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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.11.2018, RV/7106023/2015

Doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten im Falle der Pflege eines nahen Angehörigen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. N.N. in der Beschwerdesache Vorname 2.Vorname NachnameBf, Straße2, PLZ1 Ort1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt XXX vom , betreffend Einkommensteuer 2012(Arbeitnehmerveranlagung) zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe


I. Darstellung des Verfahrensganges:
 

1. In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2012 machte der Beschwerdeführer (in der Folge mit Bf. abgekürzt) Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung ("Mietbeitrag 250,- monatlich") und Familienheimfahrten ("538 km nach Deutschland alle 10 Tage") geltend.

Als Beilage legte er u.a. eine an seine Ehefrau, VornameFrauBf NachnameBf, gerichtete Bestätigung für Zwecke der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenversicherungspflichtige Pflegezeiten nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI) vor, ausgestellt von der X Pflegekasse, in der für die Frau des Bf. von bis Entgelt in Höhe von 9.557,-- bescheinigt wird.
Darüberhinaus legte der Bf. eine Bestätigung von Frau Vorname1 Nachname1 vor, dass er monatliche Mietezahlungen in Höhe von € 250,-- an sie geleistet habe.

2. Im Einkommensteuerbescheid 2012 (Arbeitnehmerveranlagung) vom  wurde ein Betrag von 250,- € als Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte, anerkannt.

3. Gegen den Einkommensteuerbescheid wurde am Beschwerde erhoben. In der Begründung führte der Bf. u.a. aus, dass er eine doppelte Haushaltsführung habe, da er das Zimmer (Miete) nicht von der Firma bezahlt bekomme.
Auch für die regelmäßigen Familienheimfahrten bekäme er von der Firma kein km-Geld. Er fahre alle 10 Tage von Österreich nach Deutschland um seine Ehe aufrecht zu erhalten, da seine Frau, VornameFrauBf NachnameBf zu Hause in Deutschland ihre Mutter pflege und nicht nach Österreich kommen könne.

4. Im Rahmen der vom Finanzamt an den Bf. gerichteten Ergänzungsersuchen ergab sich Folgendes:

Von der Fa. Y GmbH wurdem mit Datum folgende Bestätigung ausgestellt:

Kostenübernahme Heimfahrten
... der Einsatzort unseres Mitarbeiters Herr Vorname NachnameBf ist Ort1. Kosten für Heimfahrten an den Wochenenden (Dekaden) müssen durch den Mitarbeiter getragen werden.

Der Bf. gab an, die geforderten Belege zur Bearbeitung der Beschwerde, soweit es ihm möglich sei, vorzulegen. Er hatte bisher weder Rechnungen noch Fahrtenbuch gebraucht. Deswegen habe er nur wenige Tankrechnungen aufbewahrt.

An Tankrechnungen legte der Bf. einige vor (aus dem Jahr 2012), viele davon betreffend Betankung in Ort1 bzw. auch in Tschechien. Einige der vorgelegten Rechnungen betrafen Betankungen bzw. einen Einkauf (Tankstelle) in Lauchhammer (Ort), so vom , vom , vom , vom und vom .

Der Bf. legte außerdem eine an Frau Nachname2, die Mutter der Frau des Bf., gerichtete Bestätigung der X Pflegekasse betreffend "Pflegerische Versorgung" vor mit folgendem Inhalt:

"Hiermit bestätigen wird Ihnen, das Frau VornameFrauBf NachnameBf, geb.: Datum Sie seit dem für mindestens 14 Stunden in der Woche pflegt."

5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Einkommensteuerbescheid 2012 vom geändert.

Anstelle der bisher zum Ansatz gebrachten Werbungskosten Höhe von 250,- € als Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte, wurde nur mehr der Pauschbetrag für Werbungskosten in Höhe von € 132,- zum Abzug gebracht.

