Erlass von Einfuhrabgaben nach Art. 239 ZK wegen Vorliegens besonderer Umstände
Revision eingebracht (Amtsrevision). Beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2019/16/0087. Zurückweisung mit Beschluss vom .
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bfin, Adr, vertreten durch V., Adr1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Feldkirch Wolfurt vom , Zahl ******/****/2013, betreffend Erlass von Einfuhrabgaben und der Abgabenerhöhung nach Art. 239 Zollkodex,
zu Recht erkannt:
1. Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, als der Beschwerdeführerin die zu den in der Beilage unter den lfd. Nrn. 329 bis 615, 620 bis 621 und 623 angeführten Zollanmeldungen nachträglich buchmäßig erfassten Einfuhrabgaben (A00) und die Abgabenerhöhung (1ZN) in Höhe von insgesamt € 41.762,21 erlassen werden und ein Erlass betreffend die zu den Zollanmeldungen der lfd. Nrn. 1 bis 328, 616 bis 619, 622 und 624 nachträglich buchmäßig erfassten Einfuhrabgaben und die hierzu festgesetzte Abgabenerhöhung abgewiesen wird. Die Beilage bildet einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegenüberstellung:
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Zoll (A00) | Abgabenerhöhung (1ZN) | Gesamt | |
Erlass bisher | € 8.587,06 | € 177,81 | € 8.764,87 |
Erlass neu | € 40.599,41 | € 1.162,80 | € 41.762,21 |
Summe: | € 32.012,35 | € 984,99 | € 32.997,34 |
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang:
Mit Bescheid vom , Zahl ******/*****/08/2010/11, teilte das Zollamt der Beschwerdeführerin nach Art. 220 Abs. 1 ZK die nachträgliche buchmäßige Erfassung von nach Art. 201 Abs. 1 Buchst. a ZK entstandenen aber mit einem geringeren Betrag buchmäßig erfassten Einfuhrabgaben zu den in einer Anlage zum Bescheid näher bezeichneten Zollanmeldungen betreffend die Einfuhr von sogenannten Schwenkantrieben im Zeitraum 2008 bis 2010 in Höhe von insgesamt € 140.047,66 mit und setzte gleichzeitig eine Abgabenerhöhung gemäß § 108 Abs. 1 ZollR-DG in Höhe von insgesamt € 8.389,79 fest. "Schwenkantriebe" seien keine Teile eines Baggers. Sie seien deshalb in die KN-Position 8412 2981 90 mit einer Zollbelastung von 4,2% einzureihen.
Der dagegen mit Eingabe vom erhobenen Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung vom teilweise (zwischenzeitlich rechtskräftig) stattgegeben und die nachgeforderten Beträge um insgesamt € 50.336,94 herabgesetzt, weil im Rahmen der 56. Tagung des Ausschusses für den Zollkodex vom 6. bis die Einreihung in die KN-Position 8412 21 80 als linear arbeitender Hydraulikmotor (Zollsatz 2,7%) beschlossen worden sei. Gleichzeitig wurde die Höhe der festgesetzten Abgabenerhöhungsbeträge angepasst.
Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin parallel dazu die Erstattung der Einfuhrabgaben einschließlich der Abgabenerhöhung nach Art. 239 ZK iVm Art. 899 ff ZK-DVO und §§ 82 ff ZollR-DG. Begründend wurde vorgebracht, dass die niederländischen Zollbehörden eine verbindliche Zolltarifauskunft erteilt hätten, die Basis für die Verzollung durch die Beschwerdeführerin gewesen sei. Die Warennummer sei ihr von der Auftraggeberin, der P-AG, bekanntgegeben und mit der niederländischen VZTA argumentiert worden. Dies sei für die Beschwerdeführerin auch nachvollziehbar und schlüssig gewesen. Die Schwenkvorrichtungen würden mit den Baggern fix verbunden werden. 70% der Mittelklasse-Bagger seien damit ausgerüstet. Es handle sich somit um Teile eines Baggers und nicht um Zubehör. Teile seien dazu bestimmt, zu einem späteren Zeitpunkt in eine Hauptware einzugehen. Nichts anderes liege im vorliegenden Fall vor. Die der Einreihung zugrunde liegende VZTA-Nr. DEM/408/08-1 sei nicht relevant, weil es sich nicht um eine Axialkolbenpumpe, sondern um einen Drehzylinder handle. Die Beschwerdeführerin habe sich auf die vorgegebenen und schlüssig belegten Daten verlassen dürfen und müssen. Erst durch eine technische Untersuchung sei von der Zollbehörde eine Tarifnummer festgestellt worden, die mit der tatsächlich verwendeten Tarifnummer nicht in Einklang gebracht werden könne. Diese Mittel seien der Beschwerdeführerin jedenfalls nicht zu Verfügung gestanden. Dem stehe gegenüber, dass der Beschwerdeführerin eine verbindliche Zolltarifauskunft der niederländischen Zollbehörden vorgelegen habe, deren Bindung sich auf alle Zollbehörden innerhalb der Union erstrecke. Der Beschwerdeführerin sei weder betrügerische Absicht noch offensichtlicheFahrlässigkeit anzulasten. Aufgrund der vorliegenden verbindlichen Zolltarifauskunft der niederländischen Zollbehörden und der Zusammensetzung der Waren lägen diese Haftungsumstände nicht vor.
