Pendlerpauschale für weiter entfernten Familienwohnsitz
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Ansgar Unterberger in der Beschwerdesache Bf, Anschrift , über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Strittig ist alleine, ob bei der Berechnung des Pendlerpauschales 2015 für Bf (in der Folge: Bf) der im Vergleich zum Wohnsitz laut ZMR in größerer Entfernung gelegene Familienwohnsitz mit dem Lebensgefährten der Bf bestand oder nicht. Im Fall des Vorliegens dieses Familienwohnsitzes sind die weiteren Voraussetzungen des großen Pendlerpauschales für die Wegstrecke „mehr als 40 km bis 60 km“ unstrittig erfüllt.
Bisheriger Verfahrensgang
Am erging an die Bf ein Einkommensteuerbescheid über die Arbeitnehmerveranlagung 2015. Strittig ist in dem nun anhängigen Beschwerdeverfahren die Höhe des in diesem Bescheid angesetzten Pendlerpauschales und des Pendlereuros. Wie der Begründung des Bescheides zu entnehmen ist, sei nach Ansicht des Finanzamtes im Fall des Bestehens mehrerer Wohnsitze für die Berechnung des Pendlerpauschales der zur Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz maßgeblich. Da sich der laut Melderegister einzige Wohnsitz der Bf in WS-Nahe, (in der Folge: WS-Nahe) befinde, könne nur das kleine Pendlerpauschale ab 20 Km iHv € 696,00 und ein Pendlereuro iHv € 72,00 berücksichtigt werden.
Im Vorfeld dieses Bescheides hatte die Bf nach Vorhalt des Finanzamtes einen Ausdruck des Pendlerrechner-Formulares mit der Anmerkung vorgelegt, dass die angeführte Anschrift die ihres Lebensgefährten sei, an der ihr dauernder Aufenthalt sei. Dem Formular sind folgende Daten zu entnehmen:
Anschrift der Wohnung: WS-Fern (in der Folge: WS-Fern)
Anschrift der Arbeitsstätte: Arbeitsstätte (in der Folge: Arbeitsstätte)
Arbeitsbeginn: 7:00 und Arbeitsende: 16:00
Die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ist auf der überwiegenden Strecke nicht möglich oder nicht zumutbar. Die schnellste Strecke zwischen WS-Fern und Arbeitsstätte beträgt 56 km
Das Pendlerpauschale beträgt € 2.568,00 jährlich bzw. € 214,00 monatlich. Der Pendlereuro beträgt € 112,00 jährlich bzw. € 9,33 monatlich.
Seitens des Finanzamtes wurde auch ein ZMR-Ausdruck vom vorgelegt, nach dem die Bf seit in WS-Nahe ihren Hauptwohnsitz und einzigen Wohnsitz hat. Weiters wurde die Berechnung der hier strittigen Beträge durch das Finanzamt an Hand des Pendlerrechners unter Heranziehen des WS-Nahe vorgelegt. Demnach sei die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel möglich und zumutbar und es würden sich die oben genannten Beträge ergeben. Nach dem ebenfalls vorgelegten ZMR Ausdruck vom erfolgte per die Ummeldung zum Hauptwohnsitz in WS-Fern.
In der gegen den angeführten Bescheid am eingebrachten Bescheidbeschwerde beantragte die Bf die Berücksichtigung des großen Pendlerpauschales iHv € 2.568,00 und des Pendlereuros iHv € 112,00. Begründend führte sie aus, dass nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit. f EStG bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze der zur Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz oder der Familienwohnsitz maßgeblich sei. Es sei daher für die Berechnung der beantragten Beträge die Strecke zwischen ihrem Arbeitsplatz in Arbeitsstätte und der mit ihrem Lebensgefährten bewohnten Wohnung in WS-Fern maßgeblich. Als Nachweis für ihre Ausführungen legte die Bf folgende Strom-Jahresabrechnungen elektronisch vor:
– : 1.268 KWh
– : 951 KWh
– : 379 KWh
Das Finanzamt hat die Beschwerde mit der Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom als unbegründet abgewiesen. Nach dem Zentralen Melderegister (ZMR) liege nur der WS-Nahe vor. Wäre der tatsächliche Wohnsitz im WS-Fern gewesen, hätte sich die Bf innerhalb eines Monats ab Wohnsitzverlegung ummelden müssen. Da bis zum Ergehen der BVE keine Wohnsitzummeldung erfolgt sei, sei von bloßen unmaßgeblichen Besuchsaufenthalten am WS-Fern auszugehen.
