Arbeitnehmerveranlagung - Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde der Bf., gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom und betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2011 – 2015 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2011, 2012 und 2013 wird teilweise Folge gegeben.
Diese Bescheide werden abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind dem Ende der folgenden Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.
Die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 wird abgewiesen.
Diese Bescheide bleiben unverändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (Bf), eine ungarische Staatsbürgerin, ist seit Jahren bei einer österreichischen Firma als Geophysiker nichtselbständig beschäftigt.
Die Bf bewohnt eine Wohnung in Wien. Der Wohnsitz ihres Ehegatten und Familienwohnsitz befindet sich in M., Ungarn.
In den Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung der Streitjahre machte die Bf jeweils Kosten iHv EUR 3.672,00 für Familienheimfahrten geltend.
In den Einkommensteuerbescheiden für 2014 und 2015 vom bzw. wurden diese Kosten als Werbungskosten anerkannt.
In einem Ergänzungsvorhalt des Finanzamtes (FA) vom betreffend „ANVA 2011 – 2013, Nachbescheidkontrolle 2014/2015“ wurde die Bf unter Hinweis auf § 115 BAO aufgefordert, bis zum folgende Nachweise vorzulegen:
Meldezettel aller am Familienwohnsitz wohnhaften Personen (beglaubigte Übersetzung)
- Mietvertrag der Wohnung in Wien, sowie Nachweis der Mietzahlungen in Kopie
- Vorlage Heiratsurkunde in Kopie in beglaubigter Übersetzung
- Einkommensnachweis des Ehepartners für die Jahre 2011 – 2015; bei Vorliegen einer Landwirtschaft: Vorlage EinkommensteuerbescheideGenaue Aufstellung der Familienheimfahrten mit Datum der Hin- und Rückreise und verwendeten Verkehrsmittel
Bei Fahrten mit dem eigenen Auto: Vorlage Fahrtenbuch, Kopie Zulassungsschein und Vorlage Tankbelege
Bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Vorlage der Tickets
Am erließ das FA die Einkommensteuerbescheide 2011 – 2013. Darin wurden die beantragten Werbungskosten nicht anerkannt und in der Begründung jeweils ausgeführt, unter Wahrung des Parteiengehörs seien die gemachten Aufwendungen hinterfragt worden. Da trotzdem die benötigten Unterlagen (zum Teil) nicht beigebracht worden seien, hätten die Aufwendungen in freier Beweiswürdigung nur in Höhe der nachgewiesenen bzw glaubhaft gemachten Aufwendungen berücksichtigt werden können.
Am hob das FA die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 jeweils gemäß § 299 BAO auf und erließ neue Einkommensteuerbescheide, in denen die beantragten Werbungskosten mit gleicher Begründung wie in den Bescheiden 2011 – 2013 nicht anerkannt wurden.
In den Beschwerden vom gegen die Einkommensteuerbescheide 2011 – 2015 wurden neuerlich Kosten für Familienheimfahrten iHv jeweils EUR 3.672,00 beantragt und ausgeführt, für das Ergänzungsersuchen sei eine Frist bis zum eingeräumt worden und trotzdem vorzeitig die Bescheide erstellt worden, was nicht fair sei.
Weiters wurden Kosten für doppelte Haushaltsführung iHv EUR 8.403,36 für das Jahr 2012 und iHv EUR 3.501,40 für das Jahr 2013 geltend gemacht.
Mit Ergänzungsvorhalt vom wurde die Bf neuerlich aufgefordert, bis zum die im Ergänzungsvorhalt vom geforderten Nachweise vorzulegen.
Am übermittelte die Bf eine als „Reisekostenabrechnung“ betitelte Aufstellung der Jahre 2014 und 2015.
Am wurden die Beschwerden mit Beschwerdevorentscheidungen als unbegründet abgewiesen und jeweils ausgeführt, da die Bf trotz Aufforderung die zur Erledigung der Beschwerde notwendigen Unterlagen nur teilweise beigebracht habe, sei die Beschwerde abzuweisen gewesen.
