Kein zeitlich unbegrenzter Familienbeihilfenanspruch mangels Vorliegens einer entsprechenden Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache E1 , Adr, und E2, Adr1, als Erben nach V., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 23. September 2014 , betreffend Familienbeihilfe ,
zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof
nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt der Beschwerdeführerin unter Anschluss der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen - Sozialministeriumservice vom 4. September 2013 den Wegfall des Anspruches auf Familienbeihilfe ab mit.
Mit den am beim Finanzamt eingelangten und mit datierten Anträgen unter Verwendung der Formulare Beih 1 und Beih 3 beantragte die Beschwerdeführerin die (Weiter-)Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung.
Das Finanzamt wies die Anträge mit Bescheid vom mit der Begründung ab, dass laut Gutachten des Bundessozialamtes (nunmehr Sozialministeriumservice) vom die dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten sei. Ein Anspruch auf Familienbeihilfe und in weiterer Folge auf erhöhte Familienbeihilfe bestehe deshalb nicht.
Mit Eingabe vom (datiert mit ) beantragte die Beschwerdeführerin durch die zwischenzeitlich bestellte Sachwalterin neuerlich die Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe.
Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom wiederum mit der Begründung, dass laut Gutachten vom 4. September 2013 die dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten sei, ab.
Dagegen wurde mit Eingabe vom Beschwerde erhoben und im Wesentlichen begründend ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin bereits über 9 Jahre Familienbeihilfe bezogen habe und hinsichtlich der maßgeblichen Umstände keine Änderung eingetreten sei. Selbst im Gutachten vom sei festgehalten, dass das Leiden laut anamnestischen Angaben und Verlauf bereits vor dem 21. Lebensjahr existiert hätten und eine Erwerbsfähigkeit nicht gegeben gewesen sei. Der Gutachter habe sein eigenes Gutachten mit der Begründung geändert, dass aufgrund verspäteter Abklärung und Behandlung der psychotischen Erkrankung keine Nachweise vorliegen würden, dass vor Vollendung des 21. Lebensjahres eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit gegeben sei. Aus der mangelnden Dokumentation der Erkrankung ergebe sich nicht zwingend der Schluss, dass tatsächlich vor Vollendung des 21. Lebensjahres eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit noch nicht eingetreten sei. Die mangelnde Dokumentation sei bereits im Jahr 2009 festgestellt worden und somit nicht neu. Ein plötzliches und unbegründetes Abgehen von der bisherigen Diagnose stelle ein an die Grenzen der Willkür reichendes Verhalten dar, welches den vorliegenden Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belaste. Es sei auch nicht richtig, dass im vorliegenden Fall von einer beruflichen Tätigkeit gesprochen werden könne, da sich die Beschwerdeführerin durch die berufliche Tätigkeit nie ihren notwendigen Unterhalt verschaffen habe können. Das gleiche gelte für ihr selbständige Tätigkeit.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Das Gutachten vom sei mit dem Gutachten vom vom leitenden Arzt mit dem Zusatz, dass keine Nachweise für eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres vorliegen würden, abgeändert. Diese Änderung werde vom Finanzamt nicht angezweifelt, da einerseits unter Berücksichtigung der Anamnese, des Auszuges der Sozialversicherungsdaten und des Pensionsbezuges erst ab August 1999 eine Erwerbstätigkeit nach Vollendung des 21. Lebensjahres vorgelegen habe und andererseits keine Befunde vorgelegt worden seien, die eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr beweisen würden.
Mit Eingabe vom wurde der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) gestellt. Mit Eingabe vom wurde nach Durchführung eines Erörterungstermines der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.
