Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.10.2018, RV/1100713/2016

Drittelbegünstigung für Schweizer Pensionskassenabfindung bei eingetretenem Vorsorgefall?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gerhild Fellner

in der Beschwerdesache des Adr,

vertreten durch Bernhard Ignaz Flatz, Hofsteigstraße 30b, 6922 Wolfurt,

betreffend den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom hinsichtlich Einkommensteuer 2014(Arbeitnehmerveranlagung) zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem am Ende der Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen, das einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses bildet.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verwaltungsgeschehen:

Der angefochtene Bescheid enthielt die Begründung, die von der Z Pensionskasse erhaltene Kapitalauszahlung des Erlebensfallkapitals sei i.H.v. SFR 161.154,10 erfasst und gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1998 besteuert worden. Der VwGH habe mit Erkenntnis vom , 2009/15/0188 zu Recht erkannt, dass die Drittelbegünstigung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 nur dann anwendbar sei, wenn keine Pensionsabfindung vorliege. Eine "Abfindung" liege nur dann vor, wenn ein Zwang zur Annahme dieses von der Arbeitgeberseite unterbreiteten Angebots bestehe und die bezugsberechtigte Person über kein Wahlrecht hinsichtlich der Auszahlungsmodalitäten verfüge.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde führte der Beschwerdeführer aus, die Versagung der Begünstigung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 sei im Gegenstandsfall gesetzwidrig erfolgt. Ursprünglich seien ausländische Pensionsabfindungen, soweit sie nicht mit 6 % zu besteuern gewesen seien, mit dem halben Belastungsprozentsatz der Besteuerung unterworfen worden. Seit dem Kalenderjahr 2001 seien aus der Schweiz oder Liechtenstein stammende Pensionsabfindungen aus der zweiten Säule gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 zu einem Drittel steuerfrei zu belassen.

Vom Finanzamt werde nunmehr die Rechtsansicht vertreten, dass die genannte Begünstigung nur dann zustehe, wenn der Abgabepflichtige keine andere Möglichkeit habe, als das Guthaben in Form einer Pensionsabfindung zu beziehen. Sobald der Abgabepflichtige das Wahlrecht habe, das Altersguthaben aus der zweiten Säule entweder in Form einer Pensionsabfindung oder in Rentenform zu beziehen, stünde ihm nach dieser Rechtsauffassung die Begünstigung gemäß § 124b Z. 53 EStG 1988 nicht mehr zu.

Diese Rechtsansicht widerspreche der langjährigen Verwaltungspraxis und sei falsch, da sie weder im Gesetzestext noch in den Erläuterungen zum Gesetzestext Deckung finde.

Der VwGH habe in seinem Erkenntnis vom , 2006/15/0258 zwar ausgesprochen, dass ein laufender Rentenbezug dem Versorgungscharakter mehr entspreche als die Kapitalabfindung eines Rentenanspruches. In diesem Erkenntnis habe der VwGH jedoch die freiwillige Entscheidung als Sachverhaltsbestandteil geradezu betont und als Rechtfertigungsgrund dafür herangezogen, dass die Drittelegünstigung nicht verfassungswidrig sei.

Auch bei Durchleuchtung der Norm im Wege einer teleologischen Interpretation gelange man zu dem Schluss, dass § 124b Z 53 EStG 1988 den durch die Zusammenballung von Einkünften entstandenen Progressionseffekt mildern sollte. Die Altersguthaben könnten nicht in inländische Pensionskassen übertragen werden, die betroffenen Grenzgänger scheuten oft das Währungsrisiko und wollten aus diesen Gründen das Altersguthaben als Abfindung beziehen. Die abrupte rückwirkende Änderung der Verwaltungspraxis für bereits im Kalenderjahr 2014 verwirklichte Sachverhalte führe zu erheblichen, nicht voraussehbaren Härtefällen.

In der daraufhin ergehenden Beschwerdevorentscheidung wurde dieser Sichtweise eine Absage erteilt und im Wesentlichen ausgeführt: Bei § 124b Z 53 EStG 1988 werde darauf abgestellt, dass den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt sei. Wenn jedoch kein Zwang, sondern eine andere Möglichkeit, z.B. Rentenzahlung im Vorsorgefall, vorliege, sei die Steuerbegünstigung ausgeschlossen. Der Wille des Abgabengesetzgebers sei es nämlich, keine höheren Pensionsabfindungen zu begünstigen und die lebenslange Versorgung zu fördern.

