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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.04.2019, RV/7103662/2011

Für alle in § 26 EStG 1988 angeführten Arbeitgeberleistungen gilt der Grundsatz der Einzelabrechnung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Berufungssache des Berufungswerbers B vertreten durch Mag Andreas Wimmer, Wurmstraße 18, 4020 Linz, und nach dessen Ableben vertreten durch Thomas Notarfrancesco, über die als Bescheidbeschwerde zu erledigende Berufung vom gegen den Bescheid der belangten Behörde FA Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom , betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2008, zu Recht erkannt: 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

II. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

III. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzte Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

IV. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw) war im Jahr 2008 sowohl nichtselbständig (Einkünfte EUR 9.571,96) als auch gewerblich (Gewinn EUR 2.988,28) als Vertreter tätig. In seiner Einkommensteuererklärung machte er bezüglich seiner nichtselbständigen Einkünfte Fahrtkosten im Form des Kilometergeldes iHv 2.327,60 geltend. Einer der beiden Arbeitgeber hat im Lohnzettel nicht steuerbare Ersätze gemäß § 26 EStG 1988 über EUR 1.391,85 ausgewiesen.

Mit Vorhalt vom forderte die belBeh den Bw um Nachreichung eines Fahrtenbuchs bzw einer detaillierten Reisekostenabrechnung 2008 und Bekanntgabe, ob erhaltene Kostenersätze seitens des Dienstgebers berücksichtigt wurden, auf.

Der Bw lege kommentarlos ein Schreiben der Firma AA, Graz, (in der Folge kurz: A) aus dem September 2011 vor, demzufolge sie dem Bw im Jahr 2008 keine Diäten ausbezahlt hätten, und lose Blätter - zum Teil mit der Überschrift "Stundenzettel" (Juni) versehen - vor. Beider dieser Firma war der Bw für die Monate Juni bis Dezember 2008 beschäftigt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde nur das Werbungskostenpauschale von EUR 132,00 berücksichtigt, weil das Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß geführt sei. Konkrete Beanstandungen wurden dabei nicht ins Treffen geführt.

Mit Schriftsatz vom erhob der steuerliche Vertreter namens des Bw form- und fristgerecht Berufung. Im Berufungsschriftsatz wird die Abhaltung einer mündlichen Senatsverhandlung beantragt. In der Sache wurde vorgetragen, dass die Reisekosten ordnungsgemäß in einer Reisekostenaufstellung handgeschrieben enthalten gewesen seien, die natürlich geeignet sei, sie zu beweisen.

Mit Schriftsatz vom bestätigte die Firma A dem Bw, dass er im Jahr 2008 in Österreich für Neukundenaquise und laufende Kundenbetreuung in ihrem Auftrag unterwegs gewesen sei, wobei das Betreuungsgebiet ganz Österreich umfasst habe. In welchem Zusammenhang dieses Schreiben vorgelegt wurde, lässt sich aus dem Verwaltungsakt nicht klären. Als Beilage zur Berufung ist dieser Schriftsatz nicht erwähnt.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung samt Verwaltungsakt vorgelegt.

Am erfolgte im Bundesfinanzgericht ein Erörterungsgespräch, zu dem der Bw nicht erschienen ist. Der steuerliche Vertreter besaß keine Zustellvollmacht. Anlässlich des Erörterungsgesprächs räumte der Amtsvertreter ein, dass es vom Finanzamt bei einer ausgeübten Vertretertätigkeit überschießend gewesen sei, gar keine Fahrtkosten anzuerkennen.

Die Mängel des Fahrtenbuchs benannte der Amtsvertreter wie folgt: keine Zieladressen, kein Reisezweck, keine Seitensummen, keine Überträge, keine kontrollierbare Berechnung, keine einheitliche Führung. Die km-Stände seien nicht durchgängig aufgezeichnet worden.

Damit sei Schätzungsberechtigung gegeben. Fahrtkosten iHv EUR 1.500,00 erschienen nach Ansicht des Amtsvertreters vertretbar.

