Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 12.09.2018, RV/3101280/2016

Familienbeihilfenanspruch - Zuständigkeit nach der VO (EG) 883/2004

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3101280/2016-RS1
Übt ein Elternteil in einem Mitgliedsstaat (gegenständlich Italien) eine nichtselbständige, in einem anderen Mitgliedsstaat (gegenständlich Österreich) eine selbständige Tätigkeit aus, unterliegt dieser nach der VO (EG) 883/2004 ausschließlich den Rechtsvorschriften des erstgenannten Mitgliedsstaates (gegenständlich Italien). Übt der andere Elternteil ausschließlich im erstgenannten Mitgliedsstaat (gegenständlich Italien) eine Erwerbstätigkeit aus, unterliegt auch der andere Elternteil ausschließlich den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedsstaates. Lebt zudem die gesamte Familie im erstgenannten Mitgliedsstaat, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe oder Differenzzahlung gegenüber dem zweitgenannten Mitgliedsstaat (gegenständlich Österreich).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden R****** und die weiteren Senatsmitglieder M1******, M2****** und M3****** in der Beschwerdesache B******, vertreten durch die Zinell & Madritsch Wirtschaftsprüfungs- und SteuerberatungsgesmbH, Fanny Wibmer-Pedit-Straße 3, 9900 Lienz, über die Beschwerden

1.
vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kitzbühel Lienz vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe/Differenzzahlung und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Jänner 2013 bis Juni 2016
und

2.
vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kitzbühel Lienz vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe/Differenzzahlung und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Jänner 2011 bis Dezember 2012
 

 in der Sitzung am

zu Recht erkannt:

I.

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang:

Mit Anträgen vom begehrte der Beihilfenwerber die Auszahlung einer Differenzzahlung für die Kinder [Kind1], [Kind2] und [Kind3] ab bzw ab Geburt bis Ende des Jahres 2013. Der Beihilfenwerber wäre italienischer Staatsbürger und sei ledig. Er lebe mit einer italienischen Staatsbürgerin in einer Lebensgemeinschaft mit gemeinsamem Wohnsitz in Italien. Seit würde er einer Beschäftigung in Österreich nachgehen. Andere Beschäftigungen wurden nicht angegeben. Er wäre Vater der genannten Kinder, welche ebenfalls die italienische Staatsbürgerschaft besitzen und ständig am gemeinsamen Wohnsitz wohnen würden. Das älteste Kind besuche die Grundschule in Italien. Die haushaltsführende Lebensgefährtin verzichte auf ihren Anspruch zu seinen Gunsten. Das Feld, in welchem eine Beschäftigung der Lebensgefährtin anzugeben wäre, blieb unausgefüllt.
Dem beigelgten Formular E 401 ist zu entnehmen, dass seine Lebensgefährtin einer Erwerbstätigkeit in Italien nachgeht. Im ebenfalls beigelegten Formular E 411 wird angeführt, dass die Lebensgefährtin im Zeitraum Jänner 2011 bis Dezember 2013 eine nicht näher bezeichnete berufliche (selbständige) Tätigkeit ausgeübt und keinen Anspruch auf Familiengeld in Italien habe.

Mit 20. und ergingen unter Bezugnahme auf die einschlägigen Verordnungen der Europäischen Union zwei "Ausgleichszahlungsbescheide" für die Jahre 2011 und 2012. Mit diesen wurde antragsgemäß eine österreichische "Ausgleichszahlung" (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag in Höhe von 100% der österreichischen Sätze) zuerkannt.

Ende des Jahres 2014 wurde durch das Finanzamt ein Überprüfungsschreiben versendet und mit diesem die Vorlage neuer Formulare E 401 und 411 sowie einer Schulbestätigung des ältesten Kindes angefordert. Dieser Aufforderung kam der Beihilfenbezieher nach. Demnach habe auch im Jahr 2014 kein Anspruch auf italienisches Familiengeld bestanden.

Ende September 2015 wurde ein weiterer Antrag auf Gewährung einer Differenzzahlung für das Kind [Kind4] gestellt, welchem entsprochen wurde. Wiederum wurde nur auf die in Österreich ausgeübte Erwerbstätigkeit hingewiesen.

Insgesamt zahlte das Finanzamt Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für alle Kinder ab Jänner 2011 bzw deren Geburt bis inklusive Juni 2016 aus.

