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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.03.2019, RV/7103872/2017

Vorliegen eines haftungsbegründenden Sachverhaltes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch LEXACTA Tröthandl Juritsch Rechtsanwälte, Theaterplatz 4, 2500 Baden, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Baden Mödling vom , betreffend Haftung gemäß § 9 BAO zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und die Haftung auf € 170.244,36 anstatt € 311.353,57 eingeschränkt.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Vorhalt vom betreffend Heranziehung zur Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO führte die Abgabenbehörde Folgendes aus:

"Die Vertreter juristischer Personen haben alle Pflichten des Vertretenen zu erfüllen. Insbesondere haben sie dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, vorschriftsmäßig entrichtet werden. Vertreter haften mit ihrem persönlichen Einkommen und Vermögen für unentrichtet gebliebene Abgaben des Vertretenen, wenn sie an der Nichtentrichtung dieser Abgaben ein Verschulden trifft. Leichte Fahrlässigkeit gilt bereits als Verschulden.

Sie werden daher in Ihrem eigenen Interesse ersucht, die nachfolgenden Fragen sorgfältig und vollständig zu beantworten und durch Vorlage geeigneter Unterlagen, die zu Ihrer Entlastung dienen können, zu belegen.

1. Am Konto der Fa. F-GmbH haften folgende Abgabenbeträge uneinbringlich aus:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag €
Umsatzsteuer
07/15
19.271,87
Umsatzsteuer
09/15
26.757,29
Umsatzsteuer
10/15
48.339,89
Umsatzsteuer
11/15
8.430,68
Einfuhrumsatzsteuer
08/15
2.328,00
Lohnsteuer
10/15
58.527,34
Lohnsteuer
11/15
61.536,17
Lohnsteuer
12/15
44.053,49
Dienstgeberbeitrag
10/15
10.936,62
Dienstgeberbeitrag
11/15
13.380,11
Dienstgeberbeitrag
12/15
14.354,63
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
10/15
972,16
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
11/15
1.189,34
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
12/15
1.275,98
Summe:
 
311.353,57

Die im Rückstand ausgewiesenen Selbstbemessungsabgaben sind nach Abgabenarten und Zeiträumen aufgeschlüsselt.

Bemerkt wird, dass bei den einzelnen Beträgen der haftungsrelevanten Abgabenarten, die zu erwartende Sanierungsplanquote i.H.v. 25% bereits berücksichtigt und in Abzug gebracht wurde.

2. Laut Firmenbuchauszug sind Sie im Zeitraum seit selbständig als Vertreter der Fa. F-GmbH bestellt. Auf Grund Ihrer Funktion als zur Vertretung der Fa. F-GmbH nach außen berufenes Organ oblag Ihnen die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Fa. F-GmbH

3. Da die unter Punkt 1 angeführten Abgabenbeträge während Ihrer Vertretungsperiode fällig bzw. nicht entrichtet wurden, muss das Finanzamt bis zum Beweis des Gegenteiles davon ausgehen, dass Sie der Ihnen aufgetragenen Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Fa. F-GmbH nicht vorschriftsgemäß nachgekommen sind.

4. Die genannten Beträge sind bei der Fa. F-GmbH als uneinbringlich anzusehen.

5. Sofern die Fa. F-GmbH bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht mehr über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügte, werden Sie ersucht, dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten (siehe Punkt 1) gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen. In dieser Aufstellung müssen alle damaligen Gläubiger der Fa. F-GmbH (auch die zur Gänze bezahlten) sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleisteten Zahlungen (Quoten) enthalten sein. Außerdem sind alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel (Bargeld und offene Forderungen) anzugeben bzw. gegenüber zu stellen.

Es steht Ihnen frei, die maßgebliche finanzielle Situation zum Eintritt der Abgabenfälligkeiten, die offenen Verbindlichkeiten und die erbrachten Tilgungsleistungen an alle einzeln anzuführenden Gläubiger der Fa. F-GmbH auch auf andere Art und Weise einwandfrei bekannt zu geben.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt Ihnen als Vertreter, Nachweise dafür, wie viel Zahlungsmittel zur Verfügung gestanden sind und in welchem Ausmaß die anderen Gläubiger der Fa. F-GmbH noch Befriedigung erlangten, zu erbringen. Im Fall der Nichterbringung dieser Nachweise muss das Finanzamt davon ausgehen, dass Sie die Ihnen obliegende Verpflichtung, die fällig gewordenen Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu entrichten, schuldhaft verletzt haben, und diese Pflichtverletzung auch ursächlich für den Abgabenausfall bei der Fa. F-GmbH ist. Unter diesen Umständen haften Sie für die uneinbringlichen Abgabenschuldigkeiten im vollen Ausmaß (zB ).