Mit Vorlageanträgen vom begehrte die Bf die Berücksichtigung der Familienheimfahrten und der doppelten Haushaltsführung und legte einen Mietvertrag vom – sowie eine als „Reisekostenabrechnung“ betitelte Aufstellung der Jahre 2011 – 2015 vor.
Mit Ergänzungsvorhalt vom forderte das FA die Bf auf, bis zum folgende Unterlagen vorzulegen:
Die Auflistung der Reisekosten weise Mängel auf. 2014 und 2015 sei kein Datum angeführt. Es seien keine Summen der jeweiligen Jahresreisekosten angegeben. Die Bf möge eine ordnungsgemäße Auflistung vorlegen. Sie möge auch belegmäßig (wenn öffentliche Verkehrsmittel benutzt wurden) oder mittels Fahrtenbuch, Zulassungsschein und Tankbelegen (wenn der eigene PKW benutzt wurde) die angegebenen Kosten nachweisen.
Die Bf möge auch die Mietverträge für die Jahre 2013 – 2015 vorlegen.
Am legte die Bf Kontoauszüge für die Mietzahlungen der Jahre 2011 – Juni 2013 vor.
Ferner legte sie das Formular E 401und eine Bescheinigung der ungarischen Steuerbehörde betreffend der Einkünfte ihres Ehegatten in den Jahren 2011 – 2015 vor.
Am gleichen Tag legte sie eine um das jeweilige Datum handschriftlich ergänzte, als „Reisekostenabrechnung“ bezeichnete Aufstellung der Jahre 2014 und 2015 vor.
Am (Datum des Einlangens) legte das FA die Beschwerden dem BFG vor und führte aus, die Bf lege Mietverträge für 2011 bis Juni 2013, eine Heiratsurkunde in ungarischer Sprache, E 9 Formulare für die Ehegatten 2011 – 2015 und eine Excel Tabelle der Reisekosten vor. Weitere Belege seien trotz Aufforderung nicht übermittelt worden. Das FA beantrage eine Stattgabe hinsichtlich der Wohnkosten für 2011 bis Juni 2013, denn hier seien die Kosten nachgewiesen worden. Betreffend Wohnkosten für den restlichen Zeitraum und Familienheimfahrten werde mangels geeigneter Nachweise die Abweisung beantragt.
Mit Ergänzungsvorhalt vom forderte das BFG die Bf auf, folgende Fragen zu beantworten bzw. Unterlagen zu übermitteln:
„1. Mit welchem Verkehrsmittel wurden alle in den Aufstellungen vermerkten Familienheimfahrten zurückgelegt?
- Wenn mit dem Auto: Vorlage Zulassungsschein und Vorlage Tankbelege oder Belege, welche die Kosten der Familienheimfahrten nachweisen
- Wenn mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Vorlage der Tickets der öffentlichen Verkehrsmittel
2. Mietvertrag der Wohnung in Wien für den Zeitraum 2013 – 2015 sowie Nachweise der Mietzahlungen für diesen Zeitraum
Es wird darauf hingewiesen, dass für die Anerkennung von Werbungskosten Nachweise erforderlich sind, wobei bei Sachverhalten mit Auslandsbezug eine verstärkte Mitwirkungspflicht des/der Steuerpflichtigen besteht.“
Mit Schreiben vom führte die Bf aus, sie schicke die benötigten Unterlagen. Sie habe die Tankbelege nicht gefunden, aber sie habe schon an das Finanzamt das Fahrtenbuch für jedes Jahr eingebracht.
Als Beilage wurde eine Erklärung des X. Y. übermittelt, wonach dieser seine Wohnung in Bezirk XY in Wien, …, für die Bf für den Zeitraum 2013 – 2015 ohne Gebühr zur Verfügung gestellt habe.
Weiters wurde ein ungarischer Zulassungsschein für A. B., M., für einen PKW der Marke BMW und ungarische Versicherungsbestätigungen für diesen PKW übermittelt.
