Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen für die Gaststättenpauschalierungs-Verordnung
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RV/3100199/2016-RS1 | Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2012/15/0120, erkannt, dass die Gaststättenpauschalierungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 227/1999, als Gaststätten keine anderen Betriebe als solche erfasst, die den Gästen auch frisch in einem Küchenbereich zubereitete Speisen anbieten (zumindest "kleine Speisekarte"). Im Erkenntnis vom , 2013/15/0208, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass ein Betrieb, der seinen Gästen lediglich Toasts anbietet, die wahlweise mit Schinken und/oder Käse sowie verschiedenen Gewürzen belegt werden, über keine Speisekarte verfügt. Ein Speiseangebot, wie es von Gaststätten erwartet werden kann, wird auch nicht durch das bloße Erwärmen einfacher Produkte des Lebensmittelhandels ("Würstel") oder durch das Angebot diverser Fertigpizzen bewirkt (). Auch ein Betrieb, der seinen Gästen lediglich auf einem Grill zubereitete Wurstwaren, Pommes frites sowie Semmeln mit Leberkäse und Schnitzel anbietet, besitzt keine Speisekarte. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Andreas Freisinger in der Beschwerdesache Bf, Anschrift, vertreten durch Vertreter, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Kitzbühel Lienz vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2011 und 2012 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer hat im Streitzeitraum ein Lokal unter der Geschäftsbezeichnung „P“ betrieben und den Gewinn für die Jahre 2011 und 2012 nach der Gaststättenpauschalierungs-Verordnung ermittelt.
Anlässlich einer die Veranlagungsjahre 2011 bis 2013 umfassenden Außenprüfung (BP-Bericht vom ) wurde unter der Tz. 1 des BP-Berichtes nachstehende Feststellung getroffen:
„Tz. 1 Gaststättenpauschalierung
Für die Ermittlung des Gewinnes bei Betrieben des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes gilt die Pauschalierungsverordnung, wenn keine Buchführungspflicht besteht und auch nicht freiwillig Bücher geführt werden und die Umsätze (§ 125 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung) des vorangegangenen Wirtschaftsjahres nicht mehr als 255.000 € betragen.
Bei der Auslgegung von Pauschlierungsverordnungen ist nach Aussage des Verwaltungsgerichtshofes auf ein typisches Berufsbild abzustellen:
Betriebe des Gaststättengewerbes im Sinne dieser Bestimmung liegen nur vor, wenn in geschlossenen Räumlichkeiten Speisen und Getränke zur dortigen Konsumation angeboten werden. Die Zuordnung von Unternehmen zum Gaststättengewerbe hat nach der allgemeinen Verkehrsauffassung zu erfolgen. Eine Gaststätte ist danach ein Dienstleistungsbetrieb, dessen primärer Leistungsinhalt in der Bewirtung von Gästen (Abgabe von frisch zubereiteten Speisen und Getränken) besteht und über die dafür erforderlichen infrastrukturellen Einrichtungen (insbesondere einer Küche) verfügt. Betriebe, die im weitesten Sinn auch bewirten, bei denen allerdings kein maßgebliches Speisenagebot besteht, sind von der Gaststättenpauschalierung nicht erfasst.
Um von Gaststätten iSd Verordnung sprechen zu können, ist erforderlich, dass die für das Gaststättengewerbe "typische Kostenstruktur", insbesondere im Küchenbereich (Personal und Investitionen, etc.), vorliegt und den Gästen ein zumindest einigermaßen reichhaltiges Angebot an frisch zubereiteten Speisen angeboten wird. Das Unterhalten eines Küchenbetriebes ist kostenintensiv (Aufwendungen für Küchenpersonal und -investitionen, Servicepersonal, Wareneinsatz im Küchenbereich) und der maßgebliche Kostenfaktor für Gaststätten.
Das gegenständliche Unternehmen hat für die Kalenderjahre 2011 und 2012 die Gaststättenpauschalierungsverordnung angewendet. Im Betrieb gibt es unter der Bezeichnung "Snacks" folgendes Angebot: Schinken-Käse-Toast, Gulaschsuppe, Apfelstrudel, Topfenstrudel. Lt Angaben des Unternehmers wurde die Gulaschsuppe von den Gästen nicht angenommen. Im Wesentlichen werde lediglich der Schinken-Käse-Toast als Speise ausgegeben. Der Anteil der Küchenerlöse am Gesamterlös beträgt im Kalenderjahr 2011 3,89 % und im Kalenderjahr 2012 3,48 %. Von einem relevanten Anteil des Speisenangebotes am Gesamtumsatz kann also nicht gesprochen werden. Daher ist eine pauschale Einkommensversteuerung nach § 17 Abs. 4 und 5 EStG (Gaststättenpauschalierungsverordnung) nicht möglich.
Die Gewinne der vorgelegten Einnahmen - Ausgaben - Rechnungen ergeben folgende Abweichungen zu den bisher erklärten Einkünften aus Gewerbebetrieb.