Am erfolgte ein Ferngespräch mit dem steuerlichen Vertreter, anlässlich dessen mitgeteilt wurde, dass eine Zustellvollmacht eingeschränkt auf das beim BFG anhängige Verfahren rechtlich zulässig ist. Weiters wurde der Vertreter über das Ergebnis des Erörterungsgesprächs informiert. Mit Fax vom  wurden die Anträge auf Mündlichkeit und Abhaltung einer Senatsverhandlung zurückgezogen. Auf die Frage der Zustellvollmacht wurde dabei nicht eingegangen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Rechtslage ab 2014:

Gemäß § 323 Abs 38 BAO sind die am bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht. Die Ausfertigung von noch vor dem verkündeten Rechtsmittelentscheidungen hat jedoch noch im Namen des unabhängigen Finanzsenates als Abgabenbehörde zweiter Instanz nach den zum geltenden Verfahrensbestimmungen zu erfolgen. Nach dem wirksam werdende Erledigungen des unabhängigen Finanzsenates als Abgabenbehörde zweiter Instanz gelten als Erledigungen des Bundesfinanzgerichtes.

Gegenständliche Berufung fällt unter leg. cit. und ist daher als Bescheidbeschwerde zu erledigen.

Form- und Inhaltserfordernisse

Die Berufung ist form- und fristgerecht und teilweise begründet.

Aufgrund der Zurücknahme der Anträge auf Mündlichkeit und Abhaltung einer Senatsverhandlung fällt die Entscheidung über die als Bescheidbeschwerde zu erledigenden Berufung gemäß des ersten Satzes des Artikel 135 Abs 1 B-VG in die Zuständigkeit der Einzelrichterin.

Aufgrund des Ergebnisses des vom BFG ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:

Der Bw erfüllt im Jahr 2008 den Pflichtveranlagungstatbestand. Neben seiner gewerblichen Tätigkeit hatte er nacheinander zwei Dienstverhältnisse, und zwar zur K- KEG vom bis und zur Firma AA, Graz, (in der Folge kurz: A) vom bis . Arbeitslosengeld wurde nicht bezogen.

In seiner Einkommensteuererklärung machte der Bw bezüglich seiner nichtselbständigen Einkünfte Fahrtkosten im Form des Kilometergeldes iHv 2.327,60 geltend. Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde demgegenüber nur das Werbungskostenpauschale von EUR 132,00 berücksichtigt, weil das Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß sei.

Die Frage der belangten Behörde, ob er die im Jahreslohnzettel 2008 der Firma A als "steuerfrei gem § 26" ausgewiesenen Betrag von EUR 1.391,85 als Fahrtkostenersätze bei der Ermittlung der als Fahrtkosten geltend gemachten Kilometergelder gegengerechnet hat, hat der Bw nicht beantwortet. Statt der erbetenen Antwort übermittelte der Bw der belangten Behörde ein Bestätigungsschreiben der Firma A vom September 2011, demzufolge sie ihm im Jahr 2008 keine Diäten ausgezahlt habe.

Zu den als Fahrtenbuch bezeichneten losen Blättern sind folgende Mängel festzustellen:

  • Ausgangs- und Zielpunkt jeder einzelnen Reise fehlen

  • Zweck jeder einzelnen Reise fehlt

  • Verwendung von losen Blättern, die zum Teil als Stundennachweis bezeichnet werden

  • ab Juni 2008 keine Kilometerstände

  • keine Summenbildung (mit Ausnahme des Monat Jänner 2008) oder Überträge

  • teilweise geschrieben mit leicht entfernbarem Schreibgerät (Bleistift)

Die einzig vom Bw berechnete Summe zum Jänner 2008 wurde rechnerisch überprüft und ergab 815 km statt 928 km. Die km-Aufstellung ist rechnerisch und somit materiell unrichtig.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Tag
km
7
32
8
24
9
44
10
92
14
55
15
63
16
43
17
61
18
17
21
27
22
25
23
38
24
77
25
53
28
52
29
23
30
53
31
36
 
815

Die Privatfahrten wurden nicht aufgezeichnet.

Beweismittel:

Verwaltungsakt, Fahrtenaufzeichnungen, Schriftsätze der Firma A vom September 2011 und vom ,

Beweiswürdigung:

Obige Sachverhaltsfeststellung ergab sich schlüssig und ohne Zweifel aus den angeführten Beweismitteln.

Dass der einzige PKW nicht auch für private Zwecke verwendet wird, wäre unglaubwürdig. Aufgrund der aufgezeichneten km-Stände sind Privatfahrten jedoch erfolgt. Daher schadet es nicht, wenn diese nicht aufgezeichnet wurden.