Mit ergänzendem Schreiben vom wurde von der Beschwerdeführerin noch einmal betont, dass die angenommene Warennummer auf den glaubwürdigen und nachvollziehbaren Informationen und Unterlagen der P-AG basieren würden und eine niederländische VZTA vorgelegen habe. Die Beschwerdeführerin habe sich darauf verlassen können. Auch die Zollbehörden hätten bei der ursprünglichen - im Übrigen auch unrichtigen – Einstufung der Ware eine Zolltarifauskunft der deutschen Behörden herangezogen. Hinzu komme, dass die P-AG und jene Unternehmen, die die Waren bezogen haben, einen weitaus näheren Zugang zur Ware als die Beschwerdeführerin hätten. Schon aus diesen Gründen ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin nicht offensichtlich fahrlässig gehandelt habe und im Zusammenhnag mit dem bisherigen Verfahren, insbesondere auch die im Zusammenhang mit den aufwändigen Ermittlungsverfahren im Rahmen des Ausschusses besondere Gründe für den Erlass der Abgaben vorliegen würden.
Das Zollamt erließ mit Bescheid vom , Zahl ******/****/2013, den Zoll betreffend die Zollanmeldungen, in welchen die P-AG, Schweiz, als vertretende Gesellschaft genannt wurde und die nach dem Ergehen der verbindlichen Zolltarifauskunft der niederländischen Zollverwaltung (NL RTD-2009-002695) abgegeben worden sind, in Höhe von € 8.587,06 einschließlich der darauf entfallenden Abgabenerhöhung in Höhe von € 177,81 und wies im Übrigen den Antrag wegen Nichtvorliegens eines besonderen Falles ab.
Das Risiko, dass es aufgrund einer unrichtigen tarifarischen Einreihung zu einer Abgabennachforderung komme, treffe alle Anmelder gleich und gehöre zum normalen Geschäftsrisiko. Der Anmelder hafte für die Entrichtung der Einfuhrabgaben als auch für die Ordnungsmäßigkeit der Unterlagen, die er den Zollbehörden vorlege. Für den Zeitraum ab der Gültigkeit der verbindlichen Zolltarifauskunft der niederländischen Zollverwaltung, komme eine Erstattung nicht in Betracht, da diese nicht den jeweiligen Warenempfängern erteilt worden sei und sie sich somit im Vergleich zu anderen Wirtschaftsteilnehmern (ohne VTZA) die die gleiche Tätigkeit ausüben, nicht in einer außergewöhnlichen Lage befinden würden.
Dagegen wurde mit Eingabe vom der Rechtsbehelf der Berufung erhoben.
In ihrer Begründung wiederholte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und führt zur Begründung des Zollamtes, wonach die VZTA der niederländischen Zollverwaltung nicht gelte, aus, dass die belangte Behörde übersehe, dass die Beschwerdeführerin ja letztendlich auch im Auftrag der P-AG tätig geworden sei und es sich um Waren handle, die von der P-AG in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt worden seien. Sowohl die Beschwerdeführerin als auch die von ihr vertretenen Warenempfänger stünden in einem Vertragsverhältnis mit der P-AG. Es handle sich ausschließlich um Waren, die von der P-AG über die H., USA, die über die niederländische VZTA verfügt habe, in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt worden seien.
Das Zollamt wies die als Beschwerde geltende Berufung mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl ******/****/2013-1, als unbegründet ab.
