Familienheimfahrten eines polnischen Nichtselbständigen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Ri. in der Beschwerdesache Bf., Adr., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde FA Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom , betreffend Einkommensteuer 2010 zu Recht:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit seiner Arbeitnehmerveranlagung 2010 machte Bf. (in der Folge "Bf.") Kosten für Familienheimfahrten geltend. Nachdem der Bf. der Aufforderung über die Beibringung von weiteren Unterlagen nicht entsprach, erließ die belangte Behörde am den Erstbescheid, der die Kosten der Familienheimfahrten nicht anerkannte.
Im Rahmen der Berufung, die nunmehr gemäß § 323 Abs. 38 BAO als Beschwerde zu behandeln ist, begehrte der Bf. neben den Kosten für Familienheimfahrten auch Kosten für eine doppelte Haushaltsführung. Die belangte Behörde forderte den Bf. auf, Gründe zu nennen, warum die Verlegung des Familienwohnsitzes für ihn unzumutbar sei und forderte Kostenaufstellungen für die doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten an.
Die belangte Behörde wies in weiterer Folge die Berufung mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab, da der Bf. zwar Unterlagen beibrachte, jedoch nicht nachgewiesen hätte, warum eine Verlegung des Familienwohnsitzes an den Berufsort für ihn unzumutbar sei. Zudem seien die tatsächlichen Kosten der Familienheimfahrten nicht nachgewiesen worden.
Dagegen richtet sich der Vorlageantrag, in dem der Bf. zusätzlich geltend macht, dass er alle in seinem Besitz befindlichen Unterlagen rechtzeitig abgegeben habe. Der Bf. beantragt die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen.
II. Erwägungen
1. Sachverhalt
Der verheiratete Bf. ist polnischer Staatsbürger und war im Streitjahr 2010 nichtselbständig tätig.
Der Bf. hat einen Wohnsitz in Wohnsitz_Polen.
Im Streitjahr 2010 hatte der Bf. einen weiteren Wohnsitz in Wohnsitz_Österreich.
Nachweise über Mietzahlungen oder sonstige Aufwendungen sowie Mietverträge für den Wohnsitz in Wohnsitz_Österreich sind nicht vorhanden.
Seine Ehefrau bezog im Streitzeitraum Einkünfte in Polen in Höhe von 9.625 PLN, die aus einer staatlichen Rente stammen.
Der Bf. fuhr an folgenden Tagen von Wohnsitz_Österreich nach Wohnsitz_Polen:
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Datum | Abfahrt | Ankunft | Reiseweg |
16:00 | 24:00 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
18:00 | 00:30 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
15:30 | 00:30 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
18:00 | 02:00 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
16:00 | 24:00 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
17:30 | 01:30 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
16:00 | 24:00 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
17:00 | 00:30 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
16:00 | 24:00 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
18:00 | 02:00 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
16:00 | 00:30 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
17:00 | 01:00 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
16:30 | 24:00 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
17:00 | 01:30 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
16:00 | 00:30 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
18:00 | 02:00 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
15:00 | 23:00 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
17:30 | 01:00 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
16:00 | 24:00 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
18:00 | 01:30 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
16:00 | 00:30 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
17:00 | 01:00 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
16:00 | 24:00 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
17:00 | 02:00 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
17:00 | 01:30 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
18:00 | 02:00 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
16:30 | 24:00 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
18:00 | 01:30 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
17:00 | 01:30 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
18:00 | 02:00 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
16:00 | 00:30 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
17:30 | 02:00 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
16:00 | 24:00 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
17:00 | 01:30 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
16:00 | 24:00 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
17:00 | 02:00 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
17:00 | 02:00 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
18:00 | 02:00 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
16:00 | 24:00 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
18:00 | 02:00 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
16:00 | 24:00 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
17:30 | 02:00 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen | |
16:00 | 24:30 | Wohnsitz_Polen - Wohnsitz_Österreich | |
17:00 | 24:00 | Wohnsitz_Österreich - Wohnsitz_Polen |
Die Kosten der Familienheimfahrten sind nicht eindeutig nachgewiesen. Der Bf. begehrt Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von 3.120,00 Euro. Aktenkundig ist eine in polnischer Sprache verfasste Bestätigung, wonach eine einfache Fahrt von Wien in den südlichen Teil Polens 30 Euro kostet.
Die einfache Wegstrecke mit einem PKW von Wohnsitz_Österreich nach Wohnsitz_Polen beträgt 411 km.
