Doppelte Haushaltsführung - Wohnsitz bei den Eltern
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache des A, Adresse, vertreten durch V, Rechtsanwalt, Adresse1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Bruck Leoben Mürzzuschlag vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2016 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
In seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2016 machte der Beschwerdeführer neben Sonderausgaben Reisekosten in der Höhe von 261,80 Euro, Kosten für Familienheimfahrten in der Höhe von 3.467,52 Euro, Kosten für doppelte Haushaltsführung in der Höhe von 5.826,58 Euro und sonstige Kosten in der Höhe von 85,96 Euro als Werbungskosten geltend.
Mit Bescheid vom wurden neben Sonderausgaben Werbungskosten in der Höhe von 284,76 Euro berücksichtigt. In der Begründung wurde ausgeführt, laut einem Telefonat sei der Beschwerdeführer in einem unbefristeten Dienstverhältnis in Ort2 tätig. Dort sei er seit dem Jahr 2012 mit Zweitwohnsitz wohnhaft. Im Einfamilienhaus der Eltern sei er Mitbewohner. Der Freibetrag für die Kosten einer doppelten Haushaltsführung bzw. für Familienheimfahrten könnten nicht berücksichtigt werden, da der dafür notwendige Familienwohnsitz gemäß § 4 der Pendlerverordnung am Wohnort der Eltern nicht vorliege. Ein Familienwohnsitz liege dort, wo ein in (Ehe)Partnerschaft oder in einer Lebensgemeinschaft lebender Steuerpflichtiger oder ein alleinstehender Steuerpflichtiger seine engsten persönlichen Beziehungen (zum Beispiel Familie, Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand habe. Der Steuerpflichtige habe einen eigenen Hausstand, wenn er eine Wohnung besitze, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspreche. Ein eigener Hausstand liege jedenfalls nicht vor, der der Steuerpflichtige Räumlichkeiten innerhalb eines Wohnverbandes einer oder mehrerer Person(en), die nicht (Ehe)Partner seien oder mit denen keine Lebensgemeinschaft bestehe, mitbewohne. Die beantragten Reisekosten nach Wien hätten nur für eine Anfangsphase von 15 Tagen berücksichtigt werden können, da der Beschwerdeführer an diesem Einsatzort wiederkehrend aber nicht regelmäßig tätig gewesen sei. Bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte zwischen 36.000 Euro und 60.000 Euro vermindere sich das Sonderausgabenviertel gleichmäßig in einem solchen Ausmaß, dass sich ab einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 60.000 Euro ein absetzbarer Betrag in der Höhe von 60 Euro ergebe.
Dagegen richtete sich die Beschwerde vom . Der Beschwerdeführer, vertreten durch V, Rechtsanwalt, brachte (auszugsweise) Folgendes vor:
„1 Relevanter Sachverhalt
Der Beschwerdeführer ist seit dem Jahr 2008 berufstätig in Ort2. Seit 2012 bewohnt er an seinem Zweitwohnsitz in Ort2 eine Wohnung im Ausmaß von 42 m2. Diese Wohnung besteht aus einer Wohnküche, einem Schlafzimmer und einem Badezimmer.
Der Hauptwohnsitz des Beschwerdeführer liegt in Ort1, PLZ1 Gemeinde. Er bewohnt dieses Einfamilienhaus gemeinsam mit seinen Eltern. Das Einfamilienhaus steht zurzeit noch im Eigentum der Eltern des Beschwerdeführers, jedoch ist dieser als künftiger Übernehmer der Liegenschaft vorgesehen. Dem Beschwerdeführer ist das Wohnen im Haus seiner Eltern gegen Mithilfe bei Arbeiten im Haus und Garten gestattet. Sind Entscheidungen bezüglich des Hauses zu Umbauarbeiten, Erneuerungen und Anschaffungen ect zu tätigen, so hat der Beschwerdeführer ein Mitbestimmungsrecht über zB die Durchführung bzw deren Art und Umfang.