Diese Feststellung stellt eine neue Tatsache dar und rechtfertigt die Wiederaufnahme des Verfahrens.“
Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erließ nach Wiederaufnahme der Verfahren mit Ausfertigungsdatum (neue) Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 und 2012.
Gegen die genannten Bescheide wurde mit Eingabe der steuerlichen Vertretung vom fristgerecht Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass der Gastronomiebetrieb des Beschwerdeführers im relevanten Zeitraum jeweils von ca. 10.00 Uhr Vormittag bis um ca. Mitternacht mit einem Ruhetag pro Woche geöffnet gewesen sei, die Verabreichung von Speisen nicht im Vordergrund gestanden sei, das Lokal aber über eine "vollgastronomische" Infrastruktur sowie über ein kleine aber vollausgestattete Küche verfüge und somit die Verabreichung von Speisen jederzeit möglich sei. Das Speisenangebot sei an die Bedürfnisse der Gäste angepasst und immer frisch zubereitet worden. Das Speisenangebot habe aus Baguettes (Tomaten-Mozzarella bzw. Schinken-Käse bzw. Salami-Käse), Schinken-Käse-Toast, Gulaschsuppe sowie Apfel- und Topfenstrudel bestanden.
Nach der maßgeblichen Verordnung (letzter Satz des § 2 Abs. 2) würden Würstelstände, Maroni- und Kartoffelbratereien Eisgeschäfte, Konditoreien, Fleischhauer, Bäcker, Mischgeschäfte und Molkereien, Spirituosenhandlungen und vergleichbare Betriebe keinesfalls zu den Betrieben des Gaststättengewerbes gehören. Da aber der Betrieb des Beschwerdeführers nicht unter die genannten falle, würden die Voraussetzung für die Anwendung der Verordnung vorliegen.
Weiters würde der Betrieb des Beschwerdeführers auch die in einer Information des Finanzministerium vom , SZK-010203/0388-ESt/2008, angeführten Kriterien erfüllen und sei das Speisenangebot sowohl quantitativ (im Verhältnis zum Gesamtumsatz) als auch qualitativ (frisch zubereitete Speisen) von der gesamtbetrieblichen Bedeutung (strategische Bedeutung, dass die Gäste einfache, relativ rasch zubereitet Speisen konsumieren könne) "gegeben".
Nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung (Ausfertigungsdatum ) wurde mit Eingaben vom jeweils ein gesonderter Vorlageantrag eingebracht.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Für die Veranlagung der Jahre 2000 bis einschließlich 2012 gilt die Gaststättenpauschalierungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 227/1999 idF BGBl. II Nr. 149/2007, deren §§ 2 bis 6 in den geprüften Fassungen vom VfGH mit Erkenntnis vom , V 113/11, als gesetzwidrig erkannt und mit Wirksamkeit aufgehoben wurden. Für die Veranlagungen der Jahre ab 2013 wurde die Gaststättenpauschalierungs-Verordnung 2013 erlassen.
Gemäß § 2 Abs. 2 der Gaststättenpauschalierungs-Verordnung 1999 in der Fassung BGBl. II Nr. 149/2007 liegen Betriebe des Gaststättenbetriebes nur vor, wenn in geschlossenen Räumlichkeiten Speisen und Getränke zur dortigen Konsumation angeboten werden und die Anzahl der Sitzplätze im Freien überwiegt. Bei Gaststätten, die ganzjährig innerhalb geschlossener Räume betrieben werden, unterbleibt diese Überwiegensprüfung. Zu den Betrieben des Gaststättengewerbes gehören keinesfalls Würstelstände, Maroni- und Kartoffelbratereien, Eisgeschäfte, Konditoreien, Fleischhauer, Bäcker, Milchgeschäfte und Molkereien, Spirituosenhandlungen und vergleichbare Betriebe.
Voraussetzung für die Pauschalierung ist gemäß § 2 Abs. 1 dieser Verordnung, dass keine Buchführungspflicht besteht und auch nicht freiwillig Bücher geführt werden, die eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 ermöglichen und die Umsätze des vorangegangenen Wirtschaftsjahres nicht mehr als 255.000 EUR betragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2012/15/0120, die Rechtsauffassung vertreten, dass die Gaststättenpauschalierungs-Verordnung als Gaststätten keine anderen Betriebe als solche erfasst, die den Gästen auch frisch in einem Küchenbereich zubereitete Speisen anbieten (zumindest "kleine Speisekarte"). Im Erkenntnis vom , 2013/15/0208, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass ein Betrieb, der seinen Gästen lediglich Toasts anbietet, die wahlweise mit Schinken und/oder Käse sowie verschiedenen Gewürzen belegt werden, über keine Speisekarte im Sinne des Erkenntnisses vom , 2012/15/0120, verfügt. Weiters vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass ein Speiseangebot, wie es von Gaststätten erwartet werden kann, nicht durch das bloße Erwärmen einfacher Produkte des Lebensmittelhandels ("Würstel") oder durch das Angebot diverser Fertigpizzen bewirkt wird () und ein Betrieb, der seinen Gästen lediglich auf einem Grill zubereitete Wurstwaren, Pommes-Frites sowie Semmeln mit Leberkäse und Schnitzel anbietet, keine Speisekarte im Sinne der zitierten Erkenntnisse besitzt ().
