Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.09.2018, RV/7103106/2017

DBA Russland - Geschäftsführerbezüge

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde der Bf. vertreten durch Glatzhofer & Matschek Stb GmbH, 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 45, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom ,  betreffend Einkommensteuer 2002, zu Recht erkannt: 

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundesverfassungs-Gesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Nach der Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung erließ das Finanzamt (FA) am einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2002 und einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 mit der Begründung, die Beschwerdeführerin (Bf), die russische Staatsbürgerin ist, sei in Österreich gemäß Art 1 Abs 3 lit a DBA Russland (alt) bzw. gemäß Art 4 Abs 1 lit a DBA Russland (neu) in Österreich ansässig und damit in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig.

Mit wurde Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 eingebracht. In dieser wurde vorgebracht, die Bf habe ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht in Österreich. Für das Jahr 2002 gelte das DBA „alt“. Dies ergebe eine Besteuerungshoheit für Russland, sofern die Person sich dort länger als insgesamt 183 Tage aufhalte. Für das Jahr 2003 gelte das DBA „neu“. Dies ergebe eine Besteuerungshoheit im Ansässigkeitsstaat, es sein denn, es stehe eine feste Einrichtung zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit im anderen Staat zur Verfügung. Die Bf habe ihre Tätigkeit überwiegend von Russland aus durchgeführt.

Das Bundesfinanzgericht wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom (RV/7100491/2011) als unbegründet ab.

Die Bf erhob dagegen gemäß Art 133 Abs 1 Z 1 iVm Abs 6 Z 1 B-VG außerordentliche Revision an den VwGH und führte betreffend dem Streitjahr 2002 aus, dass sich das BFG bei der Beurteilung der ausübenden Tätigkeit auf das Erkenntnis gestützt habe, obwohl dieses durch das Erkenntnis überholt sei. Dieser neuen Judikatur folgend, sei die Geschäftstätigkeit insoweit in Russland ausgeübt, als die Revisionswerberin bei Ausübung dieser Geschäftsführertätigkeit physisch in Russland anwesend sei. Das Besteuerungsrecht für den auf diesen Teil der Tätigkeit entfallenden Teil der Geschäftsführerbezüge des Jahres 2002 stehe Russland zu, sofern sich die Revisionswerberin länger als 183 Tage in Russland (damit sei nicht das Kalenderjahr gemeint) aufgehalten habe. Dies treffe auf die Revisionswerberin zu, denn sie habe sich mehr als 183 Tage in Russland aufgehalten. Die Geschäftsführerbezüge seien daher in solche aufzuteilen, die die Zeiträume der physischen Anwesenheit zur Ausübung der Geschäftsführertätigkeit in Österreich und in solche, die die Zeiträume der physischen Anwesenheit in Russland umfassen. Nur der erstgenannte Teil der Geschäftsführerbezüge sei in Österreich steuerpflichtig, wobei zur Ermittlung des Steuersatzes der zweitgenannte Teil der Geschäftsführerbezüge im Wege eines Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigen sei.

Mit Beschluss vom , Ra 2016/13/0008 wies der VwGH die Revision über die  Einkommensteuer für das Jahr 2003 zurück. Mit Erkenntnis vom , Ra 2016/13/0008, hob der VwGH das angefochtene Erkenntnis insoweit, als es die Einkommensteuer für das Jahr 2002 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf und begründete wie folgt:

Für die Einkünfte der Revisionswerberin im Jahr 2002 ist Art 11 DBA-UdSSR unstrittig maßgeblich. Besonderheit dieser Bestimmung ist, dass sich die 183-Tage-Frist nicht auf das Kalenderjahr oder einen anderen bestimmten Zeitrahmen, sondern auf die Zeitperiode einer „(einheitlichen) Entsendung“ bezogen ist. Das BFG ist nicht davon ausgegangen, dass sich die Revisionswerberin nicht lang genug in Russland aufgehalten hat, sondern hat ein Besteuerungsrecht Russlands mit der Begründung verneint, dass die Revisionswerberin ihre Einkünfte nicht für eine dort „ausgeübte Tätigkeit“ bezogen hat und sich dabei auf das Erkenntnis des , gestützt. Dieses ist aber durch das Erkenntnis , überholt. Auf diese Entscheidung, der insoweit auch für den hier zu beurteilenden Fall der Geschäftsführerin einer GmbH zu folgen ist, hat das BFG nicht Bedacht genommen. Es hat daher bei der Beurteilung, ob die Revisionswerberin Einkünfte für eine in Russland „ausgeübte Tätigkeit“ bezog, einen falschen Maßstab angelegt.