Im Vorlageantrag vom ergänzte die Bf ihr Vorbringen damit, dass im Fall einer Lebensgemeinschaft der gemeinsame Wohnsitz der für die Berechnung maßgeblich Wohnsitz im Sinn der BAO sei. Die polizeiliche Meldung sei nicht maßgeblich. Bei Begründung einer Lebensgemeinschaft werde der bisherige Wohnsitz im Sinn des Meldegesetzes nicht aufgegeben. Konkret sei aus praktischen Gründen der WS-Nahe im Sinn des Meldegesetzes nicht aufgegeben worden. Die polizeiliche Ummeldung sei per erfolgt.
Im Vorlagebericht hält das Finanzamt unter Anführung der maßgeblichen Bestimmungen des Meldegesetzes weiter daran fest, dass aufgrund der im Jahr 2015 noch nicht erfolgten Ummeldung in freier Beweiswürdigung vom WS-Nahe auszugehen sei und die Beschwerde daher abgewiesen werden möge.
Der Bf wurde auf Nachfrage zweimal durch den Richter telefonisch mitgeteilt, dass Beweise vorzulegen seien, mit denen die Nichtnutzung des WS-Nahe bzw. die Nutzung des WS-Fern belegt werden könnten. Aus den mittlerweile erfolgten Internet-Recherchen ergibt sich, dass bei einem Ein-Personen-Haushalt von einem Jahres-Stromverbrauch von ca. 2000 KWh auszugehen ist.
Am erging ein Fragenvorhalt an die Bf, in dem auch die maßgeblichen Gesetzesbestimmungen zur Information angeführt wurden. Die Bf wurde ersucht näherhin angeführte Beweismittel für das Bestehen und ständige Nutzen der Wohnung in WS-Fern vorzulegen.
Daraufhin legte die Bf am folgende Nachweise vor:
Schriftliche „eidesstattliche“ Erklärung des Lebensgefährten der Bf, dass er seit Jänner 2015 mit der Bf am WS-Fern in Lebensgemeinschaft lebe.
Schriftliche „eidesstattliche“ Erklärung der Großmutter der Bf (wohnhaft am WS-Nahe), dass die Bf im Jahr 2015 den WS-Nahe nur mehr gelegentlich genutzt habe und sie für die Bf gewisse Aufgaben übernommen habe (Entgegennahme der Post, Lüften, usw).
Folgende Stromabrechnungen für den WS-Fern: 2014: 1.286 kWh, 2015: 1.369 kWh, 2016: 1.341 kWh, 2017: 1.392 kWh
Nachweis der Km-Stände des PKW der Bf anhand von Gutachten gem. § 57a KFG 1967: : 58.441; : 82.298; : 110.868
Überdies gab die Bf an, dass sie bei ihrem Arbeitgeber das große Pendlerpauschale beantragt hätte, dieses aber unter Berufung auf die Aussagen in den Richtlinien nicht gewährt worden sei. Sie sei mit ihrem Antrag auf die Jahresveranlagung verwiesen worden.
Daraufhin wurde dem Amtsvertreter mit Mail vom mitgeteilt, dass es nach der Aktenlage glaubhaft sei, dass die Bf die Voraussetzungen für das große Pendlerpauschale erfülle. Der Stromverbrauch am WS-Nahe sei von ca 1200 kwH im Jahr 2014 auf ca. 680 kWh im Jahr 2015 gefallen, am WS-Fern sei er dagegen leicht gestiegen. Die Km-Leistung habe sich von 2170 Km/Jahr in 2014 auf ca 2.725 Km/Jahr ab 2015 erhöht. Dabei sei aufgrund der nachgewiesenen Zeiträume, die über den Jahreswechsel hinausgingen, auch ein noch größerer Anstieg denkbar bzw. wahrscheinlich. Auch die vorgelegten Zeugenaussagen würden dafür sprechen, dass die Bf ihren Familienwohnsitz am WS-Fern hatte, und es daher durchaus glaubhaft erscheine, dass die Bf an mindestens 11 Tagen im Monat im Jahr 2015 vom WS-Fern zu ihrer Arbeitsstätte angereist sei.
Der Amtsvertreter wurde um eine Stellungnahme und um Bekanntgabe ersucht, ob weitere Beweismittel vorgelegt bzw. Beweisanträge gestellt werden würden.