Im vorliegenden Fall sei zu beurteilen gewesen, ob das Vorliegen einer unrichtigen VZTA einen besonderen Umstand begründen könne und wenn ja, für wen. Dazu gebe es bereits eine Entscheidung der Kommission in einem ähnlich gelagerten Fall (REM 06/08). Das Zollamt habe daher die Einfuhrabgaben in jenen Fällen, in denen von der Beschwerdeführerin die zur gleichen Gruppe gehörende P-AG vertreten wurde, erlassen, in den andern Fällen, in denen die durch die Beschwerdeführerin vertretenen Empfänger nicht zu dieser Gruppe gehörten und auch nicht selbst über eine VTZA verfügten, nicht.
Dagegen wurde mit Eingabe vom der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) eingebracht. Der zunächst gestellte Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde mit Eingabe vom zurückgenommen.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt:
Zwischen Jänner 2008 und April 2010 gab die Beschwerdeführerin, ein Speditionsunternehmen, über 600 Zollanmeldungen zur Überführung von Schwenkantrieben in den zollrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung (Verfahrenscode 4200) ab. Dabei wurden die Schwenkantriebe unter KN-Code 8431 49 80 (Zollsatz: 0%) angemeldet, weil die Beschwerdeführerin davon ausging, dass es sich um Baggerteile handelt.
Am wurde die Zollanmeldung CRN 09AT920000IV6W1MP7 hinsichtlich ihrer Tarifierung einer Kontrolle unterzogen und diese als zutreffend festgestellt. In der Zollanmeldung wurde "2 Stück Baggerteile, Ursprung USA, überprüft, innere Beschau, konform" vermerkt. In der Folge wurde auch in 13 weiteren Fällen eine innere Beschau durchgeführt, die zu keiner Beanstandung führte. In drei Fällen wurde ausdrücklich "Tarifierung korrekt" vermerkt.
Im Frühjahr 2010 führt die Betriebsprüfung/Zoll eine Überprüfung der Tarifierung vor und reihte die Waren nach Befassung der Zentralstelle für Verbindliche Zolltarifauskünfte beim Zollamt Wien (ETOS 882/2010), die sich wiederum auf eine VZTA der deutschen Zollverwaltung (DEM/408/08-1) bezog in den KN-Code 8412 2981 90 (Zollsatz 4,2%) ein und nahm eine Nacherhebung der Einfuhrabgaben in Höhe von € 140.047,11 vor.
Im April 2011 befasst sich der Zollkodex-Ausschuss, Fachbereich zolltarifliche und statistische Nomenklatur (Bereich Mechanik/Verschiedenes) mit der Einreihungsproblematik und beschloss die Einreihung unter KN-Code 8412 21 80 (Zollsatz 2,7%). Das Zollamt erließ im Rahmen der Berufungserledigung im Festsetzungsverfahren die zuviel nachgeforderten Einfuhrabgaben. Die gänzliche Aufhebung der Nachforderung wegen Irrtums der Zollbehörden wurde nach Aufhebung des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts durch den Verwaltungsgerichtshof und nach Zurücknahme der Beschwerde im Ergebnis rechtskräftig durch die Berufungsvorentscheidung vom abgewiesen.
Beweiswürdigung:
Der relevante Sachverhalt ergibt sich schlüssig und zweifelsfrei aus dem Abgabenakt
Rechtliche Erwägungen:
Auf den gegenständlichen Beschwerdefall ist noch die Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 12. Oktober 1992, ABlEG Nr. L 302 vom (Zollkodex - ZK) und die Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 253 vom , (Zollkodex-Durchführungsverordnung - ZK-DVO) anzuwenden.
Art. 235 ZK lautet:
"Artikel 235
Es gelten als
a) Erstattung: die Rückzahlung der Gesamtheit oder eines Teils der entrichteten Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben;
b) Erlaß: eine Entscheidung, durch die auf die Erhebung der Gesamtheit oder eines Teils einer Zollschuld verzichtet wird, oder eine Entscheidung, durch die die buchmäßige Erfassung der Gesamtheit oder eines Teils eines noch nicht entrichteten Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenbetrages für ungültig erklärt wird."
Artikel 239 ZK lautet:
"Artikel 239
(1) Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben können in anderen als den in den Artikeln 236, 237 und 238 genannten Fällen erstattet oder erlassen werden; diese Fälle
- werden nach dem Ausschussverfahren festgelegt;
- ergeben sich aus Umständen, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind. Nach dem Ausschussverfahren wird festgelegt, in welchen Fällen diese Bestimmung angewandt werden kann und welche Verfahrensvorschriften dabei zu beachten sind. Die Erstattung oder der Erlass kann von besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht werden.
