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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.02.2019, RV/1100698/2016

Steht die Drittelbegünstigung bei einer kapitalisiert ausbezahlten Schweizer Witwerrente zu?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gerhild Fellner

in der Beschwerdesache des Adr,

betreffend den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom  hinsichtlich Einkommensteuer für 2015

zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verwaltungsgeschehen:

Der Beschwerdeführer wandte sich in seiner Beschwerde gegen die volle, tarifmäßige Besteuerung der Witwerrente, die in Höhe von SFr. 126.202,00 an ihn ausbezahlt worden war. Er verwies auf eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/1100654/2015, in welcher die Meinung vertreten werde, dass die Drittelbegünstigung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 zustehe. Soweit er wisse, sei die Rechtsfrage beim VwGH anhängig.

Seitens des Finanzamtes wurde eine abweisende Beschwerdevorentscheidung erlassen und darin ausgeführt:
Der VwGH habe in seiner Entscheidung , 2007/15/0026, ausgesprochen, dass es sich bei einer Auszahlung als Einmalzahlung, die aufgrund eines Wahlrechts anstatt einer Rentenzahlung bezogen werden könne, nicht um eine Abfindung des Pensionsanspruches im Sinne des § 124b Z 53 EStG 1988 handle, sondern um einen davon getrennten, eigenständigen Anspruch. Die Drittelbegünstigung komme daher nicht zur Anwendung. Das Höchstgericht habe dieses Erkenntnis mit neuerlicher Entscheidung vom , 2009/15/0188, bestätigt und darin ausgesprochen, dass keine Abfindung vorliege, wenn bei einer sogenannten obligatio alternativa (Wahlschuld iSdes § 906 ABGB) dem Gläubiger das Wahlrecht eingeräumt sei und er seine freie Wahl zwischen mehreren gleichwertigen Ansprüchen treffe.

Art. 37 Abs. 4 des Schweizer Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen-und Invalidenvorsorge (BVG) normiere, dass laut Reglement der Vorsorgeeinrichtung der Anspruchsberechtigte eine Kapitalabfindung anstelle einer Alters-, Hinterlassenen-oder Invalidenrente ansprechen könne. Neben den bei Schweizer Arbeitgebern tätigen Versicherten kämen gemäß Art. 20a BVG auch deren Ehepartner als Anspruchsberechtigte in Betracht, wenn diese in den letzten fünf Jahren bis zum Tod des Versicherten ununterbrochen eine Lebensgemeinschaft mit ihm geführt hätten.

Im Streitfall lasse die bestehende Möglichkeit der wahlweisen Auszahlung eines Einmalbetrages oder einer monatlichen Rente erkennen, dass keine Abfindung gesetzlicher Rentenansprüche vorliege. Es sei die Wahl zwischen gleichwertigen primären Ansprüche getroffen worden, indem die Möglichkeit, nach Art. 37 Abs. 4 BVG i.V.m. dem Reglement der Pensionskasse, die gegenständliche Zahlung ohne weiteres als Einmalbetrag beanspruchen, genutzt worden sei. Dass es dabei aufgrund eines Wahlrechts im erläuterten Sinn zur Auszahlung gekommen sei, werde in der Beschwerde übrigens auch nicht bestritten.

Die Versagung der Drittelgünstigung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 bei vorhandenem Wahlrecht beruhe auf der jüngeren Rechtsprechung des VwGH.

Die seitens des Beschwerdeführers zitierte Entscheidung des , die noch beim Höchstgericht anhängig sei, habe einen nicht vergleichbaren Sachverhalt zur Grundlage, weshalb eine Aussetzung der Entscheidung gegenständlich nicht zielführend wäre.

Der Beschwerdeführer brachte in der Folge durch seine steuerliche Vertretung einen Antrag auf Vorlage seiner Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht ein. Hinsichtlich der Begründung verwies er auf das schon bisher Vorgebrachte und führte ergänzend aus:

Er habe im Jahr 2015 eine Pensionskassenabfindung von der AB AG erhalten, mit welcher sein Anspruch auf Witwerrente abgegolten worden sei. 

Die in der abweisenden Beschwerdevorentscheidung als richtungsweisend angeführten Judikate beträfen nicht passende Sachverhalte. So habe das Erkenntnis VwGH, , 2007/15/0026, den Eintritt einer Versorgungszusage im Jänner 1995 zum Gegenstand. § 124b Z 53 EStG 1998 gelte aber erst für Sachverhalte ab 2001.

Das Erkenntnis , sei ebenfalls nicht zu § 124b Z 53 EStG 1988 ergangen, da keine Leistungsansprüche gegenüber einer Pensionskasse nach Maßgabe einer gesetzlichen oder statutarischen Abfindungsregelung, sondern (Teil-) Ansprüche gegenüber der standeseigenen Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder abgefunden worden seien.