6. Wird der Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung nicht in nachvollziehbarer Weise erbracht, liegt es im Ermessen des Finanzamtes, die Haftung für die unter Punkt 1 genannten Abgabenbeträge auszusprechen, bei Benachteiligung des Abgabengläubigers im Ausmaß der nachgewiesenen Benachteiligung der Abgabenschuldigkeiten gegenüber den anderen Verbindlichkeiten der Fa. F-GmbH(zB ). Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Einzelinteressen verdrängt (zB ), sähe sich das Finanzamt veranlasst, die gesetzliche Vertreterhaftung gegen Sie im erforderlichen Ausmaß geltend zu machen.

7. Zur Stellungnahme wird Ihnen eine Frist bis zum eingeräumt. Es wird darauf hingewiesen, dass diese Frist angesichts der vorliegenden Sachlage nur aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen verlängert werden könnte.

Sie werden auch um eine ausführliche schriftliche Darstellung Ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum ersucht (mtl. Einkommen, sonstige Schulden vorhanden, wenn ja in welcher Höhe und wie viel beträgt die monatliche Rückzahlung etc.).“

Mit Fristerstreckungsantrag vom ersuchte der Beschwerdeführer (Bf) die Frist zur Stellungnahme um weitere zwei Wochen, sohin bis zu erstrecken, da er derzeit noch damit beschäftigt sei, die umfangreichen Unterlagen zu besorgen und auszuwerten und dies nicht innerhalb der oben angeführten Frist möglich gewesen sei.

Mit Haftungsbescheid vom nahm die Abgabenbehörde den Bf als Haftungspflichtigen gemäß §§ 224 i.V.m. 9 u. 80 BAO für die folgenden aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma F-GmbH im Ausmaß von € 311.353,57 in Anspruch.


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag €
Umsatzsteuer
07/15
19.271,87
Umsatzsteuer
09/15
26.757,29
Umsatzsteuer
10/15
48.339,89
Umsatzsteuer
11/15
8.430,68
Einfuhrumsatzsteuer
08/15
2.328,00
Lohnsteuer
10/15
58.527,34
Lohnsteuer
11/15
61.536,17
Lohnsteuer
12/15
44.053,49
Dienstgeberbeitrag
10/15
10.936,62
Dienstgeberbeitrag
11/15
13.380,11
Dienstgeberbeitrag
12/15
14.354,63
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
10/15
972,16
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
11/15
1.189,34
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
12/15
1.275,98
Summe:
 
311.353,57

Zur Begründung wurde wie folgt ausgeführt:

„Die Geltendmachung der Haftung (§ 224 Bundesabgabenordnung) gründet sich auf nachfolgende Umstände:

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 leg.cit. haften die in § 80 Abs. 1 leg.cit. erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verbindlichkeiten ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

Aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmung ergibt sich, dass der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person aus deren Mitteln nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass er die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichten konnte.

Sie sind unbestritten Geschäftsführer der Firma F-GmbH, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen.

Umsatzsteuer ist im Haftungsbescheid enthalten.

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für aushaftende Umsatzsteuer ist folgendes festzuhalten:

Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1972 bzw. 1994 hat der Unternehmer spätestens am fünfzehnten Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldezeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 und des § 16 leg.cit. selbst zu berechnen ist. Der Unternehmer hat eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

Für die angegebenen Zeiträume wurde die Umsatzsteuer von Ihnen teilweise selbstbemessen bzw. ebenso nur teilweise beglichen.

Hinsichtlich der nicht bezahlten Lohnabgaben wird auf die Bestimmungen des § 78 (3) EStG verwiesen.

Bemerkt wird, dass bei den einzelnen Beträgen der haftungsrelevanten Abgabenarten, die zu erwartende Sanierungsplanquote i.H.v. 25% bereits berücksichtigt und in Abzug gebracht wurde.

Da Sie also Ihren Verpflichtungen schuldhaft nicht nachgekommen sind und die Abgaben bei der o.a. Gesellschaft uneinbringlich sind, war wie im Spruch zu entscheiden.“

Mit Eingabe vom erhob der Bf dagegen Beschwerde und führte wie folgt aus:

„Der Haftungsbescheid des Finanzamts Baden Mödling vom , mit welchem der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger gemäß der §§ 224 iVm 9 u. 80 Bundesabgabenordnung für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma F-GmbH im Ausmaß von € 311.353,57 in Anspruch genommen wurde, wird seinem gesamten Inhalt nach angefochten.

1. Begründung:

In seiner Stellungnahme vom hatte der Beschwerdeführer dargelegt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verbindlichkeiten - nämlich insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln welche er verwaltete entrichtet würden, ohne sein Verschulden verhindert war.

Bemerkenswert ist, dass die Behörde, ohne auf die Stellungnahme Bezug zu nehmen und ohne jede Begründung, entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers seine Haftung bejahte. Ein mangelhaft oder wie hier gar nicht begründeter Bescheid ist rechtswidrig.

Die Pflicht der Behörde zur Begründung ihrer normativen Anordnung ist eines der wichtigsten Erfordernisse eines rechtstaatlichen Verfahrens. Dieser Verpflichtung ist die Behörde nicht nachgekommen.

Darüber hinaus konnte der Beschwerdeführer in einer detaillierten Auflistung - ebenfalls mit seiner Stellungnahme vom überreicht - darlegen, dass es zu keiner Gläubigerbenachteiligung des Finanzamts (mit Ausnahme des Monats Dezember 2015) gekommen war.

In der hier nun (zum wiederholten Mal) angeführten Aufstellung zeigt sich, dass die jeweiligen Zahlungsquoten an das Finanzamt die jeweiligen Zahlungsquoten an sämtliche andere Gläubiger bei weitem überstiegen, sodass es im Gegenteil sogar zu einer Gläubigerbevorzugung des Finanzamts kam:

1.1. Abgaben Juli 2015:

Im Juli 2015 bestanden zu Lasten der F-GmbH Verbindlichkeiten in Höhe von € 8,309.541,37.

Es wurden hier Zahlungen in Höhe von € 1,196.845,75 geleistet, was einer Zahlungsquote in Höhe von 14,40% entspricht.

Der Gesellschaft standen in diesem Zeitraum liquide Mittel in Höhe von € 1,122.374,52 zur Verfügung.

Im Juli 2015 bestanden für die Gesellschaft Finanzamtsverbindlichkeiten in Höhe von € 418.315,08. Insgesamt wurden Zahlungen an das Finanzamt in Höhe von € 142.531,73 geleistet, was einer Quote von 34,07% entspricht.

Es ist hieraus ersichtlich, dass es zu keiner Gläubigerbenachteiligung zu Lasten des Finanzamts Baden Mödling kam.

1.2. Abgaben August 2015:

Im August 2015 bestanden zu Lasten der F-GmbHVerbindlichkeiten in Höhe von € 8,370.086,37.

Es wurden hier Zahlungen in Höhe von € 625.011,66 geleistet, was einer Zahlungsquote in Höhe von 7,47% entspricht.

Der Gesellschaft standen in diesem Zeitraum liquide Mittel in Höhe von € 630.423,84 zur Verfügung.

Im August 2015 bestanden für die Gesellschaft Finanzamtsverbindlichkeiten in Höhe von € 388.294,30. Insgesamt wurden Zahlungen an das Finanzamt in Höhe von € 151.241,08 geleistet, was einer Quote von 38,95% entspricht.

Auch in diesem Fall kam es zu keinerlei Gläubigerbenachteiligung zu Lasten des Finanzamts Baden Mödling.

1.3. Abgaben September 2015:

Im September 2015 bestanden zu Lasten der F-GmbH Verbindlichkeiten in Höhe von € 8,480.497,39.

Es wurden hier Zahlungen in Höhe von € 1,004.414,85 geleistet, was einer Zahlungsquote in Höhe von 11,84% entspricht.

Der Gesellschaft standen in diesem Zeitraum liquide Mittel in Höhe von € 811.002,65 zur Verfügung.

Hierzu ist festzuhalten, dass der Kontokorrentrahmen der Gesellschaft kurzzeitig um rund € 300.000,00 erhöht wurde, um die notwendige Konsolidierung des Unternehmens zu ermöglichen. Vereinbart war jedenfalls, dass diese Erhöhung lediglich bis gelten soll, weshalb dieser Umstand mit einkalkuliert werden musste und es der Gesellschaft nicht möglich war, sämtliche liquiden Mittel zur Bezahlung der Gesellschaftsverbindlichkeiten zur Gänze auszuschöpfen.

