Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 29.11.2018, RV/6100192/2018

Verjährung

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 233/2019 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende A und die weiteren Senatsmitglieder B, C und D in der Beschwerdesache K.M., Anschr., vertreten durch die Dr. Beisteiner Wirtschaftstreuhandgesellschaft m.b.H.,Lassertsraße 2A, 5020 Salzburg, gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Land vom , betreffend Einkommensteuer 2009 und Anspruchszinsen 2009, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer war im Streitjahr an mehreren Gesellschaften beteiligt u.a. an der X-KG (FA Klagenfurt St.Nr.), XYuStill (FA Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg St.Nr.) und der XZuStill (FA Neunkirchen Wr. Neustadt St.Nr.).

Am reichte der Beschwerdeführer auf elektronischem Weg die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2009 ein. Die Veranlagung erfolgte mit Bescheid vom erklärungsgemäß (Einkommensteuer € 915,28).

Mit Bescheid vom stellte das FA Klagenfurt die Einkünfte der an der X-KG beteiligten Personen und deren Aufteilung gemäß § 188 BAO für das Jahr 2009 fest (Einkünfte des Beschwerdeführers € 272,52). Dieser Feststellungsbescheid wurde gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig erlassen. Da der Umfang der Abgabepflicht von den Ergebnissen eines noch nicht beendeten Rechtsmittelverfahrens abhängig sei – so das FA in der Bescheidbegründung - erfolge die Veranlagung vorläufig.

Am erging seitens der Abgabenbehörde ein gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderter Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 (Einkommensteuer € 37.731,15). Die Änderung gründete sich auf die bescheidmäßigen Feststellungen des FA Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg zu St.Nr., XYuStill (Einkünfte des Beschwerdeführers € - 11.685,32 und nicht € - 92.500,-- wie vom Beschwerdeführer in der Einkommensteuererklärung 2009 angegeben).

Am fertigte die Abgabenbehörde einen weiteren, gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 2009 aus (Einkommensteuer € 39.293,15) und setzte mit Bescheid gleichen Datums Anspruchszinsen 2009 fest.

Dieser Einkommensteuerbescheid stützte sich auf die bescheidmäßigen Feststellungen des
- FA Klagenfurt zu St.Nr., X-KG, vom (Einkünfte des Beschwerdeführers € 3.396,52)

- FA Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg zu St.Nr., XYuStill, vom (Einkünfte des Beschwerdeführers € - 11.685,32) und

- FA Neunkirchen Wr. Neustadt zu St.Nr., XZuStill, vom (Einkünfte des Beschwerdeführers 0).

Gegen die beiden angeführten Bescheide vom brachte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom Bescheidbeschwerde ein.

In der Rechtsmittelschrift bringt er vor, die Bescheide unterlägen der Aufhebung, da Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis für den Veranlagungszeitraum 2009 bereits verjährt seien.

Der Steueranspruch 2009 sei zum entstanden (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BAO [gemeint wohl § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO]). Da die Festsetzungs-/Bemessungsverjährung mit diesem Zeitpunkt begonnen habe (§ 208 Abs. 1 lit. a BAO), sei der Abgabenanspruch für den Veranlagungszeitraum 2009 mit Ablauf des grundsätzlich verjährt. Aus dem Steuerkonto ergebe sich, dass am eine Bescheidänderung gem. § 295 Abs. 1 BAO erfolgt sei. Diesbezüglich habe sich herausgestellt, dass diese auf Grundlage eines Nichtbescheides vorgenommen worden sei und damit unbeachtlich sei.

Dessen ungeachtet wäre der Abgabenanspruch auch verjährt, wenn man unterstellte, der Erlass des von einem Nichtbescheid abgeleiteten Änderungsbescheides habe die Verjährung um ein Jahr verlängert (§ 209 Abs. 1 BAO). Der Abgabenanspruch sei auch in diesem Fall spätestens mit Ablauf des verjährt.

Der angefochtene Zinsenbescheid teile gem. § 207 Abs. 1 Satz 3 BAO (gemeint wohl § 207 Abs. 2 Satz 3 BAO) das Schicksal des Abgabenbescheides und sei daher ebenfalls aufzuheben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die Abgabenbehörde der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid keine Folge.

Diese Entscheidung begründete sie damit, es erübrige sich auf das Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen, Verjährung gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO liege nicht vor, da aus anderen Gründen feststehe, dass Verjährung nicht eingetreten sei.

