"Maßnahmenbeschwerde" einer gelöschten Ltd.
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache NN, betreffend den Verwaltungsakt des FA vom wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form von Prüfungshandlungen im Sinne des § 147 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) hinsichtlich der Firma R_Ltd beschlossen:
Die Maßnahmenbeschwerde wird gemäß § 283 Abs. 4 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Beim Bundesfinanzgericht langte am eine mit datierte und als Maßnahmenbeschwerde nach § 283 bezeichnete Eingabe betreffend die R_Ltd ein.
Die R_Ltd war eine nach englischem Gesellschaftsrecht (Companies Act) mit errichtete Private Limited Company und war im englischen Gesellschaftsregister (House of Companies) eingetragen. Als "Director" wurde der Einschreiter geführt.
Am wurde diese Ltd. im englischen Gesellschaftsregister gelöscht.
Der OGH hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass die Löschung im englischen Register konstitutiv wirkt. Die Beendigung (dissolution) bewirkt, dass die Existenz der Gesellschaft als Rechtsträger (juristische Person) aufhört und die Vertretungsbefugnisse enden (vgl. und die dort weitere angeführte Judikatur und Lehrmeinungen). Mit der Löschung einer solchen Gesellschaft im Gesellschaftsregister hört diese nach englischem Recht zu existieren auf.
Ist eine Gesellschaft nach dem für sie maßgeblichen Recht des Gründungsstaates erloschen, ist dieser Status auch in Österreich rechtsverbindlich, weil sich die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer in einem Mitgliedstaat errichteten Gesellschaft nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nach dem Recht des Gründungsstaates beurteilt, auch wenn sie im Gründungsstaat nur ihren statutarischen Sitz hat und dort keine Geschäftstätigkeit entfaltet.
Damit gilt bzw. galt für die Ltd. das englische Gesellschaftsrecht. Sie ist seit ihrer Löschung im Gesellschaftsregister am nicht mehr handlungs- und prozessfähig und endete somit die rechtliche Existenz der Limited.
Hinsichtlich einer amtswegigen Löschung einer österreichischen GmbH nach § 40 FBG ist festzustellen:
Die Auflösung und Löschung einer im Firmenbuch eingetragenen juristischen Person hat bloß deklaratorischen Charakter und beendet die Rechtsfähigkeit nicht, solange Vermögen vorhanden ist () und Rechtsverhältnisse zu Dritten nicht vollständig abgewickelt sind (vgl. Ritz, BAO6, § 79, Tz 11 und die dort angeführte höchstgerichtliche Judikatur). Bis zur Vollbeendigung braucht die aufgelöste Gesellschaft einen gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter. Grundsätzlich fungiert der vormalige Geschäftsführer als „geborener Liqudiator“ (vgl. zB ).
Der Auflösung folgt i.d.R. die Liquidation oder Abwicklung (§ 89 GmbHG). Nach Beendigung der Liquidation und Entlastung der Liquidatoren erfolgt die Löschung im Firmenbuch. Sollte nach Beendigung der Liquidation an die im Firmenbuch gelöschte GmbH eine Zustellung zu erfolgen haben, normiert § 80 Abs. 3 BAO, dass Vertreter einer aufgelösten GmbH nach Beendigung der Liquidation ist, wer nach § 93 Abs. 3 GmbHG zur Aufbewahrung der Bücher und Schriften der aufgelösten Gesellschaft verpflichtet ist oder zuletzt verpflichtet war.
Diese Vertretungsregelung erfasst aber nur jene Fälle, in denen eine Liquidation (§ 89 GmbHG) stattgefunden hat. Nicht erfasst sind Fälle, in denen eine Kapitalgesellschaft gemäß § 40 Abs. 1 FBG wegen Vermögenslosigkeit durch das Gericht gelöscht wird.
Mit der Löschung gemäß § 40 Abs. 1 FBG ist nach der Rechtsprechung des OGH auch der Wegfall der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft verbunden (; ).
Aus den zitierten Entscheidungen und Gesetzesstellen muss geschlossen werden, dass, wenn bei einer Vollbeendigung einer vermögenslosen österreichischen GmbH deren Vertretungsbefugnisse wegfallen, dies umso mehr für eine aufgelöste britische Limited gelten muss.
Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist eine Beschwerde zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist. Eine Beschwerde ist zB bei mangelnder Aktivlegitimation des Einschreiters unzulässig (vgl. Ritz, a. a. O., § 260 Tz 5).
Die Löschung der Ltd. im englischen Gesellschaftsregister ist unstrittig - siehe dazu den Eintrag zu company number xxx - , womit auch die organschaftliche Vertretung des Einschreiters weggefallen ist. Der Einschreiter ist folglich nicht befugt, hinsichtlich etwaiger Amtshandlungen betreffend die gelöschte, ehemals von ihm vertretene Ltd. mit einer Maßnahmenbeschwerde zu bekämpfen.
Die Beschwerde war daher als unzulässig zurückzuweisen.
Im Übrigen wird darauf verwiesen, dass im gegenständlichen Fall - neben der mangelnden Legitimation - auch die weiteren Voraussetzungen für eine Maßnahmenbeschwerde fehlen würden.
Die Rechtsprechung definiert die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt folgendermaßen:
„Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar – dh ohne vorangegangenen Bescheid – in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als ‚Zwangsgewalt‘, zumindest aber als – spezifisch verstandene – Ausübung von ‚Befehlsgewalt‘ gedeutet werden kann. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt ein ausdrücklicher Befolgungsanspruch nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist“ ().
Im gegenständlichen Beschwerdefall werden die Durchführung einer Außenprüfung und die Einvernahme als Auskunftsperson gerügt. Diesen Amtshandlungen fehlt es aber an einem Anfechtungsgegenstand, welcher als physische "Zwangsgewalt" (wie Festnahme, Beschlagnahme, Betreten eines Hauses und Nachschau in einigen Zimmern, Vollstreckungshandlungen ohne vorhergehenden Vollstreckungsauftrag, Hausdurchsuchung, Personendurchsuchung), zumindest aber als Ausübung von "Befehlsgewalt", gedeutet werden könnte.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Rechtsfrage der Unzulässigkeit eines Einschreitens im Fall der fehlenden Vertretereigenschaft ist hinreichend geklärt. Eine ungeklärte Rechtsfrage liegt folglich nicht vor, ebenso wenig eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, weshalb die Revision unzulässig ist.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 40 FBG, Firmenbuchgesetz, BGBl. Nr. 10/1991 |
Schlagworte | Für eine in England gelöschte Ltd. ist § 40 FBG analog anzuwenden. |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RM.2100010.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at