(2) Die Erstattung oder der Erlass der Abgaben aus den in Absatz 1 genannten Gründen erfolgt auf Antrag; dieser ist innerhalb von zwölf Monaten nach der Mitteilung der Abgaben an den Zollschuldner bei der zuständigen Zollstelle zu stellen.
Jedoch können
- in begründeten Ausnahmefällen die Zollbehörden diese Frist verlängern,
- in bestimmten Fällen kürzere Fristen im Ausschussverfahren festgelegt werden."
Artikel 899 ZK-DVO lautet:
"Artikel 899
(1) Stellt die Entscheidungsbehörde, bei der eine Erstattung oder ein Erlass nach Artikel 239 Absatz 2 Zollkodex beantragt worden ist, fest,
- dass die für diesen Antrag vorgebrachten Gründe einen der in den Artikeln 900 bis 903 beschriebenen Tatbestände erfüllen und keine betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt, so erstattet oder erlässt sie die betreffenden Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben;
- dass die für diesen Antrag vorgebrachten Gründe einen der in Artikel 904 beschriebenen Tatbestände erfüllen, so lehnt sie die Erstattung oder den Erlass der Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben ab.
(2) In allen anderen Fällen, ausgenommen bei einer Befassung der Kommission gemäß Artikel 905, entscheidet die Entscheidungsbehörde von sich aus, die Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben zu erstatten oder zu erlassen, wenn es sich um besondere Fälle handelt, die sich aus Umständen ergeben, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen sind.
Ist Artikel 905 Absatz 2 zweiter Anstrich anwendbar, so können die Zollbehörden erst entscheiden, die in Frage stehenden Abgaben zu erstatten oder zu erlassen, wenn das nach den Artikeln 906 bis 909 eingeleitete Verfahren abgeschlossen ist.
(3) Als "Beteiligte(r)" im Sinn des Artikels 239 Absatz 1 Zollkodex und im Sinn dieses Artikels gelten die Person oder die Personen nach Artikel 878 Absatz 1 oder ihr Vertreter sowie gegebenenfalls jede andere Person, die zur Erfüllung der Zollförmlichkeiten für die in Frage stehenden Waren tätig geworden ist oder die Anweisungen gegeben hat, die zur Erfüllung dieser Förmlichkeiten notwendig waren.
(4) Zur Durchführung der Absätze 1 und 2 leisten die Mitgliedstaaten einander Amtshilfe, insbesondere wenn eine Pflichtverletzung auf Seiten der Zollbehörden eines anderen als des entscheidungsbefugten Mitgliedstaats vorliegt."
§ 83 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) in der hier ebenfalls noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle durch das Abgabenänderungsgesetz 2015, BGBl I Nr. 163/2015, lautet:
"§ 83. Im Falle einer Erstattung oder eines Erlasses der sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben nach den Bestimmungen des Artikels 239 ZK in Verbindung mit Artikel 899 Abs. 2 ZK-DVO liegt ein besonderer Fall dann vor, wenn sich die Abgabenbelastung als unbillig nach Lage der Sache erweist oder wenn die Existenz des Abgabenschuldners durch die Abgabenbelastung ernsthaft gefährdet ist. Letzterenfalls stellt die betrügerische Absicht oder grobe Fahrlässigkeit des Beteiligten keinen Ausschließungsgrund für die Gewährung einer Erstattung oder eines Erlasses dar, sofern alle sonstigen Voraussetzungen vorliegen und eine Gesamtbetrachtung für eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers spricht. Eine Vorlage an die Europäische Kommission hat zu unterbleiben."
Die Bestimmungen u.a. des ZK gelten nach § 2 Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) auch in allen nicht vom Zollkodex erfassten unionsrechtlich und innerstaatlich geregelten Angelegenheiten des Warenverkehrs über die Grenzen des Anwendungsgebietes, einschließlich der Erhebung von Abgaben (sonstige Eingangsabgaben) und anderen Geldleistungen, soweit im ZollR-DG oder in den betreffenden Rechtsvorschriften die Vollziehung der Zollverwaltung übertragen und nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist. Unter die anderen Geldleistungen fällt auch die Abgabenerhöhung nach § 108 Abs. 1 ZollR-DG.