6. Am brachte der Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht ein.

Er begründete diesen im Wesentlichen folgendermaßen:

Er arbeite in Ort1 bei der Y GmbH. Sein Familienwohnsitz befinde sich in Ort (Deutschland), 538 km entfernt. Seine Gattin müsse sich um seine pflegebedürftige Mutter kümmern. Deshalb sei eine Verlegung des Familienwohnsitzes nicht zumutbar, und es bestehe Anspruch auf Familienheimfahrten. Er arbeite im Schichtdienst und fahre regelmäßig alle 10 Tage zum Familienwohnsitz. Die einfache Wegstrecke betrage 538 km.
Das Finanzamt habe diese Kosten für Familienheimfahrten mit der Begründung abgelehnt, dass das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit seiner Mutter lediglich 14 Wochenstunden betrage, und eine Verlegung des Familienwohnsitzes daher sehr wohl zumutbar sei. Die Lohnsteuerrichtlinien würden allerdings kein Mindestausmaß der Pflegebedürftigkeit vorsehen. Seine Mutter benötige täglich Pflege. Deswegen sei es auch nicht möglich, diese Pflege an den Wochenenden komprimiert durchzuführen. Zumal die tatsächlich notwendige Pflege und Betreuung über das von der X angeführte Ausmaß hinausgehe. Außerdem beziehe seine Gattin ein Entgelt für die Pflegetätigkeit. Das Entgelt im Jahr 2013 belief sich auf € 9.707,- (siehe Beilage). Er ersuche daher um Berücksichtigung der Familienheimfahrten in Höhe von € 3.672,- (durch die regelmäßigen Fahrten (alle 10 Tage, hin und retour 1.076 Kilometer) beschränkt mit dem großen Pendlerpauschale in Höhe von € 3.672,-).
Er verweise auf die Ausführungen in seiner Beschwerde und beantrage diese dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

7. Das Finanzamt führte in der Folge weitere Ermittlungen durch, die für das streitgegenständliche Jahr 2012 Folgendes ergaben:

Der Bf. war bei der Firma Y als Facharbeiter tätig. Ein Dienstauto stand ihm nicht zur Verfügung, er machte auch keine Dienstreisen ins Ausland. Sein Dienstort war vorwiegend Ort1, außer: Vom 01.04. bis und vom 04.12. bis Ort3, sowie vom 10.12. bis Ort4.

Der Bf. teilte überdies mit, dass seine Frau für seine Schwiegermutter Frau Nachname2 den Haushalt übernehme, großteils auch Körperpflege Inkontinenzversorgung (Sackerl wechseln), mache ihr Essen (koche es, richte es her) und gebe Fr. Nachname2 dann das Essen, gehe zum Arzt für sie, besorge Rezepte (Medikamente), gehe einkaufen, da es seine Schwiegermutter nicht mehr selbst machen könne. Anbei schicke er beiliegende Schreiben.

An Unterlagen wurden u.a. vorgelegt:

Mietvertrag betreffend die von ihm und seiner Gattin gemieteten Wohnung in Straße, PLZ Ort (Wohnfläche 65 m2).

Rechnung vom  der Volkssolidarität Ort5 Sozialstation Ort, gerichtet an die Schwiegermutter des Bf., Frau Vorname2 Nachname2, Straße1, PLZ Ort betreffend Zuzahlung Pflegeversicherung (01.- (31 Tage). Aus der Rechnung geht hervor, dass Frau Nachname2 mit Pflegestufe 2 eingestuft ist, kleine und große Körperpflege, kl. Hilfe bei Ausscheidungen, Lagern und Mobilisieren benötigt.

Außerdem wurde eine Entgeltabrechnung für September 2015 der Z GmbH, gerichtet an Frau VornameFrauBf NachnameBf, betreffend "geringfügige Entgelte" vorgelegt. 

8. Das Finanzamt legte die Beschwerde in der Folge dem Bundesfinanzgericht vor. Dem Vorlagebericht ist zu entnehmen:

Sachverhalt:
Der Bf. arbeitet seit Februar 2006 für denselben Arbeitgeber - jedenfalls 2012 fast ausschließlich in Ort1 und somit kein österreichweit beruflicher Einsatz - und deklariert seitdem auch Werbungskosten iZm doppelter Haushaltsführung bzw. Familienheimfahrten.
Strittig ist die Anerkennung der Kosten für doppelte Haushaltsführung iHv 3000 Euro Miete für den Wohnsitz am Tätigkeitsort sowie für Familienheimfahrten, begrenzt mit dem höchsten Pendlerpauschale, aufgrund der Pflegebedürftigkeit der Mutter in Deutschland. Hinsichtlich des Hinweises auf das Entgelt der Ehefrau für die Pflegetätigkeit im Vorlageantrag wurde in der Beantwortung des Vorhaltes vom bestätigt, daß es sich um kein Einkommen handelt, sodaß nicht von steuerlich relevanten Einkünften der Ehefrau auszugehen ist.