Mit Vorhalt vom forderte das BFG die Bf auf, durch geeignete Unterlagen nachzuweisen, dass sich die Bf insgesamt länger als 183 Tage in der Russischen Föderation aufgehalten hat. Zudem wurde die Bf aufgefordert, die Geschäftsführerbezüge in Zeiträume, die ihre physischen Anwesenheit zur Ausübung der Geschäftsführertätigkeit in Österreich betreffen und in solche, die die Zeiträume der physischen Anwesenheit in Russland umfassen, aufzuteilen bzw geeignete Unterlagen vorzulegen, aus denen die Aufenthaltsdauer in den jeweiligen Staaten im Jahr 2002 hervorgeht oder zumindest glaubhaft macht.

Mit wurde darauf geantwortet, die Bf habe sich im Jahr 2002 258 Tage in der Russischen Föderation aufgehalten. Es wurde nachfolgende Tabelle – welche auch dem Finanzministerium Russlands zur Bestätigung der steuerlichen Ansässigkeit der Bf vorgelegt worden wäre – vorgelegt:

Aufenthalt in der Russischen Föderation


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Einreise in die Russische Föderation
Ausreise aus der Russischen Föderation
Anzahl den Aufenthaltstagen in Russland
177
26
8
14
6
11
16
 
 
Summe: 258

Die Daten der Ein- und Ausreise seien den Grenzübergangsvermerken des Reisepasses entnommen. Eine Kopie des Reisepasses (ausgestellt am ) samt Grenzübergangsvermerken wurde mitgeschickt. Für den Zeitraum bis Mai 2002 habe die Bf keinen Reisepass und damit keine Daten der Grenzübergangsvermerke, weil die alten Reisepässe beim Reisepasstausch eingezogen werden würden. Als Zielland ihrer Auslandsreisen nannte die Bf die Staaten Ukraine, Österreich, Italien, Frankreich und Deutschland. Zudem übermittelte die Bf ein Zertifikat des Finanzministerium Russlands über die steuerliche Ansässigkeit in Russland. Dieses könne nur mit entsprechender Prüfung sowie mit Vorlage des Reisepasses samt Grenzübergangsvermerken ausgestellt werden. Eine Aufteilung der Geschäftsführerbezüge in Zeiträume, die die physische Anwesenheit zur Ausübung der Geschäftsführertätigkeit in Österreich betreffen und in solche, die die Zeiträume der physischen Anwesenheit in Russland betreffen, wurde nicht vorgenommen. Ebenso wurden keine weiteren Unterlagen, aus denen die Aufenthaltsdauer im Jahr 2002 in den Staaten außerhalb Russlands hervorgeht oder zumindest glaubhaft macht, vorgelegt.

Über die Beschwerde wurde erwogen

Sachverhalt:

Die Bf ist Staatsbürgerin der Russischen Föderation und hat eine Aufenthaltsgenehmigung für Österreich.

Die Bf erzielt im Streitjahr Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Tätigkeit als wesentlich beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführerin an der österreichischen X. GmbH, an welcher die Bf im Streitjahr 26 % der Anteile hält. Der Sitz und Ort der Geschäftsleitung in Form eines Büros mit entsprechender Ausstattung und Infrastruktur befindet sich im Streitjahr im Inland, und zwar in einem Einfamilienhaus des Ehegatten der Bf, A. B., in 0000 Stadt, Y-Gasse. Dieser Firmensitz besteht seit 1996. Die Firma hat seit der Gründung 1993 ihren Sitz im Inland.

Die Höhe der Einkünfte im Jahr 2002 beträgt EUR 28.200,00. Die Bf hat im Streitjahr keine weiteren Einkünfte in Österreich und ist hier sozialversichert.

Die Bf hat vom bis einen inländischen Hauptwohnsitz im Eigenheim am Firmensitz der X. GmbH. Die Bf hat auch einen Wohnsitz in Moskau, Russische Föderation. Sie besitzt einen Führerschein der Russischen Föderation und ist in der Russischen Föderation ebenfalls sozialversichert.

Der Sohn der Bf, C., ist im August 2003 in Wien geboren und wächst in Österreich auf. In den Jahren 2003 und 2004 wird von der Bf Karenzgeld in Österreich beantragt und ausbezahlt. Der Sohn verbringt seine Kindergartenzeit und die erste Klasse der Volksschule in Österreich. Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld werden bis Oktober 2010 an die Bf ausbezahlt.

Der Ehegatte der Bf führt seine berufliche Tätigkeit (Handelsgeschäfte der X. Gruppe) seit Ende der 1990er Jahre von Österreich aus bzw leitet er seine Geschäfte überwiegend von Österreich aus. Auch die weiteren Familienmitglieder (zwei ältere Söhne) haben ihren Aufenthalt über weite Zeiträume nach Österreich verlegt, hier seit 1999 die Schule besucht, gearbeitet und/oder studiert.