Da im vorliegenden Beschwerdefall kein Sachverhalt vorliegt, der einem der in den Artikeln 900 bis 904 ZK-DVO angeführten Fällen entspricht, setzt der Erlass - die Abgaben sind noch nicht entrichtet worden - gemäß Art. 239 Abs. 2 ZK iVm Art. 899 Abs. 2 ZK-DVO voraus, dass es sich um einen besonderen Fall handelt, der sich aus Umständen ergibt, die nicht auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit zurückzuführen sind.
Ein besonderer Fall im Sinne des Art. 239 ZK ist nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dann gegeben, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass sich der Abgabenschuldner im Vergleich zu anderen Wirtschaftsteilnehmern, die die gleiche Tätigkeit ausüben, in einer außergewöhnlichen Lage befindet und dass er ohne diese Umstände den Nachteil, der in der Nacherhebung der Zölle liegt, nicht erlitten hätte (vgl. zB , EU:C:1987:164, Rn 22, "Cooperative agricole d'approvisionnement des Avirons"; , EU:C:1999:95, Rn 21 und 22 "Trans-Ex-Import").
Soweit die Beschwerdeführerin das Vorliegen eines besonderen Falles darin erblickt, dass sie sich auf eine verbindliche Zolltarifauskunft (VZTA) der niederländischen Zollbehörden verlassen habe dürfen, ist entgegen zu halten, dass diese Auskunft erst im November 2009 erteilt worden ist und darüber hinaus die KN-Position 8479 10 00 als zutreffend feststellte. Die Beschwerdeführerin reihte die Schwenkantriebe in ihren Anmeldungen aber als Teil eines Baggers in KN-Code 8431 49 80 ein. Sie kann sich daher in Bezug auf die hier betroffenen Anmeldungen nicht mit Erfolg auf die niederländische verbindliche Zolltarifauskunft berufen und Vertrauensschutz für sich beanspruchen.
Ein besonderer Fall liegt auch nicht darin begründet, dass die Beschwerdeführerin den Angaben in der schweizerischen Ausfuhranmeldung bzw. den Auskünften und Angaben der Versenderin vertraute. Wenn sich solche Angaben als falsch herausstellen, gehört es zum normalen Berufsrisiko eines Anmelders in der Folge von Abgabennachforderungen betroffen zu sein, wenn sich die Einreihung als unrichtig erweist. Auch drittländische Ausfuhranmeldungen stellen keine Rechtsquelle dar, auf die sich ein Anmelder berufen und Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen kann. Das gleiche gilt auch für die von der Versenderin gegenüber der Beschwerdeführerin gemachten Angaben.
Der vorliegende Sachverhalt ist mit jenem von der Europäischen Kommission zu Zahl REM 20/2002 vom entschiedenen Erstattungsfall vergleichbar.
Vor dem hat das Zollamt bei den von der Beschwerdeführerin abgegebenen Anmeldungen nach den vorliegenden Unterlagen keine innere Beschau der Ware im Hinblick auf deren zolltarifarische Einreihung durchgeführt. Dem Zollamt kann daher nicht vorgeworfen werden, dass es einen besondere Umstände begründenden Irrtum begangen habe, zumal sich aus der im Feld 31 der Zollanmeldungen verwendeten Warenbezeichnung, auch in den Fällen, in denen die Schwenkantriebe als solche bezeichnet wurden, nicht offensichtlich eine Abweichung von der erklärten Warennummer ergibt. Die erklärte Warennummer (als Teil eines Baggers) wurde bei den Ausschussberatungen deshalb als unzutreffend erkannt, weil die Schwenkantriebe nicht ausschließlich für Maschinen, Apparate und Geräte der Positionen 8425 bis 8430 verwendet werden können.
Ein besonderer Fall liegt für sich allein gesehen auch nicht darin, dass die zutreffende Einreihung erst durch die Befassung des zuständigen Ausschusses geklärt werden konnte, da es dem Auftrag des Ausschusses entspricht, Einreihungsprobleme zu prüfen. Bei den bis zum genannten Zeitpunkt erfolgten Einfuhren befand sich die Beschwerdeführerin als Anmelderin somit nicht in einer besonderen Situation im Sinne des Art. 239 ZK
Was die Einfuhren nach dem betrifft, ergibt sich eine andere Situation. Die Prüfung der Waren auf ihre tarifliche Einreihung im Rahmen einer inneren Beschau ergab keine Beanstandung. Die erklärte Einreihung wurde vom Zollamt weder als unrichtig erkannt, noch wurden Zweifel an der erklärten KN-Position geäußert. Daraus ist wie in der erwähnten Entscheidung der Kommission die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die Beschwerdeführerin auch im Hinblick auf die ihr zur Verfügung gestandenen Informationen der Versenderin keine Veranlassung (mehr) hatte an der Richtigkeit des Beschauergebnisses zu zweifeln. Sie war berechtigt bei den danach folgenden Einfuhren anzunehmen, dass die KN-Position 8431 49 80 stimmt.