Im September 2015 bestanden für die Gesellschaft Finanzamtsverbindlichkeiten in Höhe von € 371.869,55. Insgesamt wurden Zahlungen an das Finanzamt in Höhe von € 237.077,14 geleistet, was einer Quote von 63,75% entspricht.

Auch in diesem Fall kam es zu keinerlei Gläubigerbenachteiligung zu Lasten des Finanzamts Baden Mödling.

1.4. Abgaben Oktober 2015:

Im Oktober 2015 bestanden zu Lasten der F-GmbH Verbindlichkeiten in Höhe von € 8,190.894,22.

Es wurden hier Zahlungen in Höhe von € 1,199.228,54 geleistet, was einer Zahlungsquote in Höhe von 14,64% entspricht.

Der Gesellschaft standen in diesem Zeitraum liquide Mittel in Höhe von € 1,519.750,89 zur Verfügung.

Im Oktober 2015 bestanden für die Gesellschaft Finanzamtsverbindlichkeiten in Höhe von € 223.928,48. Insgesamt wurden Zahlungen an das Finanzamt in Höhe von € 93.185,86 geleistet, was einer Quote von 41,61% entspricht.

Auch in diesem Fall kam es zu keinerlei Gläubigerbenachteiligung zu Lasten des Finanzamts Baden Mödling.

1.5. Abgaben November 2015:

Im November 2015 bestanden zu Lasten der F-GmbH Verbindlichkeiten in Höhe von € 8,286.157,79.

Es wurden hier Zahlungen in Höhe von € 1,016.103,51 geleistet, was einer Zahlungsquote in Höhe von 12,26% entspricht.

Der Gesellschaft standen in diesem Zeitraum liquide Mittel in Höhe von € 1,298.564,03 zur Verfügung.

Im November 2015 bestanden für die Gesellschaft Finanzamtsverbindlichkeiten in Höhe von € 264.505,98. Insgesamt wurden Zahlungen an das Finanzamt in Höhe von € 89.452,59 geleistet, was einer Quote von 33,82% entspricht.

Auch in diesem Fall kam es zu keinerlei Gläubigerbenachteiligung zu Lasten des Finanzamts Baden Mödling.

1.6. Abgaben Dezember 2015:

Im Dezember 2015 bestanden zu Lasten der F-GmbH Verbindlichkeiten in Höhe von € 8,318.272,45.

Es wurden hier Zahlungen in Höhe von € 873.910,05 geleistet, was einer Zahlungsquote in Höhe von 10,51% entspricht.

Der Gesellschaft standen in diesem Zeitraum liquide Mittel in Höhe von € 1,378.617,23 zur Verfügung.

An dieser Stelle ist festzuhalten, dass der in Punkt 3. erwähnte Kontokorrentrahmen mit Wirkung durch die Bank auf einen Betrag in Höhe von € 2,200.000,00 gekürzt wurde. Wie bereits erwähnt, musste für diesen Umstand vorgesorgt werden, weshalb es nicht möglich war, die hier angegebenen liquiden Mittel vollständig zu verbrauchen.

Im Dezember 2015 bestanden für die Gesellschaft Finanzamtsverbindlichkeiten in Höhe von € 344.196,03.

Insgesamt wurden Zahlungen an das Finanzamt in Höhe von € 2.665,95 geleistet, was einer Quote von 0,77% entspricht.

Wie bereits oben dargestellt, ist daher der Leistungszeitraum Dezember 2015 der einzige, in dem es zu einer zu einer Gläubigerbenachteiligung des Finanzamts im Vergleich zu den übrigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft kam. Aus der obigen Auflistung ergibt sich eindeutig, dass ein Verschulden des Beschwerdeführers an der Nichtabführung der Abgabenschulden der Gesellschaft im vorliegenden Fall nicht vorlag (von Dezember 2015 abgesehen).

1.7. Conclusio

Zusammenfassend ist auszuführen, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich war, für eine ordnungsgemäße Entrichtung sämtlicher Abgabenfälligkeiten derF-GmbH zu sorgen. Wie die oben stehende Aufstellung jedoch beweist, kam es in den relevanten Haftungszeiträumen mit Ausnahme Dezember 2015 zu keiner Gläubigerbenachteiligung der Abgabenbehörde. Die Zahlungsquoten an das Finanzamt überstiegen die Zahlungsquoten der übrigen Gesellschaftsgläubiger teilweise eklatant. Es besteht daher für die Zeiträume Juli bis November 2015 keinerlei Verschulden des Beschwerdeführers am Unterbleiben der Zahlung der Abgabenschulden der Gesellschaft.