Der Beschwerdeführer habe die Wahlmöglichkeit zwischen dem Bezug einer lebenslangen Altersrente und dem Barbezug des Kapitals gehabt. Das Vorsorgeguthaben sei am antragsgemäß durch die Z Pensionskassen ausgezahlt worden. Der Beschwerdeführer habe sich also entschieden, sich das Pensionsguthaben aus der zweiten Säule auszahlen zu lassen, anstatt eine lebenslange Rente zu beziehen. Er habe Gebrauch von einer obligatio alternativa gemacht.

Es liege somit keine im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung begünstigungsfähige Pensionsabfindung vor.

Der Beschwerdeführer brachte einen Antrag auf Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht ein und führte aus: Bei der Vorschrift des § 124b Z 53 EStG 1988 handle es sich um eine Spezialregelung, welche aufgrund der besonderen Verhältnisse vorwiegend für die nach Liechtenstein bzw. in die Schweiz auspendelnden Grenzgänger geschaffen worden sei. Soweit eine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Thema „Pensionsabfindung“ existiere, könne sie daher im gegenständlichen Fall nur bedingt als Interpretationshilfe herangezogen werden. Seit jeher hätten die versicherten Personen das Vorsorgeguthaben als Rente oder als einmalige Abfindung beziehen können, sofern sie bis zum Erreichen des Rentenalters in der Schweiz/Liechtenstein beschäftigt waren. Die Begünstigung sei in all diesen Fällen seitens der Abgabenverwaltung stets gewährt worden.

Aus der Rechtsprechung des EuGH könnten keine Rückschlüsse auf die steuerliche Behandlung der jeweiligen Renten gezogen werden, da es dort um die Anwendung von Koordinierungsvorschriften der Europäischen Union gehe, nicht aber um steuerliche Vorschriften der Republik Österreich.

II. Sachverhalt:

  • Der Beschwerdeführer ist am aabbcccc geboren.

  • Er war in der Schweiz als A beschäftigt.

  • Am wurde ihm seitens der Z Pensionskasse sein Alterskapital in Höhe von CHF 161.154,10 abzüglich CHF 11.170,90 an Quellensteuer ausbezahlt.

  • Im Mai 2014 beantragte er die Rückerstattung der Quellensteuer.

  • Der Beschwerdeführer ist seit ddee.2014 Bezieher einer AHV-Pension.

Die Feststellungen zum Sachverhalt gehen auf unstrittigen Akteninhalt zurück.

III. Gesetzliche Grundlagen:

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 2 lit. b, erster Satz EStG 1988 sind Bezüge und Vorteile aus ausländischen Pensionskassen (einschließlich aus ausländischen Einrichtungen im Sinne des §§ 5 Z. 4 des Pensionsabfindungsgesetzes) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Gemäß § 124b Z 53 EStG idF BGBl. I Nr. 54/2002, sind Zahlungen für Pensionsabfindungen, deren Barwert den Betrag iSd § 1 Abs. 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes übersteigt, gemäß § 67 Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist bei Pensionsabfindungen, die im Jahr 2001 zufließen, nach Abzug der darauf entfallenden Beträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Viertel steuerfrei zu belassen. Zahlungen für Pensionsabfindung von Pensionskassen aufgrund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen sind nach Abzug der darauf entfallenden Pflichtbeiträge ab dem Jahr 2001 und in den folgenden Jahren zu einem Drittel steuerfrei zu belassen.

Die berufliche bzw. betriebliche Vorsorge in der Schweiz (zweite Säule) ist seit im Schweizer Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen-und Invalidenvorsorge vom geregelt (BVG).

Gemäß Art. 13 BVG haben Anspruch auf Altersleistungen:
a. Männer, die das 65. Altersjahr zurückgelegt haben;
b. Frauen, die das 64. Altersjahr zurückgelegt haben.

Im Reglement der Z Pensionskasse wird als "Rücktrittsalter" (dh Erreichung des Anspruchs auf Altersleistungen) ebenfalls das 65. bzw. 64. Altersjahr normiert. Bei entsprechender Reduktion der Altersleistungen ist nach dem Reglement auch eine vorzeitige Pensionierung ab Vollendung des 58. Altersjahres möglich, sofern das Arbeitsverhältnis beendet wird.

Die versicherte Person kann zwischen lebenslänglicher Altersrente, Kapitalbezug und freier Aufteilung zwischen Kapitalbezug und Altersrente wählen.

