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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.04.2019, RV/2100431/2018

Kein Vorsteuerabzug für ein ATV/Quad

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch Paul & Schlemmer Steuerberatungs GmbH, Ludersdorf 202, 8200 Gleisdorf, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Graz-Umgebung vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2014 sowie Umsatzsteuer 2014 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I.

Mit Bescheid vom wurde das Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer 2014 gemäß § 303 Abs. 1 BAO wiederaufgenommen, weil die in der Begründung des Sachbescheides näher ausgeführten Tatsachen neu hervorgekommen seien, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden seien, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

II.

Im (neuen) Umsatzsteuerbescheid 2014 vom wurde der Gesamtbetrag der Vorsteuern von bisher 60.917,51 Euro auf 59.034,18 Euro verringert (Abgabennachforderung daher: 1.883,33 Euro). Laut Bescheidbegründung habe der Beschwerdeführer (Bf.) im Dezember 2014 Vorsteuer betreffend ein am zugelassenes Quad geltend gemacht. Dbzgl. bestünde aber kein Recht auf Vorsteuerabzug, weil es in diesem Zusammenhang auf den optischen Eindruck und die darauf beruhende Verkehrsauffassung ankomme (, 2817/80, 2818/80). Die kraftfahrrechtliche Einordnung des KFZ, die Bezeichnung und die zollrechtliche Tarifierung als LKW seien nur Indizien für die steuerrechtliche Beurteilung, begründen aber keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug. Für ein Quad könne nur dann eine Vorsteuer abgezogen werden, wenn das Fahrzeug bereits von der Bauart oder der Ausstattung her auf die Beförderung von Gütern bestimmt sei. Das Anbringen von Vorrichtungen (hier: eine Seilwinde) ändere nichts an der steuerrechtlichen Einstufung des KFZ selbst. Auf Grund der eingereichten Fotos des KFZ habe die Abgabenbehörde nicht den Eindruck gewonnen, dass dieses Gefährt zur Güterbeförderung gedacht sei.

III.