Das Bundesfinanzgericht änderte den angefochtenen Bescheid mit Erkenntnis vom dahingehend ab, dass die (neuerlichen) Anträge vom als unzulässig zurückgewiesen wurden, weil über den Familienbeihilfenanspruch bereits mit Bescheid vom entscheiden worden sei und keine Änderung der rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse eingetreten sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hob die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts mit Erkenntnis vom , Ra 2015/16/0099, auf, weil es sich mit dem Einwand der Revisionswerberin auseinandersetzen und Feststellungen darüber treffen hätte müssen, ob es der Revisionswerberin bereits im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides vom 17. Oktober 2013 an der Prozessfähigkeit gemangelt habe.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Durch die Aufhebung des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts vom durch den Verwaltungsgerichtshof ist über die Beschwerde im fortgesetzten Verfahren neuerlich zu entscheiden.
Gemäß § 79 BAO gelten für die Rechts- und Handlungsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Demnach sind Prozesshandlungen eines nicht Prozessfähigen unwirksam . Bescheidzustellungen an Prozessunfähige sind unwirksam (vgl. Ritz, BAO6, Tz 19 zu § 79, mwN). Für die Frage der Wirksamkeit einer Zustellung kommt es darauf an, ob der Empfänger handlungsfähig war, und nicht darauf, ob für ihn bereits ein Sachwalter bestellt worden ist (vgl. bis 0331).
Aufgrund der im Revisionsverfahren zusätzlich vorgelegten Unterlage und zwar ein Befund über den stationären Aufenthalt in der Klinik Innsbruck ab , der aufgrund der Umstände zur Einleitung eines Verfahrens zur Bestellung eines Sachwalters führte und der Feststellung, dass die Beschwerdeführerin bei bekannter paranoider Schizophrenie schon seit längerer Zeit keine Medikamente mehr einnahm, ist davon auszugehen, dass bereits im Zeitpunkt der Zustellung des Abweisungsbescheides vom die Prozessfähigkeit nicht mehr vorlag und damit die als Bescheid intendierte Erledigung keine Wirkung entfalten konnte. Die Erledigung der Anträge auf Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe erfolgte damit erst mit der wirksamen Zustellung des Abweisungsbescheides vom an die Sachwalterin.
Die Beschwerdeführerin ist am verstorben. Mit Einantwortungsbeschluss des BG Innsbruck vom wurde die Verlassenschaft Frau E1 und Herrn E2 je zur Hälfte eingeantwortet.
Gemäß § 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 lit. d und Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben volljährige Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, einen (Eigen-)anspruch auf Familienbeihilfe, wenn
"- sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
- ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist
und
- für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist,
und
sie vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden."
Nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist.
Als erheblich behindert gilt nach § 8 Abs. 5 FLAG 1967 ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.
§ 8 Abs. 4 bis 6 FLAG 1967 gilt nach § 8 Abs. 7 sinngemäß für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen ist der Bezug der Familienbeihilfe somit Grundvoraussetzung für die Gewährung des Erhöhungsbetrages wegen erheblicher Behinderung (vgl. Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 20). Steht die Familienbeihilfe mangels Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen oder wegen eines Ausschlussgrundes nicht zu, kann auch der Erhöhungsbetrag nicht gewährt werden.
Im gegenständlichen Fall kommt es daher darauf an, ob die am geborene Beschwerdeführerin wegen einer körperlichen oder geistigen Behinderung dauernd außerstande war, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und dieser Umstand bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres () eingetreten ist.
Der Nachweis betreffend die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 in einem qualifizierten Verfahren durch ein ärztliches Gutachten zu führen (vgl. zB ).
Das Gutachten zu einer solchen Sachfrage ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen (vgl. -I/11).