Im Jahr 2016 wurde das Finanzamt auf Grund der Feststellungen im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung in Form einer Kontrollmitteilung darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Beihilfenbezieher nicht der österreichischen Sozialversicherung unterliegen würde.
Daraufhin forderte das Finanzamt mit Bescheiden vom 11. August bzw die ausbezahlten Familienleistungen (Familienbeihilfe bzw Kinderabsetzbeträge) zurück. Dies mit der Begründung, dass weder der Beihilfenbezieher noch seine "Ehegattin" in Österreich sozialversicherungspflichtig wären.

Mit Beschwerden vom (betreffend den Bescheid vom ) und vom (betreffend den Bescheid vom ) wurden rechtzeitig im Wesentlichen gleichlautende Rechtsmittel gegen die Rückforderungsbescheide erhoben. Der Beschwerdeführer habe seinen Wohnsitz in Italien und sei Geschäftsführer einer österreichischen GmbH. Ab dem Jahr 2011 würde er auf Grund seines Antrages in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig behandelt. Die in Italien erzielten Einkünfte wären offen gelegt worden. Der Beschwerdeführer wäre mit den selbständigen Einkünften aus der Geschäftsführertätigkeit "grundsätzlich in Österreich sozialversicherungspflichtig nach dem GSVG". Auf Grund geltenden EU-Rechts habe er wegen der bestehenden Sozialversicherung in Italien "eine Befreiung von der österreichischen Sozialversicherung beantragt, welche auch genehmigt worden sei. Im Zuge der Beantragung der Familienleistungen in Österreich im Jahr 2013 wären sämtliche Umstände offengelegt und die vom Finanzamt angeforderten Unterlagen übermittelt worden. Nachdem das Finanzamt nicht nur für die Gewährung der Familienleistungen, sondern auch für die steuerliche Veranlagung zuständig sei, habe "es über die diesbezügliche Antragstellung hinaus auch entsprechende amtliche Wahrnehmungen" gegeben. Die vollumfänglich fristgerecht offen gelegten Umstände hätten seither keinerlei Veränderungen erfahren. In den Rückforderungsbescheiden seien keinerlei Rechtsvorschriften angeführt. Im Übrigen sei der bekämpfte Bescheid auch deshalb aufzuheben, da der Beschwerdeführer unter Offenlegung sämtlicher Umstände beim "für alle Belange zuständigen" Finanzamt die bescheidmäßig zuerkannten Familienleistungen im "Guten Glauben" bezogen und verbraucht habe.
Letztlich sei für die gegenständliche Rückforderung der bezahlten Familienleistungen für die Zeiträume 1/2011 bis 12/2012 bereits Verjährung eingetreten.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung stellte das Finanzamt den entscheidungsrelevanten Sachverhalt umfassend dar und fügte auch mittels Screenshots Teile der Erklärung des Beschwerdeführers für die Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG sowie das von der zuständigen italienischen Stelle bestätigte A1-Formular ein. Es folgte die rechtliche Würdigung.

Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Der Rechtsansicht, dass durch das (untergeordnete) Dienstverhältnis in Italien die die Familienleistungen rechtfertigende, unstrittig tatsächlich vorhandene selbständige Erwerbstätigkeit in Österreich für den Bereich der Familienleistungen rechtlich gegenstandslos sei, werde "entschieden widersprochen". Die selbständigen Einkünfte in Österreich würden zudem die Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit "aus einem gewöhnlichen Dienstverhältnis" in Italien bei weitem überwiegen. Ein Umstand der in die Betrachtung einbezogen werden müsse. Neuerlich werde darauf hingewiesen, dass die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Österreich versteuert worden seien und dass die (untergeordneten) unselbständigen Einkünfte in Italien auch regelmäßig der Behörde bekannt gegeben worden seien. Dies werde von der Behörde auch nicht bestritten. Die Behörde habe das Dienstverhältnis in Italien nicht näher nach seinen Ausprägungen untersucht und damit den Sachverhalt unvollständig erhoben und das Parteiengehör verletzt. Die bekämpften Bescheide wären wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes ersatzlos aufzuheben.

Das Finanzamt legte die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Abweisung.

