"Maßnahmenbeschwerde" einer bereits gelöschten GmbH
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache NN , betreffend den Verwaltungsakt des FA vom wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form von Prüfungshandlungen im Sinne des § 147 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) hinsichtlich der Firma RW GmbH beschlossen:
Die Maßnahmenbeschwerde wird gemäß § 283 Abs. 4 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Beim Bundesfinanzgericht langte am eine mit datierte und als Maßnahmenbeschwerde nach § 283 bezeichnete Eingabe betreffend die RW GmbH ein.
Der Einschreiter war alleinbefugter organschaftlicher Vertreter dieser GmbH. Alleingesellschafterin der GmbH war eine Aktiengesellschaft, die bereits am im Firmenbuch gelöscht worden war.
Im Schriftsatz vom wird der angefochtene Verwaltungsakt wie folgt bezeichnet:
Lfd. „Betriebsprüfungen“ 2011 – 2016 „und Erhebungen“ von Abgaben;
Rechtslage und Erwägungen
Gemäß § 283 Abs. 1 Satz 1 BAO kann gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Abgabenbehörden wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde (Maßnahmenbeschwerde) erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Der Einschreiter geht davon aus, dass das Finanzamt bei der RW GmbH Prüfungshandlungen im Sinne des § 147 Abs. 1 BAO ohne entsprechenden Prüfungsauftrag (§ 148 Abs. 2 BAO) setze.
Diese Prüfungshandlungen seien mangels Prüfungsauftrag als rechtswidriger Verwaltungsakt bei einem bereits gelöschten Steuersubjekt und somit als Maßnahme gemäß § 283 BAO anzusehen.
Nach § 79 BAO gelten für die Rechts- und Handlungsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Zur Handlungsfähigkeit von Kapitalgesellschaften zählt auch die Geschäftsfähigkeit, die Fähigkeit, sich selbst durch eigenes rechtsgeschäftliches Handeln zu berechtigen und zu verpflichten.
Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist als juristische Person zwar rechtsfähig (Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4, § 26 Rz 24), kann jedoch nur durch ihre hiezu befugten (berufenen oder bestellten) Organe (Vertreter) rechtswirksam handeln (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 79 Anm. 11). Die Gesellschaft muss einen oder mehrere Geschäftsführer haben. Zu Geschäftsführern können nur physische, handlungsfähige Personen bestellt werden. Die Bestellung erfolgt durch Beschluss der Gesellschafter (§ 15 Abs. 1 GmbHG).
Ohne vertretungsbefugte Organe ist eine GmbH nicht handlungsfähig.
Die RW GmbH wurde am im österreichischen Firmenbuch gemäß § 40 FBG gelöscht.
Die Auflösung und Löschung einer im Firmenbuch eingetragenen juristischen Person hat bloß deklaratorischen Charakter und beendet die Rechtsfähigkeit nicht, solange Vermögen vorhanden ist () und Rechtsverhältnisse zu Dritten nicht vollständig abgewickelt sind (vgl. Ritz, BAO6, § 79, Tz 11 und die dort angeführte höchstgerichtliche Judikatur). Bis zur Vollbeendigung braucht die aufgelöste Gesellschaft einen gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter. Grundsätzlich fungiert der vormalige Geschäftsführer als „geborener Liqudiator“ (vgl. zB ).
Der Auflösung folgt i.d.R. die Liquidation oder Abwicklung (§ 89 GmbHG). Nach Beendigung der Liquidation und Entlastung der Liquidatoren erfolgt die Löschung im Firmenbuch. Sollte nach Beendigung der Liquidation an die im Firmenbuch gelöschte GmbH eine Zustellung zu erfolgen haben, normiert § 80 Abs 3 BAO, dass Vertreter einer aufgelösten GmbH nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.
Diese Vertretungsregelung erfasst aber nur jene Fälle, in denen eine Liquidation (§ 89 GmbHG) stattgefunden hat. Nicht erfasst sind Fälle, in denen eine Kapitalgesellschaft gemäß § 40 Abs. 1 FBG wegen Vermögenslosigkeit durch das Gericht gelöscht wird.
Mit der Löschung gemäß § 40 Abs. 1 FBG ist nach der Rechtsprechung des OGH auch der Wegfall der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft verbunden (; ).
Somit liegt im gegenständlichen Fall eine Vollbeendigung der gelöschten GmbH vor. Damit ist auch die Funktion des Einschreiters als organschaftlicher Vertreter der GmbH erloschen
Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist eine Beschwerde zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist. Eine Beschwerde ist zB bei mangelnder Aktivlegitimation des Einschreiters unzulässig (vgl. Ritz, a. a. O., § 260 Tz 5).
Die Löschung der GmbH im Firmenbuch ist unstrittig, womit auch die organschaftliche Vertretung des Einschreiters Bf. für die GmbH weggefallen ist. Der Einschreiter ist folglich nicht befugt, hinsichtlich etwaiger Amtshandlungen betreffend die gelöschte, ehemals von ihm vertretene GmbH mit einer Maßnahmenbeschwerde zu bekämpfen.
Da dem Einschreiter als ehemaligem Geschäftsführer der gelöschten GmbH die Legitimation, für die GmbH eine Maßnahmenbeschwerde einzubringen, fehlt, war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
Im Übrigen wird darauf verwiesen, dass im gegenständlichen Fall - neben der mangelnden Legitimation - auch die weiteren Voraussetzungen für eine Maßnahmenbeschwerde fehlen.
Die Rechtsprechung definiert die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt folgendermaßen:
„Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar – dh ohne vorangegangenen Bescheid – in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als ‚Zwangsgewalt‘, zumindest aber als – spezifisch verstandene – Ausübung von ‚Befehlsgewalt‘ gedeutet werden kann. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt ein ausdrücklicher Befolgungsanspruch nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist“ ().
Im gegenständlichen Beschwerdefall wird die Durchführung einer Außenprüfung und die Einvernahme als Auskunftsperson gerügt. Diesen Amtshandlungen fehlt es aber an einem Anfechtungsgegenstand, welcher als physische "Zwangsgewalt" (wie Festnahme, Beschlagnahme, Betreten eines Hauses und Nachschau in einigen Zimmern, Vollstreckungshandlungen ohne vorhergehenden Vollstreckungsauftrag, Hausdurchsuchung, Personendurchsuchung), zumindest aber als Ausübung von "Befehlsgewalt", gedeutet werden könnte.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Unzulässigkeit des Einschreitens im Fall der fehlenden Vertretereigenschaft hinreichend geklärt. Es liegt auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die Revision unzulässig ist.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 40 FBG, Firmenbuchgesetz, BGBl. Nr. 10/1991 |
Schlagworte | "Maßnahmenbeschwerde" durch den ehemaligen Geschäftsführer einer gem. § 40 FBG gelöschten GmbH |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RM.2100011.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at