Im Jahr 2002 wurde vom Ehegatten der Bf Familienbeihilfe für die Söhne D. und E. beantragt. Im Jahr 2003 beantragt die Bf Familienhilfe für den Sohn D..

Die Bf hat den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich.

Die Bf übt bei physischer Anwesenheit  im Inland die Tätigkeit als Geschäftsführerin im Inland aus. Im Jahr 2002 befand sich die Bf 161 Tage in Russland und 204 Tage im Ausland. Von den 204 Tagen der Auslandsaufenthalte entfallen 164 auf Österreich. Die Bf hat sich 2002 demnach 161 Tage in Russland und 164 Tage in Österreich physisch aufgehalten.

Die Bf war von bis Gesellschafter-Geschäftsführerin der X. GmbH. Danach war sie bei genannter GmbH auf Grund einer Beteiligungsänderung als Teilzeitbeschäftigte im Angestelltenverhältnis tätig. Die Zeitperiode der einheitlichen Entsendung der Bf als Gesellschafter-Geschäftsführerin der X. GmbH dauerte vom bis . In diesem Zeitraum hat sich die Bf mehr als 183 Tage in Russland aufgehalten.

Beweiswürdigung:

Die Staatsbürgerschaft der Bf ist erwiesen, ebenso unbestritten ist das Vorliegen einer Aufenthaltsgenehmigung für Österreich.

Die Art der Einkünfte, die Beteiligungsverhältnisse an der X. GmbH, deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung sind dem Steuerakt und Abfragen aus dem Firmenbuch entnommen. Die Höhe der Einkünfte ist unbestritten. Dass die Bf in den Streitjahren keine weiteren Einkünfte hat, ergibt sich aus den Feststellungen der Bp des FA. Die Tatsache, dass die Bf in Österreich sozialversichert ist, ist unbestritten.

Die Feststellungen über den Ehegatten der Bf und die weiteren Familienmitglieder (Söhne), ebenso die Feststellungen betreffend Familienbeihilfe beruhen auf Erhebungen des FA und auf Abfragen im AIS des Bundes.

Dass die Bf den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Streitjahr im Inland hat, beruht auf folgenden Erwägungen:

Der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet sich an dem Ort, zu dem eine Person die engsten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen aufweist. Als „persönliche und wirtschaftliche Beziehung“ einer Person sind nach herrschender Ansicht (Marschner, Jakom, EStG 2011, § 1 Tz 20 mit Verweis auf Beiser, ÖStZ 1989, 243) und Rsp () die familiären und gesellschaftlichen Beziehungen, die berufliche, politische, kulturelle und sonstige Tätigkeit, der Ort ihrer Geschäftstätigkeit und ähnliches zu berücksichtigen, wobei das Gesamtbild der Lebensverhältnisse und letztlich das Überwiegen der einzelnen Umstände ausschlaggebend ist. Von Bedeutung sind die Ausübung des Berufes, die Gestaltung des Familienlebens sowie Betätigungen religiöser und kultureller Art sowie andere Tätigkeiten zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen (). Den wirtschaftlichen Beziehungen kommt in der Regel eine geringere Bedeutung als den persönlichen Beziehungen zu ().

Unter persönlichen Beziehungen werden solche verstanden, die einem Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz innehat (-F/08). Von den aufgezählten, eine persönliche Beziehung prägenden Merkmalen kommt nach der Judikatur den familiären Beziehungen die größte Bedeutung zu. So hält der VwGH in seinem Erkenntnis vom , 90/13/0073, fest, dass „die stärkste persönliche Beziehung im Regelfall zu dem Ort besteht, an dem jemand mit seiner Familie lebt“.

Die Bf lebt mit ihrer Familie in Österreich und hat hier einen Hauptwohnsitz. Der Ehegatte der Bf beantragt im Jahr 2002 Familienbeihilfe für zwei Söhne. Gemäß § 2 Abs 8 FLAG 1967 hat eine Person nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Inland hat und gemäß § 5 Abs 3 FLAG 1967 nur für Kinder, die sich ständig im Inland aufhalten. Der Ehegatte der Bf geht bei der Beantragung im Jahr 2002 offenbar von diesem Sachverhalt aus. Die Bf, die mit ihrem Ehemann und den Kindern im Inland ihren Hauptwohnsitz hat und hier lebt, hat daher im Jahr 2002 zu Österreich die stärkste persönliche Bindung.

Dazu kommt, dass die Bf auch die stärkste wirtschaftliche Beziehung zu Österreich hat, da sie Geschäftsführerin einer inländischen GmbH, deren geschäftliche Leitung samt Büro sich an ihrem Hauptwohnsitz befindet, ist.