Rechtsgrundlagen:

§ 16 Abs 1 EStG 1988 lautet auszugsweise :

Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. ... Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

§ 26 Z 4 EStG 1988 lautet auszugsweise:

Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nicht:

Beträge, die aus Anlass einer Dienstreise als Reisevergütungen (Fahrtkostenvergütungen, Kilometergelder) und als Tagesgelder und Nächtigungsgelder gezahlt werden. Eine Dienstreise liegt

– seinen Dienstort (Büro, Betriebsstätte, Werksgelände, Lager usw.) zur Durchführung von Dienstverrichtungen verlässt oder

– so weit weg von seinem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) arbeitet, dass ihm eine tägliche Rückkehr an seinen ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) nicht zugemutet werden kann.

Bei Arbeitnehmern, die ihre Dienstreise vom Wohnort aus antreten, tritt an die Stelle des Dienstortes der Wohnort (Wohnung, gewöhnlicher Aufenthalt, Familienwohnsitz).

a) Als Kilometergelder sind höchstens die den Bundesbediensteten zustehenden Sätze zu berücksichtigen. Fahrtkostenvergütungen (Kilometergelder) sind auch Kosten, die vom Arbeitgeber höchstens für eine Fahrt pro Woche zum ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) für arbeitsfreie Tage gezahlt werden, wenn eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und für die arbeitsfreien Tage kein steuerfreies Tagesgeld gezahlt wird.

 Werden Fahrten zu einem Einsatzort in einem Kalendermonat überwiegend unmittelbar vom Wohnort aus angetreten, liegen hinsichtlich dieses Einsatzortes ab dem Folgemonat Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vor. …

rechtliche Beurteilung:

Fahrtkosten stellen Werbungskosten iSd Generalklausel des § 16 Abs 1 EStG 1988 dar und sind in der tatsächlich angefallenen Höhe zu berücksichtigen. Ein Wahlrecht auf Berücksichtigung der Fahrtkosten durch den Ansatz der amtlichen Kilometergelder an Stelle der tatsächlichen Aufwendungen besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (vgl die , ).

Von Dienstreisen iSd § 26 EStG 1988 ist auszugehen, weil die A mit Schriftsatz vom bestätigt hat, dass der Bw im Jahr 2008 in ihrem Auftrag das Zielgebiet Österreich bereist hat.

Die Verpflichtung eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuchs als Voraussetzung für die Geltendmachung von Fahrtkosten als Werbungskosten nach § 16 Abs 1 EStG 1988 lässt sich aus dem Einkommensteuergesetz nicht ableiten. Genau konträr verhält es sich bei den Arbeitgeberersätzen gemäß § 26 Z 4 EStG 1988, die aus Anlass einer Dienstreise als Reisevergütungen (Fahrtkostenvergütungen, Kilometergelder) oder als Tagesgelder und Nächtigungsgelder gezahlt werden:

Für alle in § 26 EStG 1972 angeführten Arbeitgeberleistungen gilt der Grundsatz, daß darüber einzeln abgerechnet werden muß (Hinweis ). Daraus folgt, daß jedenfalls der Nachweis jeder einzelnen Dienstreise dem Grunde nach durch entsprechende Belege zu erbringen ist. Vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zum Ersatz von Fahrtkosten gewährte Pauschalien gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Verrechnungspflichtige Pauschalien der genannten Art sind hingegen steuerfrei, wenn sie mit einwandfreien Nachweisen, die die Kontrolle sowohl des dienstlichen Zwecks der einzelnen Fahrt als auch der tatsächlich zurückgelegten Fahrtstrecken erlauben, belegt sind. Dies erfordert, daß in den entsprechenden Aufzeichnungen zumindest das Datum, die Dauer, das Ziel und der Zweck der einzelnen Dienstreisen darzulegen ist ().

Dieser Grundsatz ist auf das EStG 1988 übertragbar: Für alle in § 26 EStG 1988 angeführten Arbeitgeberleistungen gilt der Grundsatz der Einzelabrechnung.

Diesen Anforderungen wird die als Fahrtenbuch bezeichnete Loseblatt-Sammlung laut den oben getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nicht gerecht, weil durchgängig Ziel und Zweck der Dienstreisen fehlen.

