Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 19.10.2018, RV/7102591/2018

Haftung: Scheingeschäftsführer, Treu- und Glauben.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den-Senat, in der Beschwerdesache BF, Wohnadresse, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid gemäß §§ 9 und 80 BAO der belangten Behörde Finanzamt Wien 8/16/17 vom in der am  durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftung anstatt bisher € 32.259,57 auf folgende Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € 32.110,23 eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag
Umsatzsteuer
06/2015
9.000,00
Umsatzsteuer
07/2015
9.000,00
Umsatzsteuer
08/2015
9.000,00
Lohnsteuer
08/2015
125,85
Lohnsteuer
09/2015
271,00
Lohnsteuer
11/2015
451,48
Lohnsteuer
12/2015
201,41
Dienstgeberbeitrag
08/2015
597,03
Dienstgeberbeitrag
09/2015
706,06
Dienstgeberbeitrag
11/2015
1.431,65
Dienstgeberbeitrag
12/2015
994,28
Zuschlag zum DB
08/2015
53,07
Zuschlag zum DB
09/2015
62,76
Zuschlag zum DB
11/2015
127,26
Zuschlag zum DB
12/2015
88,38

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf. genannt) für nachstehende Abgabenschuldigkeiten der Firma XY GmbH in Höhe von insgesamt € 32.259,57 gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung herangezogen.


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag
Umsatzsteuer
06/2015
9.000,00
Umsatzsteuer
07/2015
9.000,00
Umsatzsteuer
08/2015
9.000,00
Lohnsteuer
08/2015
125,85
Lohnsteuer
09/2015
271,00
Lohnsteuer
11/2015
451,48
Lohnsteuer
12/2015
201,41
Lohnsteuer
01/2016
27,08
Dienstgeberbeitrag
08/2015
597,03
Dienstgeberbeitrag
09/2015
706,06
Dienstgeberbeitrag
11/2015
1.431,65
Dienstgeberbeitrag
12/2015
994,28
Dienstgeberbeitrag
01/2016
112,28
Zuschlag zum DB
08/2015
53,07
Zuschlag zum DB
09/2015
62,76
Zuschlag zum DB
11/2015
127,26
Zuschlag zum DB
12/2015
88,38
Zuschlag zum DB
01/2016
9,98

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Bf. seit Datum1 Geschäftsführer der GmbH und daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen sei. Er sei somit auch verpflichtet gewesen, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

Hinsichtlich der Umsatzsteuer sei festzuhalten:

Die Umsatzsteuer sei nicht oder unzureichend gemeldet und entrichtet worden. In diesem Zusammenhang sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach es Sache des Geschäftsführers sei, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden dürfe (, 0038). Demnach hafte der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden seien, hiezu nicht ausgereicht hätten, es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für ausstehende Lohnsteuer sei festzuhalten:

Gemäß § 78 Abs. 1 EStG 1988 habe der Arbeitgeber die Lohnsteuer des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten. Es wäre seine Pflicht gewesen, für eine zeitgerechte Lohnsteuerabfuhr Sorge zu tragen. Der Bf. hingegen habe die Abfuhr der angeführten fälligen Lohnsteuerbeträge unterlassen. Es werde in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass der Arbeitgeber gemäß § 78 Abs. 3 leg.cit. für den Fall, dass die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen würden, verpflichtet sei, die Lohnsteuer von dem tatsächlichen zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen, einzubehalten und abzuführen. In der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung sei jedenfalls ein schuldhaftes Verhalten zu erblicken. (vgl. ).

Hinsichtlich der Heranziehung zur Haftung für andere Abgaben sei festzuhalten:

Hinsichtlich anderer Abgaben, die für das Geschäftsergebnis einer juristischen Person nicht erfolgsneutral seien, sei es Sache des gemäß § 80 BAO befugten Vertreters, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge habe tragen können, dass die Gesellschaft die anfallenden  Abgaben rechtzeitig entrichtet habe, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. In der Regel werde nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der Gesellschaft haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermögliche. Außerdem treffe den Haftenden (§ 77 Abs. 2 BAO) die gleiche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (§ 119 leg.cit.) wie den Abgabenpflichtigen, sodass er zeitgerecht für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen habe. Der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer habe daher das Fehlen ausreichender Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen Außerdem habe er darzutun, dass er die Abgabenforderungen bei der Verwendung der vorhandenen Mittel nicht benachteiligt habe (vgl. ; ; ). Da der Bf. seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen im angeführten Umfang nicht nachgekommen sei und die Abgaben bei der Gesellschaft uneinbringlich seien, sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen.