Bei der Beantwortung der Frage, ob die Beschwerdeführerin bereits vor Vollendung ihres 21. Lebensjahres dauernd außerstande war, sich selbst den Unterhalt zu verschafften, ist die Behörde bzw. im Instanzenzug das Bundesfinanzgericht grundsätzlich an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) zugrunde liegenden Gutachten gebunden und darf diese insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl. ; und die bei Lenneis in Csaszar/Leinneis/Wanke, zu FLAG § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung). Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung grundsätzlich von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigungen auszugehen (vgl. ).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt die Entscheidung darüber, ob ein Gutachten im Sinne des § 8 Abs. 6 FLAG unschlüssig oder ergänzungsbedürftig ist, in jedem Fall der Beihilfenbehörde, und zwar unabhängig davon, in welchen Verfahrensstadium diese entscheidet. Sowohl eine Gutachtensergänzung als auch ein neues Gutachten stellen Beweismittel dar.
Im Gutachten vom stellte der sachverständige Arzt auf Grundlage von Befunden aus dem Jahr 2009 bei der Beschwerdeführerin ein psychiatrisches Leiden (Zn. Psychosen, Schizophrenie) der Richtsatzposition: 585, Gdb: 050%, ICD: F20.0 fest.
"Rahmensatzbegründung: Analog. Paraoid. halluzinogen.
Notwendigkeit psychiatr., psycholog. medikamentöser Behandlungsmaßnahmen, stationäre Aufenthalte, regelmäßiger REHA Betreuung. Stimmungsschwankungen
Gesamtgrad der Behinderung: 50 vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend.
Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich - Dauerzustand. Die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades der Behinderung ist am 1975-01-01 aufgrund der vorgelegten relevanten Befunde möglich.
Die Untersuchte ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Das Leiden existiert laut anamnestische Angaben und Verlauf bereits vor 21. Lj. Mit Abklärung und Behandlungsmaßnahmen sind viel später angefangen und inkonsequent durchgeführt worden. Erwerbsfähigkeit ist nicht gegeben."
Der leitende Arzt des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen stimmte dem Gutachten zu und ergänzte es wie folgt: "50% Leiden und Erwerbsfähigkeit begannen schon vor 21. Lebensjahr"
Im Rahmen einer Überprüfung des Familienbeihilfenanspruches stimmte der nunmehr zuständige leitende Arzt dem Gutachten am nicht mehr zu und stellte nach Wiederholung der Diagnose fest, dass nach Durchsicht aller nunmehr vorliegenden Befunde, keine Nachweise vorlägen, dass vor Vollendung des 21. Lebensjahres eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit gegeben gewesen sei.
Im Gegensatz zur Bescheinigung aus dem Jahr 2009 erweist sich die Bescheinigung des Sozialministeriumservice vom im Hinblick auf die dem Gutachten zugrunde liegenden relevanten Befunde, welche allesamt aus dem Jahr 2009 stammen, der Tatsache, dass keine weiteren Befunde oder Nachweise aus dem maßgeblichen Zeitraum (vor 1977) vorliegen und nach den Ausführungen der Beschwerdeführerin auch nicht vorgelegt werden können, und der festgestellten mangelnden Dokumentation der Erkrankung als schlüssig. Die Bescheinigung aus dem Jahr 2009 erweist sich hingegen als unschlüssig, weil sie keine Begründung enthält, warum trotz festgestellter mangelnder Dokumentation der Erkrankung bei der Beschwerdeführerin eine dauernde Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem Jahr 1977 vorgelegen haben soll.
Das Argument, dass die Krankheit schon seit Geburt vorgelegen habe, was von der Beihilfenbehörde im Übrigen nicht bestritten wird, kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, weil damit noch nicht nachgewiesen wird, dass die Krankheit bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres in einer solchen Intensität vorgelegen hat, dass von einer Erwerbsunfähigkeit gesprochen werden kann. Erst wenn eine Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche einen Grad von mindestens 50 v.H. aufweist bzw. eine damit verbundene voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, ist der Tatbestand des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 erfüllt.
Somit kommt es weder auf den Zeitpunkt an, an dem sich die Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend) einer Behinderung führt. Maßgeblich ist allein der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit nach sich zieht (vgl. , , , ).
