Überwiegen im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 6 lit b und c EStG 1988 (Pendlerpauschale alt), Verjährung im Rechtsmittelverfahren
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache der Frau Bf über die Beschwerden vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Bruck Leoben A vom betreffend Einkommensteuer 2008 und 2009 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin hatte in den strittigen Jahren gemeinsam mit ihrem Ehegatten in A den Hauptwohnsitz und war in B als Volksschullehrerin berufstätig. Ihr Ehegatte war ebenfalls in B berufstätig und hatte als Abteilungsleiter bei der C bei den ÖBB Anspruch auf eine Dienstwohnung in B mit einer Größe von 34 m2. Im Lohnzettel der Beschwerdeführerin des Jahres 2008 war das große Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit c EStG 1988 für eine einfache Fahrtstrecke über 60 km in Höhe von € 3.151,00 jährlich und im Lohnzettel des Jahres 2009 in Höhe von € 3.372,00 jährlich steuermindernd ausgewiesen.
Die weiteren als außergewöhnliche Belastung beantragten und vom Finanzamt nicht zur Gänze berücksichtigten Krankheitskosten sind ebenso wie die nicht zur Gänze gewährten Werbungskosten im Beschwerdeverfahren vor dem BFG nach den Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht mehr strittig.
Nach Einlangen der Erklärungen zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2008 und 2009 ersuchte das Finanzamt im Zusammenhang mit den als Werbungskosten geltend gemachten zahlreichen Rechnungsbelegen bezüglich des Umstandes, warum auf einigen Rechnungen eine Wohnadresse in B aufscheinen würde und bezüglich der Frage, ob die Beschwerdeführerin in B über einen Wohnsitz verfügen würde, um Stellungnahme.
Mit E-Mail vom übermittelte der Ehegatte der Beschwerdeführerin die Mietvorschreibungen seiner Dienstgarconniere in B für die Jahre 2004 bis 2009 und gab bekannt, dass sich die dienstliche Notwendigkeit auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit als Abteilungsleiter bei der C ergeben würde, die in hohem Maße projektorientiert sei und die monatlich durchschnittlich 2 bis 3 Auslandsdienstreisen mit Abwesenheiten von bis zu 16 Stunden täglich vorsehen würde und damit an diesen Tagen – schon aus Sicherheitsgründen – ein Pendeln unmöglich machen würde. Zudem unterliege er vertraglich als leitender Angestellter auch nicht den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes. Seit der Eröffnung des Semmeringstraßentunnels im Jahr 2004 fahre er im Schnitt 3 bis 4 mal in der Woche gemeinsam mit seiner Frau mit dem Auto nach B und retour (monatlich nachweisbar auf Grund des Serviceheftes rund 3.000 Kilometer), 1 bis 2 mal würde er in B nächtigen. Weiters habe er bei seinem Arbeitgeber auf Grund der Kurzparkzonenregelung in B einen Tiefgaragenplatz für monatlich € 62,38 angemietet. Seines Wissens nach würde eine vom Arbeitgeber entgeltlich zur Verfügung gestellte Nächtigungsmöglichkeit grundsätzlich keinen Widerspruch zur Inanspruchnahme des Pendlerpauschales darstellen, zumal er diese Kosten steuerlich bis dato auch nicht anderweitig geltend gemacht habe.
