Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.04.2019, RV/7103665/2018

Haftung nach § 11 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA in der Beschwerdesache des *****, *****, vertreten durch RA Mag. Wolfgang Winkler, Ditscheinergasse 2, 1030 Wien, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom , betreffend Haftung nach § 11 BAO, zu Recht: 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Haftungsbescheid wird dahingehend abgeändert, dass die Haftungssumme um den Betrag von 543,33 Euro betreffend die Umsatzsteuer 02/2014, sohin auf 15.864,83 Euro herabgesetzt wird.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1.1. Der Beschwerdeführer war von bis zum Jahr 2015 Geschäftsführer der Firma *** (vgl. Firmenbucheintrag zu FN ***). Mit angefochtenem Haftungsbescheid vom wurde er im Ausmaß von 16.408,16 Euro für folgende aushaftenden Abgabenschuldigkeiten als Haftungspflichtiger gemäß § 11 BAO in Anspruch genommen:


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Abgabenart
Zeitraum
Höhe in Euro
Lohnsteuer
2014
410,73
Lohnsteuer
11-12/2013
1.087,86
Lohnsteuer
01-03/2014
2.695,56
Lohnsteuer
01/2015
1.082,65
Umsatzsteuer
10/2013
1.589,74
Umsatzsteuer
02/2014
543,33
Dienstgeberbeitrag
2014
2.149,77
Dienstgeberbeitrag
11-12/2013
1.593,28
Dienstgeberbeitrag
01-03/2014
1.668,98
Dienstgeberbeitrag
01/2015
483,70
Umsatzsteuer
02-03/2014
3.102,56

Der Haftungsbescheid wurde damit begründet, dass gegen den Beschwerdeführer am "" eine Strafverfügung ergangen sei, mit welcher dieser wegen der Verkürzung der genannten Abgaben bestraft worden sei.

Die dagegen gerichtete Beschwerde, in der vorgebracht wurde, dem Beschwerdeführer sei keine Verurteilung vom bekannt, wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde führte darin in der Begründung an, gegen den Beschwerdeführer sei zur Strafnummer 2016/01915-001 nicht nur ein Strafverfahren eingeleitet worden, sondern der Beschwerdeführer sei mit Strafverfügung gemäß § 143 BAO vom rechtskräftig wegen der Begehung eines vorsätzlichen Finanzvergehens (Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 FinStrG) verurteilt (bestraft) worden. Die rechtskräftige Verurteilung sei Tatbestandsmerkmal.

In seinem Vorlageantrag vom behauptet der Beschwerdeführer, "die in der Begründung angeführter Strafverfügung sei dem Beschwerdeführer nie zugegangen."

1.2. Zur Strafnummer 2016/01915-001 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde mit Schreiben vom darüber informiert, dass gegen ihn ein Finanzstrafverfahren eingeleitet worden sei, weil der Verdacht bestehe, dass er als Geschäftsführer der *** GmbH, somit als der für die abgabenpflichtigen Belange Verantwortliche, vorsätzlich a) durch die Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärung 2013, somit unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht, zu bewirken versucht habe, dass bescheidmäßig festzusetzende Abgaben, nämlich die Umsatzsteuer 2013 iHv 4.439,85 Euro nicht festgesetzt und dadurch verkürzt werden und b) (näher bezeichnete) selbst zu berechnende Abgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträge samt Zuschlägen sowie Umsatzsteuer in bestimmten Zeiträumen und bestimmter Höhe) nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet (abgeführt) habe. Der strafbestimmende Wert wurde darin mit 35.839,41 Euro angegeben und der Beschwerdeführer aufgefordert, zur Einleitung eines Strafverfahrens bis Stellung zu nehmen ("Rechtfertigung").

Mit Schreiben vom führte der Beschwerdeführer aus, er habe ab Erkennen der Krise als Geschäftsführer der *** GmbH versucht, die beiden Betriebe zu sanieren. Eine Abgabenverkürzung habe er niemals für gewiss gehalten, da er immer um die Sanierung des Unternehmens bemüht gewesen sei. Es liege daher keine Abgabenhinterziehung, sondern lediglich eine Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 FinStrG vor.

1.3. Eine am durchgeführte Vorstrafenabfrage ergab, dass der Beschwerdeführer folgende Vorstrafen aufweist:

a. Zur Strafnummer 2016/01915-001: Verurteilung (Strafverfügung gemäß § 143 BAO) vom wegen einer Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro oder einer Haftstrafe von 15 Tagen, sowie

b. Zur Strafnummer 2016/02499-001: Verurteilung (Strafverfügung gemäß § 143 BAO) vom wegen einer Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG und einer Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG zu einer Geldstrafe von 3.300 Euro oder einer Haftstrafe von 17 Tagen.