Über die Beschwerde wurde erwogen
Folgender Sachverhalt steht fest:
Die Bf ist ungarische Staatsbürgerin.
Sie ist verheiratet. Der Ehegatte lebt in M., Ungarn, mit der Bf am gemeinsamen Familienwohnsitz.
Die Bf hat auch einen Wohnsitz in Wien, Österreich.
Die Bf ist seit Jahren bei einer österreichischen Firma als Geophysikerin nichtselbständig beschäftigt und bezog daraus Einkünfte von ca EUR 40.000 – 45.000 per anno.
Der Ehegatte des Bf bezog in Ungarn in den Streitjahren folgende Einkünfte:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
2011 2012 | HUF 829.865 (ca. EUR 2.700) HUF 2,120.127 (ca. EUR 7.280) |
2013 | HUF 2,214.000 (ca. EUR 7.450) |
2014 | HUF 2,737.600 (ca. EUR 8.660) |
2015 | HUF 4,885.200 (ca EUR 15.000) |
Die Bf wohnte vom bis in einer Mietwohnung in 1120 Wien, C-straße. Unterkunftgeber war die Z. GmbH. Die Bf bezahlte an Mietkosten im Jahr 2011 EUR 7.706,67, im Jahr 2012 EUR 9.093,86 und im Jahr 2013 EUR 3.606,12.
Von bis wohnte die Bf in einer Wohnung in Bezirk XY in Wien, D-Straße. In den Jahren 2013 – 2015 stellte ihr der Unterkunftgeber X. Y. die Wohnung unentgeltlich zur Verfügung.
Die von der Bf vorgelegten Aufstellungen, die für Hin- und Rückfahrten von Wien nach M. jeweils eine Anzahl der gefahrenen Kilometer von 460 (einfache Strecke) aufweisen, entsprechen nicht den Anforderungen einer nachvollziehbaren, steuerlich relevanten Nachweisführung.
Die Bf legte einen Zulassungsschein und Versicherungsbestätigungen für einen PKW (in ungarischer Sprache) vor.
Tankbelege oder Belege, welche die Kosten der Familienheimfahrten nachweisen, wurden trotz wiederholter Aufforderung nicht vorgelegt.
Beweiswürdigung:
Die persönlichen Verhältnisse der Bf sind den Verwaltungsakten zu entnehmen und unstrittig.
Die nichtselbständige Tätigkeit der Bf im Inland ist erwiesen.
Die Höhe der Einkünfte des Gatten der Bf ist durch die Vorlage des von der ungarischen Behörde erstellten Formulars E 9 nachgewiesen.
Der Familienwohnsitz in Ungarn ist erwiesen und unstrittig.
Die Wohnsitze der Bf in Wien sind durch die Verwaltungsakten und ZMR-Abfragen erwiesen.
Obzwar ein Mietvertrag betreffend die Wohnung in 1120 Wien nicht aktenkundig ist, ist die Höhe der Mietkosten durch die Vorlage der Kontoauszüge der Hausverwaltung erwiesen.
Dass die Bf in der Wohnung in Bezirk XY in Wien unentgeltlich wohnte, ist durch die von ihr dem BFG vorgelegte Bestätigung des Unterkunftgebers unstrittig.
Dass keine Tankbelege oder Kosten, die die Familienheimfahrten belegen würden, vorgelegt wurden, ist unstrittig.
Die vorgelegten Aufstellungen der Bf betreffend Familienheimfahrten sind aktenkundig. Dass diese einer steuerlich relevanten Nachweisführung nicht entsprechen, ist den Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung zu entnehmen.
Die Vorlage eines Zulassungsscheines und von Kfz-Versicherungsbestätigungen sind aktenkundig.