2. Sachverhalt:

An Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes unbestritten, dass im Streitzeitraum

- der Beschwerdeführer der leibliche Vater der im gegenständlichen Fall in Rede stehenden Kinder ist und zusammen mit der Kindesmutter und den Kindernin Italien wohnt,
- alle Familienmitglieder die italienische Staatsbürgerschaft besitzen,
- ein Wohnsitz in Österreich hinsichtlich der gesamten Familie oder einzelner Familienmitglieder nicht bestanden hat,
- der Beschwerdeführer als Geschäftsführer einer österreichischen GmbH selbständig tätig war und gleichzeitig einer nichtselbständigen Tätigkeit in Italien nachgegangen ist,
- der Beschwerdeführer einen Antrag nach § 1 Abs 4 EStG 1988 gestellt hat und daher in Österreich als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wurde,
- der Beschwerdeführer mit seinen gesamten Einkünften den Vorschriften über die soziale Sicherheit von Italien unterliegt (Bestätigung Formular A1),
- die Kindesmutter und Lebenspartnerin des Beschwerdeführers in Italien einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht,
- in Italien kein Anspruch auf Familiengeld besteht,
- dem Beschwerdeführer österreichische Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge ausbezahlt wurde, wobei die erste Auszahlung (je nach Lebensalter der Kinder rückwirkend bis Jänner 2011) im Jänner 2014 erfolgte.

3. Rechtslage:

Nach Art 2 Abs 1 VO(EG) 883/2004 (folgend VO genannt) gilt diese Verordnung für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.
Art 3 Abs 1 lit j VO normiert, dass diese Verordnung ua für alle Rechtsvorschriften, die Familienleistungen betreffen, gilt.
Gemäß Art 11 Abs 1 VO unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Abs 3 lit a dieser Bestimmung normiert, dass eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats unterliegt. Nach Art 13 Abs 3 VO unterliegt eine Person, die gewöhnlich in verschiedenen Mitgliedstaaten eine Beschäftigung und eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie eine Beschäftigung ausübt.
Art 1 lit q sublit i VO bestimmt als zuständigen Träger den Träger, bei dem die betreffende Person zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Leistungen versichert ist. Entsprechend lit s ist „zuständiger Mitgliedstaat" der Mitgliedstaat, in dem der zuständige Träger seinen Sitz hat.

Nach Art 67 VO hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Art 68 VO bestimmt Prioritätsregeln für den Fall, dass für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren sind.

Gemäß Art 5 Abs 1 VO(EG) 987/2009 (folgend DVO genannt) sind vom Träger eines Mitgliedstaats ausgestellte Dokumente, in denen der Status einer Person für die Zwecke der Anwendung der Grundverordnung und der Durchführungsverordnung bescheinigt wird, sowie Belege, auf deren Grundlage die Dokumente ausgestellt wurden, für die Träger der anderen Mitgliedstaaten so lange verbindlich, wie sie nicht von dem Mitgliedstaat, in dem sie ausgestellt wurden, widerrufen oder für ungültig erklärt werden.

§ 2 Abs 1 FLAG 1967 regelt, dass Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unter weiteren Voraussetzungen einen Anspruch auf Familienbeihilfe haben. Abs 8 dieser Bestimmung normiert als eine weitere Voraussetzung, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen der in Rede stehenden Personen im Bundesgebiet befinden muss.

Nach § 33 Abs 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich € 58,40 für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.

§ 26 FLAG 1967 bestimmt, dass zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe zurückzuzahlen ist.

4. Erwägungen:

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem unstrittigen Sachverhalt, dass der Beschwerdeführer in Österreich einer selbständigen und in Italien einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht. Durch die Erwerbstätigkeit in zwei Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist die Anwendbarkeit der oben angeführten Verordnungen der Europäischen Union gegeben.