1.4. Mit Strafverfügung vom , Strafnummer 2016/01915-001, wurde der Beschwerdeführer wegen einer Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro oder einer Haftstrafe von 15 Tagen schuldig gesprochen, weil er die selbst zu berechnenden Abgaben iHv insgesamt 31.099,56 Euro, nämlich

Lohnsteuer f ü r                in der H ö he von Euro:


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2014
410,73
11/2013
877,84
12/2013
210,00
01/2014
898,52
02/2014
898,52
03/2014
898,52
09/2014
878,60
01/2015
1.082,65

Dienstgeberbeitr ä gen zum Ausgleichsfonds f ü r Familienbeihilfe samt Zuschl ä ge f ü r diesen in der H ö he von Euro:


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2014
2.340,85
11/2013
606,33
12/2013
1.128,58
01/2014
620,11
02/2014
607,03
03/2014
590,19
09/2014
440,96
01/2015
526,70

sowie Umsatzsteuer in der Höhe von Euro:


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Umsatzsteuer 09/2013
523,55
Umsatzsteuer 10/2013
1.589,74
Umsatzsteuer 02/2014
543,33
Umsatzsteuer 03/2014
12.753,15
Umsatzsteuer 12/2014
2.973,66

nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet (abgeführt) hatte. Weiters wurde ihm gemäß § 185 FinStrG ein Ersatz der Kosten des Strafverfahrens iHv 300 Euro auferlegt.

Die Strafverfügung vom , Strafnummer 2016/01915-001, wurde dem Beschwerdeführer am zu eigenen Handen zugestellt (vgl. Rückschein, BGF-Akt, Beilage 4).

Eine Verurteilung des Beschwerdeführers auf Grund einer Strafverfügung vom ist im Vorstrafenregister nicht enthalten.

1.5. Am stellte der Beschwerdeführer per Faxeingabe zu beiden oben genannten Strafverfügungen (bezeichnet durch Anführung der beiden Aktenzahlen; vgl. BFG-Akt, Beilage 5) den Antrag auf Ratenzahlung iHv 200 Euro monatlich, sohin 100 Euro monatlich je Strafverfügung. Diese Ratenzahlung zur Strafnummer 2016/01915-001 (Rückstand gesamt 3.300 Euro)wurde mit Bescheid vom bewilligt.

Mit beim Finanzamt am eingelangtem Schreiben ersuchte der Beschwerdeführer erneut um Bewilligung einer Ratenzahlung je Strafverfügung iHv 100 Euro monatlich. Auch hier führte er die beiden Strafnummern 2016/01915-001 und 2016/02499-001 an (vgl. BFG-Akt, Beilage 7). Dieses Ansuchen wurde mit Bescheid vom bewilligt.

Der Beschwerdeführer zahlte die Raten bisher regelmäßig, sodass auf dem Strafkonto 2016/01915-001 zum nur mehr der Betrag von 1.200 Euro aushaftete (vgl. BFG-Akt, Beilage 10).

1.6. Mit Beschluss des HG Wien vom , ***, wurde das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung betreffend die Firma *** GmbH im Firmenbuch angemerkt, der Sanierungsplan wurde mit Beschluss vom rechtskräftig bestätigt, wobei eine Quote von 20% vereinbart war (vgl. Firmenbucheintrag zu FN ***). Die Beträge im angefochtenen Haftungsbescheid sind niedriger als in der Strafverfügung vom , da am eine quotative Löschung nach § 156 IO erfolgte. Die Löschung wurde von der Abgabenbehörde im Gesamtbetrag an der Abgabenart Umsatzsteuer 03/2014 durchgeführt (ursprünglich 12.753,15 Euro abzüglich 10.193,92 Euro = 2.559,23, zuzüglich USt 02/2014 iHv 543,33 Euro ergibt die im Haftungsbescheid angeführte Umsatzsteuer 02-03/2014 iHv 3.102,56 Euro).

Seitens der *** GmbH wurde lediglich eine Barquote von 5% erfüllt. Am wurde der Konkurs eröffnet und die Gesellschaft infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst. Am wurde die Firma *** GmbH gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht (vgl. Firmenbucheintrag zu FN ***).

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus den im Akt befindlichen Schriftstücken, insbesondere den genannten Strafverfügungen und Bescheiden, welche durch die am durchgeführte Einsicht in das Firmenbuch, in das finanzstrafrechtliche Vorstrafenregister sowie in das Strafkonto des Beschwerdeführers bestätigt wurden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

3.1.1. § 11 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. idF BGBl. I 20/2009 lautet:

"Bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden haften rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden."