Auch das Schreiben des RA Mag. S. vom steht zu diesen Feststellungen nicht im Widerspruch, wenn anfangs ausgeführt wird, dass „Herr B. seine berufliche Tätigkeit seit Ende der 90er Jahre von Österreich aus führt, bzw seine Geschäfte überwiegend von Österreich aus leitet. Daraus ergibt sich notgedrungen die Notwendigkeit eines regelmäßigen Aufenthalts, … dass … die Familienmitglieder … über weite Zeiträume ihren Aufenthalt nach Österreich verlegt haben.“ Die weiteren Ausführungen, in denen versucht wird, einen Mittelpunkt der Lebensinteressen in Russland zu begründen, sind wenig überzeugend. Nach Überzeugung des BFG befindet sich am inländischen Hauptwohnsitz der Familie, an dem sich auch der Firmensitz mehrerer Firmen, an denen Mitglieder der Familie B. beteiligt und in leitendenden Funktionen tätig sind und von wo aus der Ehegatte der Bf die Geschäfte überwiegend leitet, der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Bf und ihres Ehegatten, zumal im Jahr 2002 der Sohn D. im Inland studiert und im Jahr 2003 der Sohn C. geboren wird. Es mag sein, dass verschiedene private Aktivitäten auch in Russland stattfinden, grs lebt die Familie aber in Österreich und sind der Ehegatte der Bf und die Bf überwiegend im Inland erwerbstätig. Ein weiteres Indiz ist, dass die Bf seit , somit vor dem Streitzeitraum, einen inländischen Hauptwohnsitz  begründete.

Das von der Bf vorgelegte undatierte und nicht unterfertigte Schreiben „Bericht über den Aufenthalt der Frau Bf. in Österreich von 2001 bis 2006 Jahre“, wonach mehrere Personen den in dem Schreiben dargestellten Sachverhalt bestätigen können, steht mit den getroffenen Feststellungen nicht im Widerspruch.

Laut der von der Bf übermittelten Aufstellung „Aufenthalt in der Russischen Föderation“  soll sich die Bf 2002 258 Tage in Russland und somit 107 Tage in Österreich bzw in Drittstaaten aufgehalten haben.
In der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2002 ( bis ) hält sich die Bf – von angegebenen 258 Tagen – nur 81 Tage in Russland auf. Die Tagesanzahl dieser Aufenthalte der zweiten Jahreshälfte in Russland ist mittels der Daten der Grenzübertrittsvermerke im vorgelegten Reisepass glaubwürdig und nachvollziehbar. Da mit dem Reisepasstausch im Mai 2002 der alte Reisepass eingezogen wurde, kann die Bf Ein- und Ausreisen nach und aus Russland für den davorliegenden Zeitraum nicht mehr nachvollziehen. Zu behaupten, man hätte sich von bis in Russland aufgehalten, ist unglaubwürdig. In diesem Zeitraum soll sich die Bf 177 Tage in Russland aufgehalten haben. In der zweiten Jahreshälfte – in welcher die Grenzübertritte nachvollziehbar sind – hat sie sich nur 81 Tage in Russland aufgehalten. Die Bf hätte sich damit in der ersten Jahreshälfte doppelt so lang in Russland aufgehalten, wie in der zweiten Jahreshälfte. Es ist unglaubwürdig, dass die Bf in der gesamten ersten Jahreshälfte nicht einmal aus Russland ausgereist ist, und in der zweiten Jahreshälfte nur 44 % der Tage in Russland verbracht hat. Dass es in der ersten Jahreshälfte des Jahres 2002 keine einzige Ausreise gegeben haben soll, steht auch im Widerspruch zu dem von der Bf vorgelegten „Bericht über den Aufenthalt der Frau Bf. in Österreich v. 2001 bis 2006 Jahre“, laut welchem die Bf ab dem Jahr 2001 bis Mitte Juli 2003 (und damit auch im Streitjahr) jeden zweiten Monat immer wieder ein paar Tage in Österreich war.

In der zweiten Jahreshälfte ( bis , somit 184 Tage) hat sich die Bf nachweislich zu 44 % (81 Tage) in Russland und damit zu 56 % (103 Tage) in Österreich bzw. Drittstaaten aufgehalten.
Aufgrund der Unglaubwürdigkeit der Angabe der Bf, dass sie von bis nicht aus Russland ausgereist sei, wird im Schätzungswege angenommen, dass sich die Bf in der ersten Jahreshälfte ( bis , somit 181 Tage) ebenfalls – gleich wie in der zweiten Jahreshälfte 2002 – zu 44 % in Russland und zu 56 % in Österreich bzw Drittstaaten aufgehalten hat. Daher ergibt sich für diesen Zeitraum ( bis ) eine Aufenthaltsdauer von 80 Tagen in Russland und 101 Tagen in Österreich bzw Drittstaaten.

Die Bf hat sich damit im Jahr 2002 161 Tage in Russland und 204 Tage in Österreich bzw. Drittstaaten aufgehalten.

