Entscheidungspflicht nach § 295 BAO, wenn der geänderte Grundlagenbescheid keine steuerliche Auswirkung beim abgeleiteten ESt-Bescheid hat (geänderte Höhe des Sanierungsgewinnes)?
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter, Mag. Dieter Fröhlich über den gemäß § 323 Abs. 38 BAO i.V.m. und Art 151 Abs. 51 Z. 8 B-VG als Säumnisbeschwerde zu erledigenden Devolutionsantrag nach § 311 BAO idF vor dem vom der Bf., X1 geboren, als Erbin nach M., Adr. wohnhaft, betreffend Änderung des Einkommensteuerbescheides 1997 vom , StNr. X2, des Finanzamtes *** gemäß § 295 BAO
beschlossen:
Die Säumnisbeschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) i.V.m. § 25a VwGG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Der Ehegatte der Beschwerdeführerin, in dessen steuerliche Rechtstellung sie nach dessen Tode als Erbin eingetreten ist, war im Jahr 1997 unter anderem atypisch stiller Gesellschafter der Mitunternehmerschaft, A. und atypisch A-".
Im Zuge einer bei der genannten Mitunternehmerschaft im Jahr 1999 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung kürzte der Prüfer den erklärten Sanierungsgewinn von zunächst ATS 79.357.256,-- auf ATS 74.480.607,-- und aberkannte für diesen - soweit er auf die atypisch stillen Gesellschafter entfiel (sohin für einen Betrag von insgesamt ATS 60.843.208,--) - die Steuerfreiheit nach § 36 EStG 1988 in der damals maßgeblichen Fassung vor BGBl. Nr. 201/1996 (s. Prüfungsbericht vom , Tz 16 lit. i).
Der Auffassung des Prüfers folgend nahm das Finanzamt das Feststellungsverfahren 1997 mit "Bescheid" vom wieder auf und erließ neue "Sachbescheide", in welchen den stillen Gesellschaftern die Steuerfreiheit für ihre jeweiligen Anteile am Sanierungsgewinn versagt wurde. Im anschließenden Berufungsverfahren stellte sich jedoch heraus, dass der neue Feststellungs-"Bescheid" - ebenso wie die zuvor erklärungsgemäß ergangene (und nunmehr "wiederaufgenommene") Erledigung - rechtsunwirksam erlassen wurde.
Der erste rechtswirksame Feststellungsbescheid für 1997 erging schließlich per . Dieser entsprach inhaltlich dem Ergebnis der im Jahr 1999 durchgeführten - und 2000 abgeschlossenen - Betriebsprüfung. Die Steuerfreiheit für die Anteile der "Stillen" am Sanierungsgewinn wurde also nicht gewährt.
Nach Ausschöpfung des Instanzenzuges sowie nach Anstrengung eines VwGH-Verfahrens sprach der UFS letztendlich - nach Ergehen eines aufhebenden VwGH-Erkenntnisses - mit Berufungsentscheidung vom , RV/0486-G/10, aus, dass die Steuerbegünstigung des § 36 EStG grundsätzlich auch für die Anteile der atypisch stillen Gesellschafter am Sanierungsgewinn zur Anwendung komme.
Mit dem gegenständlichen Devolutionsantrag vom begehrt die Bf. als Rechtsnachfolgerin des M. eine auf § 295 BAO gestützte Änderung seines Einkommensteuerbescheides für das Veranlagungsjahr 1997 vom . In diesem Einkommensteuerbescheid sind negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb von - ATS 1920 und positive Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von ATS 876.959 festgestellt worden, sodass nach horizontalem Verlustausgleich daraus ein zu versteuerndes Einkommen von ATS 872.239 resultierte.
Daraus folgt bereits, dass die Höhe des steuerfreien Sanierungsgewinnes im Gewinnanteil des M. aus seiner Beteiligung an der A. und atypisch A- (idF kurz A-) im Jahr 1997 ohne eine steuerliche Auswirkung auf den Einkommensteuerbescheid 1997 war, weil sich nach innerbetrieblichen Verlustausgleich seiner Einkünfte aus Gewerbetrieb, die aus mehreren Einkunftsquellen stammten, insgesamt ein Verlust (- ATS 1920) ergab. Ob bei diesem innerbetrieblichen Verlustausgleich die positiven Einkünften aus der A- als Sanierungsgewinn gemäß § 36 EStG steuerbefreit waren oder steuerpflichtig waren, ändert nichts an der Höhe des ermittelten Verlustes der Einkünfte aus Gewerbebetrieb von ATS 1920.
Der Ausgang des Feststellungsverfahren bei der A- hinsichtlich der richtigen Höhe des in den Einkünften enthaltenen Sanierungsgewinnes war daher für die Höhe der Einkommenssteuer des M. 1997 ohne Ergebnisauswirkung.
Der Ehegatte der Bf. rügte in den Devolutionsantrag vom jedoch, dass das für die Veranlagung seiner Einkommensteuer zuständige Finanzamt es bislang unterlassen habe, von amtswegen seinen Einkommensteuerbescheid 1997 gemäß § 295 BAO abzuändern, um die Einkünfte aus seiner Beteiligung an der "B-AG & atypisch A- Gesellschaft" entsprechend der nunmehr gültigen Berufungsentscheidung des zu berücksichtigen. Auf Grund der Bestimmung des § 209a BAO würde selbst eine allenfalls bereits eingetretene Verjährung der Anpassung der Einkommensteuerfestsetzung nicht entgegenstehen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Werden Bescheide der Abgabenbehörden erster Instanz der Partei nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt der Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97), so kann jede Partei, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat, gemäß § 311 Abs. 2 BAO den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragen (Devolutionsantrag).
§ 295 Abs. 1 BAO normiert:
Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben.