Die österreichische Familienbeihilfe stellt zweifelsfrei eine Familienleistung iSd VO dar. Auch der in Österreich zur Familienbeihilfe zusätzlich nach § 33 Abs 3 EStG 1988 gewährte Kinderabsetzbetrag fällt nach der ständigen Rechtsprechung (vgl zB UFS, , RV/0130-L/11) unstrittig unter den Begriff "Familienleistung" nach der VO (vgl auch Aigner in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 4, Rz 11). Der Kinderabsetzbetrag wird gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlt und nicht in die Berechnung der Einkommensteuer einbezogen. Dieser stellt demnach keinen Absetzbetrag in steuerrechtlicher Hinsicht dar, da dieser die Steuerberechnung nicht beeinflusst (vgl auch Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2017, § 33 Tz 71). Beim Kinderabsetzbetrag handelt es sich im wirtschaftlichen Sinne somit um einen Zuschlag zur Familienbeihilfe. Aus diesem Grund errechnet sich ein von Österreich als subsidiär zuständiger Mitgliedstaat zu bezahlender Differenzbetrag indem der ausländischen Familienleistung die österreichische Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag gegenübergestellt wird (vgl zB Adelheid Stöger, "Unionsrechtliche Aspekte des Anspruchs auf Familienbeihilfe", Ziffer 4.4.3.3). Der Umstand, dass der Kinderabsetzbetrag (im Einkommensteuergesetz) und die Familienbeihilfe (im Familienlastenausgleichsgesetz) in Österreich in unterschiedlichen gesetzlichen Bestimmungen geregelt sind, vermag an der Eigenschaft des Absetzbetrages als Familienleistung iS der VO nichts zu ändern. Der Grund der unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen in Österreich liegt im Wesentlichen darin, dass die Familienbeihilfe zu Lasten des Familienlastenausgleichsfonds, der aus Dienstgeberbeiträgen nach § 39 FLAG 1967 gespeist wird, hingegen der Kinderabsetzbetrag aus dem Einkommensteueraufkommen finanziert wird (vgl auch Doralt, EStG § 33 Tz 36).

Für die Klärung der Zuständigkeit für die Zahlung von Familienleistungen ergibt sich aus den einschlägigen Vorschriften, dass eine Person auch bei Erwerbstätigkeiten in mehreren Mitgliedstaaten den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates unterliegt (Art 11 Abs 1 VO).
Der Beschwerdeführer unterliegt demnach ausschließlich den Rechtsvorschriften Italiens, da nach Art 13 Abs 3 VO bei Ausübung einer Beschäftigung (nichtselbständigen Tätigkeit) in einem Mitgliedstaat und einer selbständigen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat grundsätzlich die Rechtsvorschriften des erstgenannten Staates anzuwenden sind. Dies unabhängig davon, auf Grund welcher Einkunftsquelle höhere Einkünfte erzielt werden.
Dieser Umstand wurde durch die zuständigen italienischen Stellen durch Ausstellung eines Formulares A1 auch bescheinigt und ist diese Bestätigung verbindlich (Art 5 Abs 1 DVO). Es trifft somit nicht zu, dass der Beschwerdeführer "grundsätzlich in Österreich sozialversicherungspflichtig nach dem GSVG" gewesen wäre und nur auf Grund eines Antrages von dieser Pflicht befreit worden wäre. Vielmehr bestand nach den unionsrechtlichen Bestimmungen bereits dem Grunde nach keine Sozialversicherungspflicht in Österreich.
Die Kindesmutter und Lebenspartnerin des Beschwerdeführers geht ausschließlich in Italien einer Erwerbstätigkeit nach. Demnach unterliegt sie zweifelsfrei ebenfalls den Rechtsvorschriften Italiens.

Der Anspruch auf Familienleistungen besteht nach den unionsrechtlichen Regelungen gegenüber dem "zuständigen Mitgliedstaat". Dies unabhängig davon, ob die anspruchsvermittelnde Person oder deren Familienangehörigen im zuständigen oder in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Als "zuständigen Mitgliedstaat" bestimmt die VO jenen Staat, in dem der "zuständige Träger" seinen Sitz hat. "Zuständiger Träger" ist jener Träger, bei dem die betreffende Person zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Leistungen versichert ist (Art 1 VO).
Im vorliegenden Fall ergibt sich, dass beide Elternteile den Rechtsvorschriften Italiens unterliegen, bei einem italienischen Träger versichert sind und daher Italien jeweils "zuständiger Mitgliedstaat" ist.
Da sich der Wohnsitz der gesamten Familie in Italien befindet und Italien sowohl für die Kindesmutter als auch für den Beschwerdeführer "zuständiger Mitgliedstaat" ist, sind die Familienleistungen ausschließlich von Italien nach den dortigen nationalen Rechtsvorschriften zu erbringen. Ein weiterer "zuständiger Mitgliedstaat", der die Anwendbarkeit der Prioritätsregeln des Art 68 VO herbeiführen und eine unionsrechtliche Prüfung von vorrangiger und nachrangiger Zuständigkeiten bedingen würde, besteht nicht.

Mangels Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt bzw Mittelpunkt der Lebensinteressen kann der Beschwerdeführer auch aus dem rein innerstaatlichen österreichischem Recht keine - über die Verordnungsregelungen hinausgehenden - Ansprüche auf Familienbeihilfe ableiten.

