Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.10.2018, RV/3100183/2011

Einschränkung der Haftungssumme: Unbilligkeit aufgrund "lange verstrichener Zeit"

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3100183/2011-RS1
Eine Zeitspanne von zirka dreieinhalb Jahren zwischen dem Feststehen der Uneinbringlichkeit (mit Abschluss des Insolvenzverfahrens) und der Erlassung des angefochtenen Haftungsbescheides führt nicht zu einer gänzlichen Abstandnahme von der Haftung, sondern hat lediglich in die Ermessensübung einzufließen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf, Adr, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid gem. § 9 BAO der belangten Behörde FA Innsbruck vom zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Haftungssumme wird mit € 116.150,26 laut Beilage festgesetzt.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) war vom bis zur Insolvenzeröffnung am xx. Juli 2004 Geschäftsführer der H_GmbH, die geschäftsführende Komplementärin der H_KG war. Der am xx. Juli 2004 über das Vermögen der KG eröffnete Konkurs wurde am yy. Oktober 2007 mangels kostendeckenden Vermögens gemäß § 166 KO aufgehoben.

Am zz. Jänner 2008 wurde die KG im Firmenbuch gelöscht.

Verfahrensgang

1. Mit Schreiben vom hielt das Finanzamt dem Bf vor, es erwäge, seine Haftung für nach Abgabenarten und Zeiträumen näher aufgegliederte Abgabenschuldigkeiten der KG in der Höhe von insgesamt 197.160,55 € geltend zu machen, weil diese Abgaben während der Funktionsperiode des Bf fällig geworden und uneinbringlich seien. Der Bf werde ersucht, Beweise vorzulegen, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert gewesen sei, für die Entrichtung der Abgaben zu sorgen. Gegebenenfalls sei auch die Beachtung des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung (durch Vorlage entsprechender Unterlagen über die finanziellen Mittel der GmbH im jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt der in Haftung gezogenen Abgabenschuldigkeiten und deren Verwendung) nachzuweisen.

2. Im Antwortschreiben vom führte der Bf im Wesentlichen aus, dass er bis zur Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der KG Geschäftsführer der geschäftsführenden Komplementär-GmbH gewesen sei. Da die KG bereits geraume Zeit vor Konkurseröffnung unter chronischem Geldmangel gelitten habe, liege keine Verletzung der Abgabenzahlungspflicht vor. Vielmehr habe der Bf diese Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt. Da die zur Verfügung gestandenen Geldmittel nicht zur Begleichung der laufenden Verbindlichkeiten ausgereicht hätten, habe der Bf mit den Gesellschaftsgläubigern Ratenzahlungs- bzw. Stundungsvereinbarungen getroffen. Diesbezügliche Unterlagen könne der Bf aufgrund des Insolvenzverfahrens nicht mehr vorlegen. Aus dem Finanzamtsakt müsste jedoch ersichtlich sein, dass im Zeitraum vor der Konkurseröffnung (soweit erinnerlich) immer wieder Teilzahlungen an das Finanzamt geleistet worden seien.

Die Haftungsinanspruchnahme des Vertreters setze eine schuldhafte Verletzung der Abgabenzahlungspflicht voraus, welche Voraussetzung im Streitfall nicht gegeben sei, weil der Bf keine anderen Gläubiger bevorzugt behandelt habe. Wie dem beigelegten Gläubigerverzeichnis zu entnehmen sei, habe die KG im Zeitpunkt der Konkurseröffnung Verbindlichkeiten in Höhe von rund 2.925.500 € gehabt. Die als Konkursforderungen angemeldeten Abgabenforderungen hätten weniger als 10 % aller Konkursforderungen betragen. Aus einer weiteren Beilage sei die Zusammensetzung der Bankschulden der KG bei der T_Bank im Gesamtbetrag von rund 2 Millionen Euro ersichtlich.