Sowohl gegen den o.a. Wiederaufnahmsbescheid als auch gegen den o.a. Sachbescheid richtet sich die Beschwerde vom , in welcher der Bf. die Gewährung des von der belangten Behörde versagten Vorsteuerabzuges betreffend das Fahrzeug „CECTEK Gladiator 525/EFI mit Fahrzeugklasse T5 Typisierung“ aus der Rechnung vom in Höhe von 1.883,33 Euro beantragte: Die belangte Behörde zitiere fast wortident Rz 1932 der UStR, aus denen über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Rechte und Pflichten aber nicht abgeleitet werden können. Dazu komme, dass von den drei VwGH-Zitaten der belangten Behörde (, 1681/80, 2817/80, 2818/ 80) zwei auf Grund ihres Alters im RIS nicht aufgefunden werden können und sich dasjenige, das (auch nur) als Rechtssatz vorliegt ( 1681 /80), ausschließlich mit dem Thema „Fiskal-LKW" in Form eines Audi 100 Avant beschäftige und für den gegenständlichen - völlig anders gearteten - Fall daher schlicht irrelevant sei. Schließlich sei die undifferenzierte Zitierung einer 37 Jahre alten Entscheidung in einer am Ende doch technischen Frage ganz grundsätzlich als unpräjudiziell abzulehnen, zumal es dort um das Thema „Kombinationskraftwagen" gegangen sei und sich eine einfache Übertragung auf alle denkbaren modernen KFZ auf Grund der sich in den letzten Jahrzehnten außerordentlich breit entfalteten Vielfalt an Fahrzeugen verbiete: Gerade in technischen Belangen entwickle sich die Verkehrsauffassung immer (schneller) weiter. Es zähle die wirtschaftliche Betrachtung (§ 21 BAO). Das unterschiedslose Abstellen auf den „optischen Eindruck" komme ganz offensichtlich aus der seinerzeit (vor fast vier Jahrzehnten!) geführten Diskussion PKW - Fiskal-LKW/Steuer-LKW und sei (neben seiner ganz grundsätzlichen Fragwürdigkeit) für alle anderen Kategorisierungszwecke völlig ungeeignet: Für eine korrekte Beurteilung eines Fahrzeuges und seiner - eben doch wesentlichen (denn wie sonst wäre eine konkrete wirtschaftliche Betrachtung anzustellen?) - Verwendung in einem Unternehmen sei daraus nichts zu gewinnen. Es sei im Gegenteil befremdlich, die Optik eines Fahrzeuges über seine kraftfahrrechtliche Einordnung, zollrechtliche Tarifierung, seine zweckmäßige Ausstattung oder seinen Einsatzzweck zu stellen: In allen anderen Belangen werden auf dem Boden der BAO zu Recht der Primat des Inhalts über die Form, das Gesamtbild der Verhältnisse und ganz elementar der konkrete Einzelfall betrachtet - nur in diesen Fällen kehre man das Argument ohne tragfähige Begründung in sein Gegenteil und setze eine Abstraktion absolut. Im Übrigen beschäftige sich auch die auszugsweise (indirekt) zitierte Rz 1932 UStR in der weiteren Folge nur mit Personenkraftwagen und Rallyefahrzeugen (sic!). Damit komme man zu den Ausführungen in der Bescheidbegründung, bei einem „Quad" (Zitat der belangten Behörde) komme es darauf an, ob es bereits von der Bauart oder der Ausstattung her „auf die Beförderung von Gütern bestimmt" sei. Es handle sich bei den wiedergegebenen Aussagen um unbelegte Behauptungen, deren Ursprung und Begründung nicht ersichtlich seien und die damit außerdem von der Hauptargumentationslinie der Behörde abgehen, es komme auf die Optik an (am Ende könnte man mit der gleichen Argumentation auch der Zapfwelle eines Traktors ihre Bedeutung für seine Einsatzmöglichkeiten absprechen). Da sich die belangte Behörde also abgesehen von der Betrachtung einiger Fotos nicht mit den selbstredend relevanten konkreten Umständen des Einzelfalles befasst habe, komme man abschließend noch darauf zu sprechen: Es handle sich beim gegenständlichen Fahrzeug um kein Quad, sondern um ein ATV („All-Terrain-Vehicle"; s dazu nur WIKIPEDIA), das per definitionem ein Arbeitsgerät sei und It. Verordnung EG/1051/2009 nicht in die Position 8703 falle, weshalb vom Importeur auch keine NoVA abzuführen gewesen sei (s Tz 85 NoVAR). Das Fahrzeug sei EU-T5- und damit als Zugmaschine (entsprechend einem Traktor in üblicher Form) typisiert (s Rechnung, Einzelgenehmigungsbescheid, Erläuterungen des Verkäufers); ein übliches Freizeitfahrzeug wäre nur L7e-typisiert. Für eine EU-T5 Typisierung sei unter anderem ein Abgasgutachten einer anerkannten Institution (etwa TU-Graz oder TU-Wien) notwendig - weiters werde etwa ein Differential an allen (also beiden) angetriebenen Achsen zwingend verlangt, was nach dem Kenntnisstand des Bf. außer CECTEK kein „Quad"- Hersteller beherrsche. Das Elektrounternehmen des Bf. verwende das Fahrzeug, wie bereits im Rahmen der Umsatzsteuer-Nachschau ausgeführt, als Baustellen- und Arbeitsgerät (etwa mit Seilwinde und Anhängekupplung für das Ziehen von Erdkabeln), was sich nicht zuletzt am geringen Kilometerstand des Fahrzeuges plausibilisieren lasse (rund 2.400 km seit 2014). Aus den genannten Gründen stehe also der Vorsteuerabzug in Höhe von 1.883,33 Euro für das beschwerdegegenständliche Fahrzeug zu.

