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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.10.2018, RV/5101412/2018

Keine Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwSt-RL für Rechtsanwalt, der auch als bestellter Sachwalter tätig ist

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2019/13/0014. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin A in der Beschwerdesache B, vertreten durch C , über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Lilienfeld St. Pölten vom , betreffend Umsatzsteuer 2014 und 2015 sowie Einkommensteuer 2014 und 2015 zu Recht erkannt:

1) Der Beschwerde hinsichtlich Einkommensteuer 2015 wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

2) Die Beschwerde hinsichtlich Umsatzsteuer 2014 und 2015 sowie Einkommensteuer 2014 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der nunmehrige Bf bezog in den beschwerdegegenständlichen Jahren Einkünfte aus selbständiger Arbeit aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt.

In einer gegen die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 eingebrachten Beschwerde führte er im Wesentlichen (A) aus, dass er für eine Vielzahl von Personen als gerichtlich beauftragter Sachwalter tätig war, die ihm dafür zustehenden Entschädigungen seien in § 276 Abs.1 ABGB geregelt und betragen im Regelfall 5% des Einkommens des Besachwalteten.

Artikel 132 Abs.1 lit. g der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie bestimme, dass Dienstleistungen, die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sind, von der Umsatzsteuer zu befreien seien. Der Bf erklärt weiters unter Anführung der §§ 268, 273, 275 Abs.2, 276 ABGB und § 130 Außerstreitgesetz, dass die Tätigkeit als gerichtlich bestellter Sachwalter eine eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunde Dienstleistung darstelle: es ergebe sich eindeutig, dass die Tätigkeit als gerichtlich bestellter Sachwalter eine solche sei, die der sozialen Sicherheit diene und auch vom Gericht kontrolliert werde. Es handle sich dabei um eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter. Bei korrekter Umsetzung der betreffenden EU-Mehrwertsteuerrichtlinie seien daher die Entschädigungen, die einem Sachwalter für seine Betreuungstätigkeit zugesprochen werden, von der Umsatzsteuer befreit. Er beruft sich ua auf das , wonach es der 6.Richtlinie 77/388 EWG widerspreche, Bedingungen für die Umsatzsteuerbefreiung zu setzen, wenn diese nicht geeignet sind, die Gleichbehandlung von Einrichtungen des öffentlichen Rechts mit solchen, die nicht Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, zu gewährleisten.

Als weiteren Berufungspunkt (B) führte er aus, dass die von der Anwaltsakademie gem. § 109 a EStG mitgeteilten Honorare von 5.670.- in den Einnahmen lt. Einnahmen- Ausgaben-Rechnung enthalten seien und irrtümlich in der Beilage zur Einkommensteuererklärung 2015 nicht gesondert ausgewiesen wurden, weshalb diese Einkünfte im Einkommensteuerbescheid 2015 doppelt angesetzt wurden, was folglich zu korrigieren sei.

Das Finanzamt erließ in der Folge Beschwerdevorentscheidungen, in denen es hinsichtlich Berufungspunkt (B) teilweise stattgebend, hinsichtlich Berufungspunkt (A) abweisend entschied , dh die Beschwerde hinsichtlich Einkommensteuerbescheid 2014 und Umsatzsteuerbescheide 2014, 2015 abgewiesen wurde, der Beschwerde hinsichtlich Einkommensteuerbescheid 2015 teilwiese stattgegeben wurde.

Als Begründung hinsichtlich Berufungspunkt (A) führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, dass die Befreiungsbestimmungen in der Mehrwertsteuerrichtlinie nur für Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderer Einrichtungen mit sozialem Charakter gelte, nicht aber für Einzelpersonen bzw. Einzelunternehmen (unter Hinweis auf ).

In einem rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag führte der Bf im Wesentlichen aus, dass das vom Finanzamt angewandte EuGH-Urteil durch das von ihm zitierte überholt sei. Darin sei ausdrücklich festgehalten, dass es nicht zulässig sei, dass eine nationale Regelung unterschiedliche Bedingungen für Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht und jene ohne Gewinnerzielungsabsicht vorsehe.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

(A) Gem. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwSt-RL befreien die Mitgliedsstaaten Umsätze von der Steuer, die bewirkt werden durch eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedsstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden.

Das vom Bf bezogene , betrifft die Auslegung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g und Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern - gemeinsames Mehrwertsteuersystem : einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage (iF: sechste Richtlinie). Das bezogene Urteil wendete Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der sechsten Richtlinie ("…Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen befreien die Mitgliedsstaaten … von der Steuer …die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedsstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen) an auf den Fall der von einer examinierten Krankenschwester , die als Pflegedienstleiterin in einer Sozialstation angestellt war und daneben selbständige Leistungen der ambulanten Pflege erbrachte. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass es in diesem Fall unstreitig sei, dass die von dieser Krankenschwester erbrachten Leistungen der ambulanten Pflege als "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden" im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der sechsten Richtlinie angesehen werden können und es Sache des nationalen Gerichts sei, dies unter Berücksichtigung der im Urteil zitierten Rechtsprechung zu beurteilen.

Im hier zu behandelnden beschwerdegegenständlichen Fall sind nun nicht die selbständigen Leistungen einer examinierten Krankenschwester in der ambulanten Pflege zu beurteilen, sondern die eines Rechtsanwalts, der ua als gerichtlich bestellter Sachwalter tätig wird.