Das Zollamt nahm auch die danach folgenden Anmeldungen unbeanstandet an, wobei nach den Unterlagen in 13 weiteren Fällen eine innere Beschau vorgenommen wurde und davon in drei Fällen konkret "Tarifierung korrekt" vermerkt wurde. Es kann auch nicht außer Betracht bleiben, dass selbst im Rahmen der Betriebsprüfung unter Befassung der nationalen Fachabteilung für Tarifierungsfragen nicht die schlussendlich sich als richtig herausgestellte Einreihung festgestellt werden konnte. Erst die Erörterung der Einreihung auf EU-Ebene im Rahmen der 56. Tagung des Ausschusses für den Zollkodex unter Befassung der Experten aus den Mitgliedstaaten brachte eine Klärung der Einreihung. Bis zu dieser Tarifierungsentscheidung war, wie sich aus den unterschiedlichen Einreihungsentscheidungen ergibt, nicht klar, wie die betreffende Ware einzureihen ist. Aufgrund der Umstände ist auch davon auszugehen, dass im konkreten Beschwerdefall selbst die Beantragung einer VZTA durch die Beschwerdeführerin in Österreich im Ergebnis nicht die vom Ausschuss als richtig festgestellte KN-Position ergeben hätte.
Bei der Prüfung der Frage, ob die zweite Voraussetzung des Art. 239 ZK, nämlich das Fehlen einer betrügerischen Absicht oder einer offensichtlichen Fahrlässigkeit erfüllt ist, sind gemäß ständiger Rechtsprechung des EuGH insbesondere die Komplexität der Rechtsvorschriften, die Erfahrung des Beteiligten und die von ihm aufgewandte Sorgfalt zu würdigen.
Bei der Beschwerdeführerin mag es sich um eine erfahrene Wirtschaftsteilnehmerin handeln. In Bezug auf die Komplexität der Rechtsvorschriften ist zu beachten, dass erst mit der Befassung des Ausschusses auf EU-Ebene die Einreihung der Schwenkantriebe geklärt werden konnte und sich die bis dahin von den anderen Mitgliedstaaten als zutreffend erachtete Einreihung als falsch herausstellte. Es handelt sich daher um eine komplexe Angelegenheit. Angesichts der Besonderheit des Falles, die unmittelbar mit der Komplexität und der unklaren Tarifsituation zusammenhängt, hat die Beschwerdeführerin - auch wenn sie als erfahren gilt - nicht offensichtlich fahrlässig gehandelt. Für das Vorliegen einer betrügerischen Absicht besteht nach der Aktenlage kein Anhaltspunkt.
Der Erlass der nacherhobenen Einfuhrabgaben nach Art. 239 ZK sowie der Abgabenerhöhung in Verbindung mit § 83 und § 2 Abs. 1 ZollR-DG ist somit ab dem Zeitpunkt der zollamtlichen Prüfung der Einreihung in den Zolltarif am gerechtfertigt, für die davor liegenden Zeiträume jedoch als unbegründet abzuweisen. Betreffend die nachträgliche buchmäßige Erfassung der Einfuhrabgaben zu den Zollanmeldungen mit den lfd. Nrn. 616 bis 619, 622 und 624 der Beilage scheidet ein Erlass aus, da bereits mit der Berufungsvorentscheidung vom im Festsetzungsverfahren eine über das Ausmaß der Nachforderung hinausgehende Herabsetzung der Einfuhrabgaben erfolgte und die Abgabenerhöhung gleichzeitig zu Gänze erlassen worden ist.
Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Das Vorliegen eines besonderen Falles war aufgrund der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Das Bundesfinanzgericht ist auch nicht von der Rechtsprechung abgewichen. Die ordentliche Revision war daher als unzulässig zu erklären.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | Art. 239 Abs. 1 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1 § 83 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.1200002.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
OAAAC-19582