3. Mit Bescheid vom zog das Finanzamt den Bf zur Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der KG im Gesamtbetrag von 197.160,55 € heran. Die nach einzelnen Abgabenarten und Zeiträumen aufgegliederten Abgabenbeträge betreffen Umsatzsteuer 2002, 2003, 7/2003, 9/2003, 10/2003, 11/2003, 12/2003, 3/2004, 4/2004, 5/2004, 3/2004, Lohnsteuer 1999, 2003, 7/2003, 8/2003, 9/2003, 10/2003, 11/2003, 12/2003 sowie Dienstgeberbeitrag und Dienstgeberzuschlag 1999, 2002, 7/2003, 8/2003, 9/2003, 10/2003, 11/2003 und 12/2003. Weiters sind in der Haftsumme ein erster Säumniszuschlag 2003, Verspätungszuschläge 5/2003, 9/2003, 10/2003, 5/2004, Pfändungsgebühren samt Barauslagenersatz 2004 sowie Stundungszinsen 2004 enthalten.

In der Bescheidbegründung wurde unter Bezugnahme auf §§ 9 und 80 BAO ausgeführt, dass der Bf als Geschäftsführer der GmbH für die Abgabenentrichtung der KG sorgen hätte müssen. Bei der gegebenen Aktenlage müsse das Finanzamt bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehen, dass der Bf die Abgabenzahlungspflicht schuldhaft verletzt habe. Mit den vom Bf vorgelegten Unterlagen sei kein Nachweis einer Gleichbehandlung der Gläubiger erbracht worden.

4. In der gegen den Haftungsbescheid erhobenen Berufung vom wurde der im Schreiben vom vertretene Standpunkt wiederholt und eine Verletzung der Abgabenzahlungspflicht bestritten.

Weiters wurde eingewendet, dass das Finanzamt nicht dargelegt habe, welche konkrete schuldhafte Pflichtverletzung dem Bf vorgeworfen werde. Zudem mangle es an Feststellungen zur Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit sowie zur Ermessensübung.

Die Buchhaltung der KG sei von der im Unternehmen beschäftigt gewesenen Tochter des Bf. erstellt worden. Die Lohnverrechnung sei von einem Steuerberater vorgenommen worden, den Zahlungsverkehr habe die Ehegattin des Bf erledigt. Der Bf habe keine Auswahl- oder Kontrollpflichten verletzt, sondern sich erfahrener und versierter Mitarbeiter bedient. Außerdem habe der Bf laufend Besprechungen durchgeführt und die Finanzgebarung der Gesellschaft kontrolliert, was "in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten unabdingbar" gewesen sei.  

Nach Stoll, BAO-Kommentar, 123, bestehe kein genereller Maßstab für die Intensität der Überwachung und für die Zeitspannen, innerhalb denen Kontrollen stattzufinden hätten. Für die Überwachungs- und Überprüfungsdichte seien Art und Bedeutung der Tätigkeit der beauftragten Hilfskräfte, deren Ausbildung und Erfahrung, Kenntnisse sowie ähnliche Qualifikationskomponenten maßgebend. Bei erfahrenen, gut ausgebildeten, bewährten Kräften, deren Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit, Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein erwiesen sei, bei denen unter vorhersehbaren Umständen die Einhaltung der abgabenrechtlichen Vorschriften mit gutem Grund erwartet werden könne – all dies treffe im vorliegenden Fall zu –, reichten bis zum Auftauchen von Anhaltspunkten für eine Unzuverlässigkeit oder Unkorrektheit etwa jährliche Kontrollen anlässlich der Bilanzerstellung.

Die haftungsgegenständlichen Abgaben resultierten zum Großteil aus einer Lohnsteuerprüfung und einer Umsatzsteuerprüfung, welche kurz nach Eröffnung des Konkursverfahrens stattgefunden hätten. Erst zu diesem Zeitpunkt, als der Bf nicht mehr Geschäftsführer gewesen sei, seien "Unrichtigkeiten" festgestellt worden. Daraus folge, dass während der Funktionsperiode des Bf „keine allzu strengen Kontrollpflichten des Geschäftsführers gegenüber den Mitarbeitern in der Verwaltung“ bestanden hätten.

Die Unterscheidung nach Vorsatz und Fahrlässigkeit habe im Bereich des § 9 BAO dem Grunde nach keine Bedeutung, sie könne aber bei der Ausübung des Ermessens zu berücksichtigen sein (Stoll, a. a. O., 127). Welche Schuldform dem Bf zur Last gelegt werde, sei nicht ersichtlich. Da den Bf. überhaupt kein Verschulden treffe, könne keine Haftung nach § 9 BAO eintreten.

