Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.05.2019, RV/7103721/2016

Beschwerdevorentscheidung ohne Einbringung einer Beschwerde

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R. in der Beschwerdesache Bf., Adresse, vertreten durch Taro Wirtschaftstreuhand Gesellschaft m.b.H., Belvederegasse 2, 1040 Wien, über die vermeintliche Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 1/23 vom , betreffend Abweisung eines Zahlungserleichterungsansuchens (§ 212 BAO) zu Recht erkannt: 

Die Beschwerdevorentscheidung vom betreffend Zahlungserleichterung wird wegen Rechtswidrigkeit gemäß § 279 Abs. 1 BAO aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

 Entscheidungsgründe

Mit Ansuchen vom beantragte der Beschwerdeführer (Bf.) hinsichtlich eines Abgabenrückstandes in Höhe von € 207.111,25 die Gewährung folgender monatliche Raten:

1. Rate fällig am € 14.000,00

2. - 9. Rate fällig am 25. des Monats à € 14.000,00

Letzte Rate fällig am € 81.111,25

Die sofortige Begleichung des gesamten Rückstandes wäre für den Bf. mit erheblicher Härte verbunden. Die Einbringlichkeit der Raten sei aber nicht gefährdet, da sie aus den monatlichen Raten bezahlt werden könnten.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt das Zahlungserleichterungsansuchen mit der Begründung ab, dass die Einbringlichkeit der Abgaben gefährdet erscheine, da keinerlei Raten gezahlt und auch früher bewilligte Zahlungserleichterungen nicht eingehalten worden seien.

Am langte beim Finanzamt folgende Eingabe ein:

"Beschwerde gegen den Bescheid über die Abweisung eines Zahlungserleichterungsansuchens vom , eingelangt am ;

Beschwerdefristverlängerung gem. § 245 (3) BAO,

Stundungsansuchen (§ 212 BAO)

Sehr geehrte Damen und Herren!

Trotz intensiver Bemühungen unsererseits ist es uns aufgrund fehlender Unterlagen nicht möglich, die Beschwerde gegen die o.a. Bescheide fertig zu stellen.

Wir ersuchen daher um Verlängerung der Beschwerdefrist bis (...)"

Mit Eingabe vom ersuchte die steuerliche Vertretung um Verlängerung der Beschwerdefrist bis .

Das Finanzamt wertete den Antrag auf Fristverlängerung vom (offenbar irrtümlich) als Beschwerde und wies diese mit Beschwerdevorentscheidung vom ab und führte zur Begründung aus, dass die begehrte Stundungsfrist bereits abgelaufen sei. Darüber hinaus werde festgehalten, dass trotz Zahlungsaufforderung vom weder die Aprilrate noch die Umsatzsteuer 03/2016 bis dato entrichtet worden seien. Da die vom Bf. getätigten Zusagen nicht eingehalten worden seien, könnten keine weiteren Zahlungserleichterungen mehr bewilligt werden.

Dagegen brachte die steuerliche Vertretung im Namen und im Auftrag des Bf. einen Vorlageantrag ein.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das am eingebrachte Zahlungserleichterungsansuchen mit Bescheid vom abgewiesen worden sei.

In der Begründung sei ausgeführt worden, dass die Einbringlichkeit der Abgaben gefährdet erscheine, weil keinerlei Zahlungen geleistet worden wären.

Tatsächlich seien bis zur Bescheiderlassung neben den laufenden Abgabenschuldigkeiten Raten in Höhe von € 9.000,00 (), € 5.000,00 (), € 6.200,00 (), € 6.000,00 (), € 2.000,00 (), € 7.200,00 () und € 7.000,00 () entrichtet worden.

Die sofortige Begleichung des gesamten Rückstandes wäre für den Bf. mit erheblicher Härte verbunden. Dies insbesondere aufgrund des sprunghaft starken Anstieges des Rückstandes aufgrund der Festsetzung der E 2013 (€ 48.083,00) am , E 10-12/2015 € 78.446,00) am und der E 2014 € 55.728,00) am . Die Einbringlichkeit der beantragten Raten sei aber nicht gefährdet, da sie aus den monatlichen Einnahmen bezahlt werden könnten.

Aus den genannten Gründen werde die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht und um Gewährung der Zahlungserleichterung in der beantragten Höhe beantragt.

Rechtslage und Erwägungen:

§ 262 BAO lautet:

Abs. 1: Über Bescheidbeschwerden ist nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Abs. 2: Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat zu unterbleiben,

a) wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird und

b) wenn die Abgabenbehörde die Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten ab ihrem Einlangen dem Verwaltungsgericht vorlegt.

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann nach § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung hat zu erfolgen, wenn der angefochtene Bescheid von einer hiefür nicht zuständigen Behörde erlassen wurde. Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung im Sinne des § 279 Abs. 1 BAO darf dann erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt. (, ).

Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung, obwohl keine Beschwerde vorlag, bewirkt eine Rechtswidrigkeit dieses Bescheides infolge Unzuständigkeit des Finanzamtes ().

Im gegenständlichen Fall ersuchte der Bf. mit Eingabe vom um Verlängerung der Beschwerdefrist. Die belangte Behörde wertete diese Eingabe als Bescheidbeschwerde im Sinne der §§ 243 ff. BAO gegen den Bescheid vom betreffend Abweisung eines Zahlungserleichterungsansuchens.

Für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist das Erklärte und nicht das Gewollte maßgebend (vgl. Ritz, BAO6, § 85 Tz 1 mit Judikaturnachweisen). Auch eine Betrachtung unter dem Blickwinkel des "Gewollten" führt im vorliegenden Fall zu keiner anderen Beurteilung. 

Die Intention des Bf bestand eindeutig darin, eine Fristverlängerung zur Einbringung einer Bescheidbeschwerde gewährt zu bekommen.

Die Eingabe vom war daher nicht als Beschwerde im Sinne der §§ 243 ff. BAO zu werten.

Weder aus den vorgelegten Akten noch aus dem Vorlagebericht geht hervor, dass in der Folge eine Beschwerde gegen den Bescheid vom  eingebracht worden wäre.

Der Vorlageantrag vom war aber grundsätzlich zulässig, da zwar eine rechtswidrige, aber im Rechtsbestand befindliche Beschwerdevorentscheidung vorliegt (vgl. , , RV/7103328/2016).  

Da somit im gegenständlichen Fall keine Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom  eingebracht wurde, lag der Beschwerdevorentscheidung vom , die in ihrem Spruch eine Beschwerde vom  anführt, tatsächlich keine Beschwerde zugrunde. Die Beschwerdevorentscheidung vom ist daher mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet.

Die Beschwerdevorentscheidung vom war daher durch das Bundesfinanzgericht zur Herbeiführung eines rechtsrichtigen Verfahrenszustandes gemäß § 279 Abs. 1 BAO aufzuheben.

Der Vollständigkeit halber ist auch darauf hinzuweisen, dass zwischenzeitlich der Zeitraum, für den um Zahlungserleichterung angesucht worden ist, nämlich ab bis , ohnehin bereits verstrichen ist.

Daraus ergibt sich, dass auch einer tatsächlich rechtmäßig eingebrachten Beschwerde kein Erfolg hätte beschieden sein können, als nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Beschwerde als gegenstandslos abzuweisen ist, wenn der im Zahlungserleichterungsansuchen begehrte letzte Zahlungstermin im Zeitpunkt der Entscheidung bereits abgelaufen ist (vgl. ).

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung weicht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab (vgl. die zitierten Erkenntnisse).

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 212 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7103721.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at