Am Hauptwohnsitz in Ort1 bestehen für den Beschwerdeführer folgende Wohnmöglichkeiten: Er bewohnt im Einfamilienhaus ein eigenes Zimmer und benützt das Wohnzimmer, das Büro, den Keller, den Garten, den Wellnessbereich im Keller, den Dachboden und das Bad gemeinsam mit seinen Eltern. Am Hauptwohnsitz besitzt er zusätzlich noch einen Autoabstellplatz im Carport. Weiters befindet sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers am Hauptwohnsitzort in Ort1. Am Hauptwohnsitzort befinden sich nämlich seine Familie, sein Freundeskreis und seine gesellschaftlichen Anknüpfungspunkte. Der Beschwerdeführer ist in der dort örtlichen Landjugend und Feuerwehr tätig. Um die Termine bzw Veranstaltungen der örtlichen Vereine und der öffentlichen Körperschaft wahrzunehmen, ist der Beschwerdeführer auf seinen Hauptwohnsitz zusätzlich angewiesen.
Der Beschwerdeführer fährt in der Regel 1-2 Mal in der Woche von Ort2 nach Ort1 und retour. Er verbringt seine gesamte Freizeit in Ort1. Die Wohnung in Ort2 wird nur als Nächtigungsmöglichkeit während seiner Berufstätigkeit genutzt. In seiner Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2016 hat der Beschwerdeführer beim Finanzamt (…) für Miete und Betriebskosten des zweiten Wohnsitzes einen Betrag in Hohe von € 5.826,56 und für Familienheimfahrten € 3.467,52 geltend gemacht. Der Freibetrag für die Kosten einer doppelten Haushaltsführung bzw. von Familienheimfahrten wurde jedoch vom zuständigen Finanzamt mit folgender Begründung nicht berücksichtigt:
„ Laut (…).“
2 Rechtswidrigkeit des Inhaltes
Gemäß der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu 2009/13/0012 wurde wie folgt ausgesprochen:
„Vorweg ist insoweit, als sich die belangte Behörde in ihren Rechtsausführungen auf Judikatur des BFH bezieht, auf deren positiv rechtliche Grundlage in § 9 Abs. 1 S 3 Nr. 5 dEStG hinzuweisen. Eine doppelte Haushaltsführung im Sinne dieser Bestimmung liegt danach nur vor, wenn der Arbeitnehmer “außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält,“ beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort “wohnt“. Diese oder eine gleichlautende Regelung steht in Osterreich nicht in Geltung, und das Gesetz stellt auch nicht explizit auf das Vorliegen einer "doppelten Haushaltsführung" ab.“
Vielmehr ist laut der angeführten Entscheidung darauf abzustellen, ob Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 unter Berücksichtigung der im vorliegenden Zusammenhang vor allem zu beachtenden Abzugsverbote des § 20 Abs. 1 Z 1 und Z 2 lit a und e EStG 1988 vorliegen.
„Es trifft zu, dass bei der danach - ohne Sonderregelung von der Art der zitierten Bestimmung des dEStG - vorzunehmenden Abgrenzung zwischen Werbungskosten und Kosten der privaten Lebensführung auch in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum EStG 1988, soweit sie sich auf derartige Aufwendungen alleinstehender Arbeitnehmer bezieht, von Arbeitnehmern „mit eigenem Hausstand" die Rede ist. Dessen Fehlen ließe sich - nach der Auslegung des gleichlautenden Tatbestandsmerkmals im dEStG durch den BFH - für den hier vorliegenden Fall des Wohnens im Elternhaus aber anders, als dies in den Erwägungen der belangten Behörde zum Ausdruck kommt, nicht mit dem Fehlen fremdüblicher Vereinbarungen über eine Gegenleistung für das Einräumen der Wohnmöglichkeit oder mit dem Fehlen einer getrennten Haushaltsführung begründen.