Lediglich im Dezember 2015 unterschritt die Zahlungsquote der Abgabenschulden die Zahlungsquote auf die gesamten Gesellschaftsverbindlichkeiten um 9,74 %. Es kam daher zu einem Quotenschaden zu Lasten der Abgabenbehörde in Höhe von € 5.813,23.

Es besteht aus diesem Grund keinerlei Begründung für die - über oben festgehaltenen Betrag (Quotenschaden Dezember 15) hinausgehende - Haftung der Partei gemäß § 9 iVm § 80 BAO.

Beilagen: Aufstellung über Verbindlichkeiten/Zahlungen 06/15-02/16
Saldenliste für Kreditorenkonten Periode 04/15 - 02/16
Saldenliste für Debitorenkonten Periode 04/15 - 02/16
Saldenliste für Sachkonten Klasse 2 Periode 04/15-02/16
Saldenliste für Sachkonten Klasse 3 Periode 04/15 - 02/16
Einkommensaufstellung samt Verbindlichkeiten FB

Aus oben genannten Gründen stellt der Beschwerdeführer den Antrag:

Das Bundesfinanzgericht möge den angefochtenen Haftungsbescheid vom in dem EUR 5.813,23 übersteigenden Betrag aufheben.“

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die Abgabenbehörde der Beschwerde teilweise statt und schränkte die Haftung auf nachstehende Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € 170.244,36 ein:


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Zeitraum
Abgabenart
Betrag
10/2015
Umsatzsteuer
€ 4.708,31
10/2015
Lohnsteuer
€ 58.527,34
11/2015
Lohnsteuer
€ 61.536,17
12/2015
Lohnsteuer
€ 44.053,49
11/2015
Dienstgeberbeitrag
€ 1.303,22
11/2015
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
€ 115,84
Summe
 
€ 170.244,36

Zur Begründung wurde wie folgt ausgeführt:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese betreffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden.

Herr FB, geb.: Da1 ist seit selbständig handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa.F-GmbH.

Über die Gesellschaft wurde am Da2 das Sanierungsverfahren eröffnet. Auf Grund des angenommenen Sanierungsplanes beträgt die Sanierungsquote 25%, sodass die Uneinbringlichkeit der darüber hinausgehenden dem Haftungsverfahren zugrundeliegenden Abgaben bei der Primärschuldnerin feststeht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Vertreters (Geschäftsführers) darzutun, weshalb er den auferlegten Pflichten nicht entsprochen hat, insbesondere nicht Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben im Fälligkeitszeitpunkt entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf.

Der Vertreter (Geschäftsführer) haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hierzu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten.

Demnach obliegt es dem Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger bezogen auf die jeweiligen Fälligkeiten unter Berücksichtigung der vorhandenen liquiden Mittel an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre.

Bei Verletzung der Gleichbehandlungspflicht tritt die Haftung im Sinne des § 9 BAO nur anteilig mit jenem Teilbetrag ein, der bei Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu entrichten gewesen wäre.

Auf Grund einer vorgelegten Aufstellung in der Beschwerde wurde glaubhaft nachgewiesen, dass es mit Ausnahme Dezember 2015 zu keiner Gläubigerbenachteiligung zu Lasten der Abgabenbehörde kam. 

Im Dezember 2015 unterschritt demnach die Zahlungsquote der Abgabenschulden die Zahlungsquote auf die Gesamtverbindlichkeiten um 9,74%.

Die Haftung ist daher entsprechend einzuschränken.

Hinsichtlich der Lohnsteuer geht jedoch die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden (aller Gläubiger) hinaus. Aus den Bestimmungen des § 78 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich die Verpflichtung, dass die geschuldete Lohnsteuer jeweils zur Gänze zu entrichten ist, unabhängig vom Gleichbehandlungsgrundsatz.

Gemäß § 78 Abs. 3 EStG 1988, hat der Arbeitgeber nämlich, wenn die Mittel zur Auszahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen, von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag die Lohnsteuer zu berechnen und einzubehalten.