Zum Verfahrensgang vor der belangten Behörde wird bemerkt, dass der Einwand der Bf in den Beschwerden, für das Ergänzungsersuchen sei eine Frist bis zum eingeräumt worden und trotzdem vorzeitig die Bescheide erstellt worden, grs richtig ist. Allerdings wurde die Bf mehrfach, zuletzt auch vom BFG, aufgefordert, die erforderlichen Nachweise zu erbringen. Diese hat sie jedoch zum Teil gar nicht, zum Teil nicht ausreichend und zum Teil nur in ungarischer Sprache beigebracht, obwohl sie sowohl vom FA als auch vom BFG auf ihre Mitwirkungspflicht explizit hingewiesen wurde. Auf die Vorhaltswirkung der Erstbescheide und der BVE wird hingewiesen.
Auch erst im Laufe des Verfahrens (zum Teil in der Beschwerde, zum Teil nur durch die Vorlage entsprechender Belege) hat sich herausgestellt, welche Werbungskosten in welcher Höhe überhaupt beantragt wurden.
Da das FA im Vorlagebericht beantragt, die Wohnkosten von 2011 bis Juni 2013 anzuerkennen, sieht sich das BFG nicht veranlasst, diesbezüglich weitere Ermittlungen anzustellen, zumal die entsprechenden Kosten zwar nicht durch den Mietvertrag, aber durch die Kontoauszüge der Hausverwaltung erwiesen sind.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 16 Abs 1 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Nach § 20 Abs 1 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften unter anderem nicht abgezogen werden
Z 1) die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge;
Z 2a) Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Gemäß § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG 1988 sind auch Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeit- (Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) nicht abzugsfähig, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs 1 Z 6 lit c EStG 1988 angeführten Betrag übersteigen, der in den in den verfahrensgegenständlichen Jahren geltenden Fassung EUR 3.672,00 beträgt (bei einer einfachen Fahrtstrecke von über 60 Kilometer).
Unter bestimmten Voraussetzungen können jedoch Aufwendungen oder Ausgaben für die doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten als Werbungskosten einkünftemindernd berücksichtigt werden.
Doppelte Haushaltsführung (dem Grunde nach):
Von einer doppelten Haushaltsführung wird gesprochen, wenn aus beruflichen Gründen zwei Wohnsitze geführt werden, und zwar einer am Familienwohnort (Familienwohnsitz) und einer am Beschäftigungsort (Berufswohnsitz). Unterschieden wird zwischen einer vorübergehenden und einer auf Dauer angelegten doppelten Haushaltsführung.
Aufwendungen des Steuerpflichtigen für eine doppelte Haushaltsführung (am Familienwohnsitz und am Beschäftigungsort) sind steuerlich nur zu berücksichtigen, wenn eine berufliche Veranlassung für die doppelte Haushaltsführung besteht.
Bei einem verheirateten Steuerpflichtigen gilt jedenfalls jener Ort, an dem er mit seiner Ehegattin einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Person bildet, als sein Familienwohnsitz ().
Der wesentliche Unterschied zwischen einer vorübergehenden und einer auf Dauer angelegten doppelten Haushaltsführung liegt darin, dass von einer vorübergehenden doppelten Haushaltsführung dann gesprochen wird, wenn die nachgewiesene Absicht besteht, nach einem absehbaren Zeitraum der auswärtigen Berufsausübung wieder an den Ort des Familienwohnsitzes zurückzukehren, während eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung die Verlegung des Familienwohnsitzes auf längere Sicht unzumutbar erscheinen lässt.
Für beide Arten der doppelten Haushaltsführung gilt allgemein, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung dennoch als Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in üblicher Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Dies bedeutet aber nicht, dass zwischen den für eine solche Unzumutbarkeit sprechenden Gründen und der Erwerbstätigkeit ein ursächlicher Zusammenhang bestehen muss. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung, als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in einer Erwerbstätigkeit seines (Ehe-)Partners haben (; ; , 2001/13/0216).
Es ist Sache des Steuerpflichtigen, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen und nachzuweisen, aus denen er die Verlegung des Familienwohnsitzes als unzumutbar ansieht. Die Abgabenbehörde ist in einem solchen Fall nicht verhalten, nach dem Vorliegen von Gründen für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen ( mwN).