Mit E-Mail vom gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er und seine Frau seit dem Jahr 2000 jährlich das große Pendlerpauschale beim zuständigen Wohnfinanzamt beantragt hätten und dies vom Finanzamt auch vollinhaltlich akzeptiert worden sei. Wie er nun vorab telefonisch informiert worden sei, seien die Voraussetzungen für das große Pendlerpauschale nicht mehr gegeben, da er von seinem Arbeitgeber im Jahr 2004 eine entgeltliche Dienstgarconniere zur Verfügung gestellt bekommen habe. Als Begründung seien ihm die entsprechenden Bestimmungen der Lohnsteuerrichtlinien genannt worden, die bei Vorliegen von zwei Wohnsitzen vom nächstgelegenen zur Arbeitsstätte ausgehen würden. Damit sei in seinem konkreten Fall kein Anspruch auf das große Pendlerpauschale gegeben. Er erlaube sich daher nochmals schriftlich auf die entsprechenden Berufungsentscheide des UFS sowie auf den Rechtssatz GZ 91/14/0227 vom des VwGH aufmerksam zu machen, demzufolge bei der „Wohnung“ nicht von der der Arbeitsstätte nächstgelegenen Wohnung auszugehen sei, sondern von jener Wohnung, von der im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Fahrten zur Arbeitsstätte angetreten worden seien, beziehungsweise wohin von der Arbeitsstätte aus zurückgekehrt werde. Wie er bereits bekannt gegeben habe, pendle er im Schnitt 3 bis 4 mal in der Woche gemeinsam mit seiner Frau mit dem Auto nach B und retour und könne dies auch auf Grund des Serviceheftes (monatlich ca. 3.000 Km) nachweisen. Damit sei der Grundsatz des Überwiegens eindeutig gegeben.
Das Finanzamt verweigerte in der Folge in den angefochtenen Bescheiden die Berücksichtigung des Pendlerpauschales und verwies darauf, dass laut Ermittlungsergebnis der Beschwerdeführerin für die Fahrten mit dem Massenverkehrsmittel Bahn keine Kosten entstehen würden, weiters würde die Beschwerdeführerin — da ihr Ehegatte ebenfalls in B arbeiten und dort auch über eine Dienstwohnung verfügen würde - lt Telefonat des Öfteren mit ihrem Ehegatten nach Hause fahren oder würde auch gelegentlich in dessen Dienstwohnung nächtigen. Das Pendlerpauschale könne daher schon mangels Kosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht gewährt werden. Der Verwaltungsgerichtshof führe in seinem Erkenntnis vom , 2010/15/0013, aus, dass eine pauschale Berücksichtigung von Werbungskosten dann nicht gerechtfertigt sei, wenn dem betreffenden Arbeitnehmer keine - oder nur geringere Kosten gegenüber anderen Arbeitnehmern – entstehen würden. Für das große Pendlerpauschale werde außerdem vorausgesetzt, dass die Benützung‚ eines Massenverkehrsmittels nicht zumutbar sei. Da lt ÖBB-Routenplaner die Strecke Wohnung - Arbeitsstätte innerhalb von 2,5 Stunden erreichbar sei (ÖBB, öffentliche Verkehrsmittel in B und Fußweg wurden berücksichtigt) gelte die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels als zumutbar.
In den dagegen nach Fristverlängerungsansuchen fristgerecht erhobenen Beschwerden wird bezüglich der Nichtgewährung des Pendlerpauschales darauf hingewiesen, dass es unrichtig sei, dass der Beschwerdeführerin für die Beförderung keine Kosten entstehen würden. Sie sei nicht ÖBB Mitarbeiterin und habe daher keine Freifahrten jeglicher Art. Sie müsse eine Jahreskarte kaufen und habe auch keinen Anspruch auf eine ÖBB-Wohnfreikarte. Dass sie in der Dienstwohnung ihres Ehegatten übernächtigen würde, sei eine Interpretation des Finanzamtes und sei gemäß Besprechung mit der Beschwerdeführerin nie geäußert worden. Die Nächtigung der Beschwerdeführerin in der Dienstwohnung ihres Ehegatten wäre außerdem noch ein Verstoß gegen die Vergaberichtlinien und somit ein Verstoß gegen den Dienstgeber. Der Dienstgeber verlange bei Vorliegen einer dienstlichen Notwendigkeit (nur dann werde diese Wohnung zur Verfügung gestellt) einen ausschließlich dienstlichen Nutzungscharakter. Auf Verlangen könne vom Dienstgeber des Ehegatten gerne auch eine schriftliche Bestätigung mit diesem Inhalt angefordert werden. Die Dauer der Fahrzeit sei in der Abfrage am Computer des Finanzamtes offensichtlich nicht richtig programmiert worden. Laut ÖBB Scotty Abfrage im Internet würde sich eine Dauer von genau 2 Stunden und 42 Minuten, ergeben, was deutlich über den vom Gesetzgeber verlangten 2 ½ Stunden liegen würde. Hiebei handle es sich um die schnellst mögliche Verbindung für den Dienstbeginn um 7:45 Uhr. Theoretisch wäre auch noch zu berücksichtigen, ob der vom Finanzamt erwähnte Zug D458 in den anhängigen Jahren 2008 und 2009 überhaupt schon zu diesen Zeiten gefahren sei, dennoch sei diese Verbindung für den Dienstbeginn ungeeignet. Außerdem seien in der beigelegten Verbindungsdauerberechnung nur die Fußwege auf den Bahnsteigen und nicht die Wege zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zum Büro berücksichtigt. Auch die Wartezeit bis zum Dienstbeginn sei zu berücksichtigen, was hier auch nicht erfolgt sei.