2. Beweiswürdigung
Die nichtselbständige Tätigkeit des Bf. ergibt sich aus den aktenkundigen Lohnzetteln des Arbeitgebers.
Der Familienstand ergibt sich aus der aktenkundigen polnischen Heiratsurkunde.
Der Wohnsitz in Wohnsitz_Polen ist durch eine aktenkundige, beglaubig übersetzte Meldebestätigung nachgewiesen.
Der Wohnsitz in Wohnsitz_Österreich im Streitzeitraum ergibt sich aus einem Auszug des Zentralen Melderegisters.
Die Einkünfte der Ehefrau des Bf. ergeben sich aus einem ausgefüllten und gestempelten, jedoch nicht übersetzten Formular Bescheinigung EU/EWR vom .
Die Tage, an denen der Bf. von Wohnsitz_Österreich nach Wohnsitz_Polen und umgekehrt gefahren ist, ergeben sich aus einem Fahrtenbuch, das der Bf. im erstbehördlichen Verfahren vorgelegt hat. Kilometerstände wurden nicht eingetragen.
Dass eine Fahrt von Wien in den südlichen Teil Polens 30 Euro kostet, ergibt sich aus der undatierten Bestätigung der Firma Polnische_Firma, Adr._Polnische_Firma.
Die einfache Fahrtstrecke mit einem PKW ergibt sich aus der Recherche des Routenplaners "Google Maps".
Aus den Beweisen kann nicht abschließend abgeleitet werden, wie sich die Kosten der Familienheimfahrten tatsächlich zusammensetzen. Zusätzlich ist aus den vorgelegten Nachweisen unklar, ob der Bf. selbst mit einem KFZ gefahren ist oder einen Fahrtendienst in Anspruch genommen hat. Nachweise sind nicht vorhanden. Die Anzahl der Fahrten multipliziert mit den pauschalen Kosten (44 Fahrten x 30 Euro = 1.320,00 Euro) entspricht nicht den erklärten Kosten. Auch die Zugrundelegung des amtlichen Kilometergeldes entspricht nicht den erklärten Kosten (411 km x 44 Fahrten x 0,42 Euro = 7.595,28 Euro). Die tatsächlichen Kosten der Familienheimfahrten sind daher nicht nachgewiesen.
3. Rechtliche Würdigung
3.1. Zu Spruchpunkt 1: Abweisung der Beschwerde
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen nicht abgezogen werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist die Beibehaltung eines (Familien)Wohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann (vgl. ).
Die Unzumutbarkeit der Verlegung des ständigen Wohnsitzes an den Ort der Beschäftigung kann die verschiedensten Ursachen haben und sich auch aus Umständen der privaten Lebensführung ergeben (vgl. etwa ); die Unzumutbarkeit ist aus Sicht der jeweiligen Streitjahre zu beurteilen ().
Der Bf. hat trotz Aufforderung des Bundesfinanzgericht vom nicht nachgewiesen, warum die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung unzumutbar ist. So ergibt sich zwar aus der dem Akt beiliegenden Bescheinigung EU/EWR, dass die Ehefrau Einkünfte am Familienwohnsitz bezieht. Jedoch ergibt sich aus dieser Bescheinigung lediglich, dass diese Einkünfte aus einer staatlichen Rente stammen. Da der Bf. trotz Aufforderung keine Gründe dargelegt hat, die belegen, dass der Bezug dieser Rente einem Umzug der Ehefrau an den Tätigkeitsort entgegensteht, kann daraus nicht auf die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes geschlossen werden.
Es ist Sache des Bf. diejenigen Gründe vorzubringen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht, ohne dass die Abgabenbehörde verhalten ist, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen (vgl. mwN). Der Bf. hat keine weiteren Gründe vorgebracht, die für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes sprechen. Auch ergibt sich aus der Aktenlage kein Vorbringen, das zur Prüfung herangezogen werden kann, ob dem Bf. die Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar ist.
Die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Tätigkeitsort ist somit zumutbar. Kosten der Familienheimfahrten sind nur insofern abzugsfähig, als eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung vorliegt. Da dem Bf. die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Tätigkeitsort zumutbar ist und damit keine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung vorliegt, sind die Kosten der Familienheimfahrten nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt 2: Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 2 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Lichte der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit doppelter Haushaltsführung und Familienheimfahrten nicht vor ( vgl. ; , 2010/15/0124; , 2003/13/0154). Das Bundesfinanzgericht weicht von dieser ständigen Rechtsprechung nicht ab, wonach eine Revision unzulässig ist.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7101686.2012 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
NAAAC-20520