Der EuGH hat sich in seinem Urteil vom , Rs C-543/14 mit der Frage , ob Rechtsanwälte, die als Sachwalter tätig werden, Einrichtungen mit sozialem Charakter darstellen, beschäftigt und kam dabei zu dem Ergebnis, dass Dienstleistungen, die von privaten Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht erbracht werden, nicht allein aufgrund der Beurteilung derer Dienstleistung als Dienstleistung mit sozialem Charakter der Steuerbefreiung unterliegen. Vielmehr müssen die Ziele, die diese Einheiten in ihrer Gesamtheit betrachtet verfolgen ebenso berücksichtigt werden wie die Beständigkeit ihres sozialen Engagements. Die Berufsgruppe der Rechtsanwälte kann jedoch als solche im Hinblick auf ihr Gesamtziel und die fehlende Dauerhaftigkeit eines etwaigen sozialen Engagements nicht als gemeinnützig angesehen werden. Die Anwendbarkeit des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwSt-RL ist idF nicht nur von der Voraussetzung eines sozialen Charakters der Dienstleistungen abhängig (da sie eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sein müssen), sondern ist die Anwendbarkeit überdies auf Dienstleistungen beschränkt, die durch Einrichtungen bewirkt werden, die als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt sind.

Wie sich aus dem hier zu behandelnden beschwerdegegenständlichen Sachverhalt ergibt, übt der Bf den Beruf eines Rechtsanwalts aus und ist dabei auch als bestellter Sachwalter tätig. Seine Berufstätigkeit ist somit weder vergleichbar mit der von einer Krankenschwester erbrachten Leistungen der ambulanten Pflege als "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden" im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der sechsten Richtlinie (wie in behandelt), noch ergibt sich ein Hinweis, dass seine Tätigkeit als Rechtsanwalt anders definiert werden kann als die in beschriebene: seine Tätigkeit macht im Hinblick auf ihr Gesamtziel und die fehlende Dauerhaftigkeit eines etwaigen sozialen Engagements sowie der beschränkten Anwendbarkeit des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwSt-RL auf Dienstleistungen, die durch Einrichtungen bewirkt werden, die als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt sind, eine Möglichkeit der Anwendbarkeit des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwSt-RL auf den beschwerdegegenständlichen Sachverhalt nicht möglich.

Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwSt-RL wurde in § 6 Abs.1 Z 7 UStG umgesetzt. ("Von den unter § 1 Abs.1 Z1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei die Umsätze der Träger der Sozialversicherung und ihrer Verbände, der Krankenfürsorgeeinrichtungen … , und der Träger des öffentlichen Fürsorgewesens untereinander und an die Versicherten, die mitversicherten Familienangehörigen, die Versorgungsberechtigten oder die Hilfeempfänger oder die zum Ersatz von Fürsorgekosten Verpflichteten;").

Die Einkünfte des Bf aus der Tätigkeit als bestellter Sachwalter sind somit steuerbare Umsätze iSd § 1 Abs.1 Z 1 UStG 1994 und unterliegen nicht der Steuerbefreiung des § 6 Abs.1 Z 7 leg.cit, umso mehr die Umsätze des Bf aus seiner Tätigkeit als bestellter Sachwalter nicht in der Aufzählung lt. § 6 Abs.1 Z 7 UStG 1994 enthalten sind.

Da § 1 Abs.1 Z 1 UStG 1994 normiert, dass der Umsatzsteuer Umsätze unterliegen aus Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt und die Steuerbarkeit nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung bewirkt wird oder kraft gesetzlicher Vorschrift als bewirkt gilt, sind die Entschädigungen, die der Bf für seine Tätigkeit als bestellter Sachwalter erhält, unter Beachtung des § 4 Abs.1 UStG 1994 ("Der Umsatz wird im Falle des § 1 Abs.1 Z 1 nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung aufzuwenden hat, um die Lieferung oder sonstige Leistung zu erhalten … , dazu gehören insbesondere auch Gebühren für Rechtsgeschäfte und andere mit der Errichtung von Verträgen über Lieferungen oder sonstige Leistungen verbundene Kosten, die der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung dem Unternehmer zu ersetzen hat.") zu versteuern.

(B) Woa richtet sich die Beschwerde gegen die Nichtgewährung der Steuerbefreiung gem. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwSt-RL betreffend die beschwerdegegenständlichen Jahre. Der Bf. bringt nicht vor, dass die oa. Einkommensteuerbescheide nicht wirksam seien.

Es war idF spruchgemäß zu entscheiden, wobei hinsichtlich ESt 2015 aufgrund des doppelten Ansatzes von Honorarnoten der Anwaltsakademie teilweise stattgebend wie in der BVE zu entscheiden war.

Eine Revision an den VwGH ist nicht zulässig. Gem. Art.133 Abs. 4 B-VG kann gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes Revision erhoben werden, wenn es von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn eine Rechtsprechung des VwGH fehlt.

Der im gegenständlichen Erkenntnis behandelten Rechtsfrage kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, zumal es auf der bereits anzuwendenden EuGH-Judikatur zu Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwSt-RL gründet.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
bestellter Sachwalter
nicht steuerbefreit
Einkünfte
Rechtsanwalt
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.5101412.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at