Der BFH hat es, wie die Beschwerde zutreffend geltend macht, in der von der belangten Behörde zitierten Entscheidung genügen lassen, dass der Arbeitnehmer den Haushalt mitbestimmt und somit nicht in einem fremden Haushalt eingegliedert ist, und er hat ausdrücklich hervorgehoben, dass ein eigener Hausstand im Sinne der von ihm auszulegenden Bestimmung auch in einer unentgeltliche überlassenen Wohnung geführt werden könne (Vergleich zur Wohngemeinschaft mit den Eltern zuletzt etwa das Urteil des BFH , VI R 10/12)."
Entgegen der Begründung der belangten Behörde im Einkommenssteuerbescheid für 2016 vom , kann eine doppelte Haushaltsführung auch bestehen, wenn der Arbeitnehmer in einer Wohngemeinschaft mit den Eltern lebt und den Haushalt mitbestimmt. In diesem Fall ist die jeweilige Person nicht in einem fremden Haushalt eingegliedert. Ein eigener Hausstand kann auch in einer unentgeltlich überlassenen Wohnung geführt werden.
Vor diesem Hintergrund liegt daher eine unrichtige rechtliche Beurteilung der belangten Behörde vor, da die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass ein eigener Hausstand jedenfalls nicht vorliegt, wenn der Beschwerdeführer Räumlichkeiten innerhalt eines Wohnverbandes einer oder mehrerer Person(en), die nicht (Ehe)Partner sind oder mit denen keine Lebensgemeinschaft besteht, mitbewohnt. Diese Begründung wiederspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Von der belangten Behörde hätte in erster Linie zur Beurteilung des Vorliegens der doppelten Haushaltsführung festgestellt werden müssen, ob der Beschwerdeführer den Haushalt an seinem Hauptwohnsitz in Ort1 mitbestimmt und die Wohnung am Nebenwohnsitz in Ort2 seinen Wohnbedürfnissen weniger entspreche.
Da der Beschwerdeführer wie bereits oben angeführt ein Mitbestimmungsrecht bei Entscheidungen über die Liegenschaft am Hauptwohnsitz besitzt, ist er somit nicht in einem „fremden“ Haushalt eingegliedert. Weiters entspricht der Wohnsitz in Ort2 weniger den Bedürfnissen des Beschwerdeführers als der Wohnsitz in Ort1. Dies lässt sich dadurch begründen, dass dem Beschwerdeführer eine beachtlich höhere Anzahl an Zimmern zur Benutzung zur Verfügung steht und dies nicht mit der kleinen Wohnung in Ort2 vergleichbar ist. Aufgrund der am Hauptwohnsitzort ansässigen Familie und Freunde, der Tätigkeit und der damit verbundenen unzähligen Terminen in Vereinen und in der öffentlichen Körperschaft, ist es dem Beschwerdeführer auch nicht möglich seinen Hauptwohnsitz nach Ort2 zu verlegen.“
Der Beschwerdeführer stellt somit folgenden
ANTRAG:
Das Bundesfinanzgericht möge den bekämpften Bescheid im bekämpften Umfang aufheben und allenfalls nach Beweisergänzung und Berichtigung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes unter Berücksichtigung der Einwendungen des Beschwerdeführers dahingehend abändern, dass dem Beschwerdeführer der ihm zustehenden Freibetrag für die Kosten einer doppelten Haushaltsführung und Familienheimfahrten zugesprochen wird
in eventu
den angefochtenen Bescheid aufheben und an das Finanzamt (…) zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverweisen.“
Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde nach zusammengefasster Wiedergabe des Verfahrenslaufes ausgeführt:
„Die Ausgaben einer doppelten Haushaltsführung sind Werbungskosten iSd § 16 Abs 1 EStG 1988, wenn aus beruflichen Gründen zwei Wohnsitze geführt werden. Einer dieser Wohnsitze muss der Familienwohnsitz sein, der andere Wohnsitz muss sich am Beschäftigungsort befinden. Der Familienwohnsitz liegt dort, wo ein in Ehe(Partnerschaft) oder Lebensgemeinschaft Lebender oder ein Alleinstehender seine engsten persönlichen Beziehungen (bspw. zur Familie oder zum Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand hat. Der Berufswohnsitz ist dort, wo jemand persönlich anwesend sein muss um zu arbeiten und einen eigenen Hausstand hat. Einen „eigenen Hausstand" hat, wer eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht. Ein eigener Hausstand liegt jedoch nicht vor, wenn jemand Räumlichkeiten innerhalb eines, aus einer Person oder mehrerer Personen bestehenden, Wohnungsverbandes mitbewohnt, die nicht (Ehe)Partner oder Lebensgefährten sind ().