IV.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, weil für die Abgrenzung der Fahrzeugarten die wirtschaftliche Zweckbestimmung und nicht der Verwendungszweck im Einzelfall entscheidend sei (, mit Verweis auf Vorjudikatur). Das Vorliegen eines PKWs oder Kombinationskraftwagens sei in wirtschaftlicher Sichtweise zu beurteilen. Es komme auf den optischen Eindruck und die darauf beruhende Verkehrsauffassung an. Die kraftfahrrechtliche Einordnung der Fahrzeuge sei ebenso wenig bindend wie etwa die zollrechtliche Tarifierung. Nicht der Verwendungszweck im Einzelfall sei entscheidend, sondern der Zweck, dem das Fahrzeug nach seiner typischen Beschaffenheit und Bauart von vornherein und allgemein zu dienen bestimmt sei. Fahrzeuge wie das beschwerdegegenständliche Fahrzeug der Marke CECTEK mit EU-T5 Zulassung können für sich allein betrachtet nicht als Arbeitsgeräte (Arbeitsmaschinen) beurteilt werden. Diese seien vielmehr zur Beförderung von Personen bestimmt, was auch dem optischen Eindruck der (für den öffentlichen Straßenverkehr straßentauglichen) Fahrzeuge bzw. der Verkehrsauffassung entspreche. Die technische Unterscheidung zwischen Quad und ATV erübrige sich daher ebenso. Weiters ändere auch das Anbringen von Vorrichtungen und Geräten nichts an der steuerrechtlichen Einstufung eines Fahrzeuges selbst. Der Bf. habe keine Gründe vorgebracht, warum der Bescheid über die Wiederaufnahme rechtswidrig wäre. Das Finanzamt habe zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung keine Kenntnis vom hier gegenständlichen Quad und dem vorgenommenen Vorsteuerabzug gehabt. Daher seien iSd § 303 (1) lit. b BAO diese Tatsachen neu hervorgekommen, weil sie im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden seien, weswegen eine Wiederaufnahme zulässig gewesen sei.

V.

Im Vorlageantrag vom wurde bzgl. des in der Beschwerdevorentscheidung angeführten VwGH-Erkenntnisses ergänzend vorgebracht, dass der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich einen Stehsatz wiederhole, der sich nach Analyse der historischen Zeitreihe aus der Beurteilung von Rennwagen wie Porsche GT e Cup, Aston Martin DBR 9, Porsche 911 RSR etc., Rallyefahrzeugen, z.B. Mitsubishi EVO, und div. Motorrädern entwickelt habe und sich an keiner Stelle je mit Arbeitsgeräten beschäftigt habe. Außerdem widerspreche der VwGH seinem eigenen Erkenntnis , in welchem er explizit ausspreche, dass es zu keinem Ausschluss vom Vorsteuerabzug komme, wenn die mit dem KFZ im Zusammenhang stehende Betätigung isoliert betrachtet eine gewerbliche und insofern nachhaltige Betätigung darstelle - was im Fall eines Elektrobetriebes aber kaum bestritten werden könne.

VI.

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vor. Demnach habe der Bf. im verfahrensgegenständlichen Zeitraum als Unternehmer ein ATV-Quad erworben, für welches er den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen habe (davon habe die belangte Behörde auf Grund einer Nachschau beim liefernden Unternehmer Kenntnis erlangt). Nach Rücksprache mit dem bundesweiten Fachbereich für Umsatzsteuer sei eine Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2014 verfügt und der Vorsteuerabzug für das ATV-Quad verwehrt worden. Der Verwaltungsgerichtshof erkenne in ständiger Rechtsprechung, dass für den Vorsteuerabzug nicht die kraftfahrrechtliche Zuordnung und Verwendung maßgeblich seien, sondern der optische Eindruck und der Zweck, dem das Fahrzeug nach seiner Beschaffenheit und Bauart von vornherein und allgemein zu dienen bestimmt sei. Das verfahrensgegenständliche Fahrzeug falle somit unter die Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 (Vorsteuerausschluss).

Über die Beschwerde wurde Folgendes erwogen:

1. Rechtliche Grundlagen

§ 12 UStG 1994 lautet:

§ 12. (1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1. a) Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind (…)
(2) (…)
2. Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelten Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren, (…)
b) die im Zusammenhang mit der Anschaffung (Herstellung), Miete oder dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern stehen, ausgenommen Fahrschulkraftfahrzeuge, Vorführkraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuge, die ausschließlich zur gewerblichen Weiterveräußerung bestimmt sind, sowie Kraftfahrzeuge, die zu mindestens 80% dem Zweck der gewerblichen Personenbeförderung oder der gewerblichen Vermietung dienen (...)

§ 303 BAO lautet:

§ 303. (1) Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn (…)
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, (…)
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Die o.a. Wendung "im abgeschlossenen Verfahren" beruht erkennbar auf einem Redaktionsversehen. Zweck der Wiederaufnahme wegen Neuerungen ist - wie schon nach der Regelung vor dem FVwGG 2012 - die Berücksichtigung von bisher unbekannten, aber entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen. Gemeint sind also Tatsachen, die zwar im Zeitpunkt der Bescheiderlassung "im abgeschlossenen Verfahren" bereits existierten, aber erst danach hervorgekommen sind (vgl. , mwN).

