Säumnisbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 20.02.2019, RS/2100008/2019

Unzulässigkeit einer Säumnisbeschwerde

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf., p.A. Justizanstalt, wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht des Finanzamtes Graz-Stadt betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2014, 2015, 2016 (Arbeitnehmerveranlagung) beschlossen:

Die Säumnisbeschwerden vom werden gemäß § 260 Abs. 1 lit. a iVm § 284 Abs. 7 lit. b BAO als unzulässig zurückgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Schriftsatz vom erstattete der Beschwerdeführer an das Bundesverwaltungsgericht die "Aufsichts- und Säumnisbeschwerde" und zugleich einen "Fristsetzungsantrag als Eventualantrag an die zuständige Oberbehörde" und begründete dies wie folgt: "Mittels ausgefüllter Formulare begehrte ich sog. Steuerausgleiche für umseits genannte Jahre via reco (Aufgabeschein Nr. 123), welche sodann mit Schriftsatz vom (!) ebenso via reco (Aufgabeschein 345) urgiert wurden. Bis per dato reagierte das FA-Graz, als nunmehr belangte Behörde, nicht. Aufgrund der bisherigen suspekten Vorgehensweise, sofern man von einer überhaupt ausgehen kann, musste mit ggst. Aufsichts- und Säumnisbeschwerde vorgegangen werden.

Im Übrigen wird nunmehr gestellt der notwendige Antrag, es möge das Bundesverwaltungsgericht - Außenstelle Graz dem Finanzamt Graz eine angemessene Frist setzen, in welcher über mein Begehren, so auch über einen Negativsteuerbescheid, zu entscheiden hat!"

Das Anbringen wurde zuständigkeitshalber vom Bundesverwaltungsgericht an das Bundesfinanzgericht Außenstelle Graz weitergeleitet und langte hier am ein und wurde als Säumnisbeschwerde iSd § 284 BAO gewertet.

Folgender Sachverhalt wird aufgrund der Parteiangaben, der Abfragen des Bundesfinanzgerichtes beim Zentralen Melderegister und bei der Finanzdatenbank festgestellt:

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist seit dem durchgehend mit dem Hauptwohnsitz in Wien gemeldet. Er ist Strafgefangener in der Justizanstalt Graz und dort seit  gemeldet (Nebenwohnsitz).

Am langte im Finanzamt Graz-Stadt eine mit datierte Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2016 ein. Am langte eine mit datierte Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2014 ein. Der Bf. behauptet, auch für das Jahr 2015 einen Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung eingebracht zu haben. Einen Nachweis dafür hat er nicht erbracht und scheint in der Datenbank der Finanzverwaltung kein Eingang eines weiteren Antrages auf. 

Die beiden an unterschiedlichen Tagen eingebrachten Anträge für 2014 und 2016 wurden an das Wohnsitzfinanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf zur dort geführten StNr. xxx weitergeleitet und dort bearbeitet.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 85a BAO sind die Abgabenbehörden verpflichtet, über Anbringen der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden.

Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei gemäß § 284 Abs. 1 BAO Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden.

Nach § 284 Abs. 7 lit. b BAO ist § 260 Abs. 1 lit. a BAO (Unzulässigkeit) sinngemäß auf das Säumnisbeschwerdeverfahren anzuwenden. Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist. 

Die Abgabenbehörden haben ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Langen bei ihnen Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig sind, so haben sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen (§ 50 BAO). Das Wohnsitzfinanzamt ist zuständig für die Erhebung der Einkommensteuer bei unbeschränkter Steuerpflicht (§ 20 Abs. 2 Z 1 AVOG). Wohnsitzfinanzamt und damit örtlich zuständig ist das Finanzamt, in dessen Bereich der Abgabepflichtige einen Wohnsitz (§ 26 Abs. 1 BAO) oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 26 Abs. 2 BAO) hat. Bei mehrfachem Wohnsitz im Bereich verschiedener Finanzämter gilt als Wohnsitzfinanzamt jenes, in dessen Bereich sich der Abgabepflichtige überwiegend aufhält (§ 20 Abs. 1 AVOG). Keinen Wohnsitz begründet der Aufenthalt eines Strafgefangenen in der Strafanstalt (Ritz, BAO6, § 26 Rz 3).  

Die Pflicht zur Entscheidung über ein Anbringen einer Partei trifft nur die Behörde, die zum Abspruch über dieses Anbringen zuständig ist. Die Weiterleitung eines Anbringens nach § 50 BAO - wie dies in beiden Fällen an das Finanzamt Wien 12/13/14 als das sachlich und örtlich zuständige Finanzamt erfolgt ist - bewirkt jedenfalls das Erlöschen einer Entscheidungspflicht (; ; Ritz, w.o., § 284 Rz 12). Mit Einlangen des weitergeleiteten Antrages bei der zuständigen Behörde trifft diese die Entscheidungspflicht. Diese Rechtswirkungen treten unabhängig davon ein, ob die Weiterleitung zu Recht erfolgt ist (vgl. und das zur vergleichbar gestalteten Bestimmung des § 73 AVG ergangene Erkenntnis des ). Umgelegt auf den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass durch die Weiterleitung der Anträge an das Finanzamt Wien 12/13/14 für das Finanzamt Graz-Stadt keine Entscheidungspflicht mehr bestand und sind die Säumnisbeschwerden daher als unzulässig zurückzuweisen. Dem Finanzamt Graz-Stadt war daher auch kein Auftrag nach § 284 Abs. 2 BAO zu erteilen, über die Anträge innerhalb einer Frist zu entscheiden.

Aber auch wenn man eine Entscheidungspflicht des Finanzamtes Graz-Stadt bejahen würde, wären die Säumnisbeschwerden als unzulässig zurückzuweisen, weil § 284 Abs. 1 BAO solche erst nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten zulässt und diese Frist für die im September 2018 eingebrachten Anbringen bei Einbringung der Säumnisbeschwerden im Jänner 2019 noch nicht abgelaufen war (vgl. Ritz, w.o., § 284 Rz 12).

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Es handelt sich gegenständlich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die Rechtsfolge ergibt sich vielmehr unmittelbar aus dem Gesetz.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 284 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 284 Abs. 7 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RS.2100008.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at