Gemäß § 208 Abs. 1 BAO sei der Beginn der Verjährungsfrist nicht nur nach lit. a zu prüfen, sondern auch nach lit. b bis e.

Gemäß § 208 Abs. 1 lit. d BAO beginne die Verjährung in den Fällen des § 200 BAO (vorläufige Bescheide) mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt worden sei.

Hinsichtlich der abgeleiteten Einkommensteuerbescheide habe der VwGH festgestellt, dass die durch die Erlassung eines vorläufigen Feststellungsbescheides zum Ausdruck kommende Ungewissheit insoweit auch die abgeleiteten Einkommensteuerbescheide erfasse. Folglich liege hinsichtlich dieser Ungewissheit auch dann ein Anwendungsfall des § 208 Abs. 1 lit. d BAO vor, wenn ein Feststellungsbescheid gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig ergangen sei und der davon abgeleitete Bescheid - im Hinblick auf § 295 BAO - endgültig erlassen worden sei ().

Der Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte 2009 zu St.Nr. (X-KG) sei gemäß § 200 Abs. 1 BAO am vorläufig ergangen, weil der Umfang der Abgabepflicht von den Ergebnissen eines noch nicht beendeten Rechtsmittelverfahrens abhängig gewesen sei. Gemäß § 208 Abs. 1 lit. d BAO beginne die Verjährung in den Fällen des § 200 mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit weggefallen sei.
Das angesprochene Rechtsmittel sei mit UFS-Entscheidung vom erledigt worden, die Verjährungsfrist habe daher aus diesem Grund mit Ablauf des zu laufen begonnen und damit grundsätzlich am geendet. Der ergangene endgültige Feststellungsbescheid vom habe (neben anderen Verlängerungshandlungen) die Verjährungsfrist gemäß § 209 Abs. 1 BAO um ein Jahr verlängert, weshalb Verjährung hinsichtlich des am ergangenen und von der Feststellung abgeleiteten Einkommensteuerbescheides 2009 noch nicht eingetreten sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die Abgabenbehörde auch der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen 2009 keine Folge und verwies begründend auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung hinsichtlich Einkommensteuer 2009 vom .

Am stellte der Beschwerdeführer den Antrag, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Darin weist er noch einmal darauf hin, das Finanzamt verkenne, dass der Abgabenanspruch verjährt sei und führt ergänzend aus:

1) X-KG (St.Nr.):

Das Finanzamt argumentiere mit Nichtwissen, dass im Feststellungverfahren tatsächlich eine Ungewissheit bestanden habe. Der Feststellungsbescheid vom liege dem Beschwerdeführer nicht vor.

Das Finanzamt vertrete die Auffassung, die “Vorläufigkeit“ im Feststellungsverfahren schlage auf das individuelle Besteuerungsverfahren durch und berufe sich dabei auf ein Judikat des VwGH (Erkenntnis vom , 2012/15/0121). Demnach sollten Feststellungsbescheide, solange sie “vorläufig“ seien, eine “Ungewissheit“ im Sinne von § 208 Abs. 1 lit. d BAO darstellen. Dogmatisch unterstelle der VwGH hier eine untrennbare Verknüpfung von Feststellungs- und Einkommensbesteuerungsverfahren [“Durch die Regelung des § 188 BAO wird somit ein Ausschnitt der Einkommensteuerverfahren der Beteiligten, der im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer für die Beteiligten durchzuführen wäre, in ein einheitliches Sonderverfahren zusammengefasst“ , VwGH a.a.O.].

Diese Rechtsprechung sei überholt. Der Gerichtshof habe im Ergebnis bereits selbst der Verknüpfung von Feststellungs- und Festsetzungsverfahren eine Absage erteilt, indem er Rechtsbehelfen gegen Feststellungsbescheide keine verjährungshemmende Wirkung im Festsetzungsverfahren zuerkannt habe (vgl. ).

Ungeachtet dessen sei diese Rechtsprechung im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung der Verjährungsnormen nicht mehr haltbar. Der VfGH habe in seinem Erkenntnis vom (G 131/2017) gerügt, dass die Anknüpfung der Verjährung nicht ausreichend sachlich begründet sei. Anlass sei die Prüfung von § 304 BAO gewesen, der mit Ablauf des als verfassungswidrig aufgehoben worden sei. Der VfGH habe insbesondere gerügt, dass die Verjährungsfrist zwar durch Amtshandlungen der Abgabenbehörde verlängert werden könnte, nicht jedoch durch Maßnahmen des Abgabepflichtigen. Genau hierauf berufe sich das Finanzamt aber.

Die vorstehenden Fragen könnten jedoch dahingestellt bleiben. Selbst das Finanzamt erkenne den Eintritt der Verjährung spätestens zum an. Der angefochtene Steuerbescheid sei jedoch erst am erlassen worden. Verjährungshemmende Maßnahmen im Besteuerungsverfahren habe es 2017 ausweislich des Steueraktes nicht gegeben. Der Feststellungbescheid vom zu St.Nr. (X-KG) sei weder vorläufig ergangen, noch habe er eine “Ungewissheit“ beseitigt. Hier vermische das Finanzamt in unzulässiger Weise die Ebenen des Feststellungsverfahrens mit dem Festsetzungs-/Bemessungsverfahren auf abgeleiteter Ebene. Dieses Handeln finde weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung eine Grundlage.

Selbst wenn man dem Finanzamt folgen würde, dass auf Ebene des abgeleiteten Bescheides für 2009 Verjährung erst zum eingetreten sei, könne ein Feststellungsbescheid auf Ebene der “abgeleiteten" Einkommensteuerbescheide keine Hemmung bewirken.

Das Finanzamt verkenne auch, dass die Vorläufigkeit eines Feststellungsbescheides denklogisch nur eine Ungewissheit des dort betroffenen Lebenssachverhaltes und der daraus abzuleitenden Steuer darstelle. Würde es zu einer Hemmung der Verjährung kommen, beträfe diese Hemmung nur den Teil des Abgabenanspruches, dessen Feststellung “vorläufig“ erfolgt sei.

2) XYuStill, St.Nr.

Mit diesen Feststellungen habe sich das Finanzamt bislang noch nicht befasst. Diese Feststellungsbescheide seien allesamt nicht “vorläufig“ ergangen. Diese Tatsache habe zur Folge, dass der Abgabenanspruch jedenfalls soweit er aus dieser Beteiligung resultiere, verjährt sei. Ungeachtet der Problematik, dass zwischenzeitlich abgeleitete Bescheide auf Grundlage eines Nichtbescheides ergangen seien, sei die Verjährung des darauf gründenden Steueranspruches bereits – wie in der Beschwerdeschrift ausgeführt - mit Ablauf des eingetreten.

Selbst wenn hinsichtlich des Steueranspruches aus dem Sachverhalt “X-KG“ eine Hemmung der Verjährung erfolgt sein sollte, handle es sich um eine isolierte, betragsmäßig auf den entsprechenden Sachverhalt beschränkte Hemmung. Auf die übrigen Sachverhalte könne ein Feststellungsbescheid, der mit diesen nichts zu tun habe, nicht durchschlagen.

Zudem sei in dem Feststellungsverfahren zu St.Nr. ein Beschwerdeverfahren anhängig.

Mit Bericht vom legte die Abgabenbehörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Am richtete das Bundesfinanzgericht ein Schreiben an das FA Klagenfurt, in dem es auf die vorläufige Erlassung des Feststellungsbescheides 2009 vom betr. die X-KG hinwies und unter Bezugnahme auf die Begründung des Bescheides (vgl. “Da der Umfang der Abgabepflicht von den Ergebnissen eines noch nicht beendeten Rechtsmittelverfahrens abhängig ist, erfolgte die Veranlagung gem. § 200 BAO vorläufig“) um Mitteilung ersuchte, welches Rechtsmittelverfahren das Finanzamt damit konkret gemeint habe.

In Beantwortung dieses Schreibens teilte das FA Klagenfurt am mit, die Ausführungen in der Bescheidbegründung hätten sich auf die Rechtsmittelvorlage betreffend das Feststellungsverfahren für die Jahre 2000 bis 2005 bezogen.

Am fand eine mündliche Verhandlung vor dem Senat statt.

In dieser Verhandlung beantragte der steuerliche Vertreter für den Fall, dass der Beschwerde nicht Folge gegeben werden sollte, die Entscheidung gemäß § 271 BAO auszusetzen bis über die Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid 2009 vom  der XYuStill und allfällig weitere Beschwerden gegen Feststellungsbescheide 2009 betreffend Gesellschaften, an denen der Beschwerdeführer beteiligt sei, entschieden sei.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung.

Die Verjährungsfrist beträgt bei den Verbrauchsteuern, bei den festen Stempelgebühren nach dem II. Abschnitt des Gebührengesetzes 1957, weiters bei den Gebühren gemäß § 17a des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 und § 24a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 drei Jahre, bei allen übrigen Abgaben fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Das Recht, einen Verspätungszuschlag, Anspruchszinsen, Säumniszuschläge oder Abgabenerhöhungen festzusetzen, verjährt gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgabe (§ 207 Abs. 2 BAO).

Zufolge des § 208 Abs. 1 lit. d BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 200 mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde.

Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist (§ 209 Abs. 1 BAO).

§ 200 BAO lautet (Wiedergabe erfolgt auszugsweise):

(1) Die Abgabenbehörde kann die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist […]

(2) Wenn die Ungewissheit (Abs. 1) beseitigt ist, ist die vorläufige Abgabenfestsetzung durch eine endgültige Festsetzung zu ersetzen. Gibt die Beseitigung der Ungewissheit zu einer Berichtigung der vorläufigen Festsetzung keinen Anlass so ist ein Bescheid zu erlassen, der den vorläufigen zum endgültigen Abgabenbescheid erklärt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung dargetan hat, liegt ein Anwendungsfall des § 208 Abs. 1 lit. d BAO auch dann vor, wenn ein Feststellungsbescheid gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig ergangen ist und der davon abgeleitete Bescheid - im Hinblick auf § 295 BAO - endgültig erlassen wurde (vgl. ).

Im vorliegenden Fall herrscht Streit darüber, ob das Recht zur Festsetzung der Einkommensteuer 2009 und Festsetzung von Anspruchszinsen 2009 verjährt ist.

Laut den im Abgabeninformationssystem enthaltenen Daten sind für das Jahr 2009 folgende Einkommensteuerbescheide ergangen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bescheid
Datum
Anmerkung
1) Erstbescheid
 
2) Änderung gem. § 295 Abs. 1 BAO
aufgrund bescheidmäßiger Feststellungen des FA Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg zu St.Nr. vom XYuStill
3) § 299 BAO
Aufhebung Bescheid vom
 
4) Änderung gem. § 295 Abs. 1 BAO
aufgrund bescheidmäßiger Feststellungen des FA Klagenfurt zu St.Nr. vom X-KG
 
aufgrund bescheidmäßiger Feststellungen des FA Deutschlandsberg Leibnitz Voitsberg zu St.Nr. vom XYuStill
 
aufgrund bescheidmäßiger Feststellungen des FA Neunkirchen Wr Neustadt zu St.Nr. vom XZuStill

Mit dem Einkommensteuerbescheid 2009 vom erließ die Abgabenbehörde gleichzeitig auch einen Bescheid betr. Festsetzung von Anspruchszinsen 2009.

Der Beschwerdeführer bekämpft den Einkommensteuerbescheid 2009 vom mit dem Hinweis auf die bereits verstrichene Verjährungsfrist, die gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO zu laufen begonnen habe.

Die Abgabenbehörde hält dieser Ansicht in der Beschwerdevorentscheidung entgegen, für den Beginn der Verjährungsfrist sei gegenständlich nicht die lit. a, sondern die lit. d des § 208 Abs. 1 BAO maßgebend. Sie nimmt in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des , Bezug (siehe oben). Die Abgabenbehörde weist in ihren Ausführungen darauf hin, der Feststellungsbescheid 2009 betr. die X-KG vom sei gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig ergangen, weil der Umfang der Abgabepflicht von den Ergebnissen eines noch nicht beendeten Rechtsmittelverfahrens abhängig gewesen sei. Dieses Rechtsmittelverfahren sei mit Entscheidung des (gemeint RV/0204-K/07) beendet worden, wodurch die Ungewissheit, die für die vorläufige Bescheiderlassung maßgebend gewesen sei, beseitigt worden sei.

Wie das FA Klagenfurt über Anfrage des Bundesfinanzgerichtes mitteilte, stützte dieses Finanzamt die Erlassung des vorläufigen Feststellungsbescheides 2009 vom auf das anhängige Rechtsmittelverfahren betr. Feststellung der Einkünfte für die Jahre 2000 bis 2005.