Der Amtsvertreter teilte in seinem Antwortmail vom mit, dass das Ergebnis des durchgeführten Beweisverfahrens zur Kenntnis genommen werde, weder weitere Beweismittel vorgelegt noch zusätzliche Beweisanträge gestellt werden würden. Festzuhalten sei, dass die Km-Leistung im Zeitraum bis lediglich auf 2.645 Km/Monat gestiegen sei.
Festgestellter Sachverhalt und Beweiswürdigung
Das BFG geht davon aus, dass das Vorliegen eines Familienwohnsitzes der Bf am WS-Fern und die regelmäßige Anreise zu ihrer Arbeitsstätte von dort wahrscheinlicher ist als der überwiegende Aufenthalt und die Anreise vom WS-Nahe lt ZMR. Hinsichtlich der Beweiswürdigung wird auf die Mitteilung an den Amtsvertreter vom verwiesen (siehe oben). Zu der Anmerkung des Amtsvertreters hinsichtlich des Anstieges der Km-Leistung ist anzuführen, dass diese Anmerkung richtig ist. Aber im Zeitraum bis wurden insgesamt 23.857 km gefahren. Selbst wenn man davon ausgeht, dass im Zeitraum bis 2.645 Km/Monat gefahren wurden, muss bedacht werden, dass unter der Annahme der gleichen Km-Leistung bereits ab Jänner 2015 für den Zeitraum August bis Dezember 2014 nur mehr 1600 km/Monat verblieben und sich ein Anstieg der Km-Leistung von ca 1000 Km/Monat ergeben würde (23.857 – (2645*6) ergibt ca 8.000; 8000 geteilt durch 5 Monate: 1600).
Ergänzend muss jedenfalls auch der große Rückgang des Stromverbrauches am WS-Nahe von 1200 kWh auf 680 kWh als entscheidungswesentlich angesehen werden. Nach den gepflogenen Internetrecherchen liegt der durchschnittliche Stromverbrauch eines Einpersonenhaushaltes sogar bei 2.000 kWh.
Gegen die getroffene Annahme spricht lediglich die Meldung im Zentralen Melderegister. Dieser Meldung kommt aber nach der Rechtsprechung nur eine Indizwirkung zu und ist somit ein Beweismittel wie jedes andere. Im Übrigen entspricht es durchaus der Lebenserfahrung, wie auch die Bf in ihrem Vorlageantrag ausführt, dass man seine bisherige Wohnung, eine eventuelle Rückkehrmöglichkeit und auch seine Einrichtungsgegenstände und dergleichen bei einer Begründung einer Lebensgemeinschaft nicht zwingend sofort aufgebe.
Rechtliche Grundlagen und Erwägungen
Zu der hier strittigen Rechtsfrage normiert das EStG 1988 in § 16 Abs. 1 Z 6 EstG 1988:
Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt:
a) Diese Ausgaben sind durch den Verkehrsabsetzbetrag (§ 33 Abs. 5 Z 1 EstG 1988) abgegolten. Nach Maßgabe der lit. b bis j steht zusätzlich ein Pendlerpauschale sowie nach Maßgabe des § 33 Abs. 5 Z 4 ein Pendlereuro zu. Mit dem Verkehrsabsetzbetrag, dem Pendlerpauschale und dem Pendlereuro sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten.
b) Wird dem Arbeitnehmer ein arbeitgebereigenes Kraftfahrzeug für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Verfügung gestellt, steht kein Pendlerpauschale zu.
c) Beträgt die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mindestens 20 km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale:
Bei mindestens 20 km bis 40 km 696 Euro jährlich,
bei mehr als 40 km bis 60 km 1 356 Euro jährlich,
bei mehr als 60 km 2 016 Euro jährlich.
d) Ist dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar, beträgt das Pendlerpauschale abweichend von lit. c:
Bei mindestens 2 km bis 20 km 372 Euro jährlich,
bei mehr als 20 km bis 40 km 1 476 Euro jährlich,
bei mehr als 40 km bis 60 km 2 568 Euro jährlich,
bei mehr als 60 km 3 672 Euro jährlich.
e) Voraussetzung für die Berücksichtigung eines Pendlerpauschales gemäß lit. c oder d ist, dass der Arbeitnehmer an mindestens elf Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte fährt. Ist dies nicht der Fall gilt Folgendes:
Fährt der Arbeitnehmer an mindestens acht Tagen, aber an nicht mehr als zehn Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu zwei Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) zur Arbeitsstätte zu.
