Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.08.2018, RV/5100136/2018

Mehrbedarfsrente als nicht steuerbarer Bezug

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag.a Karin Peherstorfer P LL.M in der Beschwerdesache A.B. und C.D. als Erben nach Bf., AdresseBf., vertreten durch Stb., über die Beschwerden vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Grieskirchen Wels vom betreffend Einkommensteuer 2015 und 2016 zu Recht erkannt: 

Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den dem Ende der Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensablauf

Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 vom wurden wiederkehrende Bezüge in Höhe von 9.207,37 € festgesetzt. Begründet wurde wie folgt:
Die geltend gemachten Pflegekosten könnten steuerlich nicht anerkannt werden, da laut Punkt 3b des notariellen Übergabsvertrages vom zwischen Bf. und E.F. einerseits und C.D. und A.B. andererseits vereinbart worden wäre, dass Letztere für Erstere im Anlassfall die Kosten der Pflege zu tragen hätten.

Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 vom wurden wiederkehrende Bezüge in Höhe von 9.207,37 € festgesetzt. Begründet wurde wie folgt: Aufgrund der Nichtabgabe einer Steuererklärung sei die Schätzung gemäß § 184 BAO von Amts wegen nach Aktenlage und im Abgleich mit Vorjahren erfolgt.

Mit Beschwerde vom gegen obigen Bescheid für das Jahr 2015 wurde wie folgt ausgeführt:
Es werde der Antrag gestellt, die wiederkehrenden Bezüge in Höhe von 9.207,37 € als nicht steuerbar außