Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.09.2018, RV/1100114/2018

Kein Vorliegen einer Pensionsabfindung - keine Drittelbegünstigung bei Ausübung der Wahlmöglichkeit gemäß Vorsorgereglement

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1100114/2018-RS1
Nach der Rechtsprechung liegt eine Pensionsabfindung nur dann vor, wenn die Zahlung in Abgeltung eines auf Renten lautenden, bereits entstandenen Rentenanspruches geleistet wird. Von einer Pensionsabfindung kann aber nicht gesprochen werden, wenn dem Anwartschaftsberechtigten das Wahlrecht eingeräumt wird, zwischen mehreren gleichwertigen, primären, aber alternativen Möglichkeiten zu wählen (§ 906 ABGB, obligatio alternativa). Denn in solch einem Fall ist der Rentenanspruch nur ein Anspruch unter anderen, nicht aber der primäre Anspruch. Er kann daher auch nicht „abgefunden“ werden (vgl. mwN; Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG19, § 67 Tz 134 mwN, ua auf ).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf, Adr, vertreten durch Stb, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Feldkirch vom , betreffend Einkommensteuer 2016 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) war von bis bei der Firma AG in der Schweiz nichtselbständig beschäftigt. Die geplante Versetzung des Bf in eine andere Abteilung der Firma bedingt durch betriebliche Veränderungen im Jahr 2015 scheiterte daran, dass er aus gesundheitlichen Gründen die ihm zugewiesene Arbeit nicht längerfristig ausführen konnte. Es folgte die vorzeitige Pensionierung zum . Am zahlte die AG_PK das vorhandene Sparguthaben in Kapitalform an den Bf aus.

Verfahrensgang

Nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens erfasste das Finanzamt die Pensionskassenauszahlung zur Gänze als Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug. Die Regelung des § 124b Z. 53 EStG 1988 wurde laut Bescheidbegründung nicht angewendet, da diese Begünstigung darauf abstelle, dass den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt sei. Wenn kein Zwang zur Pensionsabfindung bestehe, sondern der Anwartschaftsberechtigte seine freie Wahl zwischen mehreren Ansprüchen treffe, diesem also im Rahmen einer obligatio alternativa ein Wahlrecht eingeräumt werde, liege keine Abfindung vor.

In seiner Beschwerde brachte der Bf vor, dass kein Wahlrecht für eine Einmalzahlung bestanden habe, sondern ein Zwang seitens der Schweizer Behörden zur Einmalauszahlung der Freizügigkeitsleistung gegeben gewesen sei.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung verwies das Finanzamt auf das Vorsorgereglement des AG_PK, nach dessen Art. 10 Abs. 1 die versicherte Person mit Erreichen des ordentlichen Rücktrittsalters Anspruch auf eine lebenslängliche Altersrente habe. Eine vorzeitige Pensionierung mit gekürzter Rente sei ab fünf Jahren vor Erreichen des ordentlichen Rücktrittsalters möglich (Art. 10 Abs. 4); nach Art. 11 Abs. 1 könne die versicherte Person die mit ihrem persönlichen Sparkapital finanzierte Altersrente in Kapitalform beziehen. Von dieser reglementarisch eingeräumten Möglichkeit habe der Bf Gebrauch gemacht. Sein Vorbringen, es habe kein diesbezügliches Wahlrecht bestanden, entspreche daher nicht den Tatsachen.

Der Vorlageantrag verwies zunächst auf die ErlRV zu BGBl. Nr. 54/2002, mit dem die Bestimmung des § 124b Z. 53 EStG 1988 um die hier in Frage stehende Drittelbegünstigung erweitert wurde. Dieser liege die Idee zugrunde, den Progressionseffekt, der bei der Zusammenballung von Bezügen entstehe, zu mildern: "Ausländische gesetzliche Regelungen bzw. die darauf beruhenden Statuten der ausländischen Pensionskassen sehen vielfach Pensionsabfindungen vor. Eine Übertragung des abzufindenden Barwertes in eine inländische Pensionskasse ist nicht möglich. Diese Problematik betrifft insbesondere Grenzgänger, die in diesen Fällen keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung haben. Es wäre daher unbillig, Pensionsabfindungen in diesen Fällen zur Gänze tarifmäßig zu besteuern".

Weiters wurden Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates (vom , RV/0136-F/09 sowie vom , RV/0468-F/08) bzw. des Bundesfinanzgerichtes (vom , RV/1100654/2015) zitiert und vorgebracht, dass es sich im gegenständlichen Fall zwar nicht um den Vorbezug von Altersguthaben zur Gründung von Wohnungseigentum handle (wie in RV/0468-F/08), der Betrag aber zur Überbrückung der Zeit zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der Schweiz (auf Druck des Arbeitgebers) und dem Zeitpunkt des Bezuges der Altersversorgung gedient habe.

Der Bf habe aus einer Notsituation heraus keine andere Möglichkeit gehabt, als den Vorbezug des Altersguthabens in Anspruch zu nehmen.

Auf Anfrage des Bundesfinanzgerichtes zum Vorliegen eines Zwangs betreffend die Kapitalauszahlung teilte der steuerliche Vertreter Folgendes mit:

Der Bf sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, die ihm zugewiesene Arbeit längerfristig auszuführen, woraufhin ihm die Geschäftsführung den Antritt der vorzeitigen Alterspension freigestellt habe. Diese habe der Bf jedoch nicht in Anspruch nehmen können, da die vorzeitige Alterspension aufgrund der Abschläge zur Bedienung der finanziellen Belastungen (Darlehensrückzahlungen) sowie des Lebensunterhaltes nicht ausgereicht hätte. Der Bf habe sich daher gezwungenermaßen die Freizügigkeitsleistung ausbezahlen lassen, um den Zeitraum zwischen der Beendigung der Grenzgängertätigkeit bei der Firma AG am und dem Pensionsantrit am zu überbrücken. Ein Bezug von Arbeitslosengeld sei nicht möglich gewesen (bzw. sehr gering ausgefallen) da der Bf seit als Grenzgänger in der Schweiz tätig gewesen sei.

Aufgrund der unterschiedlichen Bezeichnungen der Auszahlung im Akt - einerseits liegt eine "Bescheinigung über Kapitalauszahlungen zum - Kapitalabfindung bei Pensionierung", andererseits aber auch eine "Austrittsabrechnung Pensionierung per in CHF" vor - richtete das Bundesfinanzgericht einen Vorhalt an den Steuerberater des Bf, mit welchem um endgültige Abklärung der Frage, welche Leistung der Bf nun konkret bekommen habe, ersucht wurde: Ob es sich um eine Freizügigkeitsleistung anlässlich vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses handle oder um eine Kapitalabfindung des Rentenanspruches iSd Art. 37 Abs. 4 BVG (Berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge BG).

In Beantwortung dieses Vorhaltes teilte der steuerliche Vertreter mit, dass der Bf zum pensioniert worden sei und legte das angeforderte Vorsorgereglement sowie ein Schreiben der AG_PK betreffend die Pensionskassen-Abrechnung zum vor.

Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akteninhalt, dem erstatteten Vorbringen und dem vom Bundesfinanzgericht geführten Vorhalteverfahren.

Vorgelegt wurden vom Finanzamt ua die von der AG_PK ausgestellte "Bescheinigung über Kapitalauszahlungen per - Kapitalabfindung bei Pensionierung" und ein Auszug aus deren Vorsorgereglement.

Aufgrund eines Vorhaltes des Bundesfinanzgerichtes wurde zusätzlich das gesamte Vorsorgereglement der AG_PK sowie das Schreiben der AG_PK vom vorgelegt, in welchem auf den schriftlichen Antrag des Bf vom auf Auszahlung des gesamten Alterskapitals und den daraus resultierenden Verzicht auf Bezug einer lebenslänglichen Altersrente hingewiesen wird.

Rechtslage/Vorsorgereglement

Gemäß § 124 Z. 53 EStG 1988 sind Zahlungen für Pensionsabfindungen, deren Barwert den Betrag im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes übersteigt, gemäß § 67 Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist bei Pensionsabfindungen, die im Jahre 2001 zufließen, nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Viertel steuerfrei zu belassen. Zahlungen für Pensionsabfindungen von Pensionskassen auf Grund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen sind nach Abzug der darauf entfallenden Pflichtbeiträge ab dem Jahr 2001 und in den folgenden Jahren zu einem Drittel steuerfrei zu belassen.

Gemäß Art. 37 Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen und Invalidenvorsorge (BVG) werden Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenleistungen in der Regel als Rente ausgerichtet. (...)

Gem. Abs. 4 dieser Bestimmung kann die Vorsorgeeinrichtung in ihrem Reglement vorsehen, dass die Anspruchsberechtigten eine Kapitalabfindung an Stelle einer Alters-, Hinterlassenen- oder Invalidenrente wählen können.

Gemäß Art. 10 Abs. 1 des Vorsorgereglements der AG_PK hat die versicherte Person mit Erreichen des ordentlichen Rücktrittsalters Anspruch auf eine lebenslange Altersrente.

Gemäß Art. 10 Abs. 4 des Reglements ist ab fünf Jahren vor Erreichen des ordentlichen Rücktrittsalters die vorzeitige Pensionierung möglich. Bei einer vorzeitigen Pensionierung erhält die versicherte Person ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine gekürzte Rente aus der Pensionskasse.

Gemäß Art. 11 Abs. 1 des Reglements kann die versicherte Person die mit ihrem persönlichen Sparkapital finanzierte Altersrente in Kapitalform beziehen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Fest steht im gegenständlichen Fall, dass der Bf Anspruch auf eine Altersvorsorge in Rentenform entsprechend dem Vorsorgereglement der AG_PK hatte. Er hat diese aus dem Anlass seiner vorzeitigen Pensionierung jedoch nicht in Anspruch genommen, sondern sich infolge seiner finanziellen Situation das Altersguthaben in Kapitalform auszahlen lassen.

Wie sich aus den ErlRV zu BGBl. Nr. 54/2002 ersehen lässt, hatte der Gesetzgeber bei der Einführung des § 124b Z. 53 letzter Satz EStG 1988 vor allem jene Fälle vor Augen, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben nur eine Kapitalauszahlung beantragen können, ohne die Möglichkeit, das zugrunde liegende Guthaben - und sei es zu einem späteren Zeitpunkt - als Rente zu beziehen. So sieht beispielsweise die entsprechende Bestimmung des Freizügigkeitsgesetzes, Art. 2, vor, dass Versicherte, welche die Vorsorgeeinrichtung verlassen bevor ein Vorsorgefall eintritt (Freizügigkeitsfall), Anspruch auf eine Austrittsleistung haben. Ein (alternativer) Anspruch gegenüber der Pensionskasse des bisherigen Dienstgebers auf Verbleib in der Pensionskasse und auf spätere Zahlung einer Altersrente aus dem bei dieser angesparten Guthaben besteht in solchen Fällen nicht (siehe dazu die auch im Vorlageantrag zitierte Entscheidung des ).

Nach der Rechtsprechung liegt eine Pensionsabfindung nur dann vor, wenn die Zahlung in Abgeltung eines auf Renten lautenden, bereits entstandenen Rentenanspruches geleistet wird. Von einer Pensionsabfindung kann aber nicht gesprochen werden, wenn dem Anwartschaftsberechtigten das Wahlrecht eingeräumt wird, zwischen mehreren gleichwertigen, primären, aber alternativen, Möglichkeiten zu wählen (§ 906 ABGB, obligatio alternativa). Denn in solch einem Fall ist der Rentenanspruch nur ein Anspruch unter anderen, nicht aber der primäre Anspruch. Er kann daher auch nicht "abgefunden" werden (vgl. mwN; Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG19, § 67 Tz 134 mwN, ua auf ).

Gemäß Art. 37 Abs. 4 BVG sowie Art. 11 Abs. 1 des Vorsorgereglements der AG_PK hatte der Bf die Möglichkeit, zwischen einer Alterleistung in Form einer Rente oder in Form des Sparkapitals zu wählen. Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, hat sich der Bf für die Altersleistung in Form der Ausbezahlung des Sparkapitals entschieden.

Somit hat der Bf von einer obligatio alternativa Gebrauch gemacht. Eine Pensionsabfindung liegt in diesem Fall schon begrifflich nicht vor und steht die Drittelbegünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 daher nicht zu.

Was die im Vorlageantrag zitierte BFG-Rechtsprechung betrifft, so bestand in den ersten beiden Fällen das Problem jeweils darin, dass die den Pensionskassenauszahlungen zugrunde liegenden Pensionszusagen weniger als sieben Jahre zurück lagen und somit den Lohnsteuerrichtlinien zufolge die Abgabenbehörde keine begünstigte Besteuerung vornehmen durfte. Die Drittelbegünstigung stand außer Frage, wobei im zweiten Fall ein Vorbezug des Vorsorgekapitals zur Bildung von selbst genutztem Wohnungseigentum stattgefunden hat. Beiden Fällen ist gemein, dass die Auszahlung als solche nur auf Antrag erfolgte, aber keine Wahlmöglichkeit dahingehend bestand, die Zahlung in Rentenform oder als Einmalbetrag zu beziehen.

Der dritte Fall, die bereits zitierte Entscheidung vom , RV/1100654/2015, betraf eine Grenzgängerin in der Schweiz, für welche infolge der Beendigung des Dienstverhältnisses eine Austrittsleistung iSd Freizügigkeitsgesetzes berechnet wurde. Die Wahlmöglichkeit, deren Inanspruchnahme dort als nicht schädlich erachtet wurde, betraf jene des Art. 5 FZG (Freizügigkeitsgesetz), also die Barauszahlung der Freizügigkeitsleistung auf Wunsch der Abgabepflichtigen. Ein alternativer Anspruch gegenüber der Pensionskasse auf Verbleib in der Pensionskasse und auf spätere Zahlung einer Altersrente bestand nicht.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die gegenständliche Rechtsfrage ist durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.1100114.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at