Dazu wird in der Fachliteratur die Auffassung vertreten, dass ein Betrieb, der seinen Gästen lediglich „Snacks“ (Toast, Bruschetta, Tramezzini und Brote) zur Auswahl stellt, keine Speisekarte im dargestellten Sinn besitzt und gleiches gelte, wenn ein Betrieb seinen Gästen lediglich Toasts anbietet oder auf einem Grill zubereitete Wurstwaren, Pommes Frites sowie Semmeln mit Leberkäse und Schnitzel offeriert (vgl. Jakom/Baldauf, EStG 2013, Rz 41 ff zu § 17, Fellner in Hofstätter/Reichel (Hrsg), Die Einkommensteuer (EStG 1988) – Kommentar, Rz 36 ff zu § 17).
Damit ist die Abgabenbehörde aber - unabhängig vom Vorhandensein einer Kücheneinrichtung oder einer ausreichenden Anzahl von Sitzplätzen in geschlossenen Räumlichkeiten - zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der Gaststättenpauschalierungs-Verordnung im vorliegenden Fall nicht gegeben sind, da vom Beschwerdeführer lediglich die im BP-Bericht angeführten Speisen angeboten wurden.
Im Streitfall ist neben dem geringen Angebot an Snacks zu berücksichtigen, dass einerseits das Verhältnis des Getränke zum Speisenumsatz äußert gering ist (3,89 % bis 3,48 % vom Gesamtumsatz) und andererseits ergibt sich aus den erklärten Speisenerlösen in Höhe von 6.530,37 € für das Jahr 2011 und 4.853,53 € für das Jahr 2012, dass pro Öffnungstag im Durchschnitt maximal 6 Snacks verkauft wurden (5.700 € [durchschnittlicher Umsatz der Jahre 2011 und 2012] durch rund 300 Öffnungstage durch 3 € bis 3,5 € (Preise laut Speisekarte]). Wenngleich gemäß § 2 Abs. 2 der Gaststättenpauschalierungs-Verordnung 1999 in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung, das Angebot von Speisen und Getränken in geschlossenen Räumen und das Überwiegen der Anzahl der in geschlossenen Räumen angebotenen Sitzplätze gegenüber jenen im Freien erforderte und sohin ab dem Veranlagungsjahr 2008 demnach - anders als zuvor - nicht mehr auf das Überwiegen der Umsätze, sondern auf das Überwiegen der Anzahl der Sitzplätze in geschlossenen Räumen gegenüber der Anzahl der Sitzplätze im Freien abgestellt wurde, ist dieser Umstand in die Würdigung der Gesamtumstände mit einzubeziehen.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass dem vorliegenden Bildmaterial zu entnehmen ist, dass die Küche eine Größe von lediglich rund 6 m ² aufweist und mit einem Herd mit 2 Gasfeldern, 1 Spülbecken, Mikrowelle, Toaster und einem kleinen Geschirrspüler, Kühlschrank und einer Eistruhe ausgestattet ist und diese Küche vom äußeren Erscheinungsbild nicht der einer Gaststätte entspricht.
Unzutreffend ist die Rechtsansicht der Bf (vgl. Beschwerde vom , S. 3, BFG-Akt, S. 109), wonach im Beschwerdefall die Anwendungsvoraussetzung für die Pauschalierung erfüllt seien, weil der gegenständliche Betriebstyp (Cafe) nicht in § 2 Absatz 2, Satz 3 der Verordnung genannt sei. Die Aufzählung in § 2 Absatz 2 Satz 3 der Gaststättenpauschalierungs-Verordnung ist nämlich nicht taxativ, sondern dient nur dem Verständnis des Satzes 1 (vgl. Jakom/Baldauf/2012, Rz 45 zu § 17 EStG 1988).
Abschließend sei erwähnt, dass aus einer zur Gaststättenpauschalierung nichts gewonnen werden kann. Informationen des BMF stellen ebenso wenig wie Erlässe für das Bundesfinanzgericht beachtliche Rechtsquellen dar.
Da insoweit insgesamt die Voraussetzungen für die Anwendung der Pauschalierungsverordnung nicht vorliegen, konnte dem Beschwerdebegehren keine Folge geleistet. werden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen fall ist eine Revision nicht zulässig, da es sich bei der Streitfrage, ob der Betrieb des Beschwerdeführers als Gaststätte zu beurteilen ist, um eine Tatfrage handelt.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 2 Abs. 2 Gaststättenpauschalierungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 227/1999 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2018:RV.3100199.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at