Gegenstand dieses Rechtsmittelverfahrens war neben der bekämpften Wiederaufnahme des Verfahrens (das Vorliegen neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel wurde bestritten) die Frage, ob die an der X-KG als Kommanditisten beteiligten Personen als Mitunternehmer anzusehen sind (siehe dazu die Berufung vom gegen die Bescheide des FA Gänserndorf Mistelbach vom , die später vom UFS als Nichtbescheide qualifiziert wurden).

Die Erlassung vorläufiger Bescheide setzt voraus, dass es sich um Ungewissheiten im Tatsachenbereich handelt. Die Ungewissheit wie eine Rechtsfrage von der Rechtsmittelbehörde oder den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts gelöst wird, rechtfertigt keine vorläufige Bescheiderlassung (vgl. Ritz BAO6 § 200 Tz 1 und die dort angeführte Judikatur des VwGH).

Der Feststellungsbescheid vom wurde demnach zu Unrecht vorläufig erlassen. Dieser Umstand verhilft der Beschwerde jedoch zu keinem Erfolg.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein endgültiger Bescheid nach § 200 Abs. 2 BAO auch dann ergehen, wenn die Erlassung des vorläufigen Bescheides zu Unrecht erfolgt sein sollte (vgl. z.B. , u.a.). In diesem Zusammenhang gilt es darauf hinzuweisen, dass es dem Beschwerdeführer offen gestanden wäre, den seinerzeitigen vorläufigen Bescheid mit Berufung zu bekämpfen und auf diesem Weg sein Recht auf Ergehen eines endgültigen Bescheides geltend zu machen (siehe dazu die Ausführungen des VwGH im Erkenntnis vom , 2008/15/0328).

Wird eine Abgabe gem. § 200 Abs. 1 BAO vorläufig festgesetzt und erwächst ein derartiger Bescheid in Rechtskraft, so ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Frage, wann die Verjährung nach § 208 Abs. 1 lit. d BAO beginnt, von der Ungewissheit im Sinne des § 200 Abs. 1 leg. cit zur Zeit der Bescheiderlassung auszugehen. Das hat zur Folge, dass die Verjährung nach § 208 Abs. 1 lit. d BAO keinesfalls vor der Erlassung des vorläufigen Abgabenbescheides beginnen kann (vgl. z.B. , u.a). Im Falle eines zu Unrecht erlassenen vorläufigen Abgabenbescheides, der keine tatsächliche Ungewissheit im Sinne des § 200 BAO benennt und dennoch unbekämpft geblieben und in Rechtskraft erwachsen ist, beginnt die Verjährungsfrist gemäß § 208 Abs. 1 lit. d BAO demnach mit dem Ablauf des Jahres, in dem der vorläufige Bescheid trotz fehlender Ungewissheit erlassen worden ist (vgl. ).

Nichts anderes gilt aber im Falle der Erlassung eines vorläufigen Feststellungsbescheides.

Wird zu Unrecht ein vorläufiger Feststellungsbescheid erlassen, der keine tatsächliche Ungewissheit im Sinne des § 200 BAO benennt und dennoch unbekämpft geblieben ist und in Rechtskraft erwachsen ist, so beginnt die Verjährungsfrist gemäß § 208 Abs. 1 lit. d BAO für die vom Feststellungsbescheid abgeleitete Abgabe mit dem Ablauf des Jahres, in dem der vorläufige Feststellungsbescheid trotz fehlender Ungewissheit erlassen worden ist.

Im vorliegenden Fall ist der vorläufig erlassene Feststellungsbescheid 2009 betr. die X-KG vom unbekämpft geblieben und in Rechtskraft erwachsen. Die Verjährungsfrist für die Festsetzung der Einkommensteuer 2009 begann daher gem. § 208 Abs. 1 lit. d BAO mit Ablauf des Jahres 2011 zu laufen. Unter Bedachtnahme auf die 5-jährige Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO endete die Verjährungsfrist grundsätzlich mit . Durch die innerhalb der Verjährungsfrist gesetzten Amtshandlungen (Feststellungsbescheid XYuStill vom , gem. § 295 Abs. 1 BAO geänderter Einkommensteuerbescheid vom und allfällig weitere gesetzte Amtshandlungen) verlängerte sich die Verjährungsfrist um ein Jahr (Ablauf der Verjährungsfrist ). Die innerhalb der verlängerten Verjährungsfrist erfolgten Amtshandlungen (Feststellungsbescheid X-KG vom , Feststellungsbescheid XYuStill vom ) bewirkten eine Verlängerung der Verjährungsfrist um ein weiteres Jahr (Ablauf der Verjährungsfrist ). Der angefochtene Einkommensteuerbescheid vom wurde noch innerhalb der Verjährungsfrist erlassen, sodass der erfolgten Steuerfestsetzung die Verjährung nicht entgegensteht.

