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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.05.2019, RV/3100763/2016

Geschäftsführerhaftung - Reduktion der Haftungssumme wegen langer verstrichener Zeit

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2019/13/0065. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache des Bf, vertreten durch RA, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid der belangten Behörde Finanzamt vom nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben. Der Beschwerdeführer wird gemäß §§ 9, 80 BAO als Haftungspflichtiger für die bei der X GmbH aushaftende Körperschaftsteuer 2004 in Höhe von EUR 5.681,29 in Anspruch genommen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang und Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war von bis zu ihrer Auflösung Geschäftsführer der im Firmenbuch zu FN1 eingetragenen X GmbH (im folgenden: Primärschuldnerin). Mit Beschluss des Landesgerichts vom zu GZ1 wurde die Konkursabweisung mangels Vermögens verfügt und die Primärschuldnerin gemäß § 39 Firmenbuchgesetz aufgelöst.

Mit Ergänzungsersuchen vom setzte das Finanzamt den Beschwerdeführer über die beabsichtigte Haftungsinanspruchnahme für offene Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin in Kenntnis, stellte die Haftungsvoraussetzungen dar und forderte ihn zur Stellungnahme zu diesen auf. Der Beschwerdeführer erstattete keine Stellungnahme.

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer als Haftungspflichtigen gemäß §§ 9 und 80 BAO für die am fällige Körperschaftsteuer 2004 in Höhe von EUR 11.362,58 in Anspruch.

In seiner Beschwerde vom brachte der Beschwerdeführer vor, er sei im Zusammenhang mit der angekündigten Haftungsinanspruchnahme über Monate hinweg in Kontakt mit dem Finanzamt gestanden, um eine "wirtschaftliche" Gesamtbereinigung aller Abgabenverbindlichkeiten herbeizuführen. Er habe seine Einkommens- und Vermögenssituation dem Finanzamt gegenüber offengelegt. Es sei mit den Finanzamt vereinbart gewesen, dass "allfällige Fristen zur inhaltlichen Äußerung zum geltend gemachten Haftungsanspruch... nicht zu laufen begonnen haben, jedenfalls solange nicht, solange nicht von Seiten des Finanzamtes das Scheitern der Verhandlungen und ... die Einräumung einer neuerlichen Frist zur endgültigen Stellungnahme ... eingeräumt wird". Das Finanzamt habe ohne Angabe von Gründen den außergerichtlich unterbreiteten Vorschlag des Haftungspflichtigen mit Schreiben vom abgelehnt. In diesem Schreiben sei nicht dargestellt, ob und in welchem Umfang das Finanzamt beabsichtige, das über Monate hinweg sistierte Haftungsverfahren fortzusetzen. Der Haftungsbescheid sei insofern "unangekündigt" ergangen. Auch sei der Haftungsbescheid inhaltsleer in Bezug auf das Verschulden des Beschwerdeführers. Weder sei der Insolvenzakt eingesehen worden, noch seien die dem Finanzamt vorliegenden Geschäftsunterlagen - etwa Jahresabschlüsse, Steuererklärungen, Betriebsprüfungsberichte - verwertet worden, noch sei dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur inhaltlichen Äußerung gegeben worden. Das Vorhalteverfahren für die Haftungsinanspruchnahme sei noch nicht abgeschlossen. Der Beschwerdeführer habe erwarten dürfen, dass entsprechend den mit dem Finanzamt getroffenen Vereinbarungen nach dem Scheitern aller Bemühungen um eine wirtschaftliche Lösung eine neuerliche Frist zur Darstellung der Entlastungsgründe des Beschwerdeführers eingeräumt werde. Ein Verstoß gegen die qualifizierte Mitwirkungspflicht liege nicht vor. Das Finanzamt habe seine Ermessensübung nicht begründet. Es werde außer Streit gestellt, dass die haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin uneinbringlich seien.

Aus dem dem Finanzamt vorliegenden Jahresabschluss zum sei ersichtlich, dass die Primärschuldnerin im Jahr 2007 keine Umsätze getätigt und keine Tätigkeit mehr ausgeübt habe. Es sei kein Aktivvermögen mit Ausnahme von uneinbringlichen Forderungen vorhanden gewesen. Das Finanzamt habe nicht auf die "aktenkundigen Vermögensverhältnisse der [Primärschuldnerin], wie sich diese über Jahrzehnte dargestellt haben, Bezug genommen". Auch habe das Finanzamt im Rahmen der Ermessensübung nicht die persönliche Situation des Beschwerdeführers berücksichtigt, der als Pensionist nach vollständiger Offenlegung aller Vermögens- und Einkommensverhältnisse mit einer ruinösen und uneinbringlichen Forderung konfrontiert werde.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab, worauf der Beschwerdeführer am die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte.

In der mündlichen Verhandlung am wendete der Beschwerdeführer ein, dass hinsichtlich der Körperschaftsteuer 2004 Einhebungsverjährung eingetreten sei.

Das Finanzamt brachte vor, dass es am eine Firmenbuchabfrage und am eine Abfrage im Unternehmensregister vorgenommen habe, dies jeweils zur Überprüfung, ob es für die Primärschuldnerin haftungspflichtige Personen gibt. Das Finanzamt legte entsprechend datierte Ausdrucke aus den beiden Registern vor.

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Firmenbuch, den vorgelegten Verwaltungsakten und dem Vorbringen der Parteien.