Nach Lehre und Rechtsprechung sind aber Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen durch die beruflich veranlasste Begründung eines eigenen Haushalts an einem außerhalb des Familienwohnsitzes gelegenen Beschäftigungsort erwachsen, als Werbungskosten absetzbar. Die Begründung eines eigenen Haushalts am Beschäftigungsort ist beruflich veranlasst [vgl. Schubert in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 16 Anm. 25 (Stand: , rdb.at); Bernold/Mertens, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Ausgabe 2015, Seiten 224 f], wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen von seinem Beschäftigungsort so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und entweder
die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst ist, weil der Ehepartner dort mit relevanten Einkünften erwerbstätig ist, oder
die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort aus verschiedensten privaten Gründen, denen erhebliches Gewicht zukommt, nicht zugemutet werden kann (vgl dazu auch Zorn in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar § 16 Abs 1 Z 6 Tzen 72, 75, und die dort zitierte VwGH-Rechtsprechung; Jakom/Lenneis EStG, 2015, § 16 Rz 56 "Doppelte Haushaltsführung").
Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort mehr als 80 Kilometer entfernt ist und die Fahrzeit mehr als eine Stunde beträgt (). Im Streitfall ist der Familienwohnsitz der Bf über 400 Kilometer von ihrem Beschäftigungsort entfernt, sodass ihr eine tägliche Rückkehr zweifelsfrei nicht zugemutet werden kann.
Voraussetzung für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung ist, dass der Ehegatte am Familienwohnsitz steuerlich relevante Einkünfte im Sinne des § 2 Abs 3 Z 1 bis 4 EStG 1988 aus einer aktiven Erwerbstätigkeit in Höhe von mehr als 6.000,00 Euro jährlich (angelehnt an die Einkommensgrenze des Ehepartners beim Alleinverdienerabsetzbetrag) erzielt oder die Einkünfte in Bezug auf das Familieneinkommen von wirtschaftlicher Bedeutung sind (vgl , LStR 2002 des BMF, Rz 344).
Betragen die Einkünfte des (Ehe)Partners höchstens 6.000,00 Euro, machen sie jedoch mehr als ein Zehntel der Einkünfte des Steuerpflichtigen aus, kommt den Einkünften des (Ehe-)Partners eine wirtschaftliche Bedeutung zu, die aus der Sicht des Steuerpflichtigen die Unzumutbarkeit eines Wechsels des Familienwohnsitzes bewirken kann (vgl LStR 2002 des BMF, Rz 344).
Im vorliegenden Fall bezog der Gatte der Bf in den Jahren 2011 bis 2013 Einkünfte iHv ca. EUR 2.700, 7.280 und 7.450.
Die Einkünfte der Bf betrugen in den Jahren 2011 bis 2013 über EUR 40.000.
In den Streitjahren betrugen die Einkünfte des Gatten der Bf demnach 2012 und 2013 mehr als EUR 6.000 und sind daher beachtlich. Wenn auch im Jahr 2011 die Einkünfte niedriger sind, sind sie insgesamt jedenfalls wirtschaftlich von Bedeutung. Die doppelte Haushaltsführung ist daher schon aus wirtschaftlichen Gründen beruflich bedingt bzw kann eine Wohnsitzverlegung in üblicher Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden (vgl ). Dem Grunde nach stehen daher aus für das Familieneinkommen relevanten wirtschaftlichen Gründen Kosten für doppelte Haushaltsführung zu.
Familienheimfahrten (dem Grunde nach):
Familienheimfahrten sind die Fahrten zwischen Berufs- und Familienwohnsitz, also zwischen zwei Wohnungen. Es liegt sohin ein Sachverhalt vor, der grundsätzlich in den Bereich der privaten Lebensführung zu verweisen wäre. Steuerlich absetzbar werden diese Kosten allerdings dann, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen (und nur insoweit, als den Steuerpflichtigen ein Mehraufwand trifft und die durch § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. e EStG 1988 gesetzte Begrenzung mit dem höchsten Pendlerpauschale nicht überschritten wird).
Aufwendungen für Familienheimfahrten sind unter denselben Voraussetzungen anzuerkennen oder nicht anzuerkennen wie jene der doppelten Haushaltsführung (vgl. Doralt, EStG13, § 16 Rz 220 Familienheimfahrten sowie Rz 200/14).
Sie stehen daher dem Grunde nach zu.
Doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten (der Höhe nach):
Allgemeines:
Nach § 119 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO) sind die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offen zu legen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen. In diesem Zusammenhang sieht § 138 Abs 1 BAO vor, dass die Abgabepflichtigen auf Verlangen der Abgabenbehörde zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen haben. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung. § 138 Abs 1 BAO betrifft vor allem die Feststellung solcher Verhältnisse, die für die Abgabenbehörde nur unter Mithilfe des Abgabepflichtigen aufklärbar sind, also Umstände, denen der Abgabepflichtige hinsichtlich der Beweisführung näher steht als die Abgabenbehörde. Zudem handelt es sich im streitgegenständlichen Fall um Sachverhaltselemente, die ihre Wurzeln im Ausland haben. Wie der Verwaltungsgerichtshof dazu in ständiger Rechtsprechung ausführt, besteht in solchen Fällen eine erhöhte Mitwirkungs-, Beweismittelbeschaffungs- und Beweisvorsorgepflicht (vgl Ritz, Kommentar zur Bundesabgabenordnung, 6. Auflage, Rz. 10 ff. zu § 115 mwN).
Doppelte Haushaltsführung:
Mietzahlungen:
Diese werden von 2011 bis Juni 2013 anerkannt. Die vorgelegten Kontoauszüge sind als Nachweis für Mietzahlungen in der dort ausgewiesenen und im Sachverhalt dargestellten Höhe ausreichend.
Ab Juli 2013 wohnte die Bf unentgeltlich in Bezirk XY in Wien, sodass keine Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung vorliegen.
Familienheimfahrten:
Fahrtkosten (Kilometergelder):
Der Nachweis der Fahrtkosten für mit einem PKW zurückgelegte Fahrten hat grundsätzlich mit einem Fahrtenbuch zu erfolgen.
Dieses hat die beruflichen und privaten Fahrten zu enthalten, es muss fortlaufend, zeitnah und übersichtlich geführt sein und Datum, Kilometerstrecke, Ausgangs- und Zielpunkt, Dauer sowie Zweck jeder einzelnen Fahrt zweifelsfrei und klar angeben.
Ein Fahrtenbuch ist dann nicht erforderlich, wenn die Fahrtstrecke in anderer Weise nachgewiesen wird (beispielsweise durch Reisekostenabrechnungen). Allerdings müssen auch diese Aufzeichnungen zumindest das Datum, den Beginn, das Ende, die Dauer, das Ziel und den Zweck jeder einzelnen Reise enthalten, wobei die Anforderungen an die Qualität der Aufzeichnungen mit der Anzahl der dienstlich zurückgelegten Kilometer steigen (Doralt, EStG, § 16 Tz 220 "Fahrtkosten").
Die im ggstdl Fall von der Bf vorgelegten, als „Reisekostenabrechnung“ bezeichneten Aufzeichnungen entsprechen den skizzierten Anforderungen in keiner Weise. So sind ausschließlich Fahrten nach M. und Wien angeführt. Andere Fahrten fehlen zur Gänze. Es widerspricht aber jeder Lebenserfahrung, dass die Bf mit dem Kfz keine anderen Fahrten durchgeführt hat. Kilometerstände sind überhaupt nicht enthalten. Die Aufzeichnungen wurden mit dem PC nachträglich erstellt. Die Fahrzeit oder der Beginn und das Ende der Fahrten sind nicht angeführt. Es ist auch völlig unglaubwürdig, dass an jedem Wochenende im Jahr derartige Fahrten durchgeführt wurden, zumal die Entfernung (hin- und zurück) mehr als 900 Kilometer beträgt.
Derartige Aufzeichnungen sind als Nachweis für steuerlich beachtliche Familienheimfahrten ungeeignet.
Tankrechnungen wurden nicht vorgelegt.