Das Finanzamt forderte daraufhin von der Beschwerdeführerin
1. eine Bestätigung der ÖBB, dass sie auf ihre Fahrbegünstigung in den Antragsjahren verzichtet habe,
2. um Vorlage der Jahreskarten 2008 und 2009,
3. um Vorlage des Mietvertrages des Ehegatten, aus dem das Verbot der privaten Nutzung der Wohnung in B hervorgehen würde und
4. um Vorlage einer Bestätigung des Dienstgebers der Beschwerdeführerin über ihre Normalarbeitszeiten für die Jahre 2008 und 2009.
Im Wege ihrer bevollmächtigten steuerlichen Vertretung gibt die Beschwerdeführerin zu Punkt 1. bekannt, dass die Fahrbegünstigung nicht zustehen würde und legt einen Ausdruck des ÖBB Shared Service Center über die Voraussetzungen über den Anspruch der a.t. Fahrbegünstigung vor.
Zu Punkt 2. wird ausgeführt, dass die Vorlage von Fahrkarten im Gesetz nicht vorgesehen sei und auch jetzt nicht mehr möglich sei. Vielleicht könnten auf Grund der Zahlungen Kopien angefordert werden. Es sei im Wesentlichen für die Fahrten ein Pkw genutzt worden. Die Vorlage von Karten sei daher nicht notwendig.
Zu Punkt 3. wird eine Bestätigung des Arbeitgebers des Ehegatten der Beschwerdeführerin vorgelegt, wonach die Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf eine Wohnfreikarte habe und verweist auf die „Richtlinie Wohnfreikarte“, wonach die Wohnfreikarte aktiven Mitarbeiterinnen aller Gesellschaften des ÖBB Konzerns zur Verfügung gestellt werden könne, die auf die a.t. Fahrbegünstigung verzichtet hätten. Die Wohnfreikarte berechtige zu Fahrten vom Hauptwohnsitz zum Dienstsitz (Beschäftigungsstelle) und retour jeweils auf direktem Weg zum Zweck des Dienstantritts.
Zu Punkt 4. wird eine Bestätigung des Arbeitgebers der Beschwerdeführerin vorgelegt, wonach sie in den strittigen Jahren im Rahmen einer vollen Lehrverpflichtung (22 Wochenstunden) als klassenführende Lehrerin 5 Tage in der Woche an einer Volksschule in B beschäftigt war. Weiters wird bestätigt, dass der Dienstbeginn Montag bis Freitag generell mit 07:45 festgesetzt worden sei. Das Dienstende habe sich nach den damals vorliegenden Stundenplänen gerichtet. Es sei kein Nachmittagsunterricht erfolgt.
Das Finanzamt legte die Beschwerden ohne Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen an die damals zuständige Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerden. Zum Pendlerpauschale führte das Finanzamt aus, dass mangels Kosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte das Pendlerpauschale nicht gewährt werden hätte können.