Der Beschwerdeführer vertrat durch seine steuerliche Vertretung die Rechtsansicht, dass sowohl die grammatische, als auch die teleologische, als auch die historische, als auch die systematische Interpretation des § 124b Z 53 EStG 1988 für die Anwendung der Drittelbegünstigung im Streitfall sprächen.

So erwähne der Gesetzestext mit keiner Silbe eine obligatio alternativa, so sei es plausibel, dass der durch die Zusammenballung von Bezügen entstandene Progressionseffekt gemildert werden solle, so zeige der historische Rückblick bis ins Jahr 2002, dass im Zuge der Gesetzeswerdung alle Steuerpflichtigen, die aus Anlass der Pensionierung statt einer laufenden Pension eine Kapitalabfindung erhielten, gemeint gewesen seien.

Interpretiere man den Willen des Gesetzgebers zusammenfassend, so sei Voraussetzung für die begünstigte Besteuerung lediglich einerseits der Umstand gewesen, dass eine Übertragung des abzufindenden Barwertes in eine inländische Pensionskasse nicht möglich sei, anderereseits die Notwendigkeit einer Abfederung des zusammengeballten Barwertes vorliege.

Auf die zu allen Punkten im Detail getroffenen Ausführungen im Vorlageantrag wird hingewiesen.

Der vorerst gestellte Antrag auf Abhaltung einer Verhandlung vor dem gesamten Beschwerdesenat wurde später zurückgezogen.

In seiner Stellungnahme zum Vorlagebericht verwies das Finanzamt auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung.

II. Sachverhalt:

  • Der Beschwerdeführer erhielt im Streitjahr eine von der AB AG ausbezahlte Kapitalabfindung "anstelle der Witwerrente".

  • Mit dem Bezug der Kapitalabfindung war der Anspruch auf Witwerrente für den Beschwerdeführer erloschen.

Die Sachverhaltsfeststellungen beruhen auf unstrittigem Akteneinhalt.

III. Gesetzliche Grundlagen:

Gemäß § 124b Z 53 EStG idF BGBl. I Nr. 54/2002, sind Zahlungen für Pensionsabfindungen, deren Barwert den Betrag iSd § 1 Abs. 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes übersteigt, gemäß § 67 Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist bei Pensionsabfindungen, die im Jahr 2001 zufließen, nach Abzug der darauf entfallenden Beträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Viertel steuerfrei zu belassen. Zahlungen für Pensionsabfindung von Pensionskassen aufgrund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen sind nach Abzug der darauf entfallenden Pflichtbeiträge ab dem Jahr 2001 und in den folgenden Jahren zu einem Drittel steuerfrei zu belassen.

Die berufliche bzw. betriebliche Vorsorge in der Schweiz (zweite Säule) ist seit im Schweizer Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen-und Invalidenvorsorge vom geregelt (BVG).

Gemäß Art. 1 Abs. 1 BVG umfasst die berufliche Vorsorge alle Maßnahmen auf kollektiver Basis, die den älteren Menschen, den Hinterbliebenen und Invaliden beim Eintreten eines Versicherungsfalles (Alter, Tod oder Invalidität) zusammen mit den Leistungen der eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen-und Invalidenversicherung (AHV/IV) die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise erlauben.

Gemäß Art. 37 Abs. 1 BVG werden die Alters-, Hinterlassenen-und Invalidenleistungen in der Regel als Rente ausgerichtet. Abs. 4 lit. a leg.cit. normiert: Die Vorsorgeeinrichtung kann in ihrem Reglement vorsehen, dass die Anspruchsberechtigten eine Kapitalabfindung anstelle einer Alters-, Hinterlassenen-oder Invalidenrente wählen können; …

IV. Rechtliche Würdigung:

Strittig ist: Kommt für die dem Beschwerdeführer kapitalisiert ausbezahlte Witwerrente die Drittelbegünstigung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 zur Anwendung?

Gemäß der jüngsten Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes steht im Falle einer Wahlmöglichkeit (obligatio alternativa) zwischen lebenslanger Rente und Einmalzahlung eine begünstigte Besteuerung von nur zwei Dritteln des Auszahlungsbetrages (ein Drittel steuerfrei) nicht zu (vgl. etwa ; , RV 1100543/2016; , RV/1100450/016).

