Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.01.2019, RV/7102227/2016

Pflichtveranlagung bei zumindest zeitweise gleichzeitig bezogenen zwei lohnsteuerpflichtigen Einkünften - Festsetzung der Einkommensteuer auf Basis der (für die Bf. günstigeren) Kontrollrechnung bei Bezug von Notstandshilfe.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. über die Beschwerde der Bf., AdresseBf, vom gegen den Bescheid des FA vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2015 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Am übermittelte die Beschwerdeführerin (Bf.) ihre Arbeitnehmererklärung auf elektronischem Weg. Darin gab sie 2 gehaltsauszahlende Stellen an und beantragte den Alleinerzieherabsetzbetrag. Weiters gab sie an, für 1 Kind für mindestens 7 Monate Familienbeihilfe bezogen zu haben.

Die mit Einkommensteuerbescheid vom durchgeführte Arbeitnehmerveranlagung ergab - nach Berücksichtigung des Kinderfreibetrages sowie des Alleinerzieher-, Verkehrs- und Arbeitnehmerabsetzbetrages - eine Nachforderung iHv € 167,40. Das Finanzamt begründete den Bescheid wie folgt:

„Bei der Ermittlung des Steuersatzes (Progressionsvorbehalt) - siehe Hinweise zur Berechnung – wurden zuerst Ihre steuerpflichtigen Einkünfte auf den Jahresbetrag umgerechnet, Sonderausgaben und andere Einkommensabzüge berücksichtigt und anhand der sich für das umgerechnete Einkommen ergebenden Tarifsteuer ein Durchschnittssteuersatz ermittelt und auf Ihr Einkommen angewendet (Umrechnungsvariante). Danach ist anhand einer Kontrollrechnung festzustellen, ob sich bei Hinzurechnung der Bezüge gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 gegenüber der Umrechnungsvariante eine niedrigere Steuer ergibt. Da dies in Ihrem Fall zutrifft, wurde der Tarif daher nicht auf das im Bescheid ausgewiesene, sondern auf ein Einkommen von 13.757,26 € angewendet.
Alleinerziehenden steht für jedes Kind, für das mehr als sechs Monate im Kalenderjahr Familienbeihilfe bezogen wurde, ein Kinderfreibetrag in Höhe von 132 € zu. Dementsprechend wurde bei Ermittlung des Einkommens in Kinderfreibetrag in Höhe von 132.00 € abgezogen.“

Mit Schriftsatz vom zog die Bf. ihren Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung zurück.

Das Finanzamt wertete diesen Schriftsatz als gegen den Einkommensteuerbescheid gerichtete Beschwerde und erließ mit nachstehender Begründung am eine abweisende Beschwerdevorentscheidung:

„Da Sie im Veranlagungszeitraum zumindest zeitweise gleichzeitig Bezüge von zwei oder mehreren Arbeitgebern erhalten haben, liegen die gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 41 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 vor. Deshalb ist eine Zurückziehung Ihres Antrages nicht möglich.“

Am langte beim Finanzamt ein als " Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 vom " bezeichneter Schriftsatz (datiert mit ) ein, mit welchem die Bf. "gegen den oben genannten freiwiliigen Steuerbescheid sowie die Mitteilung vom aufgrund meiner Beschwerde frist- und formgerecht Einspruch" erhob und diesen wie folgt begründete:

„Entgegen der Vorjahre wird die von mir bezogene Notstandshilfe des AMS WN plötzlich voll als Einkommen gerechnet, was mir auch nicht schlüssig bei meiner Vorsprache in Ihrem Amt erklärt werden konnte. Lediglich, dass der Alleinerzieher wegfallen würde, da keine 7 Monate Familienbeihilfe bezogen wurde. Man meinte lediglich, ich "könnte es probieren, den Antrag zurückzuziehen", was ich an Ort und Stelle auch tat. Ich nahm den Antrag auf Steuerausgleich online vor und es wurde auch sofort eine Gutschrift ausgewiesen (wie die Jahre davor). Also sandte ich ihn ab im Glauben, alles hätte seine Richtigkeit.

Gleichzeitig beantrage ich auf Grund des laufenden Einspruchsverfahrens die Aussetzung der Vollziehung gemäß § 361 der Abgabenordnung. Sofern ich nichts Gegenteiliges von Ihnen höre, gehe ich davon aus, dass Sie diesem Antrag entsprechen……“

Das Finanzamt behandelte den vorerwähnten Schriftsatz als Vorlageantrag im Sinne des § 264 BAO.