Die Bf hat trotz Vorhalt vom weder nachweislich dargelegt, in welchen Drittstaaten sie sich 2002 wie lange aufgehalten hat, noch hat sie die Geschäftsführerbezüge in Zeiträume ihrer physischen Anwesenheit in Russland bzw Österreich aufgeteilt. Die bloße Auflistung von Staaten, die ihre Auslandsreisen betroffen haben, ist dafür zu wenig. Das Gericht geht nun gemäß § 184 BAO im Wege der Schätzung davon aus, dass sich die Bf von den 204 Tagen, an denen sie nicht in Russland war, zu 80 % in Österreich aufgehalten hat, zumal Auslandsreisen in andere Staaten als Österreich zwar glaubhaft sind, die Beschwerdeführerin aber nur in Österreich Geschäftsführerin einer GmbH war und in Österreich den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hatte und somit davon auszugehen ist, dass die Bf den weitaus größeren Teil der zu beurteilenden 204 Aufenthaltstage in Österreich verbracht hat.

Die Bf hat sich demnach 161 Tage in Russland und 164 Tage in Österreich physisch aufgehalten.

Das von der Bf vorgelegte Zertifikat der Russischen Föderation über die steuerliche Ansässigkeit steht mit diesen Feststellungen nicht im Widerspruch, da die Bf angegeben hat, sie habe die Tabelle „Aufenthalt in der Russischen Föderation“ dem Finanzministerium Russlands vorgelegt. Das Russische Finanzministerium hat diese Tabelle wohl seiner Prüfung zu Grunde gelegt. Das BFG würdigt die vorgelegte Tabelle hingegen wie oben angeführt.

Der Zeitraum, in welchem die Bf Gesellschafter-Geschäftsführerin der X. GmbH war, ist dem Firmenbuch entnommen. Der Zeitraum der einheitlichen Entsendung ist vom bis anzunehmen, weil die Bf in diesem Zeitraum als Gesellschafter-Geschäftsführerin der X. GmbH tätig war. Danach hat die Bf in ein Teilzeitverhältnis gewechselt und ihre Beteiligung an der X. GmbH aufgegeben. Die Tätigkeit der Bf nach dem ist damit nicht mehr gleich wie jene vor diesem Zeitraum und damit nicht mehr einheitlich. Die Bf hat nach Aufgabe der Gesellschaftsanteile bzw Wechsel von einer Geschäftsführertätigkeit zu einem Angestelltenverhältnis in Teilzeit nicht mehr die gleiche Tätigkeit zu erbringen, hat nicht mehr die gleiche Einflussmöglichkeit und trägt auch nicht mehr die gleiche Verantwortung. Die Tätigkeit einer Gesellschafter-Geschäftsführerin und einer Angestellten im Teilzeitverhältnis ohne Beteiligung am Unternehmen stellt keine gleiche und damit keine einheitliche Tätigkeit dar.

Diese Zeitperiode der einheitlichen Entsendung entspricht 944 Tagen (2001: 4, 2002: 365, 2003: 365, 2004: 210). Das Gericht geht – wie vorhin dargelegt – davon aus, dass sich die Bf jährlich durchschnittlich 44 % der Tage in Russland aufgehalten hat. Die Bf hat sich damit in dieser Zeitperiode 416 Tage in Russland aufgehalten. Das Verlassen Russlands führt nicht zu einer Unterbrechung der Frist, sondern zu einer Hemmung, wenn zwischen den einzelnen Aufenthalten ein innerer Zusammenhang besteht ( SWI 1993, 5). Von einem solchen inneren Zusammenhang ist hier auszugehen, weil sich die Bf zur Erfüllung derselben Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführerin abwechselnd mehrere Wochen in Österreich und zwischenzeitig in Russland aufgehalten hat (vgl Kotschnigg, ecolex 1998, 659).

Rechtliche Beurteilung:

Doppelbesteuerungsabkommen entfalten eine Schrankenwirkung insofern, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebene Steuerpflicht begrenzen. Ob Steuerpflicht besteht, ist zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt wird (vgl zB ).

Die Bf hat einen Wohnsitz im Inland. Sie ist damit gemäß § 1 Abs 1 iVm Abs 2 EStG 1988 iVm § 26 BAO im Inland grs unbeschränkt steuerpflichtig. Die strittigen Einkünfte sind nach innerstaatlichem Recht gemäß § 22 Z 2 EStG 1988 als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, und zwar aus sonstiger selbstständiger Arbeit als an einer Kapitalgesellschaft wesentlich Beteiligte, zu qualifizieren.

Die Bf hat auch einen Wohnsitz in Russland. Sie ist somit auch nach russischem Recht grs unbeschränkt steuerpflichtig.

Zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen – hier: auf dem Gebiet der Einkommensteuer – ist im ggstdl Fall für das Jahr 2002 das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens, BGBl Nr 411/1982 (idF DBA alt) anzuwenden.

Das DBA ist persönlich und sachlich anwendbar.

Es entspricht der einhelligen Lehre, dass für grenzüberschreitende Aktivitäten im Verhältnis zur Russischen Föderation auch nach dem Zerfall der Sowjetunion bis zum Inkrafttreten eines neuen (eigenen) Abkommens erwähntes Abkommen weiter anzuwenden ist (siehe zB Zach, SWI 2000, 206).

Das genannte DBA weicht in vielen Punkten von den Prinzipien des OECD-Musterabkommens ab. Daher kann das Musterabkommen nicht oder nur sehr begrenzt als Interpretationshilfe herangezogen werden.

Art 1 des DBA alt – „persönlicher Anwendungsbereich“ – lautet:

1. Dieses Abkommen gilt für Personen, die hinsichtlich der Besteuerung in einem oder in beiden Vertragsstaaten als ansässig gelten.

2. Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "eine in einem Vertragsstaat ansässige Person"

a) in bezug auf eine in der UdSSR ansässige Person: eine juristische Person oder eine andere in der UdSSR steuerlich wie eine juristische Person behandelte Organisation, die nach den Gesetzen der UdSSR oder einer Unionsrepublik errichtet ist, oder eine natürliche Person, die in bezug auf die Besteuerung in der UdSSR ihren ständigen Wohnsitz in der UdSSR hat;

b) in bezug auf eine in Österreich ansässige Person: eine juristische Person oder eine andere in Österreich steuerlich wie eine juristische Person behandelte Gesellschaft, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in Österreich hat, oder eine natürliche Person, die in bezug auf die Besteuerung in Österreich ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat.

3. Ist nach den Absätzen 1 und 2 dieses Artikels eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt folgendes:

a) Die Person gilt als in dem Staat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt; verfügt sie in beiden Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen);

b) kann nicht bestimmt werden, in welchem der Staaten die Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Staaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Staat ansässig, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat;

c) hat die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Staaten oder in keinem der Staaten, so gilt sie als in dem Staat ansässig, dessen Staatsangehöriger sie ist;

d) wird die Person von beiden Staaten jeweils als ihr Staatsangehöriger behandelt oder ist die Person Staatsangehöriger keines der Staaten, so gehen die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten gemäß Artikel 18 dieses Abkommens vor.

4. Ist nach den Absätzen 1 und 2 dieses Artikels eine andere als eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt sie als in dem Staat ansässig, in dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet.

Die Bf ist nach Art 1 Z 3 lit a leg cit in Österreich ansässig. Hier ist der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen. Österreich ist damit Ansässigkeitsstaat, Russland ist Tätigkeitsstaat.

Art 11 – „Arbeitslohn und einige andere Einkünfte natürlicher Personen“ – leg cit lautet:

1. Arbeitslöhne und andere Einkünfte, die eine in einem der Vertragsstaaten ansässige natürliche Person für eine im anderen Vertragsstaat ausgeübte Tätigkeit bezieht, dürfen in diesem anderen Staat nur dann besteuert werden, wenn sich die Person dort länger als insgesamt 183 Tage aufgehalten hat.

2. Abweichend von den Bestimmungen des Absatzes 1 dieses Artikels dürfen Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige natürliche Person für eine im anderen Vertragsstaat ausgeübte hoheitliche Funktion bezieht, nur in dem erstgenannten Staat besteuert werden.

3. Abweichend von den Bestimmungen des Absatzes 1 dieses Artikels dürfen Löhne und andere Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für eine Tätigkeit bezieht, die auf einer Baustelle oder Montage im anderen Vertragsstaat ausgeübt wird, in diesem Staat nur dann besteuert werden, wenn sie von einer Person gezahlt werden, für die diese Baustelle oder Montage als Repräsentanz im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 dieses Abkommens gilt.

4. Abweichend von den Bestimmungen des Absatzes 1 dieses Artikels dürfen folgende Vergütungen, die eine in einem der Vertragsstaaten ansässige natürliche Person für Tätigkeiten in dem anderen Vertragsstaat bezieht, nur in dem erstgenannten Staat besteuert werden: …

Der VwGH bestätigte in seinem Erkenntnis , dass Art 11 leg cit im gegenständlichen Verfahren auf die Einkünfte der Bf anzuwenden ist.

Der Artikel weicht sehr stark vom Musterabkommen der OECD ab. Er bezieht sich sowohl auf Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als auch auf Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Das Besteuerungsrecht steht im Prinzip dem Staat zu, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird (Philipp, ÖStZ 1982, 278). Einkünfte sind dann im Tätigkeitsstaat (hier: Russische Föderation) zu versteuern, wenn die Tätigkeit dort ausgeübt wurde und sich die natürliche Person länger als 183 Tage im Tätigkeitsstaat aufgehalten hat, wobei der Zeitraum nicht auf das Kalenderjahr, sondern auf eine einheitliche Zeitperiode der Entsendung abstellt (, ).

