Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 18.04.2019, RV/1100262/2017

Unterliegt die dauerhaft verlustträchtige Vermietung einer Eigentumswohnung der Umsatzsteuer bzw. vermittelt eine solche Vermietung ein Recht auf Vorsteuerabzug?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden Dr. Gerald Daniaux und die weiteren Senatsmitglieder Mag.a Claudia Mauthner, Mag. Tino Ricker und Mag. Michael Kühne im Beisein der Schriftführerin Jennifer Reinher in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch Mag. Rainer Rangger, Steuerberatungs GmbH, Bonigstraße 11, 6973 Höchst, gegen die Bescheide des Finanzamtes Bregenz vom und vom betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2006 bis 2008 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (im Folgenden abgekürzt Bf.) hat mit Kaufvertrag vom eine neu errichtete Eigentumswohnung mit einer Nutzfläche von 79,4 m2 (samt Kellerabteil und Tiefgaragenplatz) in der Gemeinde X in Seenähe zum Preis von ca. 220.000,00 € als Anlageobjekt erworben. Die Finanzierung erfolgte mit Fremdmitteln – durch ein gefördertes Darlehen des Landes mit 27jähriger Laufzeit in Höhe von 69.900 Euro und einen bankseitigen, nach 20 Jahren endfälligen Fremdwährungskredit in Höhe von 236.320 CHF (150.000 Euro).  Aufgrund der Inanspruchnahme eines geförderten Darlehens hatte der Bf. verschiedene landesgesetzliche Vorgaben zu erfüllen, wozu insbesondere die Einhaltung von Mietzinsobergrenzen zählte (5,90 € / Monat / m2 Wohnnutzfläche, einschließlich Balkon und Keller, zuzüglich 60 € für den Tiefgarageneinstellplatz).

Mit Schriftsatz vom teilte der Bf. dem Finanzamt mit, dass er (ab sofort) zusätzlich zu seinen gewerblichen Einkünften solche aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Aus diesem Grund wurden für den Voranmeldungszeitraum 7/2006 Vorsteuer in Höhe von 42.0195,19 € geltend gemacht. Laut einer diesem Schriftsatz angeschlossenen ersten Prognoserechnung sollte der Bf. im Jahr 2023 erstmals einen Gesamtüberschuss erzielen, wobei die Rechnung den in die Berechnung durch Zinsreduktionen auch eingearbeiteten Hinweis enthält, dass in den Jahren 2010 und 2020 Sondertilgungen in Höhe von jeweils 40.000 Euro geplant seien.

Ein schriftlicher Mietvertrag wurde erstmalig im Herbst 2006 abgeschlossen. Vereinbart wurde ein den landesgesetzlichen Förderungsrichtlinien entsprechender Mietzins von 5,82 €/m² (Netto-Kalt-Wohnungszins: 462,11 / 79,4 = 5,82). Der markübliche Mietzins für ein Bestandsobjekt in vergleichbarer Größe und Qualität in Y und näherer Umgebung betrug demgegenüber im Jahr 2006 ca. 8,30 €/m².

Die Veranlagungen zur Umsatz- und Einkommensteuer der Jahre 2006 bis 2008 erfolgten erklärungsgemäß, aber vorläufig.

Mit Bescheiden vom und vom ersetzte das Finanzamt die vorläufigen Abgabenfestsetzungen durch endgültige, wobei die erklärten Vermietungsergebnisse nicht mehr berücksichtigt wurden. Begründend wurde ausgeführt, aus der Vermietung der im Jahr 2006 angeschafften Eigentumswohnung sei von 2005 bis 2008 ein Gesamtverlust in Höhe von 11.925,95 Euro entstanden. Unter Berücksichtigung von in der vorgelegten Prognoserechnung nicht angesetzten Mietausfällen in Höhe von 2 bis 5 Prozent der Mieteinnahmen pro Jahr sowie von laufenden Instandhaltungsaufwendungen in Höhe von 0,5 Prozent der Herstellungskosten pro Jahr sei aus dieser Betätigung in der eingeschlagenen Bewirtschaftungsform nicht mit dem Erreichen eines positiven Gesamtergebnisses innerhalb eines Zeitraumes von 20 bzw. 21 Jahren zu rechnen. Auch könnten die zinsmindernden Auswirkungen der für das Jahr 2020 geplanten außerordentlichen Sondertilgung in Höhe von 40.000 Euro in der Prognose nicht berücksichtigt werden. Somit sei von steuerlich unbeachtlicher Liebhaberei auszugehen und könnten die Verluste sowie, mangels Unternehmereigenschaft im Sinne des UStG, die Erlöse und Vorsteuern steuerlich nicht berücksichtigt werden.

Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung vom mit der Begründung abgewiesen, die vorgelegte Prognoserechnung weise gravierende Mängel auf. Weder das Mietausfallswagnis noch der Renovierungsbedarf seien angemessen berücksichtigt worden. Der Prognosezeitraum betrage nicht 23, sondern 22 Jahre. Entsprechend der zuletzt festgestellten Zinsentwicklung seien die Sollzinsen der Jahre 2011 – 2013 um je 600 Euro anzuheben. Hinsichtlich der für 2010 und 2020 ausgewiesenen Sondertilgungen sei kein Nachweis über die Kapitalaufbringung erbracht worden. Summarisch betrachtet führe die konkret festgestellte Bewirtschaftung kumuliert zu einen negativen Ergebnis von 7.782 Euro. Es handle sich deshalb um eine ertrag- und umsatzsteuerlich unbeachtliche Betätigung.

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag wurde ausgeführt, alle bekämpften Änderungen ergäben sich durch die Nichtanerkennung der Vermietung der Einlegerwohnung als Einkunftsquelle. Durch andere (quantitative) Ansätze in der Prognoserechnung gelangte der Bf. zu einem positiven Gesamtergebnis über den Prognosezeitraum.

Das BFG hat die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2006 bis 2008 mit Erkenntnis vom , RV/1100371/2011, als unbegründet abgewiesen. Begründend führte es aus, dass in der vom Bf. während der Streitjahre frei gewählten Bewirtschaftungsart (ohne Berücksichtigung der nicht von Anfang an fix geplanten Sondertilgungen) im Prognosezeitraum kein Gesamtüberschuss erzielbar gewesen sei. Wesentliche Ursache hierfür sei die frei gewählte, gänzliche Fremdfinanzierung der Anschaffung des vermieteten Objektes, somit das Nichtausschöpfen der Gewinnerzielungsmöglichkeiten. Diese Tätigkeit sei deshalb als Liebhaberei zu beurteilen.

Der Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2008 hat das BFG mit obig zitierten Erkenntnis Folge gegeben und ist somit von einer steuerpflichtigen, zum Vorsteuerabzug berechtigenden Vermietungstätigkeit des Bf. ausgegangen. Begründend wurde unter Verweis auf das Erkenntnis des , Folgendes ausgeführt:

„….Da die vom Bf. erbrachte Vermietungsleistung grundsätzlich marktüblich (jedenfalls nicht marktunüblich) ausgestaltet war, allerdings (so wie in mehr als 3000 anderen Vorarlberger Vermietungsfällen) hinsichtlich der Mietzinshöhe auf förderungsbedingt geltende, landesgesetzliche Zinsbeschränkungen Bedacht genommen hat, vermag ihr der Senat das Kriterium "wirtschaftlich" im Sinne der 6. MwSt-RL nicht abzusprechen. Dies umso mehr, als der entscheidende Grund für die einkommensteuerliche Qualifizierung als Liebhaberei die hohe Fremdfinanzierungsquote bildete. Blendet man aber diesen Umstand aus, was der Senat deshalb für zulässig, wenn nicht für geboten erachtet, weil die Finanzierung kein taugliches Kriterium zur Unterscheidung zwischen der Vermietung durch den letztverbrauchenden Konsumenten einerseits und der Vermietung seitens des leistungserbringenden Unternehmers andererseits darstellt, wozu noch kommt, dass die Bedeutung dieses Kriteriums eigentlich in der Sicherstellung des ertragsteuerlichen Substrats wurzelt, dann verlangt nach Überzeugung des Senates der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz nach wettbewerbsneutraler Besteuerung, dass die Widerlegung der Liebhabereivermutung für die sogenannte kleine Vermietung nicht generell unter Anlegung eines rein ertragssteuerrechtlichen Maßstabes erfolgen darf. Im Beschwerdefall gilt dies umso mehr, als die völlige Fremdfinanzierung (zum einen Teil durch billiges Geld vom Land und zum anderen durch einen sehr günstigen Frankenkredit) ua auf Grund der Frankeneinkünfte des Bf. nur ein relativ kleines Währungsrisiko barg und so gesehen als wirtschaftlich geradezu geboten bezeichnet werden muss.

