Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.04.2019, RV/7105172/2016

Gewerbliche 24-Stunden-Betreuung, Betriebsausgaben des Pflegers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2013 und 2014 zu Recht erkannt: 

Die angefochtenen Bescheide werden insofern abgeändert, als die Höhe des Einkommens 5.941,64 Euro im Jahr 2013 und 7.472,58 Euro im Jahr 2014 beträgt. D ie festgesetzte Einkommensteuer bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf) ist als Pfleger in der 24-Stunden-Betreuung tätig. Er setzte in seinen Einkommensteuererklärungen Einkünfte aus selbständiger Arbeit von 4.938,03 Euro (für das Jahr 2013) und von 5.651 ‚52 Euro (für das Jahr 2014) an. Den Einkommensteuerbescheiden vom wurden neben Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zugrunde gelegt.

ln der Beschwerde vom wandte sich der Bf gegen die Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er führte aus, er sei 2013 und 2014 auch einer nichtselbständigen Tätigkeit nachgegangen. Deshalb habe er die Betreuungstätigkeit mit seinem Bruder aufgeteilt. Er habe aber irrtümlich die Gesamteinkünfte angegeben.

ln den beiliegenden berichtigten Steuererklärungen bzw Beilagen sind folgende Daten eingetragen:


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2013
2014
Einnahmen
5.393,93
8.684,69
Reise- und Fahrtspesen
2.408,00
2.408,00
Pflichtversicherung
983,93
1.404‚69
12% gemäß § 17 EStG
647,27
1.042,16
Wirtschaftskammer
96,00
96,00
Gewinnfreibetrag
537,58
485,40
Einkünfte
3.597,62
3.248,44

Auf ein Ergänzungsersuchen des Finanzamtes übermittelte der Bf Bestätigungen der Wirtschaftskammer, Kontoauszüge der Wirtschaftskammer und SVA Bestätigungen. Er erklärte, dass er mit den Leistungsempfängern nur mündliche Vereinbarungen abgeschlossen habe, und zwar über ein Entgelt von 35 Euro plus Sozialversicherung von 5 Euro, insgesamt 40 Euro, pro Tag. Rechnungen gebe es nicht.

Er habe 184 Tage im Jahr 2013 und 109 Tage im Jahr 2014 verrechnet. Ein Fahrtenbuch für vier Fahrten pro Jahr hin und zurück habe er nicht geführt.

Der Bf legte entsprechend berichtigte Einnahmen-Ausgabenrechnungen für 2013 und 2014 bei. Die Einnahmen gab er nunmehr mit 7.360 Euro (2013) und 4.360 Euro (2014) an. Die Wirtschaftskammerbeiträge änderte der Bf auf 40 Euro (2013) und 92 Euro (2014).

In einem weiteren Ergänzungsersuchen forderte das Finanzamt den Bf nochmals auf, Zahlungsnachweise für die Sozialversicherungsbeiträge und für die Wirtschaftskammerumlage mittels Originalbelegen zu übermitteln, aus denen ersichtlich ist, von wem die Beiträge bezahlt wurden.

Der Bf gab dazu an, dass sämtliche Zahlungen durch ihn erbracht worden seien. Er übermittelte keine Belege.

Das Finanzamt gab daraufhin der Beschwerde insofern teilweise Folge, als von den errechneten Einnahmen der Gewinnfreibetrag von 13% in Abzug gebracht wurde und setzte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit Beschwerde­vorentscheidungen vom in Höhe von 4.597,95 Euro (2013) und in Höhe von 5.206,95 Euro (2014) an. ln der gesonderten Bescheidbegründung führte das Finanzamt aus:

Der Bf habe dem Finanzamt für die Jahre 2013 und 2014 jeweils drei unter­schiedliche Steuererklärungen vorgelegt. Aufgrund der Anzeigen an die Wirtschaftskammer über den Nichtbetrieb bzw Wiederbetrieb setze das Finanzamt folgende Einnahmen an:


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Wiederbetrieb - Nichtbetrieb
59 Tage
Wiederbetrieb — Nichtbetrieb
92 Tage
Einnahmen 2013
151 Tage x 35 = 5.285 Euro
Wiederbetrieb — Nichtbetrieb
48 Tage
Wiederbetrieb — Nichtbetrieb
31 Tage
Wiederbetrieb — Nichtbetrieb
92 Tage
Einnahmen 2014
171 Tage x 35 = 5.985 Euro

Von diesen Einnahmen seien keine Beiträge an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in Abzug zu bringen, da es sich bereits um „Netto- Einnahmen“ handle. Der Bf habe keine Unterlagen, aus denen ersichtlich sei, wer die Sozialversicherungsbeiträge, die Grundumlage der Wirtschaftskammer und die Fahrtkosten tatsächlich bezahlt habe, vorgelegt.

Die von der Sozialversicherung vorgeschriebenen Beiträge für Personenbetreuer würden von der zu pflegenden Person oder deren Angehörigen bezahlt. Die Behörde habe die Beitragsvorschreibungen daher nicht als Einnahme angesetzt.

