Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.05.2019, RV/1100642/2016

Umfang der Besteuerung einer zum Teil auf "vorobligatorischen" Beitragszahlungen basierenden Rente aus einer Schweizer Pensionskasse

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Gerald Daniaux über die Beschwerde der a als Erben nach b, vertreten durch Dr. Hubert Ferdinand Kinz, Rechtsanwalt, Anton-Schneider-Sraße 16, 6900 Bregenz, gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe betragen:


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Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Pensionsversicherungsanstalt
2.237,40 €
Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug
24.391,26 €
Sonstige Werbungskosten ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag
-689,34 €
Gesamtbetrag der Einkünfte
25.939,32 €
Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):
Pauschbetrag für Sonderausgaben
-60,00 €
Einkommen
25.879,32 €
Die Einkommensteuer gem. § 33 Abs. 1 EStG 1988 beträgt: (25.879,32 € - 25.000,00) x 15.125/35.000,00 + 5.110,00
5.489,99 €
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
5.489,99 €
Pensionistenabsetzbetrag
0,00 €
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
5.489,99 €
Einkommensteuer
5.489,99 €
Rundung gemäß § 39 Abs. 3 EStG 1988
0,01 €
Festgesetzte Einkommensteuer
5.490,00 €

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Der am c verstorbene Beschwerdeführer (Bf.) bezog im Streitjahr 2015 neben einer geringfügigen inländischen Pension und einer AHV-Pension aus der Schweiz eine weitere Pension von der betrieblichen Pensionskasse seiner ehemaligen Schweizer Arbeitgeberin.

Mit Bescheid vom wurde die Einkommensteuer 2015 erklärungsgemäß veranlagt.

In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde ersuchte der Bf. unter Hinweis auf die Vorjahre um Neuberechnung der Einkommensteuer.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde hinsichtlich der begehrten Einkommensteuerfreistellung der vorobligatorischen Pensionskassenleistung zu 75% abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, gemäß § 25 Abs. 1 Z 2 lit. b EStG 1988 iVm § 25 Abs. 1 Z 2 lit. a leg. cit. seien Bezüge aus ausländischen Pensionskassen, soweit die Beitragsleistungen die in- oder ausländischen Einkünfte nicht verringert hätten, nur zu 25% zu erfassen. Vorobligatorische Pensionskassenbeitragsleistungen seien in der Schweiz als Werbungskosten abzugsfähig gewesen. Die Dienstnehmerbeiträge seien daher von den Dienstgebern regelmäßig auf den Jahreslohnausweisen ausgewiesen und in der Folge im Zuge der Einkommensteuerveranlagungen auch als Werbungskosten gewährt worden. Die in Zeiten des Vorobligatoriums mangels Zufluss nicht der Steuerpflicht unterliegenden Arbeitgeberbeiträge hingegen seien auf den Jahreslohnausweisen nicht ausgewiesen worden und auch in den Einkommensteuererklärungen der Grenzgänger nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in der Schweiz erklärt worden.

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag wurde ergänzend vorgebracht, seit dem Jahr 2011 sei jedes Mal ein Rechtsmittel gegen den Einkommensteuerbescheid zu erheben gewesen, da einkommensteuerfreie Pensionsanteile aus der Zeit vor dem Obligatorium für Pensionskassen in der Schweiz seit vielen Jahren bei der Veranlagung nicht berücksichtigt und erst im Rechtsmittelweg korrigiert worden seien. Es handle sich dabei um Einzahlungen, die in den Jahren 1959 bis erfolgt seien. Da die obligatorische Pensionsvorsorge erst 1986 eingeführt worden sei, dürfe das österreichische Finanzamt diese Einzahlungen erst ab diesem Zeitpunkt berücksichtigen. Dies hätte zur Folge, dass 81% der von der HIAG Pensionskasse bezogenen Pensionskassenrente - wie dies bereits in den Vorjahren geschehen sei - steuerfrei zu belassen und die Abweisung der Beschwerde nicht gerechtfertigt sei.

Am 17. Okotber 2016 legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und somit die Pensionskassenrente in Höhe von CHF 15.024,00 zur Gänze als steuerpflichtig zu behandeln.

Mit Schriftsatz vom zog das Finanzamt unter Verweis auf die zwischenzeitlich zur Frage des Vorobligatoriums ergangenen Erkenntnisse des , und vom , RV/1100473/2017, den Antrag auf Abweisung der Beschwerde als unbegründet zurück. Nunmehr begehrte das Finanzamt, die aus der Schweiz zugeflossenen Pensionskassenbezüge wie folgt zu berücksichtigen:

Gemäß Bestätigung der HIAG Pensionskasse vom setze sich die jährliche Pensionskassenrente in Höhe von CHF 15.024,00 aus einer jährlichen Rente aus dem Obligatorium in Höhe von CHF 2.856,00 und einer jährlichen Rente aus dem Überobligatorium in Höhe von CHF 12.168,00 zusammen.

