Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.10.2018, RV/7102794/2011

Zeitpunkt des Zuflusses von Nachzahlungen (bedingte Kündigungsentschädigung) im Insolvenzverfahren des Arbeitgebers

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf., AdresseBf., St.Nr: **** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde FA FA vom , betreffend Einkommensteuer 2009 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Einkommensteuer 2009 wird mit € 1.331,97 festgesetzt.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Bei Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung des Beschwerdeführers (Bf.) für das Jahr 2009 mit dem angefochtenen Bescheid vom  wurden neben nicht selbständigen steuerpflichtigen Bezügen von der XY- GmbH iHv € 11.032,79, weitere Bezüge von der IAF-Service GmbH bzw. der IEF Service GmbH ( gemeldet in 3 Tranchen) iHv insgesamt € 27.240,40 ( Insolvenz- Entgelt) als Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit erfasst.

Der Bf. brachte gegen den Einkommensteuerbescheid 2009  form- und fristgerecht Berufung mit folgender Begründung ein:

"Der Bescheid wird insoweit angefochten, als Bruttobezüge von der IEF-Service GmbH in einer Höhe, welche insgesamt € 25.848,01 brutto übersteigt, der Steuerbemessung zugrunde gelegt wurden. 

Der Einschreiter hat nach seinem Beschäftigungsverhältnis bei der XY- GmbH. Insolvenz-Entgelt bezogen, und zwar laufende Bezüge und Sonderzahlungen von 1. 6. bis (Austritt), weiters gesetzliche Abfertigung, unbedingte Kündigungsentschädigung im Ausmaß von drei Monatsentgelten, weitere Kündigungsentschädigung bis sowie eine Urlaubsersatzleistung.

Zivilrechtlich ist die Kündigungsentschädigung lediglich im Ausmaß von drei Monatsentgelten sofort nach Austritt fällig (§ 1162b ABGB). Sozialversicherungsrechtlich ergibt sich eine Nachversicherung des Einschreiters bis letztlich unter Berücksichtigung der Urlaubsersatzleistung.

Aus dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung folgt, dass auch steuerlich die Bezüge des Einschreiters auf die Jahre 2009 und 2010 aufzusplitten sind.

Demnach hat der Einschreiter im Jahr 2009 folgende Bruttobeträge von der IEF-Service GmbH bezogen:

Gehalt Juni                                          2.740,50

Gehalt Juli                                           2.896,60

Gehalt August                                      2.740,50

Gehalt September                                2.740,50

Gehalt Oktober                                       822,15

Urlaubszuschuss                                  2.123,89

Weihnachtsremuneration                      2.123,89

Kündigungsentschädigung 3 Monate lfd  8.279,96

Kündigungsentschädigung 3 Monate SZ  1.380,02

                                                        = 25.848,01

Die mit festen Sätzen besteuerte Abfertigung scheint in dieser Aufstellung nicht auf.

Dazu wird die Forderungsanmeldung im Konkurs (GZ. ###) vorgelegt."

Das Finanzamt erließ mit Datum eine abweisende Berufungsvorentscheidung und führte darin aus, dass Nachzahlungen aus dem Insolvenzverfahren gem. § 19 Abs. 1 EStG dem Kalenderjahr zugeordnet würden, in dem der Anspruch entstanden ist. Der Anspruch auf Kündigungsentschädigung entstehe mit dem arbeitsrechtlichen Ende des  Dienstverhältnisses, somit im Jahr 2009.

Im dagegen eingebrachten Vorlageantrag wendet der Bf. folgendes ein: 

"Der Einschreiter b e a n t r a g t , die Abgabenbehörde 2. Instanz möge über die Berufung des Einschreiters entscheiden.

§ 19 EStG in der hier anzuwendenden Fassung bestimmt, dass Nachzahlungen im Insolvenzverfahren in dem Kalenderjahr als zugeflossen gelten, für das der Anspruch besteht.

Damit ist auf jeden Fall die sog. bedingte Kündigungsentschädigung, nämlich der Bezugszeitraum von 17. 1. bis , nicht dem Jahr 2009 zuzuordnen.