Ein auf § 295 Abs. 1 BAO gestützter Bescheid ist nur dann zu erlassen, wenn hierdurch ein abgeleiteter Bescheid aufgehoben oder abgeändert wird. Würde die nachträgliche Erlassung eines Grundlagenbescheides zu keiner Änderung des abgeleiteten Bescheides führen, so ist kein auf § 295 gestützter unveränderter Bescheid zu erlassen (Ritz, BAO-Kommentar 4. Auflage, § 295 Tz 9).
Auf Grund der dargestellten Rechtslage besteht im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht der Bf keine Veranlassung, auf Grund der o.a. Berufungsentscheidung des eine auf § 295 BAO gestützte Anpassung der Einkommensteuerfestsetzung für 1997 vorzunehmen, und zwar aus folgenden Gründen:
Die Bf. begehrt in der Säumnisbeschwerde, dass von amtswegen gemäß § 295 BAO eine Abänderung bzw. Anpassung des Einkommensteuerbescheides 1997 vom erfolgen müsse, im Hinblick auf die im Feststellungsverfahren der Mitunternehmerschaft " A- Gesellschaft" ergangene UFS-Entscheidung RV/0486-G/10 vom .
Mit der angeführten Berufungsentscheidung sprach der UFS aus, dass in den gegenüber der Feststellungserklärung der Höhe nach unverändert gebliebenen Einkunftsanteilen der atypischen stillen Gesellschafter jeweils auch ein anteiliger Sanierungsgewinn iSd. § 36 EStG enthalten sei.
Die Entscheidung des UFS unterscheidet sich von sämtlichen im gegenständlichen Feststellungsverfahren zuvor ergangenen Erledigungen einzig im Ausspruch, dass in den Gewinnanteilen der stillen Gesellschafter jeweils auch ein der Begünstigung des § 36 EStG zugänglicher (anteiliger) Sanierungsgewinn enthalten sei.
Dieser Umstand vermag jedoch im Ergebnis keine Änderung des an den Ehegatten der Bf. ergangenen abgeleiteten Einkommensteuerbescheides 1997 herbeizuführen. Nach übereinstimmender Lehre und Rechtsprechung sind der Begünstigung des § 36 EStG nur jene Teile des Sanierungsgewinnes zugänglich, die in einem positiven Einkommen enthalten sind und damit überhaupt einer Besteuerung unterliegen. Sanierungsgewinn kann maximal nur das sein, was von einer Betriebsvermögensvermehrung durch Schuldnachlass nach Ausgleich eines Verlustes aus demselben Betrieb oder aus derselben Einkunftsart verbleibt. Die Reihenfolge dieser Maßnahmen ist die, dass zuerst ein innerbetrieblicher Verlustausgleich und dann der horizontale Verlustausgleich vorzunehmen ist (s. zB Quantschnigg/Schuch, ESt-HB, § 36 Tz 12; sowie zuletzt etwa ). Ist das Einkommen, wie im vorliegenden Fall, insgesamt größer als der Sanierungsgewinn, dann ist derselbe bis zur Höhe der Einkünfte aus der Einkunftsart, in welcher der Sanierungsgewinn angefallen ist, aus dem Einkommen auszuscheiden. Dies deshalb, weil der Verlustausgleich primär innerhalb derselben Einkunftsart vorzunehmen ist und daher das Einkommen nur mehr jenen Teil des Sanierungsgewinnes enthält, der nach Ausgleich mit dem Verlust derselben Einkunftsart als Einkünfte verblieben ist ().
Die. im Jahr 1997 erzielten positiven und negativen Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden im letztgültigen Einkommensteuerbescheid vom bereits saldiert.
Der sich ergebende Saldo ist unstrittig negativ (- ATS 1920), weshalb für eine Anwendung der Tarifbegünstigung des § 36 EStG bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb kein Raum bleibt. Nachdem sich nach innerbetrieblichen Verlustausgleich insgesamt ein Verlust aus den Einkünfte aus Gewerbebetrieb ergab, ist das Vorliegen einer Tarifbegünstigung gemäß § 36 EStG bei der Einkunftsquelle aus der Beteiligung bei der A- unerheblich, weil der sich ingesamt ergebende Verlust bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb ohnehin mit keiner Steuer belastet ist. Dieser Verlust (ATS 1.920) hat in der Folge mit dem horizontalen Verlustausgleich auch die Bemessungsgrundlage (das Einkommen) im Einkommensteuerbescheid 1997 des M. entsprechend vermindert (vgl. , mwN).
Eine Säumnisbeschwerde ist zurückzuweisen, wenn überhaupt keine Entscheidungspflicht besteht (vgl. ).
Da auch der Gewinnanteil des M. an den Einkünften der A- hinsichtlich seiner Höhe durch die Berufungsentscheidung des -G/10, keine Änderung erfahren hat, kommt es im Ergebnis zu keiner Abänderung des letztgültigen Einkommensteuerbescheides 1997 vom . Die Erlassung eines auf § 295 BAO gestützten - unveränderten - Bescheides hat daher zu unterbleiben. Der gegenständliche Devolutionsantrag vom , der nunmehr als Säumnisbeschwerde gemäß § 284 BAO zu erledigen ist, erweist sich mangels abgabenbehördlicher Entscheidungspflicht somit als unzulässig (vgl. zum identischen Fall, UFS, , RD/0006-G/11.)
Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis oder der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Die Lösung des gegenständlichen Falls war von Rechtsfrage der Anwendbarkeit der Tarifbegünstigung des § 36 EStG im Zusammenhang mit der vorrangigen innerbetrieblichen Verlustverrechnung abhängig. Das BFG folgte hierbei der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (), weshalb die ordentliche Revision für nicht zulässig zu erklären war.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 284 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2018:RS.7100052.2011 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at