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom beantragte der Bf. die Aufhebung des Haftungsbescheides sowie die Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die GmbH von 2011 bis Jänner 2016 tätig und am Datum2 mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien in Konkurs verfallen sei.

Der Bf. habe die Geschäftsführung am Datum1 von seinem Bruder übernommen, der aufgrund eines Autounfalles im Februar 2014 handlungsunfähig gewesen sei. Er habe gleichzeitig die Geschäftsanteile von seinem Bruder übernommen.

Die Firma SteuerberatungGmbH (Herr P.) habe eine steuerliche Vertretungsvollmacht gehabt. Die Buchhaltung sei hierbei von der FirmaBHKG (Herr GS) erstellt worden. Diese habe vom Bf. auch den Zugangscode für FinanzOnline erhalten. Somit sei festzuhalten, dass subjektiv keine Meldungen von Seiten des Bf. in dessen Verantwortung abgegeben worden seien. Er habe keinerlei Steuererklärung unterschrieben. Er sei auch nicht über die erforderlichen Zahlungen informiert worden. Diesbezüglich werde als Zeuge Herr GSvon der Firma BHKG zum Beweise dazu namhaft gemacht, dass dieser sämtliche Tätigkeiten für die GmbH durchgeführt habe.

Umsatzsteuer - Haftung:

Es werde von Seiten der belangten Behörde vorgeworfen, dass die Umsatzsteuer nicht oder unzureichend gemeldet und entrichtet worden sei.

Diesbezüglich werde dieser Darstellung widersprochen, da
1. die Beauftragung des Steuerberaters erfolgt sei, die Meldung durchzuführen und diesbezüglich die zu entrichtenden Beträge bekanntzugeben. Zu diesem Zweck werde auf den obigen Zeugen verwiesen. -
2. Es sei deshalb entsprechend festzuhalten, dass keine schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 9 Abs 1 BAO von Seiten des Bf. vorliege. Deshalb hafte der Geschäftsführer nicht für die nicht entrichteten Abgaben, da

a) davon auszugehen sei, dass mit der Beauftragung des Steuerberaters (Buchhalters) die Pflichtausübung auf diesen übertragen werde und
b) dieser verantwortlich gewesen wäre, die ordnungsgemäßen und fristgerechten Meldun-
gen der Umsatzsteuerbeträge durchzuführen und
c) die zu entrichtenden Beträge auch schriftlich bzw. zumindest telefonisch dem Geschäftsführer zur Entrichtung und Bezahlung bekanntzugeben.
Als weiterer Zeuge werde Herr A.P. bekanntgegeben, der ebenfalls mit der Abwicklung des gegenständlichen Auftragsverhältnisses entsprechend beauftragt gewesen sei.

Herr P. werde zum Beweise dafür als Zeuge namhaft gemacht, dass er die Übernahme der Verpflichtung zur Meldung der gegenständlichen Abgaben durchgeführt habe. Des Weiteren werde festgehalten, dass die faktische Geschäftsführung in Händen von Herrn R. gelegen sei, der seinerseits die Überweisungen durchgeführt habe. Er habe aber die Überweisungen nicht durchführen können, da diesbezüglich wohl
a) von ihm fristgerecht die Belege dem Steuerberater übergeben worden seien, damit dieser im Auftrage die Erstellung der Buchhaltung durchführe und
b) die Verpflichtung an den Steuerberater übergeben worden sei, die Meldung der Umsatzsteuervoranmeldung fristgerecht durchzuführen, wozu ihm auch der Finanzonline-Zugang übermittelt worden sei und
c) Herr R. aber keinerlei Rückmeldungen über durchzuführende Zahlungsbeträge erhalten habe, weshalb er auch keinerlei Überweisungen durchgeführt habe.