Während die ältere Rechtsprechung davon ausging, dass die Tätigkeit eines Geschäftsführers einer GmbH am Ort des Sitzes der Gesellschaft persönlich ausgeübt wird, stellt die jüngere Judikatur – dem deutschen BFH folgend – bei Geschäftsführern und Vorständen zur Bestimmung des Ausübungsortes auf den physischen Tätigkeitsort ab (; Achatz, SWI 1999, 446 [447]; EAS 2046, ; Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht, Z 00 Rz 228, Z 14 Rz 92 und Z 15 Rz 154; Doralt/Ludwig, EStG15, § 98 Tz 6/1; Kofler in Bendlinger/Kanduth-Kristen/Kofler/Rosenberger, Internationales Steuerrecht, 184 Fn 835; Bendlinger, a.a.O., 721 f). In , führt der VwGH hinsichtlich der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit eines Vorstandes einer Aktiengesellschaft aus: „Die Tätigkeit des Beschwerdeführers ist nur dann im Inland ausgeübt worden, wenn er persönlich im Inland tätig geworden ist.“ Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem nunmehr zu beurteilenden Sachverhalt vergleichbar. Es ist dieser Entscheidung bei der Beurteilung des nunmehr zu beurteilenden Sachverhaltes daher zu folgen (bestätigt durch ).

Demzufolge übte die Bf ihre Geschäftsführertätigkeit an der X. GmbH an dem Ort aus, an dem sie während der Arbeitsausübung physisch anwesend war. In Österreich übte die Bf ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin dann aus, wenn sie in Österreich physisch anwesend war. In Russland übte die Bf ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin dann aus, wenn sie in Russland physisch anwesend war.

Gemäß Art 11 Abs 1 leg cit dürfen die Einkünfte, die die Bf als in Österreich ansässige natürliche Person für eine in Russland ausgeübte Tätigkeit bezieht, in Russland nur dann besteuert werden, wen sich die Bf dort länger als insgesamt 183 Tage aufgehalten hat. Die 183-Tage-Frist bezieht sich dabei aber nicht auf ein Kalenderjahr, sondern stellt auf die Zeitperiode der „(einheitlichen) Entsendung“ ab (; , VwSlg 7255/F, Bendlinger in Bendlinger/Kanduth-Kristen/Kofler/Rosenberger , Internationales Steuerrecht , 691 f Rz 511). Die Bf hat sich in der Zeitperiode der einheitlichen Entsendung mehr als 183 Tage, nämlich 416 Tage, in Russland aufgehalten.

Die 183-Tage-Frist ist auch im Verhältnis zu Russland anhand der von der OECD-Staatengemeinschaft als richtig anerkannten Berechnungsmethode zu berechnen (EAS 246, ). Demnach zählen die Tage des physischen Aufenthalts, unerheblich davon, ob die Aufenthaltszeiten in dem Staatsgebiet des anderen Staates dem Arbeitseinsatz gewidmet sind. Auch Samstage, Sonntage, Feiertage, Urlaubstage und alle anderen arbeitsfreien Aufenthaltstage sind daher mitzuzählen ( AÖF Nr. 331/1991, Loukota/Jirousek, Internationales Steuerrecht, Z 15 Rz 56). Auch die Tage der Ein- und Ausreise nach bzw aus Russland sind zur Gänze in die Frist miteinzurechnen.

Aufgrund der Erfüllung des Tatbestandes des Art 11 Z1 leg cit sind die Geschäftsführerbezüge in solche aufzuteilen, die auf den Zeitraum der physischen Anwesenheit zur Ausübung der Geschäftsführertätigkeit in Österreich und in solche, die auf den Zeitraum der physischen Anwesenheit zur Ausübung der Geschäftsführertätigkeit in Russland entfallen (vgl EAS 475, ). Österreich als Ansässigkeitsstaat hat jenen Teil der Geschäftsführerbezüge, die der physischen Anwesenheit in Russland zuzuordnen sind, von der Besteuerung auszunehmen. Diese sind aber im Wege eines Progessionsvorbehaltes in Österreich zu berücksichtigen.

Die Geschäftsführerbezüge für 2002 betragen EUR 28.200,00. Die Bf hat sich 161 Tage in Russland und 164 Tage in Österreich physisch aufgehalten. Die Zurechnung der Einkünfte betreffend die Tage, die die Bf in Drittsaaten verbrachte, erfolgt im Schätzungsweg an Hand des dargestellten Verhältnisses (161 Tage Russland : 164 Tage Österreich).