Aufwendungen für Familienheimfahrten eines Arbeitnehmers vom Wohnsitz am Arbeitsort zum Familienwohnsitz sind im Rahmen der durch § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG 1988 gesetzten Grenzen Werbungskosten, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen. Festzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer bereits seit 2008 in Ort2 arbeitet und seit 2012 dort auch eine Wohnung hat. In derselben Zeit stand ihm in Ort1 nur ein Zimmer zur Verfügung, während er am Wohnort in Ort2 eine Wohnung im Ausmaß von 42 m2 bewohnt. Soweit auf das Erkenntnis des VwGH zu 2009/13/0012 verwiesen wurde ist darauf hinzuweisen, dass im genannten Fall der Steuerpflichtige am Beschäftigungsort lediglich ein Fremdenzimmer bewohnte und damit am Beschäftigungsort über keinen eigenen Hausstand verfügte. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Fall weicht daher vom gegenständlichen ab (vgl. auch ).
Da der Beschwerdeführer in seinem Elternhaus nur ein Zimmer alleine benutzt und alle für einen eigenen Hausstand erforderlichen Räume mit seinen Eltern gemeinsam benutzt, hat er in seinem Elternhaus keinen eigenen Hausstand sondern ist nur „Mitbewohner" in einem aus ihm selbst und seinen Eltern bestehenden Wohnungsverband (vgl. ).
Die Wohnung in Ort2 hingegen ist 42 m2 groß und besteht aus einer Wohnküche, einem Schlafzimmer und einem Badezimmer. Daher scheint die Wohnung geeignet, darin einen eigenen Hausstand zu begründen. Diese Wohnung entspricht mehr den Wohnbedürfnissen des Beschwerdeführers als das zu einem Wohnungsverband gehörende Zimmer in seinem Elternhaus.
Aus den genannten Gründen ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Elternhaus in Ort1 keinen eigenen Haushalt geführt hat, sondern nur in der Wohnung in Ort2 einen eigenen Hausstand begründet hat. Die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung der Kosten der doppelten Haushaltsführung liegen in weiterer Folge nicht vor, weshalb die beantragten Kosten nicht berücksichtigt werden können. Auch die Aufwendungen für Familienheimfahrten können mangels Vorliegen der Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung nicht berücksichtigt werden.“
Dagegen richtete sich der Vorlageantrag vom . Der Beschwerdeführer, wiederum vertreten durch V, Rechtsanwalt, brachte im Wesentlichen vor, wie in der Bescheidbeschwerde ausgeführt habe es der Bundesfinanzhof genügen lassen, dass der Arbeitnehmer den Haushalt mitbestimme und somit nicht in einen fremden Haushalt eingegliedert sei. Dieser habe auch ausdrücklich hervorgehoben, dass ein eigener Hausstand auch in einer unentgeltlich überlassenen Wohnung geführt werden könne. Der Hauptwohnsitz in Ort1 biete dem Beschwerdeführer mehr Quadratmeter an Nutzfläche und entspreche somit mehr seinen Lebensbedürfnissen. In Ort1 befinde sich auch der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen, wie Familie, Freundeskreis und gesellschaftliche Anknüpfungspunkte. Der Beschwerdeführer sei auf seinen Hauptwohnsitz angewiesen, um die Termine bzw. Veranstaltungen der örtlichen Vereine und öffentlichen Körperschaften wahrnehmen zu können. Es sei dem Antragsteller nicht zumutbar, seinen Hauptwohnsitz nach Ort2 zu verlegen. Der Beschwerdeführer führe vor diesem Hintergrund im Elternhaus einen eigenen Haushalt. Es liege eine unrichtige rechtliche Beurteilung der belangten Behörde vor. Abschließend stellte der Beschwerdeführer den