Schätzungen der Abgabenbehörde — Besprechungen im Beisein vom Masseverwalter Dr. F., Herrn P.:
Die belangte Behörde habe entsprechend Schätzungen abgegeben. Diese Schätzungen seien fristgerecht von Seiten der GmbH beeinsprucht worden. Im Zuge des Insolvenzverfahrens sei sodann festgestellt worden, dass Anmeldungen von insgesamt rund € 454.000,00 an Verbindlichkeiten bei der GmbH durchgeführt worden seien. Diese seien von Seiten des Masseverwalters bestritten worden.
Im Rahmen einer Besprechung zwischen der Finanzverwaltung, Herrn R. und dem Masseverwalter sei sodann erläutert worden, welche Verbindlichkeiten sich tatsächlich ergeben hätten.

Im Zuge dieses Gespräches habe der damals beauftragte Steuerberater P. der Abgabenbehörde dargelegt, dass nur Abgabenverbindlichkeiten von € 90.000,00 bestünden. Diese Unterlagen seien an den Masseverwalter Dr. F. übergeben worden, der sie wiederum seinerseits der Abgabenbehörde übergeben habe. Anstelle des Betrages von € 454.000,00 setzen hätten diese genau € 454.968,23 "eingesetzt".
Von Seiten der Finanzbehörde sei anlässlich einer Besprechung im Beisein des Herrn Dr. F. am entsprechend festgehalten worden, dass — wenn eine Anerkennung der Forderungen in voller Höhe von Seiten der GmbH erfolge - davon auszugehen sei, dass keinerlei Haftung der Geschäftsführer geltend gemacht werde.
Es liege somit die ausdrückliche Zusage vor, dass keinerlei Haftung entsprechend vorliege und dies sei damit begründet worden, dass die Haftungstatbestandsvoraussetzungen auf Grund der gegebenen Umstände - insbesondere der Erstellung der Steuererklärungen durch Herrn P.  - nicht gegeben seien.
Es sei festzuhalten, dass keiner der Geschäftsführer (weder der Bf. noch N.) bei der Besprechung anwesend gewesen seien.

Haftung für ausständige Lohnsteuer:
Von der belangten Behörde werde festgehalten, dass der Bf. als Arbeitgeber anzusehen sei, da er als Geschäftsführer der GmbH für die Abgaben und deren ordnungsgemäße Abfuhr hafte. In diesem Zusammenhang werde darauf hingewiesen, dass auch formell aus körperlichen Gründen eine solche Haftung ab dem Zeitpunkt des Verkehrsunfalles denkunmöglich sei.
Eine Haftung gemäß § 78 Abs 1 EStG 1988 sei deshalb denkunmöglich. Darüber hinausgehend seien keine Überweisungen von Seiten des Bf. durchgeführt worden, da die Überweisungsbefugnis bei Herrn R. gelegen sei. Deshalb habe es der Geschäftsführer auch nicht unterlassen, die angeführten fälligen Lohnsteuerbeträge zu bezahlen.
Des Weiteren stelle der Bf. fest, dass ihm nicht bekannt sei, welche Arbeitslöhne tatsächlich zur Auszahlung gelangten seien, da er auch diesbezüglich die Überweisung nicht durchgeführt habe. Ein schuldhaftes Verhalten könne deshalb nicht vorliegen.

Haftung für andere Abgaben:
Es sei unstrittig, dass der Bf. als Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt gewesen sei. Aufgrund dessen, der Geschäftsführer aber sämtliche Aufgaben an

a) den Steuerberater, sowie
b) hinsichtlich des Zahlungsverkehrs Herrn R.
übertragen habe, könne ihm eine schuldhafte Verletzung nicht angelastet werden. Der Bf. habe keinen Einblick in die Gebarung der Gesellschaft gehabt, insbesondere seien ihm niemals Saldenlisten oder ähnliche Unterlagen vorgelegt worden. Der Steuerberater habe es versäumt, eine entsprechende aussagekräftige Buchhaltung zu erstellen.
Eine Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht sei ihm nicht anzulasten, da er
- weder Kenntnis von Zahlungseingängen noch von entsprechenden ausreichenden Mitteln zur Abgabenentrichtung gehabt habe, noch
- Überweisungen tatsächlich durchgeführt habe, noch
- eventuelle Verbindlichkeiten gegenüber der Abgabenbehörde von Seiten der GmbH bekannt gewesen seien, da der Steuerberater keine Meldungen abgegeben habe.