In die Schlussfolgerungen und somit auch in die Schlüssigkeitsprüfung ist einzubeziehen, dass andere als behinderungskausale Gründe (zB mangelnde oder nicht spezifische Ausbildung, Arbeitsplatzsituation, Arbeitswilligkeit, uä) bei der Beurteilung ebenso wenig herangezogen werden dürfen, wie die Verschlechterung des Gesundheitszustandes nach Vollendung des 21. Lebensjahres (vgl. -I/11).
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Begünstigungstatbeständen die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund tritt; der Begünstigungswerber hat die Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. Ritz, BAO6, § 115 Tz 10ff; Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 115 (Stand: , rdb.at), jeweils mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).
Die Pflicht zur amtwegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes findet dort ihre Grenze, wo nach Lage des Falles nur die Partei Angaben zum Sachverhalt machen kann (; ). Dies gilt insbesondere im vorliegenden Fall, wo der nachzuweisende Sachverhalt Jahrzehnte zurückliegt und darüberhinaus eine psychische Erkrankung vorliegt, die häufig einen schleichenden Verlauf nimmt. Es liegt in diesen Fällen vor allem am Antragsteller, den behaupteten Sachverhalt, nämlich die bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretene dauernde Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, klar und ohne Möglichkeit eines Zweifels nachzuweisen (vgl. auch Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 8 Rz 32).
Das Sozialministeriumservice hat nach der Aktenlage schlüssig begründet, dass die voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit aufgrund der ihr vorliegenden Unterlagen/Befunde nicht mit der erforderlichen Gewissheit für Zeiträume vor Vollendung des 21. Lebensjahres bestätigt werden kann. Die anderslautende Bescheinigung aus dem Jahr 2009 ist diesbezüglich unschlüssig, weil eben nicht begründet wurde, wie aus den vorliegenden als relevant angeführten Befunden der Schluss gezogen werden konnte, dass der entsprechende Zustand schon vor über 30 Jahren vorgelegen hat. Das Argument, dass die mangelnde Dokumentation noch nicht den Schluss zuließe, dass vor Vollendung des 21. Lebensjahres noch keine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit vorgelegen habe und in den 70er Jahren die psychiatrische Forschung und Versorgung sowie die gesellschaftliche Akzeptanz von psychischen Erkrankungen nicht annähernd den heutigen Verhältnissen entsprochen habe, genügt im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung nicht, um das Vorliegen der Voraussetzungen für einen zeitlich unbeschränkten Anspruch auf die Familienbeihilfe anzunehmen.
Soweit die Beschwerdeführerin rügt, dass ihr nach dem früheren Gutachten die Familienbeihilfe gewährt worden sei und nunmehr ohne erkennbaren Grund die Familienbeihilfe entzogen worden sei, ist zur Begründung auf die obigen Ausführungen zu verweisen. Weiters ist darauf zu verweisen, dass der Umstand, dass die Bescheinigung in der Vergangenheit als schlüssig angesehen worden und unbeanstandet geblieben ist, die Behörde nicht hindert, diese Vorgangsweise nunmehr als rechtswidrig zu beurteilen. Die Behörde ist verpflichtet, wenn sie feststellt, dass eine falsche Entscheidung getroffen worden ist, von dieser abzugehen und richtigzustellen. Der Grundsatz von Treu und Glauben schützt nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit (vgl. ).
Im Ergebnis liegen die Voraussetzungen für einen zeitlich unbegrenzten Eigenanspruch auf (erhöhte) Familienbeihilfe nach § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, nämlich der Nachweis des Vorliegens einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen dauernden Unfähigkeit , sich aufgrund einer körperlichen oder geistigen Behinderung selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine (schlüssige) Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nicht vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Es liegt keine zu lösende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, der über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukommt. Das Bundesfinanzgericht ist auch nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Die ordentliche Revision war daher als unzulässig zu erklären.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 79 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 8 Abs. 6 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | -I/11 -I/11 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.3101089.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at