Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.04.2019, RV/7101867/2019

Pflichtveranlagung bei Bezug von nichtselbständigen Einkünften und Krankengeld

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin RI in der Beschwerdesache VNA FNA, GasseA, PLZA OrtA, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt FAX vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird im Sinne der Beschwerdevorentscheidung abgeändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Herr FNA, Beschwerdeführer, bezog im Jahr 2017 von seinem Arbeitgeber, ArbG, für den Zeitraum  bis nichtselbständige Einkünfte. Vom Arbeitsmarktservice erhielt für die Zeiträume bis , bis , bis Arbeitslosengeld ausbezahlt. Von der XX Gebietskrankenkasse, KrankenkassaXX, erhielt für die Zeiträume bis , bis , bis , bis Krankengelder ausbezahlt.

Der Beschwerdeführer reichte am seine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2017 elektronisch beim Finanzamt ein.

Mit erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 2017 und errechnete eine Einkommensteuerzahllast von € 3.051,32. Nach Abzug der anrechenbaren Lohnsteuer im Betrag von € 2.731,39 und Abzug der Rundung gemäß § 39 Abs. 3 EStG von € 0,07 wurde eine Einkommensteuer für 2017 als Abgabennachforderung von € 320,00 festgesetzt.

Die wesentliche Begründung lautete:

Der Beschwerdeführer habe im Jahr 2017 steuerfreie Leistungen wie zB. Arbeitslosengeld, etc. bezogen. Dies ziehe eine besondere Steuerberechnung nach sich (§ 3 Abs. 2 EStG 1988). Die steuerpflichtigen Einkünfte seien auf einen Jahresbetrag umgerechnet worden, die Sonderausgaben und andere Einkommensabzüge seien berücksichtigt worden. Daraus ergebe sich ein Durchschnittssteuersatz, der auf das steuerpflichtige Einkommen angewendet werde.

Herr FNA legte am über Finanzonline Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid vom mit der Begründung ein, dass er den Kinderfreibetrag für 2 Kinder für das Jahr 2017 beantrage und ersuche diese zu berücksichtigen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 262 BAO gab das Finanzamt der Beschwerde statt und erließ einen neuen Einkommensteuerbescheid, berücksichtigte den Kinderfreibetrag für 2 Kinder und setzte eine Einkommensteuer im Betrag von € 69,00 fest.

Über Finanzonline stellte der Beschwerdeführer am einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht und begründete dies wie folgt:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich reiche erneut Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 ein!

Es ist mein freier Wille, ob ich den Bescheid tätige oder nicht, ich wurde von euch gezwungen diesen zu machen, (bei der Vorberechnung kam etwas anderes heraus) daher werde ich den aushaftenden Betrag nicht überweisen! Ich hatte 2016 eine Nachforderung über 500 Euro, und habe dann entscheiden keinen Bescheid mehr einzureichen.

Ich ersuche Sie, den Bescheid 2017 zu stornieren, und verbleibe einstweilen

hochachtungsvoll

FNA VNA"

Im Vorlagebericht über die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht führte das Finanzamt aus:

"Bezughabende Norm: § 41 EStG 1988

Sachverhalt und Anträge

Sachverhalt:

Dem Steuerpflichtigen sind im gegenständlichen Veranlagungsjahr neben seinen lohnsteuerpflichtigen Einkünften Bezüge nach § 69 Abs 2 EStG 1988 zugeflossen, wodurch er zur Abgabe einer Arbeitnehmerveranlagung aufgefordert wurde.

Der Steuerpflichtige hat mit Beschwerde vom die Zuerkennung des Kinderfreibetrages beansprucht, dem Begehren wurde stattgegeben. Nunmehr wird die Aufhebung des Bescheides begehrt (Zurückziehung der Arbeitnehmerveranlagung).

Beweismittel:siehe Anhang

Stellungnahme:

Nach § 41 Abs 1 EStG 1988 ist bei Vorliegen von lohnsteuerpflichtigen Einkünften ist ua. bei Zufluss von Bezügen gemäß § 69 Abs 2 EStG 1988 (Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung) ein Pflichtveranlagungstatbestand für das jeweilige Kalenderjahr gegeben.

Aufgrund der übermittelten Lohndaten war der Steuerpflichtige im Veranlagungsjahr 2017 vom 01.01. bis 31.08. bei der Fa. ArbG nichtselbständig tätig. Für folgende Zeiträume wurde Krankengeld der KrankenkassaXX ausbezahlt:

02.01. bis , 12.01. bis , sowie 02.02. bis .

Da neben den nichtselbständigen Einkünften der Firma ArbG Krankengeld gemäß § 69 Abs 2 EStG 1988 ausbezahlt wurde, liegt ein Pflichtveranlagungstatbestand vor. Die Zurückziehung der Arbeitnehmerveranlagung und somit ersatzlose Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2017 ist daher nicht möglich.

Das Finanzamt FAX begehrt daher, das Beschwerdebegehren als unbegründet abzuweisen."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt:

Herr FNA erhielt im Jahr 2017 Bezüge aus einer nichtselbständigen Tätigkeit, Arbeitslosengeld vom Arbeitsmarktservice sowie Krankengeld von der KrankenkassaXX, die Bezugszeiträume siehe oben.

Im Erstbescheid wurden diese Bezüge der Berechnung ohne Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen zugrundegelegt.