Fährt der Arbeitnehmer an mindestens vier Tagen, aber an nicht mehr als sieben Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte, steht das jeweilige Pendlerpauschale zu einem Drittel zu. Werden Fahrtkosten als Familienheimfahrten berücksichtigt, steht kein Pendlerpauschale für die Wegstrecke vom Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) zur Arbeitsstätte zu.
Einem Steuerpflichtigen steht im Kalendermonat höchstens ein Pendlerpauschale in vollem Ausmaß zu.
f) Bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze ist für die Berechnung des Pendlerpauschales entweder der zur Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz oder der Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EstG 1988) maßgeblich.
g) Für die Inanspruchnahme des Pendlerpauschales hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber auf einem amtlichen Vordruck eine Erklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen abzugeben. Der Arbeitgeber hat die Erklärung des Arbeitnehmers zum Lohnkonto (§ 76) zu nehmen. Änderungen der Verhältnisse für die Berücksichtigung des Pendlerpauschales muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb eines Monates melden.
h) Das Pendlerpauschale ist auch für Feiertage sowie für Lohnzahlungszeiträume zu berücksichtigen, in denen sich der Arbeitnehmer im Krankenstand oder Urlaub befindet.
i) Wird ein Arbeitnehmer, bei dem die Voraussetzungen für die Berücksichtigung eines Pendlerpauschales vorliegen, überwiegend im Werkverkehr gemäß § 26 Z 5 befördert, steht ihm ein Pendlerpauschale nur für jene Wegstrecke zu, die nicht im Werkverkehr zurückgelegt wird. Erwachsen ihm für die Beförderung im Werkverkehr Kosten, sind diese Kosten bis zur Höhe des sich aus lit. c, d oder e ergebenden Betrages als Werbungskosten zu berücksichtigen.
j) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, Kriterien zur Festlegung der Entfernung und der Zumutbarkeit der Benützung eines Massenverkehrsmittels mit Verordnung festzulegen.
Zu der hier alleine strittigen Frage des maßgeblichen Wohnsitzes bestimmt die sog. PendlerVO, BGBl II 276/2013 idF BGBl II 154/2014 in § 4:
(1) Ein Familienwohnsitz (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. f EstG 1988 und § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988) liegt dort, wo
1. ein in (Ehe)Partnerschaft oder in Lebensgemeinschaft lebender Steuerpflichtiger oder
2. ein alleinstehender Steuerpflichtiger
seine engsten persönlichen Beziehungen (zB Familie, Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand (Abs. 2) hat.
(2) Der Steuerpflichtige hat einen eigenen Hausstand, wenn er eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht. Ein eigener Hausstand liegt jedenfalls nicht vor, wenn der Steuerpflichtige Räumlichkeiten innerhalb eines Wohnverbandes einer oder mehrerer Person(en), die nicht (Ehe)Partner sind oder mit denen eine Lebensgemeinschaft besteht, mitbewohnt.
Den parlamentarischen Materiealien zu § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 53/2013 kann dazu entnommen werden, dass bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze für die Berechnung des Pendlerpauschales ein Wahlrecht bestehen solle, entweder den der Arbeitsstätte nächstgelegenen Wohnsitz oder den Familienwohnsitz der Berechnung zu Grunde zu legen (lit. f). Voraussetzung für dieses Wahlrecht sei, dass ein Familienwohnsitz iSd § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 vorliegt (Mittelpunkt der Lebensinteressen mit eigenem Hausstand). Ist das nicht der Fall, sei stets der der Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz für das Pendlerpauschale maßgeblich. Das Pendlerpauschale stehe bei Ausübung des Wahlrechtes nur einmal zu.
Entscheidend ist somit für die Berechnung des Pendlerpauschales im Fall des Vorliegens mehrerer Wohnsitze:
Grundsätzlich ist der zur Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz oder der Familienwohnsitz maßgeblich. Beweispflichtig ist derjenige, der die Berücksichtigung des Pendlerpauschales beantragt. Die Bf müsste somit nachweisen, dass sie am WS-Fern ihren Familienwohnsitz hat. Dies ist dann der Fall, wenn sie dort
Ihre engsten persönlichen Beziehungen (zB Familie. Freundeskreis), und somit den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat (Freizeitgestaltung, Vereinsmitgliedschaften, Wohnsitze der Familienmitglieder, Pflege-Verpflichtungen, …..)
und auch ihren eigenen Hausstand dort hat. Dies setzt voraus, dass die Bf dort eine Wohnung besitz, die ihren Lebensbedürfnissen entspricht. Aus dem zweiten Satz des § 4 Abs. 2 PendlerVO muss e contrario geschlossen werden, dass die Mitbewohnung von Räumlichkeiten eines Lebenspartners als ausreichend angesehen werden kann. Ein gemeinsamer Hausstand mit dem in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Partner, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen der Partner bildet wird auch nach § 20 EStG als Familienwohnsitz anerkannt.