Sollte der betreffende Arbeitgeber die steuerfreien Ersätze aufgrund jener Unterlagen geleistet haben, die der Bw als "Fahrtenbuch" in gegenständlichem Verfahren vorgelegt hat, so wären die Ersätze im Veranlagungsverfahren des Bw als Bruttolohn nachzuversteuern. Es besteht keine Bindungswirkung zwischen dem Lohnsteuer-Haftungsverfahren des Arbeitgebers und dem Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers. Abgabenbescheide oder Bescheide, denen keine Bindungswirkung iSd § 192 BAO zukommt, vermögen keine Wirkung zu erzeugen, die der entspricht, wie sie Feststellungsbescheiden eigen ist. Daher gibt es etwa auch keine Wechselwirkung bzw. Gegenwirkung bezüglich Grunderwerbsteuerbescheiden und Einkommensteuerbescheiden, Einkommensteuerbescheiden und Erbschaftssteuerbescheiden, zwischen dem Lohnsteuerverfahren und dem Einkommensteuerverfahren (; , und , mwN; ).

Da der Bw infolge Dienstreisen gegenüber seinem Arbeitgeber zur Führung eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuches zwecks Verrechnung von Ersätzen verpflichtet war, war die belangte Behörde ausnahmsweise berechtigt, ein Fahrtenbuch im Rahmen der Werbungskosten abzuverlangen. Es ist nicht einsichtig, weshalb für Zwecke der Werbungskosten ein gesondertes, weiters Beweismittel geführt werden sollte.

Anlässlich des Erörterungsgesprächs räumte der Amtsvertreter ein, dass es vom Finanzamt bei einer ausgeübten Vertretertätigkeit überschießend gewesen sei, gar keine Fahrtkosten anerkannt zu haben.

Allein wegen des Rechenfehlers zum Jänner 2008 kann im Ergebnis der Beurteilung durch die belangte Behörde, dass das Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß geführt wurde, nicht mit Erfolg entgegen getreten werden.

Damit ist Schätzungsberechtigung gegeben.

Gemäß § 184 (1) Bundesabgabenordnung hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

Fahrtkosten iHv EUR 1.500,00 erschienen auch vor dem Hintergrund lebensnaher Einkünfte vertretbar.

Ergebnis:

Bei der Berechnung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind Werbungskosten von EUR 1.500,00 abzuziehen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Falllösung stellte sich keine Rechtsfrage in obigem Sinn.

Wien, am

Gemäß § 323 Abs 38 BAO sind die am bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht. Die Ausfertigung von noch vor dem verkündeten Rechtsmittelentscheidungen hat jedoch noch im Namen des unabhängigen Finanzsenates als Abgabenbehörde zweiter Instanz nach den zum geltenden Verfahrensbestimmungen zu erfolgen. Nach dem wirksam werdende Erledigungen des unabhängigen Finanzsenates als Abgabenbehörde zweiter Instanz gelten als Erledigungen des Bundesfinanzgerichtes.

Gegenständliche Berufung fällt unter leg. cit. und ist daher als Bescheidbeschwerde zu erledigen.

Form- und Inhaltserfordernisse

Die Berufung ist form- und fristgerecht und teilweise begründet.

Aufgrund der Zurücknahme der Anträge auf Mündlichkeit und Abhaltung einer Senatsverhandlung fällt die Entscheidung über die als Bescheidbeschwerde zu erledigenden Berufung gemäß des ersten Satzes des Artikel 135 Abs 1 B-VG in die Zuständigkeit der Einzelrichterin.

Aufgrund des Ergebnisses des vom BFG ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:

Der Bw erfüllt im Jahr 2008 den Pflichtveranlagungstatbestand. Neben seiner gewerblichen Tätigkeit hatte er nacheinander zwei Dienstverhältnisse, und zwar zur K- KEG vom bis und zur Firma AA, Graz, (in der Folge kurz: A) vom bis . Arbeitslosengeld wurde nicht bezogen.

In seiner Einkommensteuererklärung machte der Bw bezüglich seiner nichtselbständigen Einkünfte Fahrtkosten im Form des Kilometergeldes iHv 2.327,60 geltend. Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde demgegenüber nur das Werbungskostenpauschale von EUR 132,00 berücksichtigt, weil das Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß sei.