Beweismittel:
Ausgedingevertrag, Bestätigung von der X über 14 Stunden wöchentlichen Pflegebedarf der Mutter, Rechnung über die monatliche Pflegeleistung der Volkssolidarität Ort5, diverse Schreiben

Stellungnahme:
De Beschwerdeführer gibt an, seinen Familienwohnsitz in Ort (Deutschland) nicht an den Arbeitsort verlegen zu können, da seine Gattin die Mutter pflegt und daher unabkömmlich ist. Laut kann bei Unzumutbarkeit der (Mit)Übersiedlung von pflegebedürftigen Angehörigen die Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar sein ("kein von vornherein ungeeignetes Sachvorbringen"). Der Bf. hat nicht substantiiert dargelegt, weshalb, auch aus medizinischer Sicht, die Mutter faktisch nicht nach Ort1 mitübersiedeln könne. Eine solche Unzumutbarkeit ist auch nicht aus der Bestätigung von der X ableitbar, die einen Pflegebedarf von 14 Stunden pro Woche bescheinigt.
Der VwGH hat zum Ausdruck gebracht, dass, sofern als Grund für die Unzumutbarkeit einer Wohnsitzverlegung die Pflegebedürftigkeit naher Angehöriger angeführt werde, das "Bestehen einer besonders gelagerten Pflegenotwendigkeit" bzw. die (ärztlich attestierte) Gefahr für eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Pfleglings" im Falle einer Wohnsitzverlegung dazulegen sei (; ; zitiert in UFSF GZ. RV/0309-F/09 vom ).
Nachdem solche Umstände nicht dargelegt worden sind, liegt nach Ansicht des ho. Finanzamtes keine Unzumutbarkeit der Wegverlegung des Familienwohnsitzes vor, womit keine Grundlage für Werbungskosten im Sinne einer doppelter Haushaltsführung bzw. Familienheimfahrten bestehen würde.
Es wird daher beantragt, die Bescheidbeschwerde gem. § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abzuweisen.

 

II. Entscheidungsrelevanter Sachverhalt und Beweiswürdigung:
 

Der Bf. hatte im Jahr 2012 seinen Familienwohnsitz und den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Straße, in PLZ Ort in Deutschland. Beruflich tätig war er in Ort1 (beschäftigt als Facharbeiter), er war nur wenige Tage des Jahres an anderen Orten in Österreich eingesetzt. In Ort1 hatte er einen beruflich bedingten zweiten Wohnsitz, für den er monatlich 250,- € Miete bezahlt hat.
Seine Ehefrau, VornameFrauBf NachnameBf, lebte am Familienwohnsitz in Ort. Sie pflegte ihre Mutter, Frau Vorname2 Nachname2, die eine eigene Wohnung in der Straße1 inne hatte.
Für die Pflegetätigkeit der Mutter erhielt die Frau des Bf. im Jahr 2012 ein Entgelt in Höhe von 9.557,- € von der X Pflegekasse. Ansonsten erzielte sie in diesem Jahr keine Einkünfte.

Der Bf. ist im Jahr 2012 mit seinem Kfz mehrmals zu seinem Familienwohnsitz gefahren, es stand ihm weder ein Dienstauto zur Verfügung, noch erhielt er für die Familienheimfahrten oder für den Wohnsitz in Ort1 vom Arbeitgeber Ersätze.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den Unterlagen im Finanzamtsakt, auf die verwiesen wird.

Zur Pflegetätigkeit im Einzelnen:

Trotz mehrfacher Ergänzungsersuchen des Finanzamtes an den Bf. liegt keine Bestätigung der Pflegestufe für 2012 vor. Es wurden zwar immer wieder Unterlagen vorgelegt, diese betrafen aber vielfach nicht den streitgegenständlichen Zeitraum.

Von der X Pflegekasse befindet sich (u.a.) eine für den streitgegenständlichen Zeitraum bis ausgestellte Bescheinigung für Zwecke der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenversicherungspflichtige Pflegezeiten nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI) über ein Entgelt für Frau VornameFrauBf NachnameBf in Höhe von 9.557,- € im Akt.

Bestätigt wurde von der X außerdem, dass Frau VornameFrauBf NachnameBf Frau Vorname2 Nachname2 seit dem für mindestens 14 Stunden in der Woche pflegt.