§ 49 Finanzstrafgesetz (FinStrG), BGBl. 129/1958 idF BGBl. I 104/2010, lautet:

"Finanzordnungswidrigkeiten.

§ 49. (1) Einer Finanzordnungswidrigkeit macht sich schuldig, wer vorsätzlich

a) Abgaben, die selbst zu berechnen sind, insbesondere Vorauszahlungen an Umsatzsteuer, nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abführt, es sei denn, daß der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages bekanntgegeben wird; im übrigen ist die Versäumung eines Zahlungstermines für sich allein nicht strafbar;

b) durch Abgabe unrichtiger Voranmeldungen (§ 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994) ungerechtfertigte Abgabengutschriften geltend macht.

(2) Die Finanzordnungswidrigkeit wird mit einer Geldstrafe geahndet, deren Höchstmaß die Hälfte des nicht oder verspätet entrichteten oder abgeführten Abgabenbetrages oder der geltend gemachten Abgabengutschrift beträgt."

3.1.2. Die Haftung nach § 11 BAO setzt eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines Vorsatzdeliktes im verwaltungsbehördlichen bzw. gerichtlichen Finanzstrafverfahren voraus (vgl. ). Der Haftungstatbestand ist durch jede Art von Beteiligung am Finanzvergehen erfüllt, ohne dass es darauf ankommt, welche Bedeutung dem Tatbeitrag für die Verwirklichung der Tat beizumessen ist (vgl. ).

Die Haftung nach § 11 BAO ist auch keine Ausfallshaftung, sondern eine uneingeschränkte Primärhaftung, die an die Bestrafung anknüpft. Der rechtskräftige Bescheid oder das rechtskräftige Urteil hat somit Tatbestandswirkung (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 144). Die Haftungsinanspruchnahme darf jedoch keinen höheren Verkürzungsbetrag umfassen, als der im Spruch des Strafurteils festgestellte (). Sie setzt voraus, dass eine Abgabenschuld entstanden und noch nicht durch Entrichtung erloschen ist ().

Die abgabenrechtliche Haftungsform setzt entsprechend dem Prinzip der Akzessorietät im materiellen Sinn den Bestand einer Schuld voraus, nicht aber, dass die Schuld dem Hauptschuldner gegenüber bereits geltend gemacht worden ist und das Verfahren zur Einhebung oder gar zur zwangsweisen Einbringung ergebnislos verlaufen ist (, mit Hinweis auf Stoll, BAO-Kommentar, 105).

3.1.3. Zur Haftungsinanspruchnahme:

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Haftungsinanspruchnahme im Wesentlichen mit der Begründung, gegen ihn sei am keine Strafverfügung ergangen und er wisse auch von keiner Strafverfügung. Dies ist insoweit richtig, als die belangte Behörde an besagtem Tag tatsächlich keine Strafverfügung erlassen hat, sondern sich - wie sich auch aus der Beschwerdevorentscheidung ergibt, der im Übrigen Vorhaltecharakter zukommt - im Rahmen ihrer Bescheidbegründung im Datum geirrt hat. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Vorlageantrag ist ihm die besagte Strafverfügung aber - wie sich den Feststellungen entnehmen lässt - sehr wohl zugegangen, nämlich sogar zu seinen eigenen Handen am . Dass der Beschwerdeführer von ihr jedenfalls Kenntnis hatte, ergibt sich auch aus dem Umstand, dass er am per Faxeingabe zu beiden Strafverfügungen vom  einen Antrag auf Ratenzahlung eingebracht hat und hinsichtlich der Strafverfügung zur Strafnummer 2016/01915-001, auf die sich der angefochtene Haftungsbescheid seinem Spruch zu Folge insbesondere durch die Angabe der Abgaben stützt, regelmäßig Raten eingezahlt hat, sodass auf dem Strafkonto 2016/01915-001 zum nur mehr der Betrag von 1.200 Euro aushaftete.

Da die besagte Strafverfügung somit dem Beschwerdeführer rechtwirksam zu dessen Handen zugestellt worden und in Rechtskraft erwachsen ist, er von ihr sohin jedenfalls Kenntnis hatte, erweist sich die Beschwerde insoweit als unbegründet.

