Verfahrenswiederaufnahme
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache A als gesetzlicher Vertreter der Bf., vertreten durch Tiefengraber & Partner Wirtschafts- und Steuerberatung Ges.m.b.H., 2340 Mödling, Bachgasse 10, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom betreffend 1.) Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren 2005 und 2006 und 2.) Körperschaftsteuer 2005 und 2006 entschieden:
Der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren 2005 und 2006 wird stattgegeben. Die Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.
Die Bescheide betreffend Körperschaftsteuer 2005 und 2006 treten außer Kraft.
Die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Körperschaftsteuer 2005 und 2006 wird gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO idgF als unzulässig (geworden) zurückgewiesen.
Gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
1. Als die im Spruch angeführten Bescheide angefochten wurden, war der Unabhängige Finanzsenat für die Rechtsmittelerledigung zuständig. Diese Zuständigkeit des Unabhängigen Finanzsenates endete am . An seine Stelle trat am das Bundesfinanzgericht (BFG), das alle mit Ablauf des anhängigen Rechtsmittelverfahren – und damit auch dieses Rechtsmittelverfahren – weiterführt. Mit Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit () haben sich die Bezeichnungen der Rechtsmittel geändert. Das Bundesfinanzgericht verwendet in seinen Verfahren die verwaltungsgerichtsübliche Terminologie: „Berufungen“ werden als „Beschwerden“ bezeichnet, „Berufungsvorentscheidungen“ als „Beschwerdevorentscheidungen“ und „Berufungswerberinnen“ als „Beschwerdeführerinnen“ (Bf.).
2. Die Beschwerdeführerin (Bf.) wurde am als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) errichtet. Alleingesellschafter war A, der sein Einzelunternehmen am in die GmbH einbrachte.
3. Lt. Außenprüfungsbericht vom sei die Körperschaftsteuer 2005 und 2006 wegen der Feststellungen in den Textziffern (Tz) „4, 5, 6, 7, 8, 9 u.a.“ (© Außenprüfungsbericht) wieder aufzunehmen.
3.1. Über die Verrechnungskonten „A“ und „Vermietung“ wurde in Tz 4 und Tz 8 des Außenprüfungsberichtes vom festgestellt:
Über beide Verrechnungskonten wurden Privatentnahmen und Privateinlagen des Alleingesellschafters A gebucht. Die Privatentnahmen wurden größtenteils für den 2004 fremdfinanziert angeschafften Reitstall verwendet (Rückzahlung Darlehen, Finanzierung Ansparveranlagungsprodukt).
Mit Darlehensvertrag vom gewährte die GmbH ihrem Alleingesellschafter ein bis zurückzahlbares, mit 4% verzinstes und mit den Ansprüchen aus dem Dienstverhältnis des Alleingesellschafters besichertes, Darlehen iHv EUR 1.450.000,00.
Der Prüfer würdigte diese Sachlage in Tz 4 des Außenprüfungsberichtes wie folgt: Da für den Zeitraum vor dem kein mit dem Darlehensvertrag vergleichbarer Rechtstitel vorliege, habe die GmbH die Entnahmen vor dem verdeckt an den Alleingesellschafter A ausgeschüttet.
Die gewinnmindernd gebuchten Zinsen aus dem Privatkredit, mit dem der Alleingesellschafter A ein Grundstück und den Reitstall finanziert hatte, seien auch verdeckt an ihn ausgeschüttet worden (Tz 8 des Außenprüfungsberichtes).
Die Entnahmen – Verrechnungskonten lt. Tz 4 des Außenprüfungsberichtes und der Zinsaufwand lt. Tz 8 des Außenprüfungsberichtes seien der GmbH Einkünfte erhöhend hinzuzurechnen.
3.2. In Tz 5 – Verzinsung Verrechnungskonten wird festgestellt, dass das Darlehen Verrechnungskonto lt. Darlehensvertrag mit 4% jährlich zu verzinsen sei und dass die Zinsen den Verrechnungskonten anzulasten seien.
3.3. Tz 6 enthält eine Darstellung der Bilanzposten; Tz 7 die passive Rechnungsabgrenzung und in Tz 9 Abfertigungsrückstellung wird festgestellt, dass erstmalig eine Abfertigungsrückstellung zu bilden sei.
4. Am nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 2005 und 2006 wieder auf, begründete die Wiederaufnahmen mit Feststellungen aus einem Außenprüfungsbericht und der Niederschrift - Schlussbesprechung und erließ prüfungskonforme Körperschaftsteuerbescheide 2005 und 2006, die innerhalb 1 Monats ab Zustellung mit Beschwerde anfechtbar waren und innerhalb verlängerter Rechtsmittelfrist mit der Beschwerde vom angefochten wurden.