Die Ermittlungen des Finanzamts hätten folgende Ergebnisse gebracht:
„a) Es wurde in einem Ergänzungsersuchen um Vorlage einer Bestätigung über den Verzicht auf die Fahrbegünstigung der ÖBB und der Jahreskarten ersucht. Jahreskarten wurden nicht vorgelegt. Es wurde aber eine Bestätigung der C vorgelegt, dass Frau D keine Wohnfreikarte für Bahnbedienstete hat. Da bekannt ist, dass Frau D nicht bei den ÖBB beschäftigt ist, wurde direkt bei den ÖBB um eine Bestätigung ersucht. Es wurde eine Bestätigung übermittelt, aus der hervorgeht, dass für Frau D betreffend der Antragsjahre eine a.t. Fahrbegünstigung für Angehörige eines ÖBB-Bediensteten zur Verfügung gestellt worden ist (Blatt 51). Damit fallen für Fahrten mit der ÖBB keine Kosten an. Der Kauf einer Jahreskarte darf unter diesen Umständen als ungewöhnlich bezeichnet werden.
b) Im Zuge der Erklärungen für 2008 und 2009 wurden von Frau D zahlreiche Belege als Nachweis von Arbeitsmitteln und Fachliteratur vorgelegt. Auf diesen Belegen findet sich sehr oft die Adresse E (auch als Lieferadresse). Weiters sind einige Rechnungen von Geschäften vorgelegt worden, die im näheren Einzugsbereich der Wohnung E liegen. Dabei ist auch zu bemerken, dass die Kaufzeit teilweise am späteren Nachmittag ist. Laut Dienstgeberbestätigung (Blatt 55) findet an der Schule von Frau D kein Nachmittagsunterricht statt. In der Anlage 1 wurden Belege aus der Belegsammlung kopiert und durch Stadtpläne und die Aufstellung der Schulferien in den Antragsjahren ergänzt. Zusätzlich wurde festgestellt, dass die Einkäufe in A an schulfreien Tagen erfolgten.
c) Hinsichtlich der Nächtigungsmöglichkeit der Beschwerdeführerin in der Dienstwohnung des Ehegatten wurde auf das Ergänzungsansuchen von der C ein Schreiben vorgelegt, die die Zuteilung einer Dienstgarconniere begründen bzw. ein Ansuchen um eine größere Wohnung, enthält. Vom Finanzamt wurde daher bei der für die Wohnungsvergabe zuständigen Stelle der ÖBB bezüglich einer Nutzungseinschränkung angefragt. Ein Verbot der Nutzung der auch als Heimarbeitsplatz genutzten Wohnung durch Frau D wurde nicht bestätigt. Im Gegenteil, es wurde bestätigt, dass kein Einwand besteht, dass die Gattin dort nächtigt. (Blatt 54). Die von Herrn Dr. D in diesem Fall vorgelegten Abrechnungen zeigen, dass das Mietverhältnis bereits seit 2004 besteht und dieser als Mieter die laufenden Kosten trägt.
Aufgrund der vorliegenden Unterlagen wird daher angenommen, dass die Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte - Wohnung überwiegend von der Wohnung in B aus erfolgten. Laut RZ 259 der Lohnsteuerrichtlinien 2002 ist im Falle des Bestehens mehrerer Wohnsitze die Entfernung zum nächstgelegenen Wohnsitz maßgebend ().
Die Reisedauer von A nach B beträgt laut Berufung mehr als 2,5 Stunden. Die Reisedauer von der Wohnung E bis zur Schule ca. 20 Minuten."
Die Beschwerdeführerin hat zu den Ausführungen des Finanzamtes im Vorlageantrag keine Stellungnahme abgegeben.
Über die Beschwerden wurde erwogen:
Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 auch Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Diese Ausgaben sind bei einer einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bis 20 km grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten (§ 33 Abs. 5 EStG 1988).
