Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.03.2019, RV/7102658/2015

Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr. Adebiola Bayer in der Beschwerdesache Bf., Adresse, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 bis 2013 zu Recht: 

1. Der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 wird teilweise Folge gegeben. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

2. Die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2011 bis 2013 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Im Zuge seiner Beschwerde gegen die angefochtenen Bescheide machte der Beschwerdeführer (im Folgenden "Bf.") Kosten für die auswärtige Berufsausbildung seines Sohnes für zwei Monate im Jahr 2010 in A in Oberösterreich sowie Kosten für die auswärtige Berufsausbildung seiner Tochter für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum in Eisenstadt geltend. In Bezug auf seine Tochter führte er neben der Dauer der Wege vom und zum Bahnhof insbesondere ins Treffen, dass die Anwesenheit am Studienort an zwei Tagen pro Woche, freitags und samstags, erforderlich gewesen sei. Seine Tochter habe bis abends bzw. spätabends am Studienort bleiben müssen. Da der letzte Zug um 20:45 ab Eisenstadt losfahre, sei es an vier bis fünf Tagen pro Monat für sie nicht möglich gewesen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause zu fahren. Da abends die Heimholung seiner Tochter habe organisiert werden müssen, sei es zu erheblichen Mehrkosten gekommen. Der Bf. wies auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 95/15/0196, hin, wonach die "Zumutbarkeit nicht nach schematischen Kriterien, die auf die Besonderheit des Einzelfalles keine Rücksicht nehmen, beurteilt werden" könne.

Mit der in Folge erlassenen Beschwerdevorentscheidung für das Jahr 2010 wurden die Kosten für die auswärtige Berufsausbildung des Sohnes anerkannt, nicht jedoch diejenigen für die auswärtige Berufsausbildung der Tochter des Bf., des weiteren wurde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidungen für die Jahre 2011 bis 2013 als unbegründet abgewiesen. In ihrer Begründung legte die belangte Behörde unter Hinweis auf § 1 der Verordnung BGBl. Nr. 624/1995 zu § 34 Abs. 8 EStG 1988 dar, dass die Entfernung zwischen Wohn- und Ausbildungsort der Tochter der Bf. weniger als 80 km und die Fahrzeit zwischen den Bahnhöfen der beiden Orte weniger als eine Stunde betrage. Es werde weder auf individuelle Unterrichtszeiten Rücksicht genommen noch würden Wartezeiten, Fußwege sowie Fahrten im Heimatort oder im Studienort () eingerechnet werden.

Der Bf. beantragte die Vorlage an das Bundesfinanzgericht. In Folge legte die belangte Behörde den Beschwerdeakt vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Festgestellter Sachverhalt

In den Jahren 2010 bis 2013 absolvierte die in diesem Zeitraum in B wohnhafte Tochter des Bf. eine Berufsausbildung in Eisenstadt. Die Entfernung zwischen diesen beiden Orten beträgt weniger als 80 Kilometer und die Fahrzeit zwischen beiden Bahnhöfen beträgt weniger als eine Stunde. Der im Jahr 2010 ebenfalls in B wohnhafte Sohn des Bf. absolvierte in diesem Jahr während einer Dauer von zwei Monaten eine Berufsausbildung in A in Oberösterreich. Dieser Ort ist mehr als 80 Kilometer vom Wohnort entfernt.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig. Die Entfernung sowie die Fahrzeit zwischen dem Wohn- und den Ausbildungsorten ist aus Routenplanern ersichtlich.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu den Spruchpunkten 1 und 2: teilweise Stattgabe und Abweisung

Gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 gelten Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von EUR 110,00,-- pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.

Nach § 1 der zu dieser Bestimmung erlassenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr. 624/1995, liegen Ausbildungsstätten, die vom Wohnort mehr als 80 km entfernt sind, nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes.