Die Beschwerdeausführungen sinngemäß zusammengefasst bestreitet die GmbH, das objektive und subjektive Tatbild der verdeckten Ausschüttung erfüllt zu haben. Wie Tz 4 zu entnehmen sei, habe es bereits vor dem Darlehensvertrag vom einen Darlehensvertrag mit Rückzahlungsplan gegeben, weshalb sich das Vermögen der GmbH nicht vermindert habe. Da jede Entnahme lt. Rz 933 der Körperschaftsteuerrichtlinien ein rückzahlungspflichtiger Vorgang sei, liege eine Darlehensaufnahme vor, wenn die Entnahme über das Verrechnungskonto des Gesellschafters erfasst werde.
Für alle Einlagen und Entnahmen aus der Zeit des Einzelunternehmens von 01/2005 bis 09/2005 gelte der Einbringungsvertrag als Rechtstitel. Für die Entnahmen von 10/2005 bis 07/2006 sei ein fremdüblicher Darlehensvertrag der Rechtstitel. Für alle Buchungen aufgrund des Einbringungsvertrages vom sei der Einbringungsvertrag der Rechtstitel. Für die Buchungen aufgrund einer später durchgeführten Außenprüfung lägen verbindliche Abgabenbescheide vor.
Die GmbH habe nicht gewusst und gewollt, ihrem Alleingesellschafter Vorteile zu gewähren. Woraus das subjektive Tatbild bestehe, werde nicht begründet.
Die GmbH habe keinen vermögenswerten Vorteil zugewendet, da es eine mit dem Darlehensvertrag vom eine gedeckte, gesellschaftsrechtliche Forderung an den Alleingesellschafter gebe, weshalb die GmbH nicht bewusst und gewollt verdeckt ausgeschüttet habe.
5. Aus den Verwaltungsakten:
Die Einbringungsbilanz zum ist nicht gemäß § 16 Abs 5 Z 1 – 3 Umgründungssteuergesetz verändert worden.
6. BFG – Mängelbehebungsverfahren:
6.1. Mit Beschluss vom , zugestellt am , wurde der Bf. aufgetragen, bei der Beschwerde gegen die Verfahrenswiederaufnahme – Körperschaftsteuer 2005 und 2006 die Beschwerdepunkte anzugeben (§ 250 Abs 1 lit b BAO idgF), die beantragten Änderungen anzugeben (§ 250 Abs 1 lit c BAO idgF) und die Beschwerde zu begründen (§ 250 Abs 1 lit d BAO idgF).
Die 2-monatige Antwortfrist endete am .
6.2. Am antwortete die Bf., dass die Verfahrenswiederaufnahmebescheide betreffend Körperschaftsteuer 2005 und 2006 im vollen Umfang angefochten werden und deren ersatzlose Aufhebung beantragt wird. Begründend wurde aus dem Erkenntnis , zitiert und dazu vorgebracht: „Die Wiederaufnahme stützt sich auf die Feststellungen in der Niederschrift über die Schlussbesprechung und den Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom , insbesondere auf Tz 5, Tz 7, Tz 8 und Tz 9. Die größten Auswirkungen bezüglich Körperschaftsteuer 2005 und 2006 resultieren aus Tz 8, bei der unser Mandant davon ausgeht, es handelt sich entgegen der Feststellungen der Betriebsprüfung um betriebliche Aufwendungen. Die in Tz 9 anteilsmäßige Hinzurechnung der Abfertigungsrückstellung erfolgte zu Unrecht, weil diese bereits im Einzelunternehmen zur Gänze zu bilden war. Dementsprechend sind die steuerlichen Auswirkungen im Hinblick auf die Wiederaufnehme insgesamt als geringfügig anzusehen.
6.3. Die Körperschaftsteuerbescheide 2005 und 2006 vom werden auch in vollem Umfang angefochten und die Bf. beantragt, die Körperschaftsteuer 2005 und 2006 ausschließlich unter Berücksichtigung der Auswirkungen aus Tz 5 und Tz 7 laut Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom anzupassen. Die Änderungen lt. Tz 3 und Tz 9 seien zu stornieren.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Da die Bf. die Beschwerde innerhalb der verlängerten Beschwerdefrist fristgerecht und nach fristgerecht erfolgter Mängelbehebung auch formgerecht eingebracht hat, ist über die Beschwerde „in der Sache“ zu entscheiden.
In der Sache ist strittig, ob die Körperschaftsteuerverfahren 2005 und 2006 von Amts wegen wiederaufgenommen werden dürfen und wenn dies zu bejahen ist, ist strittig, ob die Bf. die Entnahmen ihres Alleingesellschafters und Zinsen verdeckt ausgeschüttet hat.