Für die Geltendmachung der Haftung sei ein Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten und dem Abgabenausfall erforderlich (Stoll, a.a.O., 120). Ein solcher Zusammenhang könne nur angenommen werden, wenn durch die Unterlassung oder Verspätung, durch die Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit der von einem Vertreter zu verantwortenden Erfüllungshandlungen die damit in Zusammenhang stehenden Abgaben nicht eingebracht werden könnten. Die Pflichtverletzung des Geschäftsführers müsse für den Abgabenausfall ursächlich sein. Wäre eine Abgabe auch ohne die schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers uneinbringlich geworden, hafte der Vertreter nicht (Stoll, a.a.O., 120, 131).

Im vorliegenden Fall sei keine Handlung des Bf, sondern die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der KG ursächlich für die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen, die aus abgabenbehördlichen Prüfungen nach Konkurseröffnung resultierten.

Bei der Ermessensübung seien unter anderem die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Vertreters sowie „Unbilligkeiten angesichts lange verstrichener Zeit“ zu berücksichtigen. Dem Haftungsbescheid sei nicht zu entnehmen, auf welche Erwägungen die Ausübung des Ermessens gestützt worden sei.

5. Mit Berufungsvorentscheidung vom gab das Finanzamt der Berufung keine Folge. Dabei stützte sich das Finanzamt nach Darstellung des Verfahrensganges und der haftungsrechtlichen Grundlagen im Wesentlichen auf die einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur erhöhten Mitwirkungspflicht des zur Haftung herangezogenen Vertreters, welcher der Bf nicht in ausreichendem Umfang nachgekommen sei.

6. Im Vorlageantrag vom wurde insbesondere die fehlende Ermessensübung bemängelt und dabei auf jene Rechtsprechung verwiesen, der zufolge die Geltendmachung der Haftung angesichts bereits lange verstrichener Zeit unbillig sein könne (; , ). Eine solche Unbilligkeit sei im vorliegenden Beschwerdefall gegeben, weil die Haftungsinanspruchnahme des Bf. nicht innerhalb angemessener Zeit, sondern erst zirka 11 Jahre (wohl ein Versehen; gemeint gewesen sein dürfte: 7 Jahre) nach der Konkurseröffnung über das Vermögen der KG im Jahr 2004 erfolgt sei.  

7. Mit Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom , gerichtet an den damaligen steuerlichen Vertreter, wurde Folgendes mitgeteilt:

Die Behauptung, Ihr Mandant habe die Abgabenzahlungspflicht nicht verletzt, ist unzutreffend, weil ansonsten kein Abgabenrückstand bestünde. Zu beurteilen ist somit, ob die objektive Verletzung der Abgabenzahlungspflicht Ihrem Mandanten subjektiv vorwerfbar ist.

Das Vorbringen, die erstschuldnerische KG habe während der Zeit der Geschäftsführung durch Ihren Mandanten unter einem „chronischen Geldmangel“ gelitten, deutet darauf hin, dass eine vollständige Entrichtung der Abgabenschulden nicht möglich war. Somit bestand die Verpflichtung zur Befriedigung aller Gesellschaftsschulden im gleichen Verhältnis (Ritz, BAO5, § 9, Tz 11, mwN).

Die bloße Behauptung der Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in Verbindung mit den Ihrem Schreiben vom angeschlossenen Beilagen 1 und 2 reicht zu einer Nachweisführung nicht aus (; ).

Auch wenn ein derartiges Vorbringen keine behördliche Ermittlungspflicht auslöst, weil es keine konkrete auf der Tatsachenebene beweisbare Sachverhaltsbehauptung enthält, wird Ihnen vor Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nochmals Gelegenheit gegeben, die Beachtung des Gebotes der anteiligen Schuldentilgung entsprechend zu belegen. Dies hätte auf die im Vorhalt des Finanzamtes vom (Pkt. 5) dargestellte Art und Weise zu erfolgen.

Dazu wird noch angemerkt, dass die Lohnsteuer vom Gleichbehandlungsgebot ausgenommen und nach Maßgabe des § 78 Abs. 3 EStG vollständig abzuführen ist (vgl. Ritz, a. a. O., § 9, Tz 11d, mwN).

Der erstschuldnerischen KG wurden zwar (aufgrund entsprechender Ansuchen vom , und ) Ratenzahlungen bewilligt. Dies stellt aber schon deshalb keinen Schuldausschließungsgrund dar, weil die Ratenzahlungen nicht eingehalten wurden.