Ist gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c EStG 1988 dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden die weiters genannten Pauschbeträge berücksichtigt. Mit dem Verkehrsabsetzbetrag und den Pauschbeträgen nach lit. b und c sind alle Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogen werden.
Voraussetzung für die Berücksichtigung des Pendlerpauschales nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit b und c EStG 1988 ist unter anderem, dass die Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurückgelegt wird (vgl. Quantschnigg/Schuch, EStG Handbuch, § 16 Tz 50, ).
Es ist daher zu klären, ob die Beschwerdeführerin überwiegend von ihrer Wohnung aus in A oder von der Dienstwohnung ihres Ehepartners aus in B zu ihrer Arbeitsstätte in B gefahren ist.
Die Beschwerdeführerin war nach der von ihr vorgelegten Bestätigung vom in den strittigen Jahren als Volksschullehrerin im Rahmen einer vollen Lehrverpflichtung (22 Wochenstunden) als klassenführende Lehrerin 5 Tage in der Woche an der Volksschule F beschäftigt. Der Dienstbeginn war Montag bis Freitag generell um 7:45 Uhr. Das Dienstende richtete sich nach den damals vorliegenden Stundenplänen. Nachmittagsunterricht hat es nicht gegeben.
Der in der Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 verwendete Begriff "Überwiegen" bedeutet im Zusammenhang mit der in der Regel an fünf Tagen in der Woche ausgeübten beruflichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin, dass sie an mindestens drei Arbeitstagen die Fahrtstrecke von ihrer Wohnung in A nach B und zurück zurückgelegt haben muss, um ein Pendlerpauschale in Anspruch nehmen zu können. Die Beschwerdeführerin hat per E-Mail vom (wiederholt im E-Mail vom ) im Wege ihres Ehegatten bekannt gegeben, dass sie gemeinsam mit ihrem Ehegatten seit Eröffnung des Semmeringstraßentunnels 2004 im Schnitt 3 bis 4 mal in der Woche gemeinsam mit dem Auto nach B und retour fahren würde (monatlich nachweisbar aufgrund des Serviceheftes rund 3000 Kilometer).
Der Wortlaut des Gesetzes spricht dafür, dass es beim Pendlerpauschale darauf ankommt welche Fahrtstrecke der Dienstnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt. Damit kann nur die im Lohnzahlungszeitraum für die Fahrt zur Arbeitsstätte tatsächlich (überwiegend) genutzte Wohnung gemeint sein; dabei spielt es auch keine Rolle, ob ein besonderer Grund vorliegt, die Fahrt vom entfernteren Wohnsitz zu beginnen (siehe auch Werner/Schuch, Abschn 6 Tz 128 und ÖStZ 1975, 138; so auch , UFS 2006, 24). Der VwGH knüpft ebenfalls an die im Lohnzahlungszeitraum "überwiegend" zurückgelegte Fahrtstrecke an; Es ist daher eine Frage des Nachweises, dass tatsächlich der viel weiter entferntere Wohnsitz überwiegend benützt wird.
Dies wurde dem zur mündlichen Verhandlung erschienenen, von der Beschwerdeführerin bevollmächtigten und von seinem Rechtsanwalt begleiteten Ehegatten vorgehalten, woraufhin angeboten wurde, diesen Nachweis anhand von Servicerechnungen des auf den Ehegatten angemeldeten und für die Fahrten von A nach B und retour verwendeten Fahrzeuges erbringen zu können. Betreffend die strittigen Jahre 2008 und 2009 wurden daraufhin Service-Rechnungen vom für das Fahrzeug der Marke G mit einem Kilometerstand von 142.780 und vom desselben Fahrzeuges mit einem Kilometerstand von 179.985 vorgelegt. Der Zeitraum vom bis zum entspricht ungefähr 16,5 Monate und einer gesamten Fahrleistung von 37.205 Kilometer. Daraus errechnet sich eine durchschnittliche monatliche Fahrleistung von 2.254,85 km. Diese anhand der Servicerechnungen ausgewiesene monatliche Fahrleistung liegt allerdings weit unter der von der Beschwerdeführerin in den E-Mails vom und genannten Fahrleistung von ca. 3000 km monatlich. Auch wenn man den Zeitraum wegen eines sechswöchigen Urlaubes auf 15 Monate verkürzt, ergibt sich eine weit unter 3000 km liegende monatliche Fahrleistung von 2.480,33 km.