Antrag, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Der alleinstehende Beschwerdeführer ist seit seiner Geburt in Ort1, PLZ1 Gemeinde, mit Hauptwohnsitz und seit in Straße, PLZ2, mit Nebenwohnsitz gemeldet. In Ort1, PLZ1 Gemeinde, bewohnt der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinen Eltern ein im Eigentum der Eltern stehendes Einfamilienhaus. Dort verfügt der Beschwerdeführer über ein eigenes Zimmer, die restlichen Räume benützt er gemeinsam mit seinen Eltern; dort benützt er auch einen Abstellplatz in einem Carport für sein Kraftfahrzeug. In Adresse, bewohnt der Beschwerdeführer eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 42 m², welche aus einer Wohnküche, einem Schlafzimmer und einem Badezimmer besteht. Der Beschwerdeführer ist durchgehend seit am Standort Ort2 eines Unternehmens beschäftigt.
Aufgrund der Vorbringen des Beschwerdeführers und der vom Bundesfinanzgericht durchgeführten Abfragen wurde der vorstehende Sachverhalt als erwiesen erachtet. Zum einen decken sich die Vorbringen mit den Ergebnissen der Abfragen, zum anderen hat auch die belangte Behörde diese ihren Entscheidungen zugrunde gelegt. Die in den Schriftsätzen des Beschwerdeführers enthaltenen Ausführungen ließen den Schluss zu, dass dieser im Veranlagungsjahr alleinstehend war. Zum einen wurden gegenteilige Behauptungen nicht vorgebracht, zum anderen wird in der Beschwerdeschrift von einer Wohngemeinschaft mit den Eltern ausgegangen, eine solche lässt nach allgemeiner Lebenserfahrung ein Leben in einer Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft ausschließen. Stütze fand dies durch die Abfrage im Zentralen Melderegister, dort war der Familienstand mit ledig ausgewiesen.
Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Nach § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Ebenso nicht abgezogen werden dürfen gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen (lit. a) und Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen (lit. e). Kosten der Haushaltsführung stellen demnach grundsätzlich keine Werbungskosten dar.
Aufwendungen des Steuerpflichtigen für eine doppelte Haushaltsführung (Familienwohnsitz, weiterer Wohnsitz am Beschäftigungsort) sind steuerlich nur zu berücksichtigen, wenn eine berufliche Veranlassung für die doppelte Haushaltsführung besteht. Von einer beruflichen Veranlassung ist dem Grunde nach auszugehen, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen so weit von seinem Beschäftigungsort entfernt ist, dass ihm die tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes noch als durch die Einkunftserzielung veranlasst gilt ().
Die Berücksichtigung von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung ist also von folgenden zwei Voraussetzungen abhängig:
- Der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen ist von seinem Beschäftigungsort so weit entfernt, dass ihm die tägliche Rückfahrt nicht zugemutet werden kann, und
- dem Steuerpflichtigen kann eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden.
Nach der Verwaltungspraxis ist Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 120 Kilometer entfernt ist (Schubert in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG §16 Rz 25). In begründeten Einzelfällen kann auch bei einer kürzeren Wegstrecke Unzumutbarkeit anzunehmen sein, etwa wenn besonders schwierige Straßen- und Verkehrsverhältnisse vorliegen (zum Beispiel schwer befahrbare Berg- oder Passstraße).