§ 20 BAO lautet:

§ 20. Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

§ 2a BAO lautet:

2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren der belangten Abgabenbehörde gelten (...)

2. Sachverhalt

  • Der Bf. betreibt ein Elektrotechnikunternehmen und macht auf Grund einer Rechnung der Fa. X vom über den Kauf des (sog.) Fahrzeugs: "Traktor: CECTEK Gladiator 525/EFI mit Fahrzeugklasse T5 Typisierung (landwirtschaftl. Fahrzeug)“ (in der Folge: KFZ) um einen Gesamtbetrag in Höhe von 11.300 Euro die darin enthaltene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend (vgl. Umsatzsteuererklärung 2014; Beschwerde; Rechnung).
     

  • Das KFZ hat 2 (Antriebs-)Achsen, 4 Räder, ein Eigengewicht von 440 kg, ein höchstes zulässiges Gesamtgewicht von 535 kg, eine höchste zulässige Anhängelast ungebremst/gebremst von 176 kg/500 kg, einen Viertakt-Fremdzündungsmotor (Kraftstoff Benzin) mit 1 Zylinder, 522 cm3, eine Nennleistung von 30,00 kW bei 6500/min, ein stufenloses Getriebe, 1 Beifahrersitz, daher insgesamt 2 Sitzplätze, eine Höchstgeschwindigkeit von 95,00 km/h, eine Kugelkopfanhängevorrichtung und eine Seilwinde (vorne). Bei Verwendung des Fahrzeugs besteht generell Sturzhelmpflicht (vgl. Einzelgenehmigungsbescheid).
     

  • Das KFZ ist als ein Fahrzeug der Klasse/Fahrzeugart „T5/Zugmaschine/landw. Fahrzeug“ zugelassen (vgl. Zulassungsschein).
     

  • Laut den im Akt befindlichen Fotos handelt es sich beim KFZ um ein typisches ATV/Quad - konkret in den Farben beige/grau/schwarz mit Lenkstange samt Bedienungs- und Anzeigeelementen, Sitzbank, Gepäckträgern vorne und hinten, einem Heckkoffer, Reifen mit relativ starkem Profil, Anhängevorrichtung und (relativ unauffälliger) Seilwinde.
     

  • Von dem Umstand, dass sich der Bf. im Zusammenhang mit dem o.a. KFZ-Kauf die Vorsteuer abgezogen hat, hatte die Abgabenbehörde zum Zeitpunkt der - erklärungsgemäßen - Erlassung des Erstbescheides (Umsatzsteuer 2014) vom noch keine Kenntnis (vgl. dbzgl. Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung, wogegen der Bf. nichts vorgebracht hat).

3. Rechtliche Würdigung

3.1. Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2014

Wie aus den nachstehenden Ausführungen (vgl. Punkt 3.2.) hervorgeht, waren die unter Punkt 2., letzter Absatz, angeführten neu hervorgekommenen Tatsachen sehr wohl geeignet, einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeizuführen.

Aber auch die Ermessensübung der belangten Behörde zu Gunsten der Verfahrenswiederaufnahme ist nicht zu beanstanden, ist doch nach dem Zweck der Norm (§ 303 BAO) grundsätzlich dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (der Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit (Rechtskraft) zu geben (vgl. Ritz, BAO, 6. Aufl., § 303 Tz 67 mwN).

Im Übrigen sind hier auch die steuerlichen Auswirkungen nicht bloß geringfügig (vgl. Ritz, BAO, 6. Aufl., § 303 Tz 71ff).

3.2. Umsatzsteuer 2014

Das Bundesfinanzgericht ist zur Auffassung gelangt, dass das KFZ unter die Vorsteuerausschlussbestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 fällt; dies aus folgenden Gründen:

Nach ständiger auf die Verkehrsauffassung abstellender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Umsatzsteuerrecht ist für die Abgrenzung der verschiedenen Fahrzeugarten die wirtschaftliche Zweckbestimmung und nicht der Verwendungszweck im Einzelfall entscheidend. Maßgeblich ist der Zweck, dem das Fahrzeug nach seiner typischen Beschaffenheit und Bauart von vornherein und allgemein zu dienen bestimmt ist. Entscheidend ist u.a. das typische Erscheinungsbild eines Fahrzeuges an Hand seiner charakteristischen, das Fahrzeug von einem anderen Fahrzeug unterscheidenden Eigenschaften. Die kraftfahrrechtliche Einordnung der Fahrzeuge ist im Hinblick auf die dem Steuerrecht eigentümliche wirtschaftliche Betrachtungsweise ebenso wenig bindend wie etwa die zollrechtliche Tarifierung (vgl. , mwN).