Erwägungen

Gemäß § 238 Abs 1 BAO verjährt das Recht, fällige Abgaben einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. Gemäß § Abs 2 dieser Bestimmung wird die Verjährung durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Eine auf Durchsetzung des konkreten Abgabenanspruches gerichtete Firmenbuchabfrage stellt eine solche Amtshandlung dar (), zumal das Finanzamt dargetan hat, dass die Firmenbuchabfrage im Jahr 2012 der Nachforschung gedient hat, ob haftungspflichtige Personen existieren. Daher war zum Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides Einhebungsverjährung nicht eingetreten.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Die Vertreter einer juristischen Person haben alle Pflichten zu erfüllen, die den Vertretenen obliegen. Insbesondere haben sie dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus Mitteln, welche sie verwalten, entrichtet werden (§ 80 BAO).

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Vertreters zur Haftung voraus. Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben ist unstrittig.

Die Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Körperschaftsteuer 2004 fällt in jenen Zeitraum, in dem der Beschwerdeführer Geschäftsführer der Primärschuldnerin war.

Eine weitere Voraussetzung ist eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters, zu dessen Aufgaben es gehört, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen. Die Abgabenbehörde kann von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters ausgehen, wenn der Vertreter nicht dartut, dass er ohne eigenes Verschulden gehindert war, dafür zu sorgen, dass die Primärschuldnerin die angefallenen Abgaben entrichtet (Ritz, BAO, 6.A., Rz 22 zu § 9; ). Ist eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters gegeben, dann werden die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und der Rechtswidrigkeitszusammenhang vermutet (). Das Beschwerdevorbringen, das Finanzamt habe aus ihm vorliegenden Jahresabschlüssen der Primärschuldnerin ersehen können, dass keine Mittel zur Entrichtung der Abgaben vorhanden gewesen seien, ist nicht geeignet, ein fehlendes Verschulden des Beschwerdeführers an der Nichtentrichtung der Körperschaftsteuer 2004 darzustellen. Aus Jahresabschlüssen, Steuererklärungen, Betriebsprüfungsberichten oder Insolvenzakten betreffend die Primärschuldnerin können keine Erkenntnisse zur Liquiditätssituation zum - dem Fälligkeitstermin der Körperschaftsteuer 2004 - gewonnen werden. Es wäre am Beschwerdeführer gelegen gewesen, entsprechende Beweismittel beizubringen. Die Behauptung, dass im Jahr 2007 keine Umsätze mehr getätigt worden wären und keine Tätigkeit mehr ausgeübt worden sei, zeigt nicht auf, dass auch keinerlei liquide Mittel vorhanden gewesen wären. Da der Beschwerdeführer keinen Nachweis fehlenden Verschuldens an der Nichtentrichtung der Körperschaftsteuer 2004 erbracht hat, besteht im Sinn der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Vermutung, dass die Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers verursacht wurde.

Die Beschwerdebehauptung, das Haftungsverfahren sei mangelhaft geblieben, erweist sich als nicht zutreffend. So finden sich in den vorgelegten Verwaltungsakten keinerlei Hinweise darauf, dass Organe des Finanzamtes mit dem Beschwerdeführer vereinbart hätten, diesem nach einem Scheitern der Verhandlungen neuerlich eine Frist zur Stellungnahme zu den Haftungsvoraussetzungen einzuräumen. Im übrigen hatte der Beschwerdeführer im gesamten Haftungsverfahren jederzeit die Möglichkeit, zu den Haftungsvoraussetzungen Stellung zu nehmen, ohne dass es dafür einer (weiteren) förmlichen, ausdrücklichen Aufforderung seitens des Finanzamtes bedurft hätte. Sowohl der Haftungsvorhalt als auch der Haftungsbescheid und die Beschwerdevorentscheidung entfalten diesbezüglich Vorhaltscharakter.

Die ebenfalls in der Beschwerde gerügte Ermessensübung des Finanzamtes erweist sich zunächst nicht als mangelhaft. Die persönlichen Verhältnisse des Haftungspflichtigen können bei der Haftungsinanspruchnahme außer Betracht bleiben (zB ). Das Finanzamt hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer keine Gründe aufgezeigt hat, aus denen seine Haftungsinanspruchnahme unbillig erschiene.

Allerdings ist ein langer Zeitabstand zwischen dem Entstehen der Abgabenschuld oder der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Umstand, den die Abgabenbehörde bei der Inanspruchnahme zur Haftung im Sinne des Ermessens nicht außer Betracht lassen darf (zB ). Das Finanzamt hat nach dem Fälligkeitstag der Körperschaftsteuer 2004 (dem ) über fünf Jahre lang keine Maßnahmen zur Einbringung dieser Abgabe gesetzt. Erst am (Firmenbuchabfrage betreffend die Primärschuldnerin) und am (Abfrage des Unternehmensregisters betreffend die Primärschuldnerin) wurden Einbringungshandlungen im weiteren Sinn gesetzt, bevor mit Ergänzungsersuchen vom das Haftungsverfahren in Gang gesetzt und am der hier gegenständliche Haftungsbescheid erlassen wurde. Angesichts dieses zeitlichen Ablaufes ist eine Kürzung der Haftungssumme um die Hälfte geboten.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Das Bundesfinanzgericht konnte sich bei der rechtlichen Würdigung an der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientieren. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wurde darüber hinaus nicht aufgeworfen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Geschäftsführerhaftung
Einhebungsverjährung
lange verstrichene Zeit
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.3100763.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at