5. Schätzungen Umsatzsteuer als Bemessungsgrundlage für den Haftungsbescheid:

Im Haftungsbescheid seien Schätzungen der Umsatzsteuer 06/2015, 07/2015 und 08/2015 enthalten. Diese Schätzungen seien mit Beschwerden vom , bekämpft worden.
Diese Beschwerde(n) sei(en) beim Bundesfinanzgericht anhängig. Bis heute sei eine Entscheidung nicht ergangen.

6. Anhängige Beschwerden beim Bundesfinanzgericht:
Beim Bundesfinanzgericht seien die Beschwerden vom gegen die unterjährigen Umsatzsteuerfestsetzungen im Rahmen der Umsatzsteuersonderprüfungen September, Oktober, November und Dezember 2012 und Jänner 2013 jeweils vom und die Beschwerden vom gegen die Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide 2012, 2013 und 2014 vom anhängig.
Diesbezüglich sei bisher keine Entscheidung ergangen. Auf Grund dessen könnten auch Haftungsbescheide mangels Feststehens der effektiv materiell rechtlichen Bemessungsgrundlagen nicht erlassen werden.

7. Besprechung mit der Abgabenbehörde anlässlich der Feststellung des Anmeldesaldos:

Die belangte Behörde hat zu Steuernummer XXX/XXXX einen Betrag in Höhe von € 454.968,23 angemeldet. Anlässlich einer Besprechung im Beisein des Masseverwalters Dr. F. sowie der maßgeblichen Beamten der belangten Behörde sei festgehalten worden, dass der gesamte Abgabenrückstand tatsächlich nur € 92.000,00 sein könne. Unter Hinweis darauf, dass dies keinerlei Haftung auf die Geschäftsführer begründe, sei von Seiten des Masseverwalters die Anerkennung der Forderungsanmeldung durchgeführt worden.
Dies habe aber keine Rechtsfolge dafür, dass die materiell rechtliche Höhe der Abgabenforderung unrichtig sei.

8. Sanierungsverfahren  - Quote:

Die GmbH habe im Rahmen ihres Konkursverfahrens eine Quote von 12,98 % ihren Gläubigern laut Beschluss vom Datum3 ausgeschüttet. Von Seiten der belangten Behörde sei keinerlei Abzug der geleisteten Quote erfolgt. Auch dies werde ausdrücklich gerügt.

9. Bezug auf gleichlautende Haftungsbescheide betreffend N.:
Beiliegend werde die Beschwerde betreffend den Haftungsbescheid des N. hinsichtlich der GmbH vorgelegt. Es werde ausdrücklich beantragt, diese Beschwerde als integrierter Bestandteil dieser Beschwerdeschrift anzusehen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus, dass der Bf. seit Datum4 bis Datum5 Geschäftsführer der GmbH und daher als gesetzlicher Vertreter der GmbH auch für die Erfüllung abgabenrechtlicher Verpflichtungen zuständig gewesen sei. Die Übertragung dieser Verpflichtungen auf Steuerberater und sonstige dritte Personen bei Vernachlässigung und Verletzung zumutbarer Informations- und Überwachungspflichten stelle keinen ausreichenden Haftungsschuldbefreiungsgrund des Geschäftsführers dar.
Das am Datum5 über das Vermögen der GmbH eröffnete Konkursverfahren sei vom Handelsgericht Wien am Datum6 nach Schlussverteilung aufgehoben worden. Die Verteilungsquote in Höhe von € 62.108,99 sei am vom Masseverwalter Dr. F. an das Finanzamt überwiesen worden und im Haftungsbescheid vom bereits berücksichtigt.