Fahrtkosten würden den Personenbetreuern ebenfalls von der zu pflegenden Person oder deren Angehörigen rückerstattet. Die Höhe richte sich nach dem Wohnort der zu pflegenden Person. Das Fahrtgeld werde nach jedem Turnus ausbezahlt.

Der Bf habe auch nicht nachgewiesen, dass er die Grundumlage der Wirtschaftskammer tatsächlich selbst bezahlt habe. Die Anmerkung „Sämtliche Zahlungen wurden durch mich erbracht“ sei als Nachweis nicht ausreichend.

Ungewöhnlich und branchenuntypisch sei es, dass keine Werkverträge und Belege über Barzahlungen sowie Rechnungen angefertigt worden seien. Auch Nachweise über die Bezahlung der Ausgaben seien dem Finanzamt nicht vorgelegt worden. Die beantragten Ausgaben könnten daher nicht berücksichtigt werden.

Der Bf beantragte die Vorlage der Beschwerde, da er mit folgenden Punkten nicht einverstanden sei:

1. Fahrtkosten

Er bekomme keinerlei Fahrtkostenvergütung. Die beantragten Fahrtkosten seien die Kilometergelder für die getätigten Fahrten. Seinen Führerschein und Zulassungsschein habe er bereits vorgelegt. Zu folgenden Zeiten sei er nicht in Österreich gewesen:

1.1.—
1.4.—
1.9.—

30.1. —-
1.7. —
1.9. —

6 x Anreise/Abreise pro Jahr ä 608 km = 3.648 km x 0,42 = 1.532,16 Euro

In der Zeit der Nichtbeschäftigung sei er bei seiner Familie/Kind in seiner Heimat gewesen (Familienheimfahrten).

2. WKO Beiträge

Die Beiträge 2013 und 2014 seien durch ihn bezahlt worden. Der Zahlungsbeleg für 2014 liege bei, jenen für 2013 habe er nicht mehr.

Er ermittelte den Gewinn wie folgt:


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2013
2014
Einnahmen
5.285,00
5.985,00
WKO
-40,00
-92,00
Fahrtkosten
-1.532,16
-1.532,16
Grundfreibetrag 13%
-482,67
-566,91
Gewinn
3.330,17
3.799,92

Das Bundesfinanzgericht richtete an den Bf ein Ergänzungsersuchen vom bezüglich der geltend gemachten Fahrtkosten.

Am langte beim Bundesfinanzgericht ein Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. X ein, der über Ersuchen des Bf folgendes bekannt gab:

Er sei seit zum Sachwalter des A. bestellt, der seit Februar 2014 vom Bf und dessen Bruder gepflegt werde. Die Pflege erfolge in der Form, dass jeweils für einen Monat abwechselnd einer der Brüder die 24-Stunden-Betreuung übernehme. Es sei ihm berichtet worden, dass im Jahr 2014 fünf Heimfahrten angefallen seien.

Er habe den Werkvertrag der beiden Brüder unverändert fortgeführt, wobei keinerlei Ersatz der Fahrtkosten vereinbart gewesen sei. Es sei eine Pauschale von 40 Euro pro Tag vereinbart gewesen, die zwischenzeitig auf 45 Euro erhöht worden sei. Die Kosten der Sozialversicherung würden vom Auftraggeber übernommen. Es erfolge kein Ersatz der Fahrtkosten.

Der Bf teilte mit Schreiben vom seine Adresse in Rumänien mit und wiederholte, dass er kein Reisegeld bekommen habe.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

§ 138 BAO lautet:

„(1) Auf Verlangen der Abgabenbehörde haben die Abgabepflichtigen … in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht (§ 119) zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung.

(2) Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere, Schriften und Urkunden sind auf Verlangen zur Einsicht und Prüfung vorzulegen, soweit sie für den Inhalt der Anbringen von Bedeutung sind.

Der Bf war in den Jahren 2013 und 2014 auf Werkvertragsbasis monatsweise als Pfleger in der 24-Stunden-Betreuung tätig. Dazwischen war er bei einem Taxiunternehmen nichtselbständig beschäftigt bzw hielt er sich nach seinen Angaben an seinem Familienwohnsitz in Rumänien auf.

Der Bf übermittelte dem Finanzamt betreffend die Betreuungstätigkeit weder schriftliche Vereinbarungen noch Belege über die vereinnahmten Beträge. Der Bf gab die Einnahmen aus der Betreuungs­tätigkeit im Laufe des Verfahrens in drei unterschiedlichen Höhen an. Unbestritten ist nunmehr die vom Finanzamt ermittelte Anzahl der Tage von 151 im Jahr 2013 und 171 im Jahr 2014 (siehe Beschwerdevorentscheidung), wobei die bei der Wirtschaftskammer angezeigten Daten zum Nichtbetrieb bzw Wiederbetrieb der Betreuungstätigkeit zu Grunde gelegt wurden.

Das Honorar pro Tag ist laut Bf mit 40 Euro anzusetzen, was auch von Dr. X bestätigt wird. Es ergeben sich daraus Einnahmen von 6.040 Euro (2013) und 6.840 Euro (2014).

