuerung eintritt ( VwGH 17.9.1990, 90/15/0118) oder zu einer Besteuerung des Gewinnanteiles eines Minderheitsgesellschafters zu mehr als 200 % führt (). (Ritz BAO6, § 236 Tz 11)
Eine sachliche Unbilligkeit liegt nicht vor, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen ist ( VwGH 22.3.1995, 93/15/0072; 23.10.1997, 96/15/0154; 30.3.2000, 99/16/0099; 5.11.2003, 2003/17/0253; 30.9.2004, 2004/16/0151; 26.5.2014, 2013/17/0498). Materiellrechtlich legislatorisch bedingte Unzulänglichkeiten („Ungerechtigkeiten“) sind keine Unbilligkeiten iSd § 236 ( Stoll, BAO, 2421). (Ritz BAO6, § 236 Tz 13)
Die Nachsicht dient nicht dazu, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen (vor allem Bescheidbeschwerden) nachzuholen ( VwGH 17.10.2001, 98/13/0073; 25.11.2002, 97/14/0013; 30.9.2004, 2004/16/0151; 20.9.2007, 2002/14/0138). Eine Unbilligkeit könnte allenfalls vorliegen, wenn solche Rechtsmittel aussichtslos erschienen sind (insbesondere wegen diesbezüglicher Rechtsauskünfte der Abgabenbehörde, ), wegen entschuldbaren Rechtsirrtums unterblieben ( ; 20.9.1996, 93/17/0007) oder wegen Unzumutbarkeit nicht eingebracht wurden ().(Ritz BAO6, § 236 Tz 14)
Ein erfolgversprechendes Rechtsmittel gegen die (zu Unrecht) erlassenen Änderungen eines Einkommensteuerbescheides nach § 295 Abs. 1 BAO besteht in der Berufung bzw. ab 2014 in der Beschwerde gegen die (zu Unrecht) geänderten Einkommensteuerbescheide. Wurde durch Zurückweisung der Berufung gegen den Feststellungsbescheid im Rahmen der Begründung des Zurückweisungsbescheides festgehalten, dass dieser "Feststellungsbescheid" keine Bescheidwirkungen entfaltete, führt dies zwar dazu, dass sich der abgeleitete Einkommensteuerbescheid als rechtswidrig erweist, da für die Abänderung gemäß § 295 BAO die Tatbestandsvoraussetzung des § 295 Abs. 1 BAO, nämlich die Abänderung eines Grundlagenbescheides nicht gegeben war. Dies ist aber in einer Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid geltend zu machen (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom , 93/15/0088, und vom , 93/14/0203). ( )
Bereits damit ist aber das gegenständliche Verfahren – unabhängig von den weiteren Einwendungen des BF - entschieden. Betrachtet man die oben im Sachverhalt dargestellten, als Feststellungsbescheide intendierten Erledigungen des FA im Jahr 2006 bei der OEG, so ist - insbesondere für einen Wirtschaftstreuhänder - eindeutig ersichtlich, dass diese Erledigungen des FA keinen Bescheidcharakter haben. Dazu kommt im gegenständlichen Fall noch zusätzlich, dass es sich um ein Unternehmen gehandelt hat, an den der BF selbst beteiligt war. Damit war - wie auch in den oben angesprochenen Erledigungen des BFG zu RV/6100256/2006 und RV/6100816/2015 im Detail ausgeführt wird - bereits aufgrund dieser Erledigungen des FA für die ehemalige OEG ersichtlich, dass keine Feststellungsbescheide vorliegen und damit eine Änderung des Einkommensteuerbescheides nach § 295 Abs. 1 BAO auf dieser Basis nicht hätte erfolgen dürfen. (). Eine derartige unzulässige Änderung nach § 295 Abs. 1 BAO ist aber jederzeit mit Bescheidbeschwerde bzw. zum damaligen Zeitpunkt mit Berufung anfechtbar gewesen und nach der Judikatur des VwGH auch notwendig gewesen, wie dies der AB unter Verweis auf das Erkenntnis des VwGH 2010/15/0064 anführte:
Der BF hat diese Berufungen unterlassen. Er hat damit nicht alle zumutbaren und erfolgversprechenden Rechtsmittel ergriffen, um die rechtsgrundlose Änderung der in Frage stehenden Einkommensteuerbescheide zu bekämpfen. Damit soll nun im Ergebnis dieses unterlassene Rechtsmittelverfahren betreffend die Einkommensteuer 2000 und 2001 im Wege der Nachsicht nachgeholt werden. Bei einer derartigen Ausgangslage liegt aber - wie oben dargestellt - keine sachliche Unbilligkeit vor, die ein erster Schritt für die Beurteilung einer möglichen Nachsicht wäre.
Auf die weiterführenden Ausführungen des Vertreters des BF im Beschwerdeverfahren, die teilweise in die Verfassungssphäre reichende Bedenken darstellen, ist nach Sicht des BFG bei dieser Sachlage nicht einzugehen. Es hätte eine effektive Form des Rechtsschutzes für den BF auf Ebene seiner Einkommensteuer Veranlagung für die Jahre 2000 und 2001 bestanden, die sich auf einhellige Judikate des VwGH hätte stützen können. Es lag lediglich in der Disposition des BF diesen Weg nicht einzuschlagen.
Damit ist aber das gegenständliche Verfahren entschieden die Beschwerden gegen die Abweisung der Anträge auf Nachsicht für die ein kommender 2000 und 2001 sind daher als unbegründet abzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Entscheidung beruht auf den im Begründungsteil angeführten gesetzlichen Bestimmungen und der dort zitierten Judikatur des VwGH. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.
Salzburg-Aigen, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | sachliche Unbilligkeit Ausschöpfung der Rechtsmittel |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.6100007.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at