Die an Frau Vorname2 Nachname2 gerichtete Rechnung der Volkssolidarität Ort5 wurde ausgestellt am und betrifft eine Abrechnung Pflegeversicherung 01.- (31 Tage). Aus dieser Rechnung geht hervor, dass Pflegestufe 2 besteht. Außerdem betrifft sie den Inhalt der Leistungen (kleine Körperpflege, große Körperpflege, Hilfe bei Ausscheidungen, Lagern und Mobilisieren).

Die X ist als gesetzliche Krankenkasse eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. (https://www.pronovabkk.de/unternehmen-87de0e3120a56109) (24.10.2108).

§ 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI (in der für das streitgegenständliche Jahr maßgebenden Fassung) besagt:

Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit, in der sie einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 des Elften Buches nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegen (nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen), wenn der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung hat; ...

§ 14 SGB XI in der vor dem geltenden Fassung:

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§15) der Hilfe bedürfen.

§ 15 SGB XI in der vor dem geltenden Fassung:

(1) Für die Gewährung von Leistungen nach diesem Gesetz sind pflegebedürftige Personen (§ 14) einer der folgenden drei Pflegestufen zuzuordnen:

1. Pflegebedürftige der Pflegestufe 1 (erhebliche Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen.

2. Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen.
...

(3) Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muß wöchentlich im Tagesdurchschnitt

1. in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen,

2. in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen, hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen,
...

Durch die Bestätigung der X ist nachgewiesen, dass die Ehefrau des Bf. im streitgegenständlichen Jahr für mindestens 14 Stunden in der Woche gepflegt hat.

Da es sich um rentenversicherungspflichtige Pflegezeiten nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI gehandelt hat, war Frau VornameFrauBf NachnameBf versicherungspflichtig in der Zeit, in der sie einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 des Elften Buches nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegt (nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen), wenn der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung hat; ...

In Zusammenschau mit den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 14 und 15 SGB XI in der vor dem geltenden Fassung wird deutlich, dass die Mutter der Ehefrau des Bf. bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität jedenfalls täglich der Hilfe bedurfte und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigte. Diese Pflegetätigkeit war von Frau VornameFrauBf NachnameBf übernommen worden.

Ob die Mutter von Frau VornameFrauBf NachnameBf im streitgegenständlichen Zeitraum Pflegestufe I oder Pflegestufe II hatte, kann somit dahingestellt bleiben.


Zu den Familienheimfahrten:

Unbestritten steht fest, dass der Bf. im streitgegenständlichen Zeitraum den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen am Familienwohnsitz in Deutschland hatte.

Das BFG sieht es als glaubhaft an, dass er mit seinem Kfz mehrmals im Jahr zum Familienwohnsitz gefahren ist.
 


III Rechtslage und Erwägungen:
 

Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Nach § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.
Dies gilt gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 auch für Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG 1988 sind nicht abzugsfähig Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits- (Tätigkeits-)Ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen (nach § 124a Z. 3 EStG 1988 für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem enden).

Der in § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c EStG 1988 angeführte Betrag betrug im streitgegenständlichen Jahr 3.672 Euro.

Zur doppelten Haushaltsführung:

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis , ausgesprochen hat, sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für eine doppelte Haushaltsführung (Familienwohnsitz, weiterer Wohnsitz am Beschäftigungsort) steuerlich nur zu berücksichtigen, wenn eine berufliche Veranlassung für die doppelte Haushaltsführung besteht. Von einer beruflichen Veranlassung ist dem Grunde nach auszugehen, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen so weit von seinem Beschäftigungsort entfernt ist, dass ihm die tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes noch als durch die Einkunftserzielung veranlasst gilt (vgl. das Erkenntnis vom , 2008/15/0296).

Im gegenständlichen Beschwerdefall beträgt die Entfernung zwischen Familienwohnsitz und Wohnsitz am Beschäftigungsort des Bf. 538 km, sodass die tägliche Rückkehr eindeutig nicht zugemutet werden kann.
Nicht strittig steht fest, dass der Bf. für seinen Wohnsitz am Beschäftigungsort im streitgegenständlichen Jahr 2012 monatlich 250,-- € Miete aufgewendet hat.

Der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der doppelten Haushaltsführung ist weiters z.B. im Erkenntnis , zu entnehmen:

Haushaltsaufwendungen oder Aufwendungen für die Lebensführung sind gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar. Lediglich unvermeidbare Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss und ihm die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum (Familien)Wohnsitz, sind als beruflich bzw. betrieblich bedingte Mehraufwendungen bei jener Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2007/13/0095).