Gemäß Bestätigung der HIAG Pensionskasse vom würden im vorobligatorischen Guthaben per Arbeitnehmerbeiträge im Ausmaß von CHF 78.273,50 (=52,51%), und Arbeitgeberbeiträge im Ausmaß von CHF 70.795,20 (=47,49%) stecken.

Werde der in Pkt. 1 von der Pensionskasse bestätigte "überobligatorische" Rentenanteil als "vorobligatorischer" Rentenanteil (CHF 12.168,00) übernommen und daraus der anteilige, aus Arbeitnehmerbeiträgen finanzierte Rentenanteil mit 52,51%=CHF 6.389,21 ermittelt, ergebe sich gemäß § 25 Abs. 1 Z 2 lit. a sublit. aa EStG 1988 ein steuerfrei zu belassender vorobligatorischer Rentenanteil von CHF 4.791,91. Der steuerpflichtige Anteil der HIAG-Pensionskassenrente betrage daher CHF 10.232,09 (oder CHF 15.024,00 - CHF 4.791,91=CHF 10.323,09).

Sachverhalt:

Mit Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes e vom d wurde die Verlassenschaft nach dem am c verstorbenen Bf. den f Erben (g) rechtskräftig eingeantwortet.

Der im Jahr h geborene Bf. war bis zu seiner Pensionierung am h als Grenzgänger in der Schweiz nichtselbständig tätig. Im Streitjahr bezog er neben einer geringfügigen inländischen Pension und einer AHV-Pension aus der Schweiz eine weitere Pension von der betrieblichen Pensionskasse seiner ehemaligen Schweizer Arbeitgeberin in Höhe von jährlich CHF 15.024,00. Die jährliche Pensionskassenrente setzt sich zusammen aus einem obligatorischen Anteil in Höhe von CHF 2.856,00 und einem vorobligatorischen Anteil in Höhe von CHF 12.168,00.

Die vorobligatorischen Pensionskassenbeiträge stammten zu 52,51% vom Bf. und zu 47,49% vom Arbeitgeber.

Für diese Sachverhaltsfeststellungen stützt sich das BFG auf die im Finanzamtsakt befindlichen Unterlagen.

Rechtslage und rechtliche Würdigung:

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung, BGBl. I Nr. 52/2009, zählen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) Bezüge und Vorteile aus inländischen Pensionskassen und aus betrieblichen Kollektivversicherungen im Sinne des § 18f des Versicherungsaufsichtsgesetzes. Jene Teile der Bezüge und Vorteile, die auf die vom Arbeitnehmer (sublit. aa), vom wesentlich Beteiligten im Sinne des § 22 Z 2 (sublit. bb) und von einer natürlichen Person als Arbeitgeber für sich selbst eingezahlten Beträge entfallen (sublit. cc), sind nur mit 25% zu erfassen.

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 2 lit. b EStG 1988 in der streitgegenständlichen Fassung zählen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) Bezüge und Vorteile aus ausländischen Pensionskassen (einschließlich aus ausländischen Einrichtungen im Sinne des § 5 Z 4 des Pensionskassengesetzes). Z 2 lit. a zweiter Satz ist für Bezüge und Vorteile aus ausländischen Pensionskassen (einschließlich aus ausländischen Einrichtungen im Sinne des § 5 Z 4 des Pensionskassengesetzes) insoweit anzuwenden, als die Beitragsleistungen an derartige ausländische Pensionskassen (einschließlich an Einrichtungen im Sinne des § 5 Z 4 des Pensionskassengesetzes) die in- oder ausländischen Einkünfte nicht vermindert haben. Dies gilt sinngemäß, wenn die Beitragsleistungen das Einkommen im Ausland nicht vermindert haben.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. h EStG 1988 sind Beiträge von Arbeitnehmern zu ausländischen Pensionskassen, die auf Grund einer ausländischen gesetzlichen Verpflichtung zu leisten sind, Werbungskosten.

Gemäß § 26 Z 7 lit. a EStG 1988 gehören Beitragsleistungen des Arbeitgebers für seine Arbeitnehmer an ausländische Pensionskassen auf Grund einer ausländischen gesetzlichen Verpflichtung oder an ausländische Einrichtungen im Sinne des § 5 Z 4 des Pensionskassengesetzes nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Im Beschwerdefall ist lediglich strittig, in welchem Umfang die auf "vorobligatorische" Beitragszahlungen entfallenden Pensionszahlungen steuerpflichtig oder steuerfrei sind. Dass die auf obligatorische Beitragszahlungen entfallenden Pensionszahlungen zur Gänze im Inland der Steuerpflicht unterliegen, steht außer Streit.