Bemerkt werde noch, dass betreffend die haftungsgegenständlichen Abgaben kein Rechtsmittelverfahren mehr anhängig sei.
Da auch kein Nachweis der finanziellen Gleichbehandlung aller Gläubiger durch den Geschäftsführer für den Zeitraum vor Konkurseröffnung erbracht worden sei, werde die
Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Dagegen brachte der Bf. mit Eingabe vom einen Vorlageantrag ein und begehrte die Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Ergänzend wurde vorgebracht, dass bestritten werde, dass die Erfüllung abgaberechtlicher Verpflichtungen nicht an die Firma
Steuerberatung KG übertragen worden sei, wobei die abgabenrechtlichen Pflichten sodann von der Firma BH KG (zuständig Herr GS) durchgeführt worden seien.
Zu diesem Zweck sei der Antrag gestellt worden, den Zeugen GS einzuvernehmen.
Die belangte Behörde habe Schätzungen‚durchgeführt, die im Beisein des Masseverwalters Dr. F. sowie des Steuerberaters P. besprochen worden seien. Im Rahmen der Besprechung zwischen der Finanzverwaltung, dem Masseverwalter und Herrn R.sei festgestellt worden, dass nur Abgabenverbindlichkeiten von € 90.000,00 bestünden. Hierbei sei festgehalten worden, dass eine Haftung für diese Abgabenverbindlichkeiten gegen die nicht anwesenden Geschäftsführern nicht geltend gemacht würden.
Des Weiteren sei festzuhalten, dass der faktische Machthaber und faktische Geschäftsführer R., sämtliche Handlungen in Abstimmung mit dem Steuerberater durchgeführt habe und diesbezüglich der Bf. keinerlei Rechtshandlungen ausgeübt habe. Er habe insbesondere auch keinerlei Zahlungen durchgeführt, da die Überweisungsbefugnis ausschließlich bei Herrn R. gelegen sei. Die für die Überweisung erforderlichen TAN-Codes habe Herr R.gehabt.
Eine Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflichten sei dem Bf. nicht anzulasten, da er weder Kenntnis von Zahlungseingängen noch den entsprechenden
ausreichenden Mitteln gehabt habe, um diese gleichmäßig an sämtliche Gläubiger zu verteilen.
Aus dem übermittelten Haftungsbescheid sei nicht ersichtlich, inwiefern die Quote laut Abschluss des Insolvenzverfahrens Berücksichtigung gefunden habe.
Ein Nachweis der finanziellen Gleichbehandlung aller Gläubiger sei dem Geschäftsführer
unzumutbar, da er sämtliche diesbezüglichen Aufgaben ordnungsmäßig Herrn R. übertragen habe.

In der mündlichen Verhandlung vom gab der Bf. zunächst bekannt, dass die Vollmacht der A GmbH nicht mehr aufrecht sei.

Zur Sache führte der Bf. aus, dass er nach dem Unfall seines Bruders, der die Gesellschaft mit dem Vater geführt habe, auf Vorgabe seines Vaters als Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen worden sei.

Er habe um diese Zeit studiert (Bauingenieurwesen, TU Wien), sein Vater habe faktisch die Gesellschaft geführt. Er sei nicht am Firmenkonto zeichnungsberechtigt gewesen und habe auch nichts mit der Auftragserteilung bzw. Buchhaltung der Gesellschaft zu tun gehabt. Er habe keine Ahnung dahingehend gehabt, in welcher Größenordnung Löhne angefallen seien und habe auch die Selbstberechnungsabgaben nicht an das Finanzamt überwiesen. Dies hätte sein Vater machen sollen. Im Zuge des Insolvenzverfahrens habe ein Behördenvertreter dem Masseverwalter erklärt, dass bei Zahlung eines Betrages von EUR 92.000,- von einer Haftungsinanspruchnahme abgesehen werde.

Der Amtsbeauftragte erklärte, dass eine Zahlung nicht erfolgt sei. Dies könne auch im Konkursverfahren so nicht sein. Es sei die Quote bezahlt worden.

Der Bf. führte über Befragung durch den Beisitzer aus, er sei damals am Beginn des Studiums gewesen und habe Mathematik aber kein Gesellschaftsrecht gehabt. Auch als sein Bruder als Geschäftsführer eingetragen gewesen sei, seien die Geschäfte stets noch von seinem Vater als Entscheidungsträger bestimmt worden.