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt erkannt, dass die Beibehaltung eines (Familien)Wohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit der Verlegung des ständigen Wohnsitzes an den Ort der Beschäftigung kann die verschiedensten Ursachen haben und sich auch aus Umständen der privaten Lebensführung ergeben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2006/14/0038).

Wie der Bf. in der Beschwerde vorgebracht hat, war ihm die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Ort der Beschäftigung nicht zumutbar, da seine Ehefrau am Familienwohnsitz in Deutschland ihre Mutter pflegte. im Vorlageantrag hat er u.a. ausgeführt, dass die Mutter tägliche Pflege benötige und dass die tatsächlich notwendige Pflege und Betreuung über das von der X angeführte Ausmaß hinausgehe.

Die Pflegebedürftigkeit naher Angehöriger kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einen geeigneten Grund für die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes darstellen.

Für das streitgegenständliche Jahr 2012 geht das BFG davon aus, dass die Ehefrau des Bf. ihre Mutter in ihrer häuslichen Umgebung in Ort pflegte, wobei tägliche Hilfeleistung erforderlich war. Ihre Tätigkeit wurde als rentenversicherungspflichtige Pflegezeiten nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI qualifiziert - sie erhielt aufgrund dieser Pflegetätigkeit 2012 ein Entgelt in Höhe von 9.557,-- €.

Aufgrund dieses Sachverhaltes war es nach der Überzeugung des BFG im streitgegenständlichen Jahr für den Bf. nicht zumutbar, den Familienwohnsitz an den Beschäftigungsort zu verlegen.

Die in Höhe von 3.000,-- € geltend gemachten Aufwendungen an Miete für den Wohnsitz am Beschäftigungsort des Bf. sind somit als Werbungskosten infolge von doppelter Haushaltsführung abziehbar.

Hingewiesen wird abschließend darauf, dass die Unzumutbarkeit aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen ist (). Die Beurteilung der Situation durch das BFG betrifft lediglich das streitgegenständliche Jahr 2012.

Zu den Familienheimfahrten:

Im Erkenntnis , hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem ausgesprochen:

Aufwendungen für Familienheimfahrten des Arbeitnehmers von dem am Arbeitsort gelegenen Wohnsitz zum Familienwohnsitz sind unter jenen Voraussetzungen Werbungskosten, unter denen eine doppelte Haushaltsführung als beruflich veranlasst gilt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, sind die Aufwendungen für Familienheimfahrten dann als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn die Arbeitsstätte vom Familienwohnort so weit entfernt ist, dass die tägliche Rückkehr nicht mehr zumutbar ist, die Arbeitsstätte somit außerhalb des Einzugsbereiches des Familienwohnsitzes liegt und deswegen im Dienstort ein weiterer Wohnsitz begründet werden muss (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 96/15/0205, und vom , 99/14/0340).

Wie bereits ausgeführt, ist nach der Überzeugung des BFG die doppelte Haushaltsführung als beruflich veranlasst zu qualifizieren. Die Anerkennung von Aufwendungen für Familienheimfahrten ist somit dem Grunde nach gegeben.

Zu prüfen war in der Folge die Höhe der aufgrund der Familienheimfahrten angefallenen Aufwendungen.

Vom Bf. wurde vorgebracht, dass er alle 10 Tage Familienheimfahrten unternommen habe.

In Beantwortung eines Ergänzungsvorhaltes des Finanzamtes, mit der Aufforderung, eine Aufstellung und Belege betreffend der geltend gemachten Kosten für Familienheimfahrten nachzureichen, teilte der Bf. mit, dass er nur wenige Tankrechnungen aufbewahrt habe und kein Fahrtenbuch geführt habe. 

Außer der genannten Tankrechnungen wurde von ihm zum Nachweis der Aufwendungen für Familienheimfahrten nichts vorgelegt.

Geltend gemacht wurde von ihm das km-Geld, begrenzt mit dem Betrag des höchsten Pendlerpauschales, somit ein Betrag von 3.672,-- €.

Dazu Folgendes:

Die als Werbungskosten zu berücksichtigenden Aufwendungen müssen nach übereinstimmender Ansicht von Lehre (Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, Band III B, § 16 EStG 1988 allgemein, Tz 4, Seite 10 ff, und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes) und Rechtsprechung nach Art und Umfang nachgewiesen oder, wenn dies nicht möglich ist, wenigstens glaubhaft gemacht werden.