Die Frage der belangten Behörde, ob er die im Jahreslohnzettel 2008 der Firma A als "steuerfrei gem § 26" ausgewiesenen Betrag von EUR 1.391,85 als Fahrtkostenersätze bei der Ermittlung der als Fahrtkosten geltend gemachten Kilometergelder gegengerechnet hat, hat der Bw nicht beantwortet. Statt der erbetenen Antwort übermittelte der Bw der belangten Behörde ein Bestätigungsschreiben der Firma A vom September 2011, demzufolge sie ihm im Jahr 2008 keine Diäten ausgezahlt habe.

Zu den als Fahrtenbuch bezeichneten losen Blättern sind folgende Mängel festzustellen:

  • Ausgangs- und Zielpunkt jeder einzelnen Reise fehlen

  • Zweck jeder einzelnen Reise fehlt

  • Verwendung von losen Blättern, die zum Teil als Stundennachweis bezeichnet werden

  • ab Juni 2008 keine Kilometerstände

  • keine Summenbildung (mit Ausnahme des Monat Jänner 2008) oder Überträge

  • teilweise geschrieben mit leicht entfernbarem Schreibgerät (Bleistift)

Die einzig vom Bw berechnete Summe zum Jänner 2008 wurde rechnerisch überprüft und ergab 815 km statt 928 km. Die km-Aufstellung ist rechnerisch und somit materiell unrichtig.


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Tag
km
7
32
8
24
9
44
10
92
14
55
15
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16
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25
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52
29
23
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31
36
 
815

Die Privatfahrten wurden nicht aufgezeichnet.

Beweismittel:

Verwaltungsakt, Fahrtenaufzeichnungen, Schriftsätze der Firma A vom September 2011 und vom ,

Beweiswürdigung:

Obige Sachverhaltsfeststellung ergab sich schlüssig und ohne Zweifel aus den angeführten Beweismitteln.

Dass der einzige PKW nicht auch für private Zwecke verwendet wird, wäre unglaubwürdig. Aufgrund der aufgezeichneten km-Stände sind Privatfahrten jedoch erfolgt. Daher schadet es nicht, wenn diese nicht aufgezeichnet wurden.

Rechtsgrundlagen:

§ 16 Abs 1 EStG 1988 lautet auszugsweise :

Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. ... Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

§ 26 Z 4 EStG 1988 lautet auszugsweise:

Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nicht:

Beträge, die aus Anlass einer Dienstreise als Reisevergütungen (Fahrtkostenvergütungen, Kilometergelder) und als Tagesgelder und Nächtigungsgelder gezahlt werden. Eine Dienstreise liegt

– seinen Dienstort (Büro, Betriebsstätte, Werksgelände, Lager usw.) zur Durchführung von Dienstverrichtungen verlässt oder

– so weit weg von seinem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) arbeitet, dass ihm eine tägliche Rückkehr an seinen ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) nicht zugemutet werden kann.

Bei Arbeitnehmern, die ihre Dienstreise vom Wohnort aus antreten, tritt an die Stelle des Dienstortes der Wohnort (Wohnung, gewöhnlicher Aufenthalt, Familienwohnsitz).

a) Als Kilometergelder sind höchstens die den Bundesbediensteten zustehenden Sätze zu berücksichtigen. Fahrtkostenvergütungen (Kilometergelder) sind auch Kosten, die vom Arbeitgeber höchstens für eine Fahrt pro Woche zum ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) für arbeitsfreie Tage gezahlt werden, wenn eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und für die arbeitsfreien Tage kein steuerfreies Tagesgeld gezahlt wird.

 Werden Fahrten zu einem Einsatzort in einem Kalendermonat überwiegend unmittelbar vom Wohnort aus angetreten, liegen hinsichtlich dieses Einsatzortes ab dem Folgemonat Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vor. …

rechtliche Beurteilung:

Fahrtkosten stellen Werbungskosten iSd Generalklausel des § 16 Abs 1 EStG 1988 dar und sind in der tatsächlich angefallenen Höhe zu berücksichtigen. Ein Wahlrecht auf Berücksichtigung der Fahrtkosten durch den Ansatz der amtlichen Kilometergelder an Stelle der tatsächlichen Aufwendungen besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (vgl die , ).

Von Dienstreisen iSd § 26 EStG 1988 ist auszugehen, weil die A mit Schriftsatz vom bestätigt hat, dass der Bw im Jahr 2008 in ihrem Auftrag das Zielgebiet Österreich bereist hat.