In der im Vorlagebericht an das Bundesfinanzgericht abgegebenen Stellungnahme hielt das Finanzamt fest:

„Das Finanzamt beantragt die Beschwerde abzuweisen, da keine Antragsveranlagung vorliegt, sondern ein Pflichtveranlagungstatbestand gegeben ist. Sowohl der Alleinerzieher- als auch der Kinderfreibetrag wurden im Bescheid richtig berücksichtigt, sodass eine Änderung nicht vorzunehmen ist.“

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt wird als erwiesen angenommen:

Die Bf. erzielte im Jahr 2015 Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit aus 2 Dienstverhältnissen:

  • AG1, bis ,
    steuerpflichtige Bezüge € 3.600,00

  • AG2, bis ,
    steuerpflichtige Bezüge € 300,14

Weiters erhielt sie für nachstehende Zeiträume vom AMS Notstandshilfe ausbezahlt:


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Notstandshilfe für 95 Tage ( - ):
€ 2.793,60
Notstandshilfe für 75 Tage ( - ):
€ 2.211,60
Notstandshilfe für 158 Tage ( - ):
€ 4.472,67
Notstandshilfe für 24 Tage ( - ):
€ 703,25
insgesamt
€ 10.181,12

 

Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung:

  • Zur steuerlichen Behandlung der Transferleistungen (Notstandshilfe):

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit.

§ 3 Abs. 2 EStG 1988 lautet:

"Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs. 1 Z 5 lit. a oder c, Z 22 lit. a (5. Hauptstück des Heeresgebührengesetzes 2001), lit. b oder Z 23 (Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 und 5 des Zivildienstgesetzes 1986) nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde. Die diese Bezüge auszahlende Stelle hat bis 31. Jänner des Folgejahres dem Wohnsitzfinanzamt des Bezugsempfängers eine Mitteilung zu übersenden, die neben Namen und Anschrift des Bezugsempfängers seine Versicherungsnummer (§ 31 ASVG), die Höhe der Bezüge und die Anzahl der Tage, für die solche Bezüge ausgezahlt wurden, enthalten muß. Diese Mitteilung kann entfallen, wenn die entsprechenden Daten durch Datenträgeraustausch übermittelt werden. Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, das Verfahren des Datenträgeraustausches mit Verordnung festzulegen."

Bestimmte steuerfreie Bezüge – wie etwa Transferzahlungen (versicherungsmäßiges Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe) - lösen bei Durchführung der (Arbeitnehmer-) Veranlagung im Sinne des § 41 Abs. 1 oder 2 EStG 1988 eine besondere Berechnung (Hochrechnung) aus.

Hochzurechnen sind dabei u.a. die für das restliche Kalenderjahr bezogenen zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4 EStG 1988).

Die Hochrechnung betrifft aber nur jene Einkünfte, die außerhalb des Zeitraumes des Bezuges der oben angeführten Transferleistungen bezogen wurden ("für das restliche Kalenderjahr"). Gleichzeitig während der Zeit der Transferleistungen bezogene Einkünfte sind daher nicht auf einen Jahresbetrag hochzurechnen. Ebenso sind ganzjährig bezogene Pensionen sowie ganzjährig bezogene geringfügige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht bei der Hochrechnung zu berücksichtigen (, ).

Die Berechnungsmethode hat den Effekt, dass bei Durchführung einer (Arbeitnehmer-) Veranlagung jener Zeitraum, während dessen der Steuerpflichtige die angegebenen Transferleistungen (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe) bezieht, neutralisiert wird.

Im gegenständlichen Fall ergibt die Hochrechnung der Bezüge der Fa AG2, welche von 7.4. bis bezogen wurden, das aus nachstehender Tabelle ersichtliche Ergebnis, nämlich eine Einkommensteuernachforderung iHv € 191,32.

Der Prozentsatz der Durchschnittssteuerbelastung in Höhe von 5,35% wurde dabei auf das im Kalenderjahr tatsächlich erzielte zu versteuernde Einkommen in Höhe von € 3.576,14 angewendet. Die sich ergebende Steuer (im vorliegenden Fall €  191,32) ist jener Steuer gegenüberzustellen, die sich bei einer Vollversteuerung der Notstandshilfe als steuerpflichtiger Arbeitslohn ergeben würde (sog. Kontrollrechnung). Maßgebend ist jeweils die niedrigere Steuerbelastung (das sind im vorliegenden Fall € 167,40 lt. Kontrollrechnung; siehe Gegenüberstellung der im gegenständlichen Fall anzustellenden Berechnungen laut nachstehender Tabelle):