Im Übrigen ändert ein nach Eintritt der Fälligkeit von Abgaben eingebrachtes Ratenansuchen nichts daran, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Abgabenentrichtung vorliegt ().

Das Vorbringen, Abgaben seien erst im Anschluss an abgabenbehördliche Prüfungen nach Eröffnung des Konkurses über die KG festgesetzt worden, erscheint ebenfalls nicht zielführend, weil sich der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertreter seine abgabenrechtlichen Pflichten verletzt hat, grundsätzlich danach bestimmt, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben,  wozu auch die verfahrensgegenständlichen Umsatzsteuern und Lohnabgaben zählen, ist daher maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wäre (; ).

Demnach sind die gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkte der betreffenden Abgaben (hier: § 21 Abs. 1 UStG, § 79 Abs. 1 EStG, § 43 Abs. 1 FLAG) unabhängig davon, wann die Abgaben bescheidmäßig festgesetzt wurden, maßgebend ().

Abgesehen davon betraf die von Ihnen erwähnte Lohnsteuerprüfung den Zeitraum bis xx.7.2004, wobei die diesbezüglichen Nachforderungen nicht im Haftungsbescheid enthalten sind.

Aus dem von Ihnen vorgelegten Schreiben der T_Bank ergibt sich, dass die erstschuldnerische KG der Hausbank als Sicherstellung für die gesamte Geschäftsverbindung mit Generalzessionsvertrag vom 30.9./ ihre gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen im Rahmen des Unternehmens gegenüber allen ausländischen Kunden abgetreten hat.

Diesbezüglich wird auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach im Abschluss eines (globalen) Mantelzessionsvertrages, durch den einerseits die Bank als andrängender Gläubiger begünstigt wird, andererseits andere andrängende Gläubiger – insbesondere der Bund als Abgabengläubiger – benachteiligt werden, eine dem Geschäftsführer vorzuwerfende Pflichtverletzung liegen kann (vgl. zB ; ).

In diesem Zusammenhang wird um Mitteilung ersucht, ob und gegebenenfalls welche Vorsorgen Ihr Mandant getroffen hat, dass die Bedienung anderer als der Bankschulden (insbesondere der Abgabenschulden) durch die Globalzession nicht beeinträchtigt wird.

Nach der Aktenlage spielt die Beurteilung der Frage, ob Ihrem Mandanten eine Verletzung von Auswahl- und Kontrollpflichten vorwerfbar ist, keine entscheidende Rolle, weil davon auszugehen ist, dass Ihr Mandant die Abgabenrückstände kannte. Die Annahme, er sei weder von seiner (für den Zahlungsverkehr verantwortlichen) Ehegattin noch von der (mit der Lohnverrechnung befassten) Tochter über die wirtschaftliche Situation der KG informiert worden, wäre realitätsfern. Weiters wurde in der Berufung ausgeführt, dass Ihr Mandant die Finanzgebarung der Gesellschaft kontrolliert habe, was „in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten geradezu unabdingbar“ gewesen sei. Nicht zuletzt konnten Ihrem Mandanten auch jahrelange Beitreibungsversuche des Finanzamtes nicht verborgen geblieben sein.

Entgegen den Ausführungen in der Berufung enthält der Haftungsbescheid den Vorwurf, dass Ihr Mandant die Verpflichtung, die Abgaben aus den von ihm verwalteten Mitteln zu entrichten, verletzt habe. Dabei bedurfte es keiner näheren Ausführungen zur Kausalität zwischen einer schuldhaften Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall, weil im Fall eines Verschuldens die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben spricht (; ; ).

Aus dem Blickwinkel des Ermessens stünde selbst eine Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften Ihres Mandanten der Geltendmachung der Haftung nicht entgegen (; ; ). Letztlich kann die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld bei Ihrem Mandanten unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit vernachlässigt werden (; ).