Die Verpflichtung eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuchs als Voraussetzung für die Geltendmachung von Fahrtkosten als Werbungskosten nach § 16 Abs 1 EStG 1988 lässt sich aus dem Einkommensteuergesetz nicht ableiten. Genau konträr verhält es sich bei den Arbeitgeberersätzen gemäß § 26 Z 4 EStG 1988, die aus Anlass einer Dienstreise als Reisevergütungen (Fahrtkostenvergütungen, Kilometergelder) oder als Tagesgelder und Nächtigungsgelder gezahlt werden:

Für alle in § 26 EStG 1972 angeführten Arbeitgeberleistungen gilt der Grundsatz, daß darüber einzeln abgerechnet werden muß (Hinweis ). Daraus folgt, daß jedenfalls der Nachweis jeder einzelnen Dienstreise dem Grunde nach durch entsprechende Belege zu erbringen ist. Vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zum Ersatz von Fahrtkosten gewährte Pauschalien gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Verrechnungspflichtige Pauschalien der genannten Art sind hingegen steuerfrei, wenn sie mit einwandfreien Nachweisen, die die Kontrolle sowohl des dienstlichen Zwecks der einzelnen Fahrt als auch der tatsächlich zurückgelegten Fahrtstrecken erlauben, belegt sind. Dies erfordert, daß in den entsprechenden Aufzeichnungen zumindest das Datum, die Dauer, das Ziel und der Zweck der einzelnen Dienstreisen darzulegen ist ().

Dieser Grundsatz ist auf das EStG 1988 übertragbar: Für alle in § 26 EStG 1988 angeführten Arbeitgeberleistungen gilt der Grundsatz der Einzelabrechnung.

Diesen Anforderungen wird die als Fahrtenbuch bezeichnete Loseblatt-Sammlung laut den oben getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nicht gerecht, weil durchgängig Ziel und Zweck der Dienstreisen fehlen.

Sollte der betreffende Arbeitgeber die steuerfreien Ersätze aufgrund jener Unterlagen geleistet haben, die der Bw als "Fahrtenbuch" in gegenständlichem Verfahren vorgelegt hat, so wären die Ersätze im Veranlagungsverfahren des Bw als Bruttolohn nachzuversteuern. Es besteht keine Bindungswirkung zwischen dem Lohnsteuer-Haftungsverfahren des Arbeitgebers und dem Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers. Abgabenbescheide oder Bescheide, denen keine Bindungswirkung iSd § 192 BAO zukommt, vermögen keine Wirkung zu erzeugen, die der entspricht, wie sie Feststellungsbescheiden eigen ist. Daher gibt es etwa auch keine Wechselwirkung bzw. Gegenwirkung bezüglich Grunderwerbsteuerbescheiden und Einkommensteuerbescheiden, Einkommensteuerbescheiden und Erbschaftssteuerbescheiden, zwischen dem Lohnsteuerverfahren und dem Einkommensteuerverfahren (; , und , mwN; ).

Da der Bw infolge Dienstreisen gegenüber seinem Arbeitgeber zur Führung eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuches zwecks Verrechnung von Ersätzen verpflichtet war, war die belangte Behörde ausnahmsweise berechtigt, ein Fahrtenbuch im Rahmen der Werbungskosten abzuverlangen. Es ist nicht einsichtig, weshalb für Zwecke der Werbungskosten ein gesondertes, weiters Beweismittel geführt werden sollte.

Anlässlich des Erörterungsgesprächs räumte der Amtsvertreter ein, dass es vom Finanzamt bei einer ausgeübten Vertretertätigkeit überschießend gewesen sei, gar keine Fahrtkosten anerkannt zu haben.

Allein wegen des Rechenfehlers zum Jänner 2008 kann im Ergebnis der Beurteilung durch die belangte Behörde, dass das Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß geführt wurde, nicht mit Erfolg entgegen getreten werden.

Damit ist Schätzungsberechtigung gegeben.

Gemäß § 184 (1) Bundesabgabenordnung hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

Fahrtkosten iHv EUR 1.500,00 erschienen auch vor dem Hintergrund lebensnaher Einkünfte vertretbar.

Ergebnis:

Bei der Berechnung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind Werbungskosten von EUR 1.500,00 abzuziehen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Falllösung stellte sich keine Rechtsfrage in obigem Sinn.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 26 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 26 EStG 1972, Einkommensteuergesetz 1972, BGBl. Nr. 440/1972
§ 192 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7103662.2011

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at