Soweit der Beschwerdeführer im Vorlageantrag einwendet, die von der Abgabenbehörde zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 2012/15/0121) sei überholt, da der Gerichtshof im Ergebnis bereits selbst der Verknüpfung von Feststellungs- und Festsetzungsverfahren eine Absage erteilt habe, indem er Rechtsbehelfen gegen Feststellungsbescheide keine verjährungshemmende Wirkung im Festsetzungsverfahren zuerkannt habe (), ist Folgendes festzuhalten:

Gegenstand des Erkenntnisses vom , Ro 2015/13/0005, war die Frage der Rechtzeitigkeit von Anträgen gemäß § 295 Abs. 4 BAO. Das Höchstgericht hat sich in diesem Erkenntnis u.a. mit der eingewendeten “Verjährungssperre nach § 209a Abs. 2 und 4 BAO“ befasst und dargetan, dass diesem Einwand keine Berechtigung zu kommt. Dass das Höchstgericht mit diesem Erkenntnis – wie vom Beschwerdeführer vorgebracht – einer Verknüpfung von Feststellungs- und Festsetzungsverfahren generell eine Absage erteilt hätte, lässt sich den Ausführungen in diesem Erkenntnis nicht entnehmen.

Auch mit dem Hinweis des Beschwerdeführers auf das Erkenntnis des , mit dem der § 304 BAO idF BGBl I 14/2013 als verfassungswidrig aufgehoben wurde, lässt sich für seinen Standpunkt nichts gewinnen. Zum einen ist § 304 BAO nicht Thema des vorliegenden Verfahrens, zum anderen tritt die Aufhebung erst mit Ablauf des in Kraft.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, selbst wenn man den Eintritt der Verjährung mit annehmen würde, stehe der Festsetzung der Einkommensteuer die Verjährung entgegen. Der angefochtene Bescheid sei erst am erlassen worden. Verjährungsverlängernde Maßnahmen habe es im Jahr 2017 nicht gegeben. Der Feststellungsbescheid vom 23.06.20017 betreffend die X-KG sei weder vorläufig ergangen, noch beseitige er eine Ungewissheit.

Auch dieses Vorbringen ist nicht stichhältig. Faktum ist, dass mit Ausfertigungsdatum ein Feststellungsbescheid betreffend die X-KG erlassen wurde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterbricht die Erlassung von Feststellungsbescheiden, die die Grundlage für eine Abgabenfestsetzung bilden, die Verjährung (vgl. , siehe dazu auch die Ausführungen in Ritz BAO6 § 209 Tz 9). Dass die Feststellungsbescheide vorläufig ergehen oder eine Ungewissheit beseitigen müssten, ist nicht erforderlich.

Der Beschwerdeführer wendet weiters ein, die Vorläufigkeit eines Feststellungsbescheides stelle denklogisch nur eine Ungewissheit des dort betroffenen Lebenssachverhaltes und der daraus resultierenden Steuer dar. Er leitet in weiterer Folge davon ab, würde es zu einer Hemmung der Verjährung kommen, beträfe diese Hemmung nur den Teil des Abgabenanspruches, dessen Feststellung “vorläufig“ erfolgt sei (gemeint hier offenbar Abgabenanspruch basierend auf der Beteiligung an der X-KG). Diese Auffassung bringt der Beschwerdeführer in seinen nachfolgenden Ausführungen noch einmal dadurch zum Ausdruck, dass er auf die Feststellungsbescheide der XYuStill Bezug nimmt und darauf hinweist, diese Feststellungsbescheide seien allesamt nicht vorläufig ergangen. Diese Tatsache – so der Beschwerdeführer - habe zur Folge, dass der Abgabenanspruch jedenfalls soweit er aus dieser Beteiligung resultiere, verjährt sei. Selbst wenn hinsichtlich des Steueranspruches aus dem Sachverhalt X-KG eine Hemmung der Verjährung erfolgt sei, handelte es um eine isolierte, betragsmäßig auf den entsprechenden Sachverhalt beschränkte Hemmung. Auf die übrigen Sachverhalte könne ein Feststellungsbescheid, der mit diesen nichts zu tun habe, nicht durchschlagen.