Ruppe/Achatz fassen im Kommentar Ruppe/Achatz UStG 1994, 5. Aufl., § 12 Tz 186, die herrschende Rechtsauffassung dahingehend zusammen, dass die kraftfahrrechtliche Einordnung der Fahrzeuge im Hinblick auf die dem Steuerrecht eigentümliche wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht bindend ist (UStR Rz 1932; ). Auch die zolltarifarische Einordnung besitzt lediglich Indizwirkung (Langheinrich/Ryda, FJ 2007, 175). Letztlich soll die Verkehrsauffassung entscheidend sein (). Da das UStG 1994 keine Definition der Begriffe PKW, Kombi etc. enthält, kommt es also auf die wirtschaftliche Zweckbestimmung des Fahrzeuges, und zwar nicht auf den Verwendungszweck im Einzelfall, sondern auf den Zweck an, dem das Fahrzeug nach seiner typischen Beschaffenheit und Bauart von vornherein, dh. nach der werkseitigen Konstruktion und allgemein zu dienen bestimmt ist. Im Zweifel ist demnach auf den optischen Eindruck und die (nicht zuletzt darauf beruhende) Verkehrsauffassung abzustellen (; , 3364/80; , 87/13/0022; , 92/15/0139 ua).

Vor diesem Hintergrund ist das Bundesfinanzgericht zur Überzeugung gelangt, dass Fahrzeuge wie im vorliegenden Fall das KFZ typischerweise vorwiegend zur Beförderung von Personen - und nicht als Arbeitsgeräte bzw. –maschinen - bestimmt sind (geringe Nutzlast, 95 km/h Höchstgeschwindigkeit!), was auch dem optischen Eindruck dieser regelmäßig für den öffentlichen Straßenverkehr tauglichen Fahrzeuge bzw. der Verkehrsauffassung entspricht. A n dieser Sichtweise vermag auch der Umstand, dass diese Fahrzeuge auch abseits des öffentlichen Straßenverkehrs verwendet werden können, nichts zu ändern. Ebenso unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang aber auch das Anbringen von Vorrichtungen und Geräten für einen speziellen Arbeitseinsatz (Anhängevorrichtung, Seilwinde).

Konkret stuft das Bundesfinanzgericht das KFZ - nach dem optischen Eindruck (Lenkstange, Sitzposition / Sitzbank wie bei Motorrad) und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bei Verwendung des KFZ generell eine Sturzhelmtragepflicht besteht, - daher als unter die Vorsteuerausschlussbestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 fallendes Kraftrad ein (vgl. zB UStR 2000 Rz 1937 1937; Salzburger Steuerdialog 2015, SWK 33/2015, 1498; Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON 3.00, § 12 Rz 246).

Für den Beschwerdestandpunkt wäre aber selbst dann nichts gewonnen, wenn man das KFZ - etwa auf Grund seiner Zweispurigkeit - nicht als Kraftrad im o.a. Zusammenhang ansehen wollte, wäre es diesfalls doch als - ebenfalls vom Vorsteuerabzugsausschluss des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 betroffener - Personenkraftwagen einzustufen.

Dass der KFZ-Verkäufer dagegen ua. im Internet die Vorsteuerabzugsberechtigung im Zusammenhang mit dem Kauf derartiger Fahrzeuge behauptet (Zit.: „... Traktor“, der legalerweise Wege mit Fahrverbot ausgenommen landwirtschaftliche Fahrzeuge befahren, aber „natürlich ebenfalls auf die Autobahn“ darf ... [!]), ist hier unbeachtlich.

Für den Beschwerdestandpunkt kann schließlich aber auch aus dem Hinweis des Bf. auf , nichts gewonnen werden, ging es doch im dortigen Fall - anders als hier - um einen behaupteten gewerblichen Autohandel.

4. Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung (insbes. Abweichen der Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, Fehlen einer solchen Rechtsprechung, uneinheitliche Beantwortung der zu lösenden Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) zukommt.

Die unter Bezugnahme auf die (Vorsteuerausschluss-)Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 - einzelfallbezogen - zu erfolgende Klärung der Frage, unter welchen Fahrzeugtyp das KFZ einzuordnen ist, wirft keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 12 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.2100431.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at