Eine Wiederaufnahme der Verfahren von Amts wegen ist unter anderem in den Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Bescheidspruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (§ 303 Abs 4 Bundesabgabenordnung - BAO idgF).
Bei einer Beschwerde gegen eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist die Sache, über welche das Bundesfinanzgericht gemäß § 279 Abs 2 Bundesabgabenordnung – BAO idgF zu entscheiden hat, nur die Wiederaufnahme aus den vom Finanzamt herangezogenen Gründen, also jene wesentlichen Sachverhaltsmomente, die das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund beurteilt hat. Unter Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde gebildet hatte. Die Identität der Sache, über die abgesprochen wurde, wird durch den Tatsachenkomplex begrenzt, der als neu hervorgekommen von der für die Wiederaufnahme zuständigen Behörde zur Unterstellung unter den von ihr gebrauchten Wiederaufnahmetatbestand herangezogen wurde (, mwN). Aufgabe des Bundesfinanzgerichts bei Entscheidungen über ein Rechtsmittel gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch ein Finanzamt ist es daher, zu prüfen, ob dieses Verfahren aus den vom Finanzamt gebrauchten Gründen wieder aufgenommen werden durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre (; , mwN).
Die fehlende Angabe der Wiederaufnahmegründe in der Begründung des mit Beschwerde angefochtenen Bescheides ist daher nicht nachholbar (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 307, Tz. 2 ff, und die do. zit. Judikate ; , 90/14/0044; , 91/14/0165; , 93/14/0187, 0188).
Da das Finanzamt in der Begründung der Wiederaufnahmebescheide auf einen Außenprüfungsbericht und eine Niederschrift über eine Schlussbesprechung verwiesen hat, sind der Entscheidung über den Beschwerdepunkt Verfahrenswiederaufnahmen die Feststellungen in Tz „4, 5, 6, 7, 8, 9 u.a.“ des Außenprüfungsberichtes vom zugrunde zu legen, da im Außenprüfungsbericht steht, dass darin die Wiederaufnahmegründe aufgezählt werden.
In Tz 4 des Außenprüfungsberichtes werden Verrechnungskonten, der Darlehensvertrag vom und ein Privatkredit, mit dem der Alleingesellschafter ein Grundstück und einen Privatkredit finanziert hat, erwähnt. Ob die Verrechnungskonten, der Darlehensvertrag vom , der Privatkredit und/oder andere in Tz 4 aufgezählte Fakten Wiederaufnahmegründe gewesen sind oder nicht, wird im Außenprüfungsbericht nicht erwähnt. Für das Bundesfinanzgericht ist daher nicht erkennbar, welche Tatsachen und/oder Beweismittel das Finanzamt als Wiederaufnahmegrund verwendet hat.
Das Bundesfinanzgericht muss aber den Wiederaufnahmegrund (die Wiederaufnahmegründe) kennen, um überprüfen zu können, ob und wenn ja, was neu hervor gekommen ist. Aus Tz 4 des Außenprüfungsberichtes geht jedoch nicht hervor, was das Finanzamt wann gewusst hat, weshalb nicht feststellbar ist, ob irgendetwas neu hervorgekommen ist oder was das gewesen sein könnte.
Wie Tz 4 des Außenprüfungsberichtes kann auch allen anderen Textziffern nicht entnommen werden, ob irgendetwas neu hervorgekommen ist oder was das gewesen sein könnte.
Die v.a. Ausführungen zusammenfassend ist nicht feststellbar, aus welchen Gründen das Finanzamt die Körperschaftsteuerverfahren 2005 und 2006 wiederaufgenommen hat. Die Verfahrenswiederaufnahmebescheide Körperschaftsteuer 2005 und 2006 sind daher ersatzlos aufzuheben.
Mit der Aufhebung der Verfahrenswiederaufnahmebescheide Körperschaftsteuer 2005 und 2006 treten die nach den Wiederaufnahmen erlassenen Sachbescheide außer Kraft, weshalb sich die Beschwerde gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2005 und 2006 vom gegen aus dem Rechtsbestand ausgeschiedene Bescheide richtet. Die Beschwerde gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2005 und 2006 vom ist daher gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO idgF als nicht mehr zulässig zurückzuweisen.
Revision
Gemäß Art 133 Abs 1 Z 4 B-VG ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Eine grundsätzlich bedeutende Rechtsfrage musste das Bundesfinanzgericht nicht beantworten, da der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung bereits entschieden hat, was das Bundesfinanzgericht zu prüfen hat, wenn Verfahrenswiederaufnahmebescheide angefochten werden (bspw. ; ).
Die (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2018:RV.7100268.2010 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at