Damit steht für den vorliegenden Fall fest, dass ein Anspruch auf Familienleistungen ausschließlich gegenüber dem - einzig zuständigen - Mitgliedstaat Italien innerhalb der Grenzen des italienischen innerstaatlichen Recht besteht. Ein Anspruch auf österreichische Familienleistungen besteht weder prioritär, noch subsidiär oder alleine auf Grund des innerstaatlichen Rechts. Daran ändert auch nichts, dass der Beschwerdeführer auf Grund eines Antrages in Österreich als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wurde, da die - im vorliegenden Fall auf einem freiwillig gestellten Antrag beruhende - steuerliche Behandlung von Einkünften kein Kriterium bei der Anwendung der VO, der DVO oder der innerstaatlichen Rechtsgrundlagen für den Bezug der in Rede stehenden Familienleistungen darstellt.
Gleichermaßen spielt es für den Anspruch auf Familienleistungen im gegenständlichen Fall keine Rolle, dass ein Großteil der Einkünfte des Beschwerdeführers in Österreich erzielt werden, da beim Zusammentreffen einer in einem Mitgliedstaat ausgeübten nichtselbständigen mit einer in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübten selbständigen Tätigkeit nach den Unionsregelungen die Höhe der im jeweiligen Staat erzielten Einkünfte für die Zuordnung keine Rolle spielt (unbedingter Vorrang der nichtselbständigen Tätigkeit nach Art 13 Abs 3 VO). Eine andere Sichtweise wäre beispielsweise geboten, wenn etwa eine nichtselbständige Tätigkeit in zwei Mitgliedstaaten ausgeübt werden würde (vgl Art 13 Abs 1 oder 2 VO). Ein derartiger Sachverhalt liegt gegenständlich aber nicht vor. Zudem wird durch die Bestätigung des italienischen Trägers (Formular A1) die Zuständigkeit verbindlich festgelegt (Art 5 Abs 1 DVO).