Die genannten Judikate des BFG stützen sich dabei insbesondere auf das höchstgerichtliche Erkenntnis , das Zahlungen aus der Vorsorgeeinrichtung der (inländischen) Kammer der Wirtschaftstreuhänder betrifft. Im zugehörigen Rechtssatz Nr. 2 heißt es auszugsweise: "In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof etwa …. ausgesprochen, dass die Abfindung eines Anspruches auf rentenmäßige Zahlung nicht vorliegen kann, wenn dem Anwartschaftsberechtigten das freie Wahlrecht zwischen der Rente einerseits und dem Rentenbarwert (als Kapitalanspruch) eingeräumt ist".

Zudem bezieht sich der VwGH in seinem Erkenntnis , Ra 2015/15/0033, in einem "obiter dictum" auf das oben zitierte Judikat, indem er ausspricht: ..…"setzt § 124b Z 53 EStG 1988 voraus, dass (insbesondere bei ausländischen Pensionskassen im Hinblick auf die dortige gesetzliche Situation) den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt ist …. Dass für den Revisionswerber ein Zwang zur Pensionsabfindung bestanden habe und ihm keine freie Wahlmöglichkeit zwischen zwei gleichrangig eingeräumten Ansprüche offen gestanden sei, behauptet die Revision aber nicht".

Im Streitfall wurde der Versicherungsfall durch den Tod der Gattin des Beschwerdeführers verwirklicht. Sein Anspruch gründet sich auf seine Stellung als Hinterbliebener (Art. 1 Abs. 1 BVG).

Entsprechend der Kapitalabfindung seines Anspruchs auf Witwerrente durch die Vorsorgeeinrichtung AB AG wurden seine Hinterlassenenleistungen iSd Art. 37 Abs. 1 und 4 lit. a BVG gesetzes- und reglementgemäß ausgerichtet.

Es ist unter den gegebenen Umständen für den Beschwerdeführer im Lichte der oben zitierten Rechtsprechung nichts zu gewinnen: Der durch das Ableben seiner Gattin eingetretene Vorsorgefall gestattete ihm die freie Wahlmöglichkeit zwischen lebenslanger Rente und Einmalzahlung. Es gab für ihn keinen Zwang, die kapitalisierte Auszahlung in Anspruch zu nehmen. Wie oben ausgeführt, liegt aber bei Vorhandensein einer obligatio alternativa keine begünstigungsfähige Abfindung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 vor.

Soweit der Beschwerdeführer seine Argumentation auf das Erkenntnis des , gestützt hat, dass beim VwGH in Revision gezogen wurde, ist festzuhalten, dass diesem ein vom Streitfall in entscheidenden Punkten abweichender Sachverhalt zugrundeliegt:

Betroffen war nämlich eine Arbeitnehmerin, die vor Eintritt des Vorsorgefalles das Versorgungsverhältnis mit der beruflichen Pensionskasse des Schweizer Dienstgebers durch Dienstaustritt beendete und in der Folge in Österreich nichtselbstständig tätig war. Der VwGH erachtete in seinem auf diesen Fall bezogenen, inzwischen ergangenen Beschluss vom , Ra 2016/15/0025-6, die Besteuerung des im Zusammenhang mit dem endgültigem Verlassen der Schweiz ausbezahlten Altersguthabens als Pensionsabfindung im Sinne des § 124b Z 53 EStG 1988 (ein Drittel steuerfrei) nicht als rechtswidrig.

Auch das Erkenntnis des , spricht über einen Sachverhalt ab, bei dem es vor Eintritt des Vorsorgefalles bei endgültigem Verlassen der Schweiz zur Auszahlung einer Austrittsleistung kam. Das Höchstgericht erkannte deren begünstigte Besteuerung gemäß § 124b 53 EStG 1988 als rechtens.

Als entscheidend sah der VwGH in den zitierten Judikaten an, dass ein Wahlrecht zwischen Rente und Kapital nicht bestanden habe.

Die neue Rechtsprechung des VwGH unterscheidet somit klar, ob der Vorsorgefall bereits eingetreten ist und ein Wahlrecht besteht (keine Drittelbegünstigung) oder ob vor Eintritt des Vorsorgefalles der Tätigkeitsstaat endgültig verlassen wird und der/die Steuerpflichtige gezwungen ist, die Kapitalabfindung in Anspruch zu nehmen (Drittelbegünstigung steht zu).

Eine unterschiedslose Subsumtion aller Arten von Pensionskassenleistungen unter die Begünstigungsbestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988, wie sie der Beschwerdeführer als vom Gesetzgeber gewollt annimmt, kann nach allem Ausgeführten aus der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht erschlossen werden.

Die Beschwerde war spruchgemäß abzuweisen.

V. Zulässigkeit/Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die zu lösende Rechtsfrage findet Deckung in der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

Feldkirch, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.1100698.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at