Zu der von Ihnen geltend gemachten Unbilligkeit der Haftungsinanspruchnahme angesichts lange verstrichener Zeit wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2014/16/0066, verwiesen. Hieraus ergibt sich für den vorliegenden Beschwerdefall, dass die Zeitspanne von zirka dreieinhalb Jahren zwischen dem Feststehen der Uneinbringlichkeit (mit Abschluss des Konkurses der KG am yy.10.2007) und der Erlassung des angefochtenen Haftungsbescheides (am ) keinesfalls zu einer gänzlichen Abstandnahme von der Haftung führt, sondern lediglich in die Ermessensübung einzufließen hat.

(Im Beschwerdefall Ro 2014/16/0066 wurde der Umstand einer lange verstrichenen Zeit vom Bundesfinanzgericht zwar berücksichtigt, aber eine Unbilligkeit aus anderen Gründen verneint. Dies wurde vom Verwaltungsgerichtshof nicht beanstandet.)

8. Eine Beantwortung dieses Vorhaltes ist nicht erfolgt. Die Vollmacht wurde seitens des steuerlichen Vertreters im Jänner 2017 zurückgelegt.

Infolge einer Zuständigkeitsänderung wurde der Vorhalt dem Bf am neuerlich zugeschickt und am 26. März nachweislich zugestellt. Es erfolgte wiederum keine Reaktion.

9. Am wurde das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Bf eröffnet, zunächst mit Eigenverwaltung. Diese wurde dem Bf am entzogen und ein Masseverwalter bestellt.

Der Masseverwalter zog mit Schreiben vom die im Vorlageantrag gestellten Anträge auf Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung zurück.

Rechtslage

Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die am beim Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden i. S. d. Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. 

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Die im Haftungsbescheid enthaltenen Säumniszuschläge SZA 2003 iHv 114,51 sowie SZA 2004 iHv 3.462,28 wurden erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig. Für diese Abgaben war eine Haftungsinanspruchnahme somit nicht mehr möglich, die Haftungssumme war insoweit einzuschränken.

2. Die grundsätzliche rechtliche Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes sowie der Vorbringen in der Beschwerde ist bereits mit dem oben dargestellten Vorhalt ausführlich erfolgt. Da der Bf diesen Vorhalt nicht beantwortet bzw. sonst in irgendeiner Form darauf reagiert hat, wird nunmehr auf die Ausführungen des Vorhaltes vom bzw. verwiesen.

3. Im oben zitierten Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom wurde darauf hingewiesen, dass laut Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2014/16/0066, die gegenständlich zwischen Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Erlassung des Haftungsbescheides verstrichene Zeitspanne von ca. dreieinhalb Jahren keinesfalls zu einer gänzlichen Abstandnahme von der Haftung zu führen, sondern lediglich in die Ermessensübung einzufließen habe.

Unbeachtlich bleiben muss der abschließende Einwand betreffend die seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens vergangene Zeit. Aus dem Insolvenzakt ist ersichtlich, dass der Masseverwalter einen Prozess sowie Exekution zur Hereinbringung einer erheblichen Forderung der Primärschuldnerin gegen die T_KEG führte, der sich bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen dieser KEG im März 2007 hinzog (LG Innsbruck, 19 S 20/07z). Das Ausmaß der Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin stand bis zu diesem Zeitpunkt nicht fest.

Eine Einschränkung der Haftungsinanspruchnahme um 40 % erscheint im vorliegenden Fall angemessen um der Unbilligkeit Rechnung zu tragen, welche sich aus der dreieinhalbjährigen Zeitspanne zwischen der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und der Haftungsinanspruchnahme ergibt.

Eine weitere Herabsetzung der Haftschuld kam nicht infrage, da im Ermessen nicht nur die Billigkeit, sondern auch die Zweckmäßigkeit, somit die Interessen des Abgabengläubigers Berücksichtigung zu finden haben. Die Ausführungen in Berufung und Vorlageantrag konnten aus den bereits im Vorhalt vom ausführlich dargelegten Umständen nicht zur begehrten Aufhebung des Haftungsbescheides führen. Es wurde daher im Rahmen der Ermessensübung in erster Linie der Zweck der Haftungsnorm als Besicherungsinstrument schlagend. Im öffentlichen Interesse der Einbringung der offenen Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin hatte das Finanzamt daher den Bf zur Haftung heranzuziehen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Zu sämtlichen Beschwerdepunkten existiert eine einheitliche höchstgerichtliche Rechtsprechung, weshalb grundsätzlich bedeutsame Rechtsfragen gegenständlich nicht vorliegen.

Innsbruck, am

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