Für zwei Kinder wurde der Kinderfreibetrag später in der Beschwerdevorentscheidung berücksichtigt.

Im Vorlageantrag beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des Erstbescheides, da er entschieden habe keine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung einzureichen und diese damit zurückziehe. 

Rechtliche Bestimmungen:

Einkommensteuergesetz 1988 in der für 2017 gültigen Fassung:

Veranlagung von lohnsteuerpflichtigen Einkünften

§ 41. (1) Sind im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, so ist der Steuerpflichtige zu veranlagen, wenn

           1. ...

           2. ...

           3. im Kalenderjahr Bezüge gemäß § 69 Abs. 2, 3, 5, 6, 7, 8 oder 9 zugeflossen sind,

           4. ...

           5. ...

           6. ...

           7. ...

           8. ...

           9. ...

        10. ....

        11. ....

Lohnsteuerabzug in besonderen Fällen

§ 69. (1) ...

(2) Bei Auszahlung von Bezügen aus einer gesetzlichen Kranken- oder Unfallversorgung sowie aus einer Kranken- oder Unfallversorgung der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. c und e, bei Auszahlung von Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG und bei Auszahlung von Wiedereingliederungsgeld gemäß § 143d ASVG sind 25% Lohnsteuer einzubehalten, soweit diese Bezüge 30 Euro täglich übersteigen. Wird ein 13. bzw. 14. Bezug zusätzlich ausgezahlt, hat ein vorläufiger Lohnsteuerabzug von diesen Bezügen zu unterbleiben. Zur Berücksichtigung dieser Bezüge im Veranlagungsverfahren haben die Versicherungsträger bis zum 31. Jänner des folgenden Kalenderjahres einen Lohnzettel (§ 84) auszustellen und an das Finanzamt der Betriebsstätte zu übermitteln. In diesem Lohnzettel ist ein Siebentel gesondert als sonstiger Bezug gemäß § 67 Abs. 1 auszuweisen.

(3) ...

(4)  ...

(5) ...

(6) ...

(7) ...

(8) ...

(9) ...

Anwendung auf den gegenständlichen Streitfall:

Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer 2017 lohnsteuerpflichtige Einkünfte der Firma ArbG erhielt.

Unbestritten ist ebenso, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2017 Krankengelder der KrankenkassaXX bezog.

Diese erhaltenen Krankengelder sind Bezüge aus einer gesetzlichen Krankenkasse gemäß § 69 Abs. 2 EStG, die dem Finanzamt vom Versicherungsträger gemeldet werden müssen.

Nun bestimmt § 41 Abs. 1 EStG, dass bei Vorliegen von lohnsteuerpflichtigen Bezügen - im gegenständlichen Fall von der Firma ArbG bezogen -  und dem Zufluss von Bezügen des § 69 Abs. 2 EStG - im gegenständlichen Fall Zufluss des Krankengeldes von der KrankenkassaXX - der Steuerpflichtige zu veranlagen ist.

Es ist daher keine freie Entscheidung des Steuerpflichtigen, ob er gemäß § 41 Abs. 1 EStG zur Einkommensteuer veranlagt werden will oder nicht.

Durch die eindeutige Formulierung im Gesetz, dass der Steuerpflichtige bei Vorliegen der Voraussetzungen zu veranlagen ist, hat das Finanzamt einen Einkommensteuerbescheid unter Berücksichtigung aller erhaltenen Bezüge zu erlassen.

Es ist dies eine Muss-Bestimmung und keine Kann-Bestimmung.

Das Finanzamt ist daher im Recht den Beschwerdeführer zur Einkommensteuer veranlagt zu haben. Die Einkommensteuer war neu zu berechnen und festzusetzen.

Dies ist in der Beschwerdevorentscheidung auch unter Berücksichtigung der Kinderfreibeträge geschehen.

Der Einkommensteuerbescheid ist daher nicht aufzuheben und die Einkommensteuer ist zu Recht - wie in der Beschwerdevorentscheidung berechnet - festgesetzt.

Der Beschwerde ist im Sinn der Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich der Kinderfreibeträge stattzugeben.

Da sich eine Beschwerde immer gegen den Erstbescheid wendet und das Bundesfinanzgericht über den Erstbescheid abzusprechen hat, ist in diesem Sinne der Beschwerde hinsichtlich des Beschwerdepunktes Kinderfreibetrag Folge zu geben. 

Hinsichtlich des im Zuge der Vorlage an das Bundesfinanzgericht vorgebrachten Beschwerdeantrages auf Aufhebung des Erstbescheides, da die Erklärung nicht "freiwillig" abgegeben worden sei, wird auf die obigen Ausführungen verwiesen und in diesem Punkt abgewiesen.

Da einem Beschwerdepunkt (Kinderfreibetrag) stattgegeben wird, dem anderen Beschwerdepunkt (Aufhebung des Erstbescheides) nicht Folge gegeben wird,

ist der Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht insgesamt teilweise stattzugeben.

Die Einkommensteuer wird wie in der Beschwerdevorentscheidung vom berechnet festgesetzt.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die gesetzlichen Bestimmungen der § 41 Abs. 1 Z 3 EStG und § 69 Abs. 2 EStG eindeutig sind und im gegenständlichen Fall keine auszulegende Rechtsfrage zu entscheiden war, ist die ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Pflichtveranlagung
Krankengeld
Lohnsteuerpflichtige Einkünfte
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7101867.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at