Der Senat geht damit nicht so weit wie Rauscher (SWK 22/2013, 989), der in der jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () eine generelle Abkehr von bisherigen Beurteilungsgrundsätzen erkennt. Freilich vermag der Senat auch nicht zu erkennen, dass Vermietungen von einer Beurteilung nach dem zitierten Erkenntnis generell ausgeschlossen sein sollen. Denn die sogenannte kleine Vermietung fällt ebenso wie eine kleine Tierzucht unter § 1 Abs. 2 LVO und unterscheidet sich von dieser nicht grundlegend. Entscheidend ist die Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalles. Liegt der wesentliche Grund für die Verlustträchtigkeit einer Betätigung in der zwar insgesamt marktüblichen, aber die ertragsteuerliche Substanz gefährdenden Finanzierung gelegen, können gemeinschaftsrechtliche Überlegungen ua aus Gründen der Wettbewerbsneutralität zu einer umsatzsteuerlichen Beurteilung führen, die von der ertragsteuerlichen abweicht. Insoweit wird § 2 Abs. 5 Z 2 UStG vom Gemeinschaftsrecht verdrängt. …“

In der Folge hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ro 2015/15/0008, das Erkenntnis des , soweit es die Umsatzsteuer 2006 bis 2008 betraf, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Begründend verwies das Höchstgericht auf sein Erkenntnis vom , Ra 2014/15/0015, da der Revisionsfall hinsichtlich des rechtserheblichen Sachverhalts und der zu beantwortenden Rechtsfrage (umsatzsteuerliche Behandlung der so genannten „kleinen Vermietung“) jenem gleicht, der diesem Erkenntnis zugrunde lag.

Mit Erkenntnis vom , Ra 2014/15/0015, hat der VwGH zum Ausdruck gebracht, dass sich aus § 2 Abs. 5 Z 2 und § 28 Abs. 5 Z 4 UStG 1994 iVm der LVO 1993 ergebe, dass die dauerhaft verlustträchtige Vermietung einer Eigentumswohnung (anders als die im Erkenntnis vom zu beurteilende Schafzucht), auch wenn es sich dabei um eine unternehmerische Tätigkeit handelt, als steuerfreie Grundstücksvermietung nicht der Umsatzsteuer unterliege und kein Recht auf Vorsteuerabzug vermittle.

II. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

Durch die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses des BFG tritt die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses befunden hat (§ 42 Abs. 3 VwGG). Die Verwaltungsgerichte sind im fortgesetzten Verfahren verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen (§ 63 Abs. 1 VwGG).

Bereits mit Erkenntnis des , wurde die beschwerdegegenständliche Vermietung ertragsteuerlich als Liebhabereibetätigung beurteilt. Aufgrund des obig wiedergegebenen höchstgerichtlichen Erkenntnisses, an dessen Rechtsanschauung das BFG gebunden ist, war die betreffende Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 5 Z 2 und § 28 Abs. 5 Z 4 UStG 1994 iVm der LVO 1993 als steuerfreie Grundstücksvermietung zu bewerten, welche weder der Umsatzsteuer unterliegt und auch kein Recht auf Vorsteuerabzug vermittelt.

III. Zulässigkeit einer (ordentlichen) Revision:

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfrage, ob die Vermietungstätigkeit des Bf. umsatzsteuerpflichtig ist und diesen zum Vorsteuerabzug berechtigt, wurde vom VwGH in seinem Erkenntnis vom , Ro 2015/15/0008, geklärt. Daher sind die Voraussetzungen für die Zulassung einer ordentlichen Revision gemäß Art. 133 B-VG nicht gegeben.

Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.1100262.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at