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Hochrechnung
Kontrollrechnung
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Progressionseinkünfte (nur Kontrollrechnung)
Pauschbetrag für Werbungskosten
 
3.900,14
---
-132,00
3.900,14
10.181,12
-132,00
Gesamtbetrag der Einkünfte
Sonderausgabenpauschbetrag
Kinderfreibetrag für ein haushaltszugehöriges Kind gem. § 106a Abs. 1 EStG 1988
 
3.768,14
-60,00
 
-132,00
13.757,26
-60,00
 
-132,00
Einkommen
 
3.576,14
13.757,26
Bemessungsgrundlage
Übermittelte Lohnzettel (KZ 245)
Einkünfte ohne Umrechnung
Hochzurechnende Einkünfte
Hochgerechnete Einkünfte:
300,14/(365-356 Tage)*365=12.172,34
Umrechnungs/Hochrechnungszuschlag
 
 
Pauschbetrag für Werbungskosten
Einkünfte ohne Umrechnung
Sonderausgabenpauschbetrag
 
3.900,14
-3.600,00
300,14
 
 
12.172,34
- 3.576,14
8.596,20
 
 
 
 
 
 
 
 
8.596,20
-132,00
3.600,00
-60,00
 
Bemessungsgrundlage f. Durchschnittssteuersatz
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
(15.580,34-11.000)*5.110/14.000)
(13.757,26-11.000)*5.110/14.000)
Alleinerzieherabsetzbetrag
Verkehrsabsetzbetrag
Arbeitnehmerabsetzbetrag
 
15.580,34
 
1.671,82
 
-494,00
-291,00
-54,00
13.757,26
 
 
1.006,40
-494,00
-291,00
-54,00
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
Ermittlung %-Satz f. Hochrechnung:
832,82*100/15.580,34=5,35%
Gem. § 33 EStG 1988 5,35% von 3.576,14
 
832,82
 
5,35%
191,32
167,40
Einkommensteuer
anrechenbare Lohnsteuer
 
191,32
0,00
167,40
0,00
Festgesetzte Einkommensteuer (Nachforderung)
 
 
191,32
 
167,40

Die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Berechnung der Einkommensteuernachforderung des Jahres 2015 mit € 167,40 durch das Finanzamt erfolgte somit gesetzeskonform.

2. Zur Pflichtveranlagung:

Sind im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten, so ist gemäß § 41 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 der Steuerpflichtige u.a. dann zu veranlagen, wenn im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Einkünfte, die beim Lohnsteuerabzug gesondert versteuert wurden, bezogen worden sind.

Lohnsteuerpflichtige Einkünfte liegen vor, wenn es sich der Art nach um Einkünfte handelt, von denen grundsätzlich ein Lohnsteuerabzug vorzunehmen ist. Nicht entscheidend ist, ob im Einzelfall tatsächlich Lohnsteuer einbehalten wurde (vgl. Jakom/Baldauf EStG 2015, § 41 Rz 3 und die angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Eine Pflichtveranlagung hat zu erfolgen, wenn im Kalenderjahr zumindest zeitweise gleichzeitig zwei oder mehrere lohnsteuerpflichtige Bezüge ausbezahlt wurden. Zweck der Veranlagung ist die gemeinsame Erfassung der Bezüge aus sämtlichen Dienstverhältnissen, da die Anwendung des Einkommensteuertarifs auf die Gesamtbezüge in der Regel eine höhere Einkommensteuerschuld zur Folge hat als bei einem getrennten Lohnsteuerabzug. In die Veranlagung sind daher auch Dienstverhältnisse einzubeziehen, deren Bezüge für sich allein noch zu keinem Steuerabzug geführt haben (vgl. Jakom/Baldauf EStG 2015, § 41 Rz 10).

Die Bf. erhielt im Zeitraum vom bis Bezüge von den eingangs angeführten Arbeitgebern. Der Pflichtveranlagungstatbestand des § 41 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 wurde damit aufgrund sich überschneidender Einkünfte verwirklicht. Liegt ein Pflicht veranlagungsgrund vor, kann ein Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung nicht mehr zurückgezogen werden und sind im Veranlagungsverfahren sämtliche Umstände für das betreffende Kalenderjahr zu berücksichtigen. 

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Beschwerdegegenständlich waren einerseits die Berechnung der Einkommensteuer im Wege der Hochrechnung oder der Kontrollrechnung bzw. das Vorliegen eines Pflichtveranlagungstatbestandes.  Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung liegen daher nicht vor, weshalb die Revision spruchgemäß nicht zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7102227.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at