Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.04.2019, RV/7101068/2019

Kein Freibetrag n. § 35 Abs. 3 EStG 1988 bei ganzjährigem Pflegegeldbezug

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Adr.Bf. , über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Baden Mödling vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2017 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Statt gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2017 beantragte der Beschwerdeführer (Bf.) u.a. unregelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel als außergewöhnliche Belastungen bei Behinderung in Höhe von € 601,75.

Mit Vorhalt vom ersuchte das Finanzamt um Aufstellung und Nachweis der vom Bf. beantragten unregelmäßigen Ausgaben für Hilfsmittel, sowie Kosten der Heilbehandlung.

Mit Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2017 berücksichtigte das Finanzamt u.a. die Pauschbeträge nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen wegen eigener Behinderung in Höhe von € 2.280,00 und nachgewiesene Kosten aus eigener Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen in Höhe von € 409,36. Begründende führte es aus, dass die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendungen um eine Haushaltsersparnis in Höhe von € 146,44 gekürzt worden seien.

In der dagegen eingebrachten Beschwerde machte der Bf. geltend, dass die Ausgaben für die Erneuerung eines Stockgummis in Höhe von € 2.50 und des Korbes eines Invalidenscooter in Höhe von € 43,45, trotz Vorlage nach dem Ergänzungsersuchen, nicht berücksichtigt worden seien.

Mit Beschwerdevorentscheidung gab das Finanzamt dem Beschwerdebegehren statt, gliederte die Ausgaben für Hilfsmittel sowie die Kosten der Heilbehandlung genau auf, anerkannte die in der Beschwerde geltend gemachten Aufwendungen und setzte die nachgewiesenen Kosten aus eigener Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen in Höhe von € 455,31 an.

Im rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag führte der Bf. noch ergänzend hinzu, dass der Freibetrag wegen eigener Behinderung gem. § 35 Abs. 3 EStG 1988 nicht berücksichtigt worden sei. Die notwendigen Unterlagen lägen schon seit längerem beim Finanzamt auf, zumal sich nichts geändert habe.

Das Finanzamt legte die Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht (BFG) vor.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt ist erwiesen:

Der Bf. bezieht vom Jänner bis Dezember 2017 Pflegegeld in Höhe von € 3.228,60.

Ebenso unbestritten ist der Grad der Behinderung des Bf. in Höhe von 80 %.

Gesetzliche Grundlagen:

§ 35 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988 normiert:

Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen

– durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

– bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe‑)Partners (§ 106 Abs. 3),

– ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners, wenn er mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt,

– durch eine Behinderung eines Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,

und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.

Absatz 2 leg.cit: Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:

– Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

– Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

– In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(3) Es wird jährlich gewährt


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bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von
ein Freibetrag von Euro
...........
 
75% bis 84%
435
...........
 

Mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 wurden jene Bestimmungen, die die außergewöhnliche Belastung von Behinderten betreffen mit Wirkung ab neu geregelt:

Füralle Personen, die eine pflegebedingte Geldleistung(Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz, Pflegezulage oder Blindenzulage) erhalten, soll zur Vermeidung einer Überförderung nicht zusätzlich ein allgemeiner Freibetrag auf Grund ihrer Behinderung berücksichtigt werden, weil ihre pflegebedingten Aufwendungen ohnehin durch den - steuerfreien - Bezug von Pflegegeld und ähnliche Geldleistungen abgedeckt werden. Werden die tatsächlichen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht, so soll durch die entsprechende Aufnahme in § 34 Abs. 6 sichergestellt werden, dass nur der die pflegebedingte Geldleistung übersteigende Mehrbetrag ohne Abzug eines Selbstbehaltes zu berücksichtigen ist (72 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates, XX. GP).

Gleich lautend auch Hofstätter / Reichel, Die Einkommensteuer, Tz 1 zu § 35 sowie Müller in SWK 31/1997, S 641, Punkt 2.2.

Im vorliegenden Beschwerdefall hat der Bf. im gesamten Beschwerdezeitraum unbestrittener Maßen Pflegegeld bezogen. Nach dem klaren Wortlaut des § 35 Abs. 1 EStG 1988 steht ein Freibetrag iSd. § 35 Abs. 3 EStG 1988 nur zu, wenn keine pflegebedingten Geldleistungen bezogen werden. Da der Bf. im streitgegenständlichen Zeitraum aber ganzjährig Pflegegeld bezogen hat, ist der Freibetrag iSd. § 35 Abs. 3 EStG 1988 nicht anzuerkennen.

Die Aufwendungen für die Erneuerung des Stockgummis und des Korbes des Invalidenscooters sind - wie in der Beschwerdevorentscheidung - zu berücksichtigen.

Ermittlung der nachgewiesenen Kosten aus eigener Behinderung


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nachgewiesene Kosten aus eigener Behinderung alt
409,36
neuer Stockgummi  
 2,50
neuer Korb 
43,45
nachgewiesene Kosten aus eigener Behinderung neu 
455,31

Der Beschwerde ist daher teilweise stattzugeben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das Gericht hat bei seiner Entscheidung über die Beschwerde die gesetzlichen Bestimmungen des § 35 EStG 1988 angewendet. Somit lag weder eine Rechtsfrage vor, noch war eine solche zu lösen. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7101068.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at