Der physischen Anwesenheit in Russland zuzurechnende Geschäftsführerbezüge betragen demnach EUR 13.969,85. Diese sind von der österreichischen Besteuerung auszunehmen, aber im Wege des Progessionsvorbehaltes zu berücksichtigen. Die restlichen EUR 14.230,15 unterliegen der österreichischen Besteuerung.

Zur Schätzung:

Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese nach § 184 Abs 1 BAO zu schätzen.

Zu schätzen ist gemäß § 184 Abs 2 BAO insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskünfte über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.

Gemäß § 269 Abs 1 BAO kann auch das BFG eine Schätzung iSd § 184 BAO vornehmen (Tanzer in Althuber/Tanzer/Unger, BAO Handbuch, § 184, 502; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 184 Rz 1).

Die Schätzung ist dem Wesen nach ein Beweisverfahren, durch welches der Sachverhalt anhand von mittelbaren Beweisen (indirekte Beweisführung) ermittelt wird. (; Ritz, BAO6 § 184 Rz 1).

Dem Gericht ist es trotz Vorlage der Tabelle „Aufenthalt in der Russischen Föderation“ bzw auf Grund des eingezogenen Reisepasses für den Zeitraum vor Mitte Mai 2002 unmöglich festzustellen, wieviele Tage sich die Bf im ersten Halbjahr des Jahres 2002 in Russland aufgehalten hat, da die Behauptung der Bf, sie wäre im Zeitraum vom 1. Jänner bis kein einziges Mal aus Russland ausgereist, unglaubwürdig ist. Seitens der Bf wurden auch keine Angaben dazu gemacht, warum in dieser Zeit keine Ausreise aus Russland erfolgt sein sollte. Ebenso wurde trotz Vorhalt vom keine Aufteilung der Geschäftsführerbezüge vorgenommen oder eine Aufstellung der bereisten Staaten vorgelegt bzw bekannt gegeben, wie viele Tage Österreich betroffen haben. Die Bf wurde auch schon mit Vorhalt vom durch das Gericht aufgefordert, geeignete Unterlagen, aus denen die Aufenthaltsdauer in den jeweiligen Staaten im Jahr 2002 hervorgeht, vorzulegen. Die Bf teilte daraufhin mit, dass der Reisepass nicht mehr verfügbar sei.

Eine Vornahme der Schätzung nach § 184 BAO ist im gegenständlichen Fall berechtigt, weil das Gericht im Rahmen der Vorhalte keine (hinsichtlich Aufteilung Geschäftsführerbezüge) bzw nur unzureichende Angaben erhalten hat bzw die Bf den Reisepass mit den Grenzübertrittsvermerken für das erste Halbjahr 2002 nicht vorlegen konnte und damit die Grundlagen für die Abgabenerhebung nur im Schätzungsweg ermittelt werden können.

Ist die Schätzung zulässig, so steht die Wahl der anzuwendenden Schätzungsmethode der Abgabenbehörde im Allgemeinen frei, doch muss das Verfahren einwandfrei abgeführt und die zum Schätzungsergebnis führenden Gedankengänge schlüssig und folgerichtig sein. Die Schätzungsmethode hängt von den Gegebenheiten des Einzelfalles ab und wird von dem Ziel jeder Schätzung bestimmt, den tatsächlichen Verhältnissen so nahe wie möglich zu kommen. Das gewählte Verfahren muss stets auf das Ziel gerichtet sein, diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, die die größte Wahrscheinlichkeit für sich haben ().

Es wurde in Anbetracht der nachgewiesenen und glaubwürdigen Ein- und Ausreisen nach bzw aus Russland in der zweiten Jahreshälfte 2002 darauf geschlossen, dass auch im ersten Halbjahr und in den Jahren der einheitlichen Entsendung ein ähnliches Bild vorgelegen ist. Es wurde daher angenommen, dass sich die Bf jährlich 44 % des Jahres in Russland aufhält.

Hinsichtlich der unterlassenen Aufteilung der Geschäftsführerbezüge bzw Nichtbekanntgabe der Aufenthaltstage in Österreich ist das Gericht davon ausgegangen, dass sich die Bf zu 80 % der Tage, an denen sie nicht in Russland aufhältig war, in Österreich aufgehalten hat. Aufenthalte in anderen Staaten als Österreich sind glaubwürdig, jedoch ist die Bf Geschäftsführerin einer österreichischen Gesellschaft und hat ihren Lebensmittelpunkt in Österreich.

Mit jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit verbunden (; ; ; ; ; ). Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen (zB ; ; ; bis 0122).

Zur Zulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das BFG folgt bei der Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen und der Zuteilung des Besteuerungsrechtes der sonstigen selbstständigen Einkünfte einer Geschäftsführerin einer GmbH nach dem DBA Russland der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, sodass keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt und die ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 22 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
DBA UdSSR (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Sowjetunion (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 411/1982
§ 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 269 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.7103106.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at