Nach Google Maps beträgt die Entfernung zwischen dem Wohnhaus in der A und der Arbeitsstätte der Beschwerdeführerin in B, F, 109 km. Wenn die Beschwerdeführerin, so wie behauptet, mit ihrem Ehegatten überwiegend, also mindestens 3x pro Woche, von A aus nach B und zurückgefahren wäre, so müsste sich eine monatliche Fahrleistung mit diesem Fahrzeug von mindestens 2.616 Kilometer (109x2x3x4) ergeben, was aber nicht der anhand der beiden Servicerechnungen mit diesem Fahrzeug nachgewiesenen Fahrleistung von durchschnittlich 2.254,85 bzw. 2.480,33 km pro Monat entspricht. Dabei kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dieser Fahrleistung nur um Fahrten zwischen der Wohnung in A und der Arbeitsstätte in B und zurück gehandelt hat, da nach den Erfahrungen des täglichen Lebens sich auch Fahrten für andere (private) Zwecke ergeben und sich aus dieser Sichtweise die Fahrleistung für Fahrten zwischen der Wohnung in A und der Arbeitsstätte in B noch verringern würde.
Der Nachweis, dass die Beschwerdeführerin in den strittigen Jahren gemeinsam mit ihrem Ehegatten mit dessen angeführten Pkw überwiegend die Strecke von ihrem Wohnsitz in A aus nach B zu ihrer Arbeitsstätte und retour zurückgelegt hat, ist daher nicht gelungen.
Entgegen der Behauptung in der Beschwerde vom , wonach die Nächtigung der Beschwerdeführerin in der Dienstwohnung ihres Ehegatten ein Verstoß gegen die Vergaberichtlinien und somit ein Verstoß gegen den Dienstgeber sei, wurde von der ÖBB Shared Service Center GmbH mit Schreiben vom mitgeteilt, dass seitens der ÖBB-Shared Service Center GmbH, Wohnungsservice, kein Einwand besteht, wenn die Gattin von Herrn Dr. D gelegentlich in dieser Wohnung nächtigt. Es steht somit fest, dass die Beschwerdeführerin neben ihrem Hauptwohnsitz in A auch eine Nächtigungsmöglichkeit in B innehatte.
Sollte die Beschwerdeführerin für die Fahrtstrecke von A zu ihrem Arbeitsort B und zurück die Bahn benützt haben, fehlt es mangels ihr entstandener oder nur geringfügiger entstandener Kosten ebenfalls an den Voraussetzungen für die Gewährung des Pendlerpauschales (vgl. ), da die C entgegen der Behauptung des Ehegatten der Beschwerdeführerin, sie sei nicht ÖBB Mitarbeiterin und habe daher keine Freifahrten jeglicher Art, mit Schreiben vom bekannt gegeben hat, dass der Beschwerdeführerin für den Zeitraum 2008 bis laufend die a.t. Fahrbegünstigung zur Verfügung gestellt wurde, wobei bis die a.t. Fahrbegünstigung keinen Sachbezug dargestellt hat und daher steuer- und sozialversicherungsfrei war (siehe www.pensionsservice.oebb.at/Fahrbegünstigung).