Es ist unstrittig, dass die Entfernung zwischen Wohn- und Ausbildungsort des Sohnes des Bf. mehr als 80 Kilometer beträgt und die Entfernung zwischen Wohn- und Ausbildungsort der Tochter des Bf. weniger als 80 Kilometer beträgt. Für letzteren Fall bestimmt § 2 der angeführten Verordnung in seiner ab anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 449/2001 Folgendes:

"(1) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort und vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden.

(2) Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort gelten als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, zeitlich noch zumutbar sind. Abweichend davon kann nachgewiesen werden, dass von einer Gemeinde die tägliche Fahrzeit zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel mehr als je eine Stunde beträgt. Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden. In diesem Fall gilt die tägliche Fahrt von dieser Gemeinde an den Studienort trotz Nennung in einer Verordnung gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, in der jeweils geltenden Fassung als nicht mehr zumutbar."

§ 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 in der im streitgegenständlichen Zeitraum anzuwendenden Fassung lautet:

"(3) Von welchen Gemeinden diese tägliche Hin- und Rückfahrt zeitlich noch zumutbar ist, hat der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur durch Verordnung festzulegen. Eine Fahrzeit von mehr als je einer Stunde zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel ist keinesfalls mehr zumutbar."

Die im streitgegenständlichen Zeitraum anwendbare Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 605/1993, führt in ihrem § 11 Gemeinden an, von denen die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort Eisenstadt zeitlich noch zumutbar ist. Der Wohnort der Tochter des Bf. ist in dieser Aufzählung nicht genannt.

Ist eine Gemeinde nicht in der zu § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 ergangenen Verordnung angeführt, gelten Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort als nicht innerhalb des Einzugsbereichs des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort und zurück unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels mehr als je eine Stunde beträgt (vgl. § 2 Abs. 1 der VO BGBl. II Nr. 449/2001). Auch dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden (vgl. ).

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2006/15/0114, insbesondere aus dem Verweis auf § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 abgeleitet, dass das günstigste öffentliche Verkehrsmittel zwischen dem Studienort und dem Wohnort die schnellstmögliche Verbindung zwischen den Orten ist, weshalb die Erreichbarkeit der Abfahrstelle innerhalb der Gemeinde nach der ab geltenden Fassung des § 2 der Verordnung BGBl. Nr. 624/1995 zu § 34 Abs. 8 EStG 1988 keine Rolle spielt.

Im Erkenntnis vom , 2007/15/0306, sprach der Verwaltungsgerichtshof weiters aus, dass die Regelung des § 2 Abs. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 624/1995 idF BGBl. II Nr. 449/2001 ihrem Wortlaut entsprechend auf die allgemeine Fahrtdauer unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels abstellt. Es kommt damit auch nicht auf die konkrete Lagerung der von Studierenden im Einzelfall besuchten Lehrveranstaltungen an. Der Umstand, dass der oder die Studierende im Einzelfall nicht in der Lage ist, andere als in die Nachtstunden hineinreichende Lehrveranstaltungen zu besuchen, stellt einen Ausnahmefall dar, auf den die Verordnung auch unter Bedachtnahme auf Art 7 Abs. 1 B-VG nicht Bedacht zu nehmen brauchte.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung kann der vom Bf. angeführte Umstand, dass seine Tochter auf Grund der Uhrzeit der Lehrveranstaltungen teilweise keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen konnte, nicht berücksichtigt werden. Das gleiche gilt für die vom Bf. ins Treffen geführte Distanz zum bzw. vom Bahnhof. Für den vorliegenden Fall nicht maßgeblich ist hingegen die vom Bf. zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 95/15/0196, welcher eine andere Rechtslage zu Grunde lag.

Daher können nur die im Jahr 2010 für den Sohn des Bf. angefallenen Kosten für eine Berufsausbildung als außergewöhnliche Belastung nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 berücksichtigt werden.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt 3: Unzulässigkeit einer Revision

Gemäß § 25a Abs. 2 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichts ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wurde.

Da das Erkenntnis der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt, war die Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 34 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr. 624/1995
StudFG - Erreichbarkeit von Studienorten (BMWF), BGBl. Nr. 605/1993
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7102658.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at