Geeignete Nachweise für Familienheimfahrten wurden trotz wiederholter Aufforderung nicht erbracht.
Im Ermittlungsverfahren vor dem BFG wurden erstmals ein Zulassungsschein und Versicherungsbestätigungen für einen PKW (in ungarischer Sprache; nicht übersetzt) vorgelegt, woraus geschlossen werden kann, dass die Familienheimfahrten mit dem Kfz erfolgt sein sollen.
Dies ist jedoch iZm den fehlenden Tankrechnungen und den als „Reisekostenabrechnung“ bezeichneten, ungeeigneten und unzureichenden Aufstellungen nicht ausreichend.
Die Bf ist somit ihrer Offenlegungs- und ihrer erhöhten Mitwirkungs-, Beweismittelbeschaffungs- und Beweisvorsorgepflicht nicht nachgekommen, sodass das FA die beantragten Kosten für Familienheimfahrten zu Recht nicht anerkannt hat.
Ergebnis:
Abweichend vom Erstbescheid werden folgende Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung (Mietkosten) anerkannt:
2011 EUR 7.706,67
2012 EUR 9.093,86
2013 EUR 3.606,12
Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG wird eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zugelassen, da die rechtliche Beurteilung der doppelten Haushaltsführung und der Familienheimfahrten der Judikatur des VwGH folgen.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Die Einkommensteuerbescheide 2011 – 2013 werden abgeändert wie folgt:
2011:
Berechnung der Einkommensteuer: (Beträge in EUR)
Einkünfte aus nsA 37.293,41
Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte – 7.706,67
Gesamtbetrag der Einkünfte 29.586,74
Sonderausgaben Pauschbetrag – 60,00
Einkommen 29.526,74
Die Einkommensteuer gemäß § 33 Abs 1 EStG 1988 beträgt:
(29.526,74 – 25.000,00) x 15.125,00 / 35.000,00 + 5.110,00 7.066,20
Verkehrsabsetzbetrag – 291,00
Arbeitnehmerabsetzbetrag – 54,00
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge 6.721,20
Steuer sonstige Bezüge 336,52
Einkommensteuer 7.057,72
Anrechenbare Lohnsteuer – 10.331,03
Rundung 0,31
Festgesetzte Einkommensteuer – 3.273,00
2012:
Berechnung der Einkommensteuer: (Beträge in EUR)
Einkünfte aus nsA 40.067,05
Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte – 9.093,86
Gesamtbetrag der Einkünfte 30.973,19
Sonderausgaben Pauschbetrag – 60,00
Einkommen 30.913,19
Die Einkommensteuer gemäß § 33 Abs 1 EStG 1988 beträgt:
(30.913,19 – 25.000,00) x 15.125,00 / 35.000,00 + 5.110,00 7.665,34
Verkehrsabsetzbetrag – 291,00
Arbeitnehmerabsetzbetrag – 54,00
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge 7.320,34
Steuer sonstige Bezüge 365,96
Einkommensteuer 7.686,30
Anrechenbare Lohnsteuer – 11.559,14
Rundung 0,84
Festgesetzte Einkommensteuer – 3.872,00
2013:
Berechnung der Einkommensteuer: (Beträge in EUR)
Einkünfte aus nsA 40.821,58
Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte – 3.606,12
Gesamtbetrag der Einkünfte 37.215,46
Sonderausgaben Pauschbetrag – 60,00
Einkommen 37.155,46
Die Einkommensteuer gemäß § 33 Abs 1 EStG 1988 beträgt:
(37.155,46 – 25.000,00) x 15.125,00 / 35.000,00 + 5.110,00 10.362,89
Verkehrsabsetzbetrag – 291,00
Arbeitnehmerabsetzbetrag – 54,00
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge 10.017,89
Steuer sonstige Bezüge 373,51
Einkommensteuer 10.391,40
Anrechenbare Lohnsteuer – 11.892,69
Rundung 0,29
Festgesetzte Einkommensteuer – 1.501,00
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 119 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 138 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2018:RV.7103708.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at