Darüber hinaus sind für die freie Station (vom Auftraggeber zur Verfügung gestellte Wohnmöglichkeit und Verpflegung) Sachbezüge zu den Einnahmen des Bf hinzuzurechnen.

Laut § 1 der Sachbezugswerteverordnung beträgt der Wert der vollen freien Station monatlich 196,20 Euro. Der Bf hat gegen die Berechnung der Sachbezüge in Anlehnung an die Sachbezugswerteverordnung, die dem Bf mit Schreiben des Bundesfinanzgerichts vom bekannt gegeben wurde, keine Einwendungen vorgebracht.

Die dem Bf zugekommenen geldwerten Vorteile durch die freie Station sind wie folgt zu berechnen:

2013: 196,20 Euro x 5 Monate = 981 Euro
2014: 196,20 Euro x 5,5 Monate = 1.079,10 Euro

Was die Beiträge an die Sozialversicherung betrifft, konnte der Bf den Nachweis nicht erbringen, dass er die Zahlungen selbst geleistet hat. Es ist daher davon ausszugehen, dass die vorgeschriebenen Sozialversicherungs­beiträge vom jeweiligen Auftraggeber entrichtet wurden (siehe auch Schreiben Dr. X). Diese Aufwendungen sind somit nicht als Betriebsausgaben des Bf anzuerkennen.

Der Bf hat im Rechtsmittelverfahren jedoch nachgewiesen, dass er die Grundumlage 2014 von 92 Euro an die Wirtschaftskammer selbst bezahlt hat. Glaubwürdig ist auch die Bezahlung des Beitrages an die Wirtschaftskammer für 2013 in Höhe von 40 Euro. Diese Beträge sind steuerlich anzuerkennen.

Strittig sind schließlich die Fahrtkosten für Fahrten zum Wohnort in Rumänien, für die der Bf zuletzt Kilometergeld von 1.532,16 Euro für jeweils drei Heimatbesuche jährlich (insgesamt sechs Fahrten á 608 km) geltend gemacht hat.

Nach den vorliegenden Daten der Lohnzettel, der Wirtschaftskammer und den Meldedaten ist glaubwürdig, dass der Bf in drei Zeiträumen des Jahres 2013 in Österreich keiner Beschäftigung nachgegangen ist und drei Heimfahrten nach Rumänien unternommen hat. Richtig ist allerdings der Einwand des Finanzamtes im Vorlagebericht, dass im Jahr 2013 insgesamt nur fünf Fahrten stattgefunden haben, da der Bf sich bereits am in Österreich abgemeldet und die Heimreise daher offensichtlich bereits Ende 2012 angetreten hat.

Drei Heimataufenthalte des Bf (6 Fahrten á 608 km) sind auch im Jahr 2014 glaubwürdig, auch wenn dies anhand der Meldedaten nicht nachvollziehbar ist.

Das Finanzamt ging davon aus, dass der Bf die Fahrten mit dem eigenen PKW unternommen hat. Es wurden aber keine Fahrtkosten anerkannt, da nach Ansicht des Finanzamtes die zu pflegenden Person üblicherweise die Fahrtkosten in den Heimatort des Pflegers/der Pflegerin (sowie auch die Sozial­versicherung) ersetze. Die Abgabenbehörde stützte sich bezüglich der Kosten für eine 24-Stunden-Betreuung auf Internet-Recherchen (zB www.pflege-daheim.at, www.mariasengeln.at, www.opifera.at, aha-pflege.at).

Entsprechend der Mitteilung des Dr. X geht das Bundesfinanzgericht hingegen davon aus, dass im konkreten Fall der Bf tatsächlich keinen Ersatz der Fahrtkosten erhalten hat, sondern diese Kosten mit dem Tagessatz von 40 Euro abgedeckt waren.

Anzuerkennende Fahrtkosten:

2013: 5 x 608 km x 0,42 Euro = 1.276,80 Euro
2014: 6 x 608 km x 0,42 Euro = 1.532,16 Euro

Berechnung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb bzw des Einkommens:


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2013
2014
Einnahmen
6.040,00
6.840,00
Sachbezug
981,00
1.079,10
Wirtschaftskammer
-40,00
-92,00
Fahrtkosten
-1.276,80
-1.532,16
Summe
5.704,20
6.294,94
Gewinnfreibetrag 13%
-741,55
-818,34
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
4.962,65
5.476,60
Einkünfte aus nichtselbst. Arbeit
1.520,99
2.495,98
Gesamtbetrag der Einkünfte
6.441,64
7.972,58
Pauschbetrag Sonderausgaben
-60,00
-60,00
Kinderfreibeträge
-440,00
-440,00
Einkommen
5.941,64
7.472,58

Die angefochtenen Bescheide werden somit bezüglich der Höhe des Einkommens abgeändert. Da die Einkommensteuer gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988 bei einem Einkommen von 11.000 Euro und darunter Null Euro beträgt, bleibt die festgesetzte Einkommensteuer unverändert.

Zur Zulässigkeit einer Revision

Gegen dieses Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, sondern ausschließlich über Sachverhaltsfragen zu entscheiden war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 138 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7105172.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at