Unter Berücksichtigung der errechneten Ungleichbehandlung von 9,74% für im Dezember 2015 zu entrichtende Abgaben ergibt sich die teilweise Stattgabe der Beschwerde entsprechend nachstehender Darstellung:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zeitraum
Abgabenart
Fälligkeit
Uneinbring-licher Betrag
Benach-teiligung
abzüglich Sanierungs-quote 25%
10/2015
Umsatzsteuer
€ 64.453,19
€ 6.277,74
€ 4.708,31
10/2015
Lohnsteuer
€ 78.036,45
 
€ 58.527,34
11/2015
Lohnsteuer
€ 82.048,22
 
€ 61.536,17
12/2015
Lohnsteuer
€ 58.737,99
 
€ 44.053,49
11/2015
Dienstgeberbeitrag
€ 17.840,14
€ 1.737,63
€ 1.303,22
11/2015
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
€ 1.585,79
€ 154,46
€ 115,84
 
 
 
 
 
€ 170.244,36

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist.

Es wurde daher spruchgemäß entschieden.“

Mit Vorlageantrag vom stellte der Bf den Antrag, die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid vom zur Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht vorzulegen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Unbestritten ist, dass dem Bf als selbstständig vertretungsbefugtem Geschäftsführer der Abgabepflichtigen laut Eintragung im Firmenbuch von bis zur Eröffnung des Sanierungsverfahrens ohne Eigenverwaltung mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom Da2 die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag.

Die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen bei der GmbH stand nach Aufhebung des Sanierungsverfahrens nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplanes mit Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom Da3 hinsichtlich des in der Sanierungsquote nicht mehr Deckung findenden Teiles der Abgabenforderung fest (vgl. )

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 97/15/0115) ist es im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.

Bezüglich der mit Haftungsbescheid geltend gemachten Lohnsteuer ergibt sich die schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten durch deren Nichtabfuhr durch den Bf nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG, wonach jede Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende und einzubehaltende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters darstellt.

Hatte der Geschäftsführer Gesellschaftsmittel zur Verfügung, die zur Befriedigung sämtlicher Schulden der Gesellschaft nicht ausreichten, so ist er nur dann haftungsfrei, wenn er im Verwaltungsverfahren nachweist, dass er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat. Wenn die Behauptung und Nachweisung des Ausmaßes der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel im Verwaltungsverfahren unterlassen wird, kommt eine Beschränkung der Haftung bloß auf einen Teil der uneinbringlichen Abgabenschulden nicht in Betracht.

Auf Grund der vom Bf vorgelegten Aufstellung wurde von der Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung vom festgestellt, dass es mit Ausnahme Dezember 2015 zu keiner Gläubigerbenachteiligung zu Lasten der Abgabenbehörde und am hinsichtlich der Umsatzsteuer 10/2015 in Höhe von € 64.453,19, des Dienstgeberbeitrages 11/2015 in Höhe von € 17.840,14 und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag 11/2015 in Höhe von € 1.585,79 zu einer Gläubigerbenachteiligung in Höhe von € 6.277,74, € 1.737,63 und € 154,46 kam, sodass abzüglich Sanierungsquote 25% Beträge von € 4.708,31, € 1.303,22 und € 115,84 verbleiben.

Diesen Feststellungen ist der Bf im Vorlageantrag nicht entgegen getreten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können die in einer Beschwerdevorentscheidung erstmals getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, denen der Abgabepflichtige nicht entgegentritt, als richtig angesehen werden, weil einer Beschwerdevorentscheidung auch die Wirkung eines Vorhaltes zukommt ().

Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO hinsichtlich der Lohnsteuer geht über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden (aller Gläubiger) hinaus. Aus den Bestimmungen des § 78 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich vielmehr die Verpflichtung, dass die (Abzugs-)Steuer zur Gänze zu entrichten ist ().

Die in der Beschwerde vertretene Meinung, dass der Quotenschaden zu Lasten der Abgabenbehörde € 5.813,23 betrage, ist daher nicht zutreffend.

Hinzu kommen somit die sich abzüglich Sanierungsquote von 25% ergebenden Beträge der zur Gänze zu entrichtenden Lohnsteuer 10/2015, 11/2015 und 12/2015 von € 58.527,34, € 61.536,17 und € 44.053,49, sodass sich entsprechend der Begründung der Beschwerdevorentscheidung ein verbleibender Haftungsbetrag von € 170.244,36 ergibt.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf konnte die Abgabenbehörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Auf Grund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf für die laut Kontoabfrage vom nach wie vor unberichtigt aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der  F-GmbH im Ausmaß von € 170.244,36 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7103872.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at