Wenn, wie auf Grund der oben stehenden Überlegungen fest steht, ein Anspruch des Beschwerdeführers auf den Bezug österreichischer Familienleistungen für seine Kinder nicht bestanden hat, wurden die an ihn ausbezahlten Gelder zu Unrecht bezogen. In einem derartigen Fall sieht der auch für den Kinderabsetzbetrag anzuwendende § 26 Abs 1 FLAG 1967 eine eigenständige und unabhängig von einer Bescheiderstellung anzuwendende Rückzahlungsverpflichtung vor. In ständiger Rechtsprechung weist der Verwaltungsgerichtshof (vgl etwa , , und ) zudem darauf hin, dass es sich dabei um eine objektive Erstattungspflicht handelt. Nach der Intention des Gesetzgebers sind somit subjektive Momente bei der Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge nicht zu berücksichtigen. Derjenige, der die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen hat, hat ohne Rücksicht darauf, ob die bezogenen Beträge gutgläubig empfangen worden sind oder nicht und ob die Rückgabe eine Härte bedeutet, diese rückzuerstatten. Das Vorliegen einer einzelfallbedingten sachlichen Einhebungsunbilligkeit ist daher auch dann zu verneinen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich auf einer Fehlleistung der Behörde beruht und der unrechtmäßige Bezug der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge ausschließlich durch ein Versehen eines oder einer Bediensteten der Finanzverwaltung verursacht wird. Eine Rückforderung hat demnach zwingend immer dann zu erfolgen, wenn die gesetzlich vorgesehenen Anspruchsvoraussetzungen für die Auszahlung der Familienbeihilfe sowie des Kinderabsetzbetrages nicht vorgelegen haben. Dabei wird der für die Rückforderung zuständigen Abgabenbehörde kein Ermessensspielraum eingeräumt.
Die Verpflichtung zur Rückzahlung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge kann auch nicht mit dem Hinweis darauf abgewendet werden, dass die Beihilfen im guten Glauben bezogen und verbraucht worden seien. Diese Einwendung wäre nur dort zielführend, wo sich ein Rückforderungsanspruch auf die Normen des bürgerlichen Rechtes als Ausdruck eines allgemein geltenden Rechtsgrundsatzes gründet.
Treu und Glauben ist nach der Rechtsprechung eine allgemeine, ungeschriebene Rechtsmaxime, die grundsätzlich auch im öffentlichen Recht zu beachten ist. Gemeint ist damit, dass jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort und seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftigen Grund in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertraut haben. Allerdings ist das in Art 18 Abs 1 B-VG normierte Legalitätsgebot stärker als der Grundsatz von Treu und Glauben. Der Grundsatz von Treu und Glauben kann sich zwar in jenem Bereich auswirken, in welchem es auf Fragen der Billigkeit (§ 20 BAO; zB Wiederaufnahme des Verfahrens § 303 BAO) ankommt (). Von Bedeutung ist dieser Grundsatz – im Rahmen einer vorzunehmenden Ermessensübung – dort, wo der Steuerpflichtige durch die Abgabenbehörde (auf Grund einer erteilten Auskunft) zu einem bestimmten Verhalten veranlasst wurde () oder im Vertrauen auf einen Erlass des BMF ein erlasskonformes Verhalten gesetzt hat (). Einer - wie oben ausgeführt zwingend und unabhängig von Billigkeitsüberlegungen vorzunehmenden - Rückforderung von zu Unrecht in Empfang genommener Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen steht der Grundsatz von Treu und Glauben aber nicht entgegen.
Im Übrigen hat der Beschwerdeführer in seinen Anträgen auf Auszahlung der Differenzzahlung an Familienleistungen  aus dem Jahr 2013 bzw 2015 in das Feld, in welchem seine in- und ausländischen Beschäftigungen anzugeben wären, lediglich die Beschäftigung bei der inländischen GmbH angeführt. Seine nichtselbständige Beschäftigung in Italien wurde in den Anträgen ebenso nicht offen gelegt, wie die selbständige Beschäftigung der Lebensgefährtin und Kindesmutter in Italien. Letztere ist jedoch dem Formular E 411 zu entnehmen, das den Anträgen beigefügt war. Die nichtselbständige Beschäftigung des Beschwerdeführers in Italien scheint auch in den beigelegten Einkommensteuerbescheiden 2011 und 2012 nicht auf und ist daher für die für Familienleistungen zuständige Stelle im Finanzamt nicht erkenntlich geworden. Dass im Einkommensteuerverfahren allenfalls das Formular E 9 eingereicht wurde (das im Jahr 2013 erstellte Formular für das Jahr 2012 trägt keinen Einlaufstempel) und gegenüber der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft bereits im Jahr 2011 unter Beilage des Formulares A 1 festgehalten wurde, dass in Österreich keine Beitragspflicht besteht, war der für die Beihilfenauszahlung zuständigen Stelle offensichtlich nicht bekannt und wurde diese seitens des Beschwerdeführers bzw dessen steuerlichen Vertreters darauf auch nicht hingewiesen.
Insoweit ist dem Beschwerdeführer entgegenzutreten, wenn behauptet wird, der Abgabenbehörde wäre das Vorliegen seiner zwei Erwerbstätigkeiten, einerseits in Österreich, andererseits in Italien, von Anfang an bekannt gewesen. Es mag zwar zutreffen, dass dieser Umstand in der für die Einkommensteuerveranlagung zuständigen Stelle bekannt gewesen ist, nicht jedoch in der für die Beihilfenauszahlung zuständigen Stelle. Ungeachtet dessen, wäre aber auch dann, wenn diese Kenntnis in der für die Beihilfenauszahlung zuständigen Stelle bestanden hätte, - wie oben ausgeführt - eine Rückforderung nach § 26 FLAG 1967 zulässig.
Letztlich kann der Beschwerdeeinwand der Verjährung nicht zu einer Aufhebung der die Jahre 2011 und 2012 betreffenden Bescheide führen. Wie bereits das Finanzamt ausgeführt hat, erfolgte die (rückwirkende) Auszahlung der in Rede stehenden Beträge auf Grund der im November 2013 gestellten Anträge im Jänner 2014 und somit wurden auch die im Jahr 2016 ergangenen Rückforderungsbescheide innerhalb der Fünfjahresfrist erlassen.

Die Kinderabsetzbeträge teilen das Schicksal der Familienbeihilfe und waren daher ebenfalls zurückzufordern (§ 33 Abs 3 EStG 1988 iVm § 26 FLAG 1967).

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

5. Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall hat sich das Bundesfinanzgericht an der vorhandenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientiert und ist von dieser nicht abgewichen. Im Übrigen ergeben sich die Schlussfolgerungen aus dem festgestellten Sachverhalt und dem klaren und eindeutigen Gesetzes- bzw Verordnungstext. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war nicht zu beantworten.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 26 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 2 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 3 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 11 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 13 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 67 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 5 VO 987/2009, ABl. Nr. L 284 vom S. 1
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.3101280.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at