Dies ergibt sich bereits aus der Bestimmung des § 1162 b ABGB, welche lautet:

§ 1162b. Wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig entlässt oder wenn ihn ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritte des Dienstnehmers trifft, behält dieser, unbeschadet weitergehenden Schadenersatzes, seine vertragsgemäßen Ansprüche auf das Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der Vertragszeit oder durch ordnungsmäßige Kündigung hätte verstreichen müssen, unter Anrechnung dessen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Soweit jedoch der oben genannte Zeitraum drei Monate nicht übersteigt, kann der Dienstnehmer das ganze für diese Zeit gebührende Entgelt ohne Abzug sofort fordern.

Demnach ist bei arbeitsrechtlichem Ende des Dienstverhältnisses die Kündigungsentschädigung im Ausmaß von maximal 3 Monatsentgelten sofort fällig. Hinsichtlich des Rests, der diesen Zeitraum von drei Monaten übersteigt, hat sich der Dienstnehmer seinen Verdienst im betreffenden Zeitraum anrechnen zu lassen. Es kann daher zu Beginn des Zeitraums fiir die bedingte Kündigungsentschädigung noch gar nicht gesagt werden, ob und in welcher Höhe überhaupt ein Anspruch besteht.

Die zeitliche Zuordnung der bedingten Kündigungsentschädigung zum Jahr 2009 ist daher unrichtig.

Der Einschreiter beantragt daher abermals, der Berufung Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid dahin abzuändern, dass die Einkommenssteuer für 2009 derart berechnet wird, dass die Bezüge der IEF-Service GmbH mit einer Bemessungsgrundlage von brutto € 25.848,01 zugrunde gelegt werden."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer mit gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 eine Berufung erhob, die - nach Erlassung einer abweisenden Berufungsvorentscheidung und eines dagegen eingebrachten Vorlageantrags- vor dem dem damals zuständigen Unabhängigen Finanzsenat vorgelegt wurde.  Diese gilt nun gemäß § 323 Abs. 38 BAO als Bescheidbeschwerde im Sinne des § 243 Abs. 1 BAO, für die nunmehr das Bundesfinanzgericht zuständig ist. Sie wird in der Folge als Beschwerde bezeichnet.

Folgender Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus der Aktenlage:

Aus der -seitens des Bf. mit der Beschwerde vorgelegten- beim LG Steyr eingereichten "Anmeldung einer Forderung im Insolvenzverfahren GZ. ###" geht hervor, dass der Bf. vom bis   Angestellter bei der XY- GmbH war und dieses Arbeitsverhältnis  durch Austritt gem. § 25 KO geendet hat. Über das Vermögen der XY- GmbH wurde mit Beschluss des LG Steyr vom der Konkurs eröffnet und nach erfolgter Schlussverteilung mit weiterem dg. Beschluss vom der Konkurs aufgehoben. Weiters ergibt sich aus der Forderungsanmeldung eine Gesamtforderung (inkl. Zinsen und Kostenforderung) iHv € 43.605,00, wobei die unbedingte Forderung € 36.047,00 und die bedingte Forderung (= bedingte Kündigungsentschädigung: - )  € 6.140,00 beträgt.

Der Bf. weist in seinem Vorlageantrag - von der belangten Behörde unwidersprochen- unter Verweis auf die Bestimmung des § 1162b ABGB darauf hin, dass die zeitliche Zuordnung der sog. bedingten Kündigungsentschädigung mit Bezugszeitraum 17.1. bis zum Jahr 2009 jedenfalls unrichtig sei.

Rechtgrundlagen und rechtliche Erwägungen:

Gemäß § 19 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 sind Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen,  in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.

Gemäß § 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 gelten (u.a.) Nachzahlungen im Insolvenzverfahren in dem Kalenderjahr als zugeflossen, für das der Anspruch besteht bzw. für das sie getätigt werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Thema Nachzahlungen im Insolvenzverfahren iVm § 19 EStG 1988 u.a. zur Behandlung von Kündigungsentschädigungen in seinem Erkenntnis vom Zl. 2011/15/0185, folgendes ausgesprochen:

"........Beim vorzeitigen Austritt aus wichtigem Grund nach § 25 Abs. 1 KO gebührt dem Arbeitnehmer gemäß § 29 Abs. 1 und 2 AngG (§ 1162b ABGB) die Kündigungsentschädigung für den Zeitraum von bis zu drei Monaten sofort ("unbedingte" Kündigungsentschädigung). Hinsichtlich dieses Bezuges hat die belangte Behörde zu Recht angenommen, dass durch § 19 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988 die Fiktion des Zuflusses für den Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses normiert wird. Für den Fall des berechtigten vorzeitigen Austritts ist der Kalendermonat, für den iSd § 19 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988 der Anspruch auf Entschädigung besteht, jener, in welchen die Auflösung des Dienstverhältnisses fällt. Daran ändert die Regelung des § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 nichts, wonach Kündigungsentschädigungen "gemäß Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen" sind, besteht doch der normative Gehalt dieser Regelung nicht in der Festlegung eines Zuflusszeitpunktes, sondern darin, dass der Bezug im Monat, für welchen sich der Zufluss aus § 19 Abs. 1 EStG 1988 ergibt, nach der Vorschrift des § 67 Abs. 10 EStG 1988 der Lohnsteuer zu unterziehen ist; solcherart braucht im Beschwerdefall auf das Verhältnis zwischen lit. g und lit. b des § 67 Abs. 8 EStG 1988 nicht eingegangen zu werden.

Die belangte Behörde hat allerdings die Rechtslage verkannt, soweit der angefochtene Bescheid eine Kündigungsentschädigung für den drei Monate übersteigenden Zeitraum betrifft. Für diese Kündigungsentschädigung, bei der gemäß § 29 Abs. 1 AngG (§ 1162b ABGB) einzurechnen ist, was sich der Dienstnehmer infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat (vgl. auch § 1 Abs. 3 Z 3 IESG), ergibt sich aus § 29 Abs. 2 iVm § 15 AngG, dass sie erst im jeweils betroffenen Monat zu leisten ist......"

Der VwGH hat somit zweifelsfrei klargestellt, dass es beim vorzeitigen Austritt eines Arbeitnehmers aus wichtigem Grund (Konkurseröffnung) nach § 25 Abs. 1 KO durch die Fiktion des § 19 Abs. 1 EStG zum "sofortigen" Zufließen der "unbedingten" Kündigungsentschädigung (Kündigungsentschädigung für einen Zeitraum von bis zu 3 Monaten ) in dem Monat kommt, in den die Auflösung des Dienstverhältnisses fällt, hingegen die "bedingte" Kündigungsentschädigung (Kündigungsentschädigung für den 3 Monate übersteigenden Zeitraum ) erst im jeweils betroffenen Monat anzusetzen ist.

Das Bundesfinanzgericht schließt sich dieser Rechtsauffassung an.

Somit war dem Beschwerdebegehren insoweit Folge zu geben und die nicht selbständigen Einkünfte des Bf. antragsgemäß um die bedingte Kündigungsentschädigung (- Bezugszeitraum bis ) in Höhe von € 6.140,00 zu kürzen, sodass die nicht selbständigen Einkünfte nunmehr € 32.463,45 betragen. 

Neuberechnung der Einkommensteuer 2009:

Einkünfte aus nsA lt. Erkenntnis vom ................   € 32.463,45

Sonderausgaben - Viertel der Topfsonderausgaben  ..............  - € 239,55

Kirchenbeitrag .................................................................          - € 120,00

Einkommen     ..............................................................         € 32.103,90

Einkommensteuer gem. § 33 Abs. 1 EStG 1988 ..................   €  8.179,90

Verkehrsabsetzbetrag ......................................................         - € 291,00

Arbeitnehmerabsetzbetrag  ...............................................        - €  54,00

Steuer nach Abzug der Absetzbeträge..................................    € 7.834,90

Einkommensteuer   .........................................................       € 7.834,90

Anrechenbare Lohnsteuer ...................................................   - € 6.502,93

Festgesetzte Einkommensteuer - lt. Erkenntnis vom ........................................................................      €1.331,97

Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen, von denen ein Selbstbehalt abzuziehen ist, konnten-wie im angefochtenen Erstbescheid -nicht berücksichtigt werden, da sie den Selbstbehalt in Höhe von € 3.207,40 nicht übersteigen.

Somit war spruchgemäß  zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a Abs.1 VwGG ist gegen diese Entscheidung eine (ordentliche) Revision unzulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht  der in der Entscheidung dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Kündigungsentschädigung
Insolvenzverfahren
Arbeitgeber
Zufluss
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.7102794.2011

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at