Als "vorobligatorische" Beiträge werden solche bezeichnet, die geleistet wurden, bevor eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung zur Pensionsvorsorge bestand. In der Schweiz wurde mit dem am in Kraft getretenen Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) erstmals eine gesetzlich verpflichtende Vorsorge eingeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Beitritt zu den Pensionskassen freiwillig, allenfalls beruhte er auf dienstvertraglicher Verpflichtung (, mit Verweis auf ).

Wie das BFG bereits in den Erkenntnissen vom , RV/110395/2015, und vom , RV/1100473/2017, zum Ausdruck gebracht hat, ist bei Pensionen von ausländischen Pensionskassen danach zu differenzieren, ob im Ausland eine gesetzliche Beitragspflicht besteht. Besteht eine solche Pflicht, gehören die Beiträge des Arbeitgebers nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und sind die Beiträge des Arbeitnehmers Werbungskosten. Besteht im Ausland keine gesetzliche Beitragspflicht, sind die Beiträge des Arbeitgebers steuerpflichtiger Arbeitslohn und die Beiträge des Arbeitnehmers können als Sonderausgaben geltend gemacht werden (vgl. Doralt, EStG12, § 25 Tz 52).

Lediglich dann, wenn die Beitragsleistungen an ausländische Pensionskassen die in- und ausländischen Einkünfte nicht vermindert haben, sind jene Teile der Pensionszahlungen, die auf die vom Arbeitnehmer eingezahlten Beträge entfallen, mit 25 % zu erfassen. Haben die Beitragsleistungen jedoch die in- oder ausländischen Einkünfte vermindert, sind die darauf entfallenden Pensionszahlungen voll steuerpflichtig.

Die vom Bf. vor dem geleisteten "vorobligatorischen" Beitragszahlungen haben die in- oder ausländischen Einkünfte bzw. das Einkommen im Ausland nicht vermindert. Die darauf entfallenden Pensionszahlungen sind daher gemäß § 25 Abs. 1 Z 2 lit. b EStG 1988 nur mit 25% zu versteuern.

Die auf die Beitragszahlungen des Arbeitgebers des Bf. entfallenden Pensionsbezüge sind von dieser Steuerbegünstigung allerdings nicht erfasst, denn § 25 Abs. 1 Z 2 lit. a sublit. aa EStG 1988 schränkt diese Begünstigung ausdrücklich auf jene Pensionsbezüge ein, die auf die vom Arbeitnehmer eingezahlten Beiträge entfallen.

Im Beschwerdefall beträgt der vorobligatorische Anteil an den Pensionskassenzahlungen 2015 CHF 12.168,00 bzw. 80,99%. Der auf die Arbeitnehmerbeiträge entfallende Anteil am Vorobligatorium beträgt CHF 6.389,21 bzw. 52,51%. Diese Bezüge sind mit 25 % bzw. mit CHF 1.597,30 steuerlich zu erfassen.

Die Pensionskasseneinkünfte 2015 setzten sich somit aus dem obligatorischen Anteil an der Rente in Höhe von CHF 2.856,00, des auf die Arbeitgeberbeiträge entfallenden vorobligatorischen Anteils in Höhe von CHF 5.778,79 und eines Viertels des auf die Arbeitnehmerbeiträge entfallenden vorobligatorischen Anteils in Höhe von CHF 1.597,30 zusammen. Das ergibt in Summe CHF 10.232,09.

Die Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug 2015 betragen:


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AHV-Pension
CHF 16.212,00
Pensionskassenrente
CHF 10.232,09
Gesamt
CHF 26.444,09
Umrechnungskurs 0.922371
€ 24.391,26

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, ob von der Bestimmung des § 25 Abs. 1 Z 2 lit. b EStG 1988 auch auf vorobligatorische Arbeitgeberbeiträge entfallende Bezüge umfasst sind und in welchem Umfang die auf die Arbeitnehmerbeiträge entfallenden Bezüge begünstigt sind, war bisher noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Es liegt daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor und ist eine (ordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

Der Beschwerde war somit aus den o.a. Gründen insgesamt teilweise stattzugeben.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Besteuerung von vorobligatorischen Beitragszahlungen
Verweise
Zitiert/besprochen in
Hörtenhuber in BFGjournal 2020, 400
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.1100642.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at