Nicht maßgeblich ist nach diesen Bestimmungen bzw. nur im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen ist die polizeiliche Meldung laut Melderegister.
: Der im § 16 Abs. 1 Z 6 lit. f EStG 1988 verwendete Begriff "Familienwohnsitz" scheint sich auf den ersten Blick mit dem Begriff "Hauptwohnsitz" iSd § 1 Abs. 7 MeldeG 1991 zu decken. Doch ist die polizeiliche Meldung für die Frage der Wohnsitzqualität allenfalls ein Indiz, jedoch nicht entscheidend, da der Gesetzgeber hier keine formale Anknüpfung an den Begriff "Hauptwohnsitz" iSd § 1 Abs. 7 MeldeG 1991 vorgenommen hat. Vielmehr kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse und nicht auf die äußere Erscheinungsform an (§ 21 BAO).
Familienwohnsitz ist jener Wohnsitz, an dem ein verheirateter oder in Lebensgemeinschaft lebender Steuerpflichtiger einen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Person bildet (vgl. ).
Der Mittelpunkt der Lebensinteressen besteht grundsätzlich dort, wo die Person die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen unterhält. Dabei ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen (, ).
In Anlehnung an das zwischenstaatliche Steuerrecht definierte der VwGH den Begriff Mittelpunkt der Lebensinteressen so, dass darunter der Ort zu verstehen ist, zu dem der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Bindungen hat ( 1824/7 etc.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Person zwar mehrere Wohnsitze, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensverhältnisse haben. Dieser ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln, wobei die Beurteilung anhand objektiv feststellbarer Umstände vorzunehmen ist (vgl. mit weiteren Nachweisen).
Schon nach der Rechtsprechung kam allerdings bei dieser Beurteilung den persönlichen Beziehungen und dort wiederum der Gestaltung des Familienlebens eine überwiegende Bedeutung zu (vgl. ; , 98/14/0026; , 95/14/0145 und Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG45, § 1 Tz 9). Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens bestehen im Regelfall die stärksten persönlichen Beziehungen zu dem Ort, an dem man regelmäßig und Tag für Tag mit seiner Familie lebt. Daraus folgt, dass der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse einer verheirateten Person oder einer in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes des Paares zu finden sein wird (), wenn sie dort einen gemeinsamen Haushalt führen. Die auf die Wohnsitze entfallenden Aufenthaltszeiten sind dabei ein bedeutsames quantitatives Kriterium (). Demgegenüber treten andere persönliche Beziehungen wie zur restlichen Familie oder zu Freunden in den Hintergrund.
Unter persönlichen Verhältnissen sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz innehat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen. Im Regelfall bestehen nach den Erfahrungen des Lebens die stärksten persönlichen Beziehungen zu dem Ort, an dem man regelmäßig und Tag für Tag mit seiner Familie lebt (; ; ).
Bei verheirateten Personen, die einen gemeinsamen Haushalt führen, besteht also die stärkste persönliche Beziehung in der Regel zu dem Ort, an dem sie mit ihrer Familie Tag für Tag leben. Diese Annahme setzt im Regelfall die Führung eines gemeinsamen Haushaltes sowie das Fehlen ausschlaggebender und stärkerer Bindungen zu einem anderen Ort, etwa aus beruflichen oder gesellschaftlichen Gründen, voraus (, ).
Werbungskosten müssen wie Betriebsausgaben nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht werden. Dabei sind alle Beweismittel zu würdigen. Auch Zeugenaussagen sind Beweismittel, die der freien Beweiswürdigung unterliegen. Bei der freien Beweiswürdigung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. Ritz, BAO5, § 167 Rz 6 ff.; ).
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Für dieses Erkenntnis war keine Rechtfrage von grundsätzlicher Bedeutung sondern die Tatsachenfrage des Bestehens eines Familienwohnsitzes zu klären, weshalb die Revision gegen dieses Erkenntnis als unzulässig zu erklären war.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100799.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at