Verlustabzug: Anpassung des Verlustabzugs aufgrund "bescheidmäßiger" Verminderung der Verluste der Vorjahre durch die BP erfolgt durch Bescheidneuerlassung nach Aufhebung des bisherigen Bescheides gemäß § 295 Abs. 3 BAO (keine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO)
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/2100035/2017-RS1 | Eine Verminderung der Verluste der Vorjahre stellt keine Tatsache im Sinne des § 303 BAO dar. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Einzelrichter über die Beschwerde der A-GmbH, vertreten durch die Resultatio Steuerberatung GmbH, Gratweiner Straße 8, 8111 Gratwein-Straßengel, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer 2009 nach mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom hat die belangte Behörde das Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 2009 wiederaufgenommen, um beim Verlustabzug die verminderten Verluste der Vorjahre, die sich aus den gemäß § 162 BAO nicht anerkannten Absetzungen ergeben haben (siehe dazu das unter der GZ. RV/2100604/2016 ergangene Erkenntnis vom heutigen Tag), zu berücksichtigen.
Dagegen wandte sich die Beschwerdeführerin durch ihren steuerlichen Vertreter mit Beschwerdeschreiben vom und beantragte die Aufhebung des angefochtenen Wiederaufnahmsbescheides.
Die belangte Behörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.
Im Vorlageantragsschreiben vom brachte die Beschwerdeführerin durch ihren steuerlichen Vertreter dazu im Wesentlichen vor, dass es an tauglichen Wiederaufnahmsgründen fehle und es laut Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung zu keinen Feststellungen zu Fremdleistungen des Jahres 2009 gekommen sei.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vor.
Die Beschwerdeführerin hat die mündliche Verhandlung beantragt.
Das Bundesfinanzgericht hat über die Bescheidbeschwerde erwogen:
Werden sowohl der Wiederaufnahmebescheid als auch der im wiederaufgenommenen Verfahren ergangene Sachbescheid mit Berufung (nun: Beschwerde) bekämpft, so ist nach der auch für das Beschwerdeverfahren sinngemäß geltenden ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zunächst über die Berufung (nun: Beschwerde) gegen den Wiederaufnahmebescheid zu entscheiden (vgl. z. B. ).
Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann ua. von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (§ 303 Abs. 1 BAO).
Tatsachen iSd § 303 Abs. 4 BAO (nun: Abs. 1) sind ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende, tatsächliche Umstände, also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften ().
Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Höhe des Verlustes nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit rechtskraftfähiger Wirkung im Einkommensteuerbescheid des Verlustjahres festgesetzt wird und der diesbezügliche Ausspruch auf ein späteres Verlustabzugsverfahren derart einwirkt, dass der Verlustausspruch für den nachfolgenden Verlustvortrag betragsmäßig verbindlich wird, bietet die Bundesabgabenordnung ein geeignetes Instrumentarium in der Bestimmung des § 295 Abs. 3 BAO. Danach sind Abgabenbescheide ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, zu ändern, wenn der Spruch dieser Bescheide anders hätte lauten müssen, wäre bei seiner Erlassung ein anderer Bescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder erlassen gewesen (vgl. zB ).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund hätte die belangte Behörde den "alten" Körperschaftsteuerbescheid 2009 gemäß § 295 Abs. 3 BAO aufheben müssen; eine Verminderung der Verluste der Vorjahre stellt keine Tatsache im Sinne des § 303 BAO dar.
Selbst wenn man der Rechtsansicht folgen würde, dass eine Verfahrenswiederaufnahme zur Richtigstellung des Verlustabzuges bei Verminderung der Verluste der Vorjahre zulässig sei (zur de facto-Erweiterung des Kataloges der Wiederaufnahmegründe durch den VfGH vgl. Ritz, BAO6, § 303 Tz. 41), so ist damit für die belangte Behörde im Beschwerdefall nichts gewonnen, weil weder der Niederschrift über die Schlussbesprechung noch dem Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung eine Begründung der Verfahrenswiederaufnahme hinsichtlich Körperschaftsteuer 2009 zu entnehmen ist.
Soweit die belangte Behörde in der Beschwerdevorentscheidung auf die der Nichtanerkennung der abgesetzten Beträge (§ 162 BAO) zugrunde liegenden Umstände verweist und dem Bundesfinanzgericht damit vermitteln will, dass diese Umstände für die Körperschaftsteuer 2009 jene neu hervorgekommenen Tatsachen darstellten, aus denen eine nicht ordnungsmäßige Buchführung abzuleiten sei, weshalb sie zur Begründung der Verfahrenswiederaufnahme tauglich seien, so ist ihr entgegenzuhalten, dass die auf § 162 BAO gestützte Nichtanerkennung abgesetzter Beträge zwar zu verminderten Verlustabzügen in den Folgejahren führen kann, sich daraus jedoch keine "nicht ordnungsmäßige Buchführung" im Sinne des § 18 Abs. 6 EStG 1988 ergibt. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bleibt der Verlustvortrag immer dann zulässig, wenn - wie im Beschwerdefall durch Nichtanerkennung der betraglich bekannten abgesetzten Beträge - der Verlust seiner Höhe nach errechnet werden kann und das Ergebnis auch überprüfbar ist, mag auch eine Korrektur der Buchhaltung durch den Steuerpflichtigen oder auf Grund einer Betriebsprüfung erforderlich sein (vgl. zB ).
Jenseits der Änderung des Verlustabzuges hat die belangte Behörde den "alten" Körperschaftsteuerbescheid 2009 nicht abgeändert. Dass sie (geringfügige) Repräsentationsaufwendungen der Einfachheit halber bei der Körperschaftsteuer 2010 (statt bei der Körperschaftsteuer 2009) mitberücksichtigt hat, gereicht der belangten Behörde hier zum (selbst verschuldeten) Nachteil.
Der angefochtene Wiederaufnahmsbescheid war daher aufzuheben.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da diese Voraussetzung im Beschwerdefall nicht vorliegt, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist. Da diese Voraussetzung im Beschwerdefall im Hinblick auf die oben wiedergegebene Rechtsprechung nicht vorliegt, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 295 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 18 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2018:RV.2100035.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at