Die Vorsitzende gab hierauf bekannt, dass in der Bescheidbeschwerde der Passus aufscheine, dass der damals beauftragte Steuerberater P. der Abgabenbehörde dargelegt habe, dass seiner Ansicht nach Abgabenverbindlichkeiten in Höhe von EUR 90.000,- bestünden. Dies sei demnach ein reines Parteienvorbringen, das nicht zu einer entsprechenden Bescheiderlassung durch die Abgabenbehörde geführt habe.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

§ 9 Abs. 1 BAO lautet: Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

§ 80 Abs. 1 BAO: Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzungen für die Haftung sind eine Abgabenschuld gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum5 wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin der Konkurs eröffnet, der mit Beschluss vom Datum6 nach erfolgter Schlussverteilung aufgehoben wurde. In der Folge wurde die Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.

Die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten, die nach wie vor unberichtigt aushaften, sind daher bei der GmbH uneinbringlich.

Gemäß Firmenbuchauszug vertrat der Bf. ab Datum4 die Gesellschaft als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer bis zur Konkurseröffnung und kann somit, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen, gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung herangezogen werden.

Da der Geschäftsführer nur für Abgabenschuldigkeiten haftet, deren Zahlungstermin (Fälligkeit) in die Zeit seiner Vertretertätigkeit fällt, war der Beschwerde hinsichtlich der am fällig gewordenen Lohnabgaben stattzugeben, da dieser Zahlungstermin nach Konkurseröffnung lag, diesbezüglich somit keine Pflichtverletzung des Bf. vorliegt.

Die haftungsgegenständlichen Abgaben haften am Abgabenkonto in der im Haftungsbescheid genannten Höhe unverändert aus.

Wurde eine Konkursquote - im vorliegenden Fall vor Erlassung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides - ausgeschüttet und besteht Streit darüber, inwieweit die Abgabenschulden, für die der Vertreter haftet, dadurch getilgt sind, so ist dies nicht im Haftungsverfahren, sondern auf Grund eines entsprechenden Antrages - zu dessen Stellung auch der Haftungspflichtige legitimiert ist - in einem Abrechnungsbescheid gemäß § 216 BAO zu klären. Für die Verrechnung der Konkursquote kann in dieser Hinsicht nichts anderes gelten als für sonstige Tilgungstatbestände (vgl. zu diesen etwa  Zl. 94/15/0188, vom , Zl. 98/14/0154, vom , Zl. 97/15/0191, vom , Zl. 2000/14/0162, vom , Zl. 2001/14/0176, vom , Zl. 2005/13/0094, und vom , Zl. 2006/15/0322).

Mit der Bestellung einer Person zum Geschäftsführer wird dieser auch die Pflicht zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Vorschriften übertragen. Der Geschäftsführer hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln der Gesellschaft entrichtet werden.

Wenn der verantwortliche Vertreter seine abgabenrechtlichen Pflichten auf eine andere Person überträgt, wird er dadurch nicht von seiner Verantwortung befreit. Es treffen ihn in einem solchen Fall Auswahl- und Kontrollpflichten, deren Verletzung zu Haftungsfolgen nach § 9 BAO führen kann. Es gehört zu den Pflichten des zur Vertretung einer juristischen Person Berufenen, durch geeignete Aufsichts- und Überwachungsmaßnahmen, insbesondere durch Einrichtung von Kontrollmechanismen dafür Sorge zu tragen, dass die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten tatsächlich erfolgt. Der zur Vertretung einer juristischen Person Berufene hat die Tätigkeit der von ihm beauftragten Person in solchen Abständen zu überprüfen, die es ausschließen, dass die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten, insbesondere die Verletzung abgabenrechtlicher Zahlungspflichten verborgen bleibt (vgl. ).

Daraus folgt, dass das Vorbringen des Bf., die Firma SteuerberatungGmbH habe die steuerliche Vertretungsvollmacht gehabt, der Steuerberater sei beauftragt gewesen, die Meldung durchzuführen und die diesbezüglich zu entrichtenden Beträge bekanntzugeben, den Bf. nicht exkulpiert.