Der Umstand, dass der über eine am Arbeitsort befindliche und über eine weit vom Arbeitsort entfernte Wohnung verfügende Pendler üblicher Weise, wenn keine Notwendigkeit besteht, überwiegend von der nächstgelegenen Schlafstätte zur Arbeit fährt, bestätigt sich nach den Erfahrungen des täglichen Lebens. Einer typisierenden Betrachtungsweise kann im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 167 BAO) Bedeutung zukommen, nämlich beim Anscheinsbeweis (prima facie Beweis), also eine Beweislast dessen, der atypisches Geschehen behauptet (vgl. Ritz BAO Kommentar, Rz 13 zu § 21).
Der Anscheinsbeweis stützt sich im Falle der Beschwerdeführerin darauf, dass die Entfernung von ihrem Wohnsitz in A zu ihrer Arbeitsstätte in B 109 km beträgt und die Fahrzeit mit dem öffentlichen Verkehrsmittel nach den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin 2 Stunden 40 Minuten und mit dem Pkw ca. 1,5 Stunden in eine Richtung beträgt. Die Fahrzeit von der Dienstwohnung des Ehegatten in der E zu ihrer Arbeitsstätte am F beträgt mit dem öffentlichen Verkehrsmittel ca. 20 Minuten. Es ist leicht zu erkennen, dass die Benützung des um vieles weiter entfernten Wohnsitzes in A mit höheren Mühen und auch Kosten verbunden ist, als die Benützung des Wohnsitzes in B.
Da die Beschwerdeführerin somit nicht nachweisen konnte, dass sie in den strittigen Jahren tatsächlich überwiegend zwischen ihrer Wohnung in A und ihrer Arbeitsstätte in B F gependelt ist, hat das Finanzamt zu Recht das im Lohnzettel für das Jahr 2008 ausgewiesene Pendlerpauschale in Höhe von € 3.151,00 und das im Lohnzettel für das Jahr 2009 ausgewiesene Pendlerpauschale in Höhe von € 3.372,00 nicht gewährt.
In der mündlichen Verhandlung brachte der den Ehegatten der Beschwerdeführerin begleitende Rechtsanwalt begründungslos den Einwand der Festsetzungs- und Einhebungsverjährung vor.
Den angefochtenen Bescheiden liegt die Einkommensteuer 2008 und 2009 zu Grunde. Nach § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist grundsätzlich 5 Jahre. Gemäß § 208 Abs. 1 lit a BAO beginnt in den Fällen des § 207 Abs. 2 die Verjährung mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Die strittigen Bescheide wurden am , also jedenfalls innerhalb der gesetzlich bestimmten Festsetzungsverjährungsfrist, erlassen.
In einem darauffolgenden Rechtsmittelverfahren gilt § 209a Abs. 1 BAO, wonach einer Abgabenfestsetzung, die in einer Beschwerdevorentscheidung oder in einem Erkenntnis zu erfolgen hat, der Eintritt der Verjährung nicht entgegensteht.
Bezüglich des Einwandes der Einhebungsverjährung genügt es, auf § 238 Abs. 1 BAO zu verweisen, wonach das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjährt, in dem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. § 209a BAO gilt sinngemäß.
Der vorgebrachte Einwand der Verjährung ist daher unbeachtlich.
Die beiden im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgelegten Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates (RV/0296-K/07 und RV/0316-F/08) können zur Klärung der gegenständlich strittigen Frage des "Überwiegens" im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 6 lit b und c EStG 1988 nichts beitragen, da es in diesen Entscheidungen zusammengefasst um die Beurteilung der Frage geht, ob und inwieweit sich der Genuss eines geldwerten Vorteils aus der unentgeltlichen oder verbilligten Beförderung der eigenen Arbeitnehmer bei Beförderungsunternehmen nach § 3 Z 21 EStG 1988 auf die Inanspruchnahme bzw. Zuerkennung eines Pendlerpauschales iSd § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 in rechtlicher Hinsicht auswirkt.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nachdem die Beschwerde insoweit keine für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen aufwirft, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme, war unter Hinweis auf die zitierte eindeutige und einheitliche Rechtsprechung die Unzulässigkeit einer ordentlichen Revision auszusprechen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 208 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 209a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 238 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.2100400.2011 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at