IV. Rechtliche Würdigung:

Strittig ist: S teht für die dem Beschwerdeführer zugekommene Pensionskassenleistung die Drittelbegünstigung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 zu?

Wenn auch die Interpretation § 124b Z 53 EStG 1988 über lange Zeiträume hinweg Gegenstand kontroverser fachlicher Diskussionen war, hat sich in der jüngsten Rechtsprechung des BFG (vgl. , , RV/1100543/2016; , RV/1100450/2016) die Linie durchgesetzt, dass im Falle einer Wahlmöglichkeit (obligatio alternativa) zwischen lebenslanger Rente und Einmalzahlung, eine begünstigte Besteuerung von nur zwei Dritteln des Auszahlungsbetrages (ein Drittel steuerfrei) nicht zustehe.

Die entsprechenden Judikate des BFG stützen sich dabei insbesondere auf das höchstgerichtliche Erkenntnis, , das Zahlungen aus der Vorsorgeeinrichtung der (inländischen) Kammer der Wirtschaftstreuhänder betrifft. Im zugehörigen Rechtssatz Nr. 2 heißt es auszugsweise: "In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof etwa …. ausgesprochen, dass die Abfindung eines Anspruches auf rentenmäßige Zahlung nicht vorliegen kann, wenn dem Anwartschaftsberechtigten das freie Wahlrecht zwischen der Rente einerseits und dem Rentenbarwert (als Kapitalanspruch) eingeräumt ist".

Zudem bezieht sich der VwGH in seinem Erkenntnis , Ra 2015/15/0033, in einem "obiter dictum" auf das oben zitierte Judikat, indem er ausspricht: ..…"setzt § 124b Z 53 EStG 1988 voraus, dass (insbesondere bei ausländischen Pensionskassen im Hinblick auf die dortige gesetzliche Situation) den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt ist …. Dass für den Revisionswerber ein Zwang zur Pensionsabfindung bestanden habe und ihm keine freie Wahlmöglichkeit zwischen zwei gleichrangig eingeräumten Ansprüche offen gestanden sei, behauptet die Revision aber nicht".

Im Streitfall war der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Auszahlung der Pensionskassenleistung bereits 65 Jahre alt. Er hatte somit das Rücktrittsalter gemäß § 13 BVG sowie Reglement der Z Pensionskasse erreicht. Ab ddee. bezog er eine AHV-Pension.

Der Beschwerdeführer stellt in Beschwerde und Vorlageantrag nicht in Abrede, eine Wahlmöglichkeit zwischen Rentenbezug und Einmalzahlung gehabt zu haben. Soweit er aber die Rechtsmeinung vertritt, eine solche Wahlmöglichkeit stehe der Anwendbarkeit der Begünstigungsbestimmung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 grundsätzlich nicht entgegen und eine allenfalls in der Vergangenheit gepflogene, andere Verwaltungsübung als richtungsweisend benennt, ist er auf die obenstehenden Ausführungen - insbesondere die höchstgerichtliche Judikatur -  zu verweisen. Insoweit geht a uch das Argument der beabsichtigten Milderung des Progressionseffekts ins Leere.

Seine Sichtweise, wonach die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Thema "Pensionsabfindung" nicht für die nach Liechtenstein und in die Schweiz auspendelnden Grenzgänger gelten sollte, hat der Beschwerdeführer nicht näher substantiiert und sieht das BFG auch keine tragfähige Grundlage für eine solche.

In zusammenfassender Würdigung ist für den Beschwerdeführer im Lichte der oben zitierten Rechtsprechung nichts zu gewinnen: Er hatte das gesetzliche Rentenalter bereits erreicht (Eintritt Vorsorgefall), weshalb ihm nach BVG und Reglement der Z Pensionskasse die freie Wahlmöglichkeit zwischen lebenslanger Rente und Einmalzahlung zustand. Es bestand für ihn kein Zwang, die kapitalisierte Auszahlung zu wählen. Wie oben erläutert, liegt aber bei Vorhandensein einer obligatio alternativa keine begünstigungsfähige Abfindung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 vor.

Zu Gunsten des Beschwerdeführers waren über Mitteilung der Abgabenbehörde nachstehende Änderungen zu berücksichtigen (siehe auch Berechnungsblatt):

Ansatz der AHV-Pension mit 11.955,28 €,

Abzug von Krankenversicherungsbeiträgen in Höhe von 551,04 €.

Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.

V. Zulässigkeit/Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die zu lösende Rechtsfrage findet Deckung in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.1100713.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at