Ebenso lässt sich aus dem Vorbringen, dass die faktische Geschäftsführung bei Herrn R. gelegen sei der die ausschließliche Überweisungsbefugnis gehabt habe, nichts gewinnen, weil ein für die Haftung eines Geschäftsführers relevantes Verschulden auch dann vorliegt, wenn sich der Geschäftsführer vor der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich macht. Das Einverständnis, nur formell als Geschäftsführer zu fungieren, somit auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss zu nehmen, stellt eine derartige Beschränkung der Befugnisse eines Geschäftsführers dar ().

Einen Geschäftsführer, der sich eine Hinderung an der Erfüllung seiner Obliegenheiten - hier: keine Überweisungsbefugnis - gefallen lässt, treffen die Folgen seiner Willfährigkeit (). Aus welchen Gründen der Bf. seiner Verpflichtung nicht nachkam, ist im gegenständlichen Haftungsverfahren ohne rechtliche Bedeutung. Dass er ohne ihre Zustimmung zum Geschäftsführer bestellt worden oder zurechnungsunfähig gewesen wäre, hat der Bf. nie behauptet. Als bestellter Geschäftsführer hätte er die abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen gehabt. Hat er das nicht getan, dann muss er die Konsequenzen tragen ().

Mit dem Vorbringen, es liege seitens der belangten Behörde eine mündliche Zusage vor, dass der Bf. nicht zur Haftung herangezogen werde, macht er den Grundsatz von "Treu und Glauben" geltend.

Zu diesem Grundsatz ist zu sagen, dass hier ein Vertrauen auf eine rechtsunrichtige Beurteilung der Behörde im Allgemeinen nicht geschützt ist (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 95/13/0124). Eine unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes für Treu und Glauben relevante Enttäuschung im Vertrauen auf eine von der Abgabenbehörde erteilte Rechtsauskunft könnte u.a. nur dann vorliegen, wenn diese Auskunft Grundlage für eine die Steuerfolgen auslösende Disposition des Steuerpflichtigen gewesen ist (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 97/15/0028 und 0029, sowie vom , 98/15/0065).

Es mag dahingestellt bleiben, ob eine solche Zusage (nach Konkurseröffnung) überhaupt getätigt wurde, denn einerseits ist diese Zusage (soferne diese erfolgt ist) nicht gegenüber dem Bf. erfolgt, andererseits war die die Haftung auslösende Pflichtverletzung zu diesem Zeitpunkt bereits verwirklicht. Der Grundsatz von Treu und Glauben kann somit mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht zur Anwendung kommen.

Zum Vorbringen: Schätzungen

Eine Heranziehung des Geschäftsführers zur Haftung für Abgabenrückstände ist auch dann zulässig, wenn Bescheide, die die Grundlage für den Haftungsbescheid bilden, noch nicht in Rechtskraft erwachsen sind, weil ua nach § 254 BAO auch durch Einbringung einer Berufung die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insb. die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten wird ().

Im Übrigen hat die belangte Behörde in der Beschwerdevorentscheidung ausgeführt, dass keine Rechtsmittel mehr anhängig seien. Dem wurde im weiteren Verfahren nicht entgegengetreten.

Ein Gleichbehandlungsnachweis wurde nicht vorgelegt.

Im Hinblick auf die unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten kommt eine Beschränkung der Haftung des Bf. bloß auf einen Teil der von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht ().

Für aushaftende Abfuhrabgaben wie die verbleibende Lohnsteuer 08/2010 gelten aber ohnedies Ausnahmen vom Gleichheitsgrundsatz (; , 2000/15/0168), da nach § 78 Abs. 3 EStG der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten hat.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Die im Rahmen des § 224 BAO zu treffende Ermessensentscheidung iSd § 20 BAO ist inner­halb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenze nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Be­rücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles. Aus dem auf die Herein­bringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungs­norm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Auf Grund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bf. als Haftungspflichtiger für die Abgabenschuldigkeiten der GmbH im Ausmaß von nunmehr Euro 32.110,23 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at