Der auf der Strafverfügung beruhende, angefochtene Haftungsbescheid weist auch keinen höheren Betrag als die besagte Strafverfügung auf, da es zu einer quotativen Löschung kam. Einzig die (aliquotierte) Umsatzsteuer 02/2014 ist im Haftungsbetrag doppelt ausgewiesen, nämlich "alleine" und im Rahmen der Umsatzsteuer 02-02/2014, da zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung eine Löschung im Gesamtbetrag an der Abgabenart Umsatzsteuer 03/2014 durchgeführt wurde. Da der Gesamtbetrag der Umsatzsteuer 02-03/2014 iHv 3.102,56 Euro bereits die Umsatzsteuer 02/2014 iHv 543,33 Euro enthält, ist der Haftungsbetrag wie im Spruch ersichtlich um die Umsatzsteuer 02/2014 iHv 543,33 Euro zu reduzieren. Im Übrigen konnten keine weiteren "Doppelvorschreibungen" festgestellt werden, da die jahresweise ausgewiesenen Beträge der Lohnsteuer 2014 und des Dienstgeberbeitrages 2014 aus den in der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom festgestellten Abfuhrdifferenzen resultieren.

3.1.4. Zum Ermessen:

§ 20 BAO, in der Stammfassung BGBl. 194/1961, lautet:

"Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem
Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit
und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu
treffen."

Die Heranziehung zur Haftung ist in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist (). Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens. Die Begründung des Bescheides hat die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen so weit aufzuzeigen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist ().

Die belangte Behörde hat das Ermessen weder im angefochtenen Bescheid noch in der Beschwerdevorentscheidung begründet. Ein derartiger Mangel führt jedoch nicht zur zwingenden Aufhebung des Bescheides, vielmehr können bloße Begründungsmängel erstinstanzlicher Bescheide im Abgabenverfahren im Rechtsmittelverfahren saniert werden (vgl. mwN). Zur Ermessensübung ist daher Folgendes auszuführen:

Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Von einer rechtswidrigen Inanspruchnahme wird vor allem dann gesprochen werden können, wenn die Abgabenschuld vom Hauptschuldner ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten rasch eingebracht werden kann (). Die "Zweckmäßigkeit" der Haftungsinanspruchnahme des rechtskräftig verurteilten Beschwerdeführers ergibt sich schon daraus, dass die Abgaben bei diesem leichter eingebracht werden können als bei der Primärschuldnerin, die mittlerweile im Firmenbuch gelöscht wurde.

Die Ermessensübung hat sich am Zweck der Norm zu orientieren (). Der Haftungsbestimmung des § 11 BAO liegt der gesetzgeberische Wille zugrunde, dass derjenige, der eine widerrechtliche Handlung gesetzt hat, auch für die vermögensrechtlichen Folgen seines Handelns einzustehen hat ( mwN). Bei der Ermessensübung ist vor allem auf den Grad des Verschuldens des Haftenden bei Begehung des Finanzvergehens in der Relation zu jenem des Abgabenschuldners Bedacht zu nehmen (Ritz, BAO6, § 11 Tz 5) und darauf, wer durch den Verkürzungserfolg bereichert wurde (Tanzer/Unger, BAO 2016/2017, 29).

Die rechtskräftige Verurteilung auf Grund der Nichtentrichtung von Lohnabgaben trotz Kenntnis der Fälligkeiten erfolgte gemäß § 49 FinStrG auf Grund des schuldhaften Verhaltens des Beschwerdeführers.Die Tatsache, dass es sich um keine absichtlich begangene Tat handelte, die steuerliche Unbescholtenheit und die teilweise Schadensgutmachung wurden im damaligen Verfahren mildernd berücksichtigt. Neben dieser Tatsache ist im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 20 BAO im gegenständlichen Fall zu berücksichtigen, dass die haftungsverfangenen Abgabenverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin nicht mehr eingebracht werdenkönnen, weil die Firma gemäß § 40 FBG am im Firmenbuch gelöscht wurde. Zwischen der Löschung im Firmenbuch und der Erlassung des angefochtenen Haftungsbescheides im November 2016 ist auch nicht derart viel Zeit vergangen, die unter Umständen eine positive Ermessensübung gebieten würde.

Eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen steht der Geltendmachung der Haftung ebenso wenig entgegen (; , 2006/13/0197), da eine allfällige derzeitige Uneinbringlichkeit auch nicht ausschließt, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können ().

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass im Beschwerdefall das öffentliche Interesse an der Abgabeneinbringung das Interesse des Beschwerdeführers, nicht zur Haftung herangezogen zu werden, zweifellos überwiegt. Wenn somit das öffentliche Interesse an einem gesicherten Abgabenaufkommen nur durch Geltendmachung der Haftung gewahrt werden kann, kann in der Heranziehung des Beschwerdeführers eine Überschreitung des vom Gesetz vorgegebenen Ermessensrahmens nicht erkannt werden ().

3.1.5. Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist unzulässig, da die Frage, ob der Beschwerdeführer zu Recht zur Haftung nach § 11 BAO herangezogen wurde, keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG darstellt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung folgt im Übrigen der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Wien, am

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