Auch diese Auffassung vermag das Gericht nicht zu teilen.

Ist eine natürliche Person an mehreren Personengesellschaften beteiligt und werden mehrere Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO erlassen, wobei die einen vorläufig, die anderen endgültig ergehen, so bewirkt bereits die vorläufige Erlassung eines einzigen Feststellungsbescheides, dass inbezug auf die von den Feststellungbescheiden abgeleitete Einkommensteuerfestsetzung die Verjährungsregelung des § 208 Abs. 1 lit. d BAO zum Tragen kommt. Eine Aufsplittung der Abgabe auf die einzelnen Abgabenansprüche, resultierend aus den Beteiligungen, und die gesonderte Anwendung von Verjährungsvorschriften - wie sie dem Beschwerdeführer offenkundig vorschwebt - findet nicht statt.

Soweit der Beschwerdeführer in seinen Ausführungen im Besonderen die Feststellungsbescheide betr. die XYuStill anspricht, ist festzuhalten, dass mit Ausfertigungsdatum eine als Bescheid intendierte Erledigung betr. Feststellung der Einkünfte für das Jahr 2009 ergangen ist. Gegen diesen vermeintlichen Feststellungsbescheid wurde Berufung erhoben, die das Bundesfinanzgericht mit Beschluss vom , RV/2100002/2014, mit der Begründung als unzulässig zurückgewiesen hat, es handle sich um einen Nichtbescheid. In der Folge fertigte die Abgabenbehörde am einen neuerlichen Feststellungsbescheid für das Jahr 2009 aus. Gegen diesen Bescheid wurde wiederum Beschwerde erhoben, die derzeit noch offen ist.

Wenn der Beschwerdeführer vermeint, der gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Einkommensteuerbescheid vom , der sich auf den nichtigen Feststellungsbescheid vom betr. die XYuStill stützt, sei nicht geeignet, die Verjährungsfrist zu verlängern (siehe dazu die Ausführungen in der Beschwerde), so geht er auch mit dieser Auffassung fehl. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nicht erforderlich, dass der nach außen erkennbaren Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruches eine zutreffende Rechtsansicht zugrunde liegt, ja bewirken vielmehr sogar gesetzwidrige Verwaltungsakte eine Verlängerung der Verjährungsfrist (vgl. Ritz BAO6 § 209 Tz 7). Dass gegen den Feststellungsbescheid 2009 vom betr. die XYuStill eine Beschwerde offen ist, steht der Erlassung eines gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheides nicht im Wege (siehe dazu die gesetzliche Regelung des § 295 BAO).

Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 ist daher als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaft-steuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für im Gesetz bestimmt umschriebene Zeiträume zu verzinsen (Anspruchszinsen).

Hinsichtlich der Verjährung des Rechtes auf Festsetzung von Anspruchszinsen sieht der Gesetzgeber in § 207 Abs. 2 Satz 3 BAO vor, dass das Recht, Anspruchszinsen festzusetzen gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der (für die Erhebung von Anspruchszinsen maßgeblichen) Abgabe (Stammabgabe) verjährt.

Da im vorliegenden Fall das Recht zur Festsetzung der Einkommensteuer 2009 noch nicht verjährt ist (diesbezüglich wird auf die voranstehenden Ausführungen verwiesen) ist auch das Recht zur Festsetzung von Anspruchszinsen 2009 noch nicht verjährt.

Die Beschwerde gegen den Bescheid betr. Festsetzung von Anspruchszinsen 2009 erweist sich daher gleichfalls als nicht zielführend.

Dem vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung am gestellten Antrag die Entscheidung gemäß § 271 BAO auszusetzen, folgt das Gericht nicht. Abgesehen davon, dass die Partei keinen Rechtsanspruch auf Aussetzung hat (vgl. Ritz6 § 271 Tz 17 und die dort angeführte Judikatur des VwGH), kommt eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich Einkommensteuer nicht in Frage, um eine Entscheidung im vorgelagerten Feststellungsverfahren gemäß § 188 BAO abzuwarten, weil diesfalls eine doppelte Erörertung derselben Sach- und Rechtslage wegen § 252 BAO ausgeschlossen ist (vgl. Ritz6 § 271 Tz 7 und die dort angeführte Rechtsprechung des VwGH).

Zulässigkeit einer Revision:

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall ist die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängig, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 207 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 lit. d BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.6100192.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at