Die Entfernung zwischen dem Wohnsitz in Ort1, PLZ1 Gemeinde, und dem Beschäftigungsort in Ort2 beträgt laut Routenplaner ( www.google.at/maps) 85,7 Kilometer. Die Fahrzeit beträgt laut dieser vom Bundesfinanzgericht durchgeführten Abfrage 63 Minuten. Der Beschwerdeführer hat in einer der belangten Behörde vorgelegten Aufstellung die einfache Strecke zwischen Ort1, PLZ1 Gemeinde, und Adresse, mit 86 Kilometer ausgewiesen. Die vom Bundesfinanzgericht durchgeführte Abfrage deckt sich somit im Wesentlichen mit den Angaben des Beschwerdeführers. Eine besondere Unzumutbarkeit lässt sich dem Streckenverlauf nicht entnehmen und ist allgemein auch nicht bekannt. Im Gegenteil, die Hälfte der Strecke ist auf einer mehrspurigen Schnellstraße, der Rest auf einer Bundesstraße zurück zu legen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz bei einer Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Familienwohnort von 78, 83 oder 73 Kilometer jedenfalls zumutbar. Aus der genannten Rechtsprechung lässt sich auch ableiten, dass nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes bei einer Fahrzeit für die einfach Strecke von rund einer Stunde die tägliche Rückkehr zumutbar ist. Ob dem Beschwerdeführer die tägliche Rückfahrt zwischen dem Dienstort in Ort2 und dem Wohnort in Ort1, PLZ1 Gemeinde, mit einer Fahrzeit von 63 Minuten zumutbar war, kann jedoch aus den nachfolgend angeführten Erwägungen dahingestellt bleiben.
Berufliche Veranlassung der mit einer doppelten Haushaltsführung verbundenen Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen und deren daraus resultierende Qualifizierung als Werbungskosten liegt nur dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei die Unzumutbarkeit unterschiedliche Ursachen haben kann. Solche Ursachen müssen aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektiven Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (). Bei Vorliegen der Voraussetzungen kann auch eine auf Dauer angelegte Haushaltsführung gerechtfertigt sein. Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer mit eigenem Haushalt können für eine gewisse Übergangszeit Fahrtkosten und Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten anerkannt werden. Die Verwaltungspraxis geht bei unverheirateten Arbeitnehmern von einem Zeitraum von sechs Monaten aus. Wenn es allerdings bereits zu einer Verlegung des (Familien)Wohnsitzes an den Arbeitsort gekommen ist, können Fahrtkosten und Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung nicht zu Werbungskosten führen ().
Familienwohnsitz ist nach der Rechtsprechung jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehegatten oder ein unverheirateter Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Person bildet (). Auch ein allein stehender Steuerpflichtiger kann einen „Familienwohnsitz“ haben. Dies ist jener Ort, an dem er seine engsten persönlichen Beziehungen (Eltern, Freunde) hat. Begründet ein allein stehender Steuerpflichtiger am Beschäftigungsort einen Wohnsitz, ist besonders zu prüfen, ob nicht entweder von einer erstmaligen Hausstandsgründung oder von einer Wohnsitzverlegung auszugehen ist. Ein Zimmer bei den Eltern ist nicht als Haushalt anzusehen ().
Gemäß § 4 Abs. 1 der Verordnung der Bundesministerin für Finanzen über Kriterien zur Ermittlung des Pendlerpauschales und des Pendlereuros, zur Einrichtung eines Pendlerrechners und zum Vorliegen eines Familienwohnsitzes, BGBl. II Nr. 276/2013, (Pendlerverordnung) liegt ein Familienwohnsitz (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. f und § 20 Abs. 1 Z 2 lt. e EStG 1988) dort, wo
1. ein in (Ehe)Partnerschaft oder in Lebensgemeinschaft lebender Steuerpflichtiger oder
2. ein alleinstehender Steuerpflichtiger
seine engsten persönlichen Beziehungen (zum Beispiel Familie, Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand (Abs. 2) hat.