Nach Lehre und Rechtsprechung sind als Fahrtkosten für Familienheimfahrten jene Aufwendungen anzuerkennen, die tatsächlich angefallen sind. Dies können z.B. Kosten einer Bahnkarte, einer Autobuskarte oder auch Kfz-Kosten sein. Im Fall der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels ist der Nachweis der tatsächlichen Aufwendungen durch Vorlage des/der Tickets zu erbringen. Wenn Familienheimfahrten mit dem Auto unternommen werden, sind die Kfz-Kosten nachzuweisen. Dies bedeutet, dass im außerbetrieblichen Bereich für sämtliche Aufwendungen, die mit der Haltung eines Fahrzeuges verbunden sind, Belege zu sammeln und aufzubewahren sind.

Vom Finanzamt wurde die Anerkennung der beruflichen Veranlassung der doppelten Haushaltsführung dem Grunde nach versagt. Aus diesem Grund wurde auch die Anerkennung der Aufwendungen für Familienheimfahrten verwehrt.
Weitere Feststellungen zu den Familienheimfahrten sind nicht getroffen geworden.

Für das BFG besteht kein Anlass daran zu zweifen, dass der Bf. im streitgegenständlichen Jahr regelmäßige Familienheimfahrten mit dem eigenen Kfz unternommen hat. Hinsichtlich der Anzahl der Familienheimfahrten liegt lediglich die im Verfahren gemachte Aussage des Bf. (alle 10 Tage, da Schichtdients) vor.

Für die Familienheimfahrten hat der Bf. das km-Geld, begrenzt mit dem Betrag des in § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c angeführten Betrages, somit 3.672 Euro, geltend gemacht.

Fehlt ein Nachweis der Höhe nach, ist die Abgabenbehörde zwar zur Schätzung berechtigt, nicht aber dazu, den geltend gemachten Aufwand überhaupt nicht anzuerkennen (, und , 418/80). Nur wenn Aufwendungen schon dem Grunde nach nicht als Werbungskosten anzuerkennen sind, ist die Abgabenbehörde davon enthoben, über deren Höhe Beweise aufzunehmen bzw. die Höhe zu schätzen.

Die Höhe der Aufwendungen ist im vorliegenden Beschwerdefall zu schätzen. Dabei ist jedenfalls darauf Bedacht zu nehmen, dass mit Rücksicht auf die Entfernung, den Zeitaufwand und den entstehenden Kosten, die Anzahl der Reisen abnimmt, je größer die zurückzulegende Entfernung wird (, 0185).
Für Familienfahrten von 500 km oder mehr je einfache Strecke sind unter Verweis auf die Entscheidungspraxis des Unabhängigen Finanzsenates/Bundesfinanzgerichtes monatliche Familienheimfahrten als angemessen zu beurteilen (vgl. RV/1993-W/03 vom , ).

Die Schätzung von Kfz-Kosten kann mit Hilfe des amtlichen Kilometergeldes pro gefahrenem Kilometer vorgenommen werden.

Aufgrund der Entfernung von 538 km zwischen Familienwohnsitz und dem weiteren Wohnsitz des Bf. am Ort der Beschäftigung war bei jeder Familienheimfahrt ein Weg von 1.076 km zurückzulegen. Unter Berücksichtigung des amtlichen Kilometergeldes bedeutet dies Aufwendungen von 451,90 € pro Familienheimfahrt.

Im Hinblick auf die Begrenzung des anzuerkennenden Höchstbetrages für Familienheimfahrten mit dem Betrag von 3.672 € bedeutet die Anerkennung dieses Höchstbetrages die Anerkennung von acht Familienheimfahrten (3.672 : 451,90 = 8,125).

Da im Beschwerdefall bereits bei neun Familienheimfahrten der maximal anzuerkennende Betrag überschritten wird, kann dieser Betrag von 3.672 € im Schätzungsweg als Aufwendungen für Familienheimfahrten anerkannt werden.

Der Beschwerde war sohin Folge zu geben.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Aufgrund der einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Anerkennung von Aufwendungen von doppelter Haushaltsführung und Familienheimfahrten als Werbungskosten hängt dieses Erkenntnis von keiner Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Es ist daher keine Revision zuzulassen.

Salzburg-Aigen, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
JAAAC-19199