Gemäß § 4 Abs. 2 Pendlerverordnung hat der Steuerpflichtige einen eigenen Hausstand, wenn er eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht. Ein eigener Hausstand liegt jedenfalls nicht vor, wenn der Steuerpflichtige Räumlichkeiten innerhalb eines Wohnverbandes einer oder mehrerer Person(en), die nicht (Ehe)Partner sind oder mit denen eine Lebensgemeinschaft besteht, mitbewohnt. Diese Definition des Familienwohnsitzes entspricht somit im Wesentlichen den von der Verwaltungspraxis und der Judikatur entwickelten Kriterien (Jakom/Lenneis EStG, 2018, § 16 Rz 56).
Der Beschwerdeführer verfügte in dem im Eigentum seiner Eltern stehenden Einfamilienwohnhaus über ein eigenes Zimmer und konnte die restlichen Räume mitbenutzen. Nach den (ab dem Veranlagungsjahr 2014 geltenden) einschlägigen Bestimmungen verfügte der Beschwerdeführer in Ort1, PLZ1 Gemeinde, nicht über einen eigenen Hausstand. Mangels eigenen Hausstands konnte dieser Wohnsitz nicht Familienwohnsitz sein (Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, § 16 Abs. 1 Z 6 Rz 73). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführer s kam es nach der für das Veranlagungsjahr geltenden Rechtslage – nicht so wie nach der vom Beschwerdeführer genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () zu der Rechtslage vor Inkrafttreten der Pendlerverordnung - auf eine Mitbestimmung nicht an. Mangels eines Familienwohnsitzes in Ort1, PLZ1 Gemeinde, waren Kosten der doppelten Haushaltsführung nicht zu berücksichtigen.
Ergänzend ist festzuhalten, dass der Beschwerde auch dann der Erfolg versagt geblieben wäre, wenn der Beschwerdeführer in Ort1, PLZ1 Gemeinde, über einen Familienwohnsitz verfügt hätte. Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung als unzumutbar ansieht. Die Abgabenbehörde ist in einem solchen Fall nicht verhalten, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen (; ).
Der Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen, jedoch ist es einem Steuerpflichtigen nach einer gewissen Zeit in aller Regel zumutbar, den Familienwohnsitz in den Nahebereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen. Bei ledigen Steuerpflichtigen geht die Verwaltungspraxis von einem Zeitraum von sechs Monaten aus. Der Beschwerdeführer arbeitet seit dem Jahr 2008 in Ort2 und verfügt dort seit September 2012 über einen Wohnsitz. Bei den vom Beschwerdeführer genannten Gründen, in Ort1, PLZ1 Gemeinde, befänden sich Familie (also Eltern, Geschwister, etc.) und Freunde und er sei dort bei Vereinen tätig, hätte es sich ausschließlich um persönliche (private) Gründe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes gehandelt; solche könnten eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung nicht begründen und Aufwendungen aus dem Titel der doppelten Haushaltsführung wären auch bei Vorliegen eines Familienwohnsitzes in Ort1, PLZ1 Gemeinde, nicht zu berücksichtigen gewesen.
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. f EStG 1988 ist bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze für die Berechnung des Pendlerpauschales entweder der zur Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz oder der Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) maßgeblich. Mangels eines Familienwohnsitzes in Ort1, PLZ1 Gemeinde, waren die Ausgaben des Beschwerdeführers für Fahrten zwischen dem der Arbeitsstätte nächstgelegenen Wohnsitz in Adresse, und der Arbeitsstätte mit dem Verkehrsabsetzbetrag abgegolten (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. a EStG 1988). Die Wegstrecke zwischen diesen beiden Orten beträgt laut Pendlerrechner weniger als 2 Kilometer.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht ist von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen, sondern hat sich auf diese sowie auf den klaren und eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen gestützt.
Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, ist eine Revision nicht zulässig.
Aus den dargestellten Erwägungen war spruchgemäß zu entscheiden.
Graz, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 4 Abs. 1 Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013 § 4 Abs. 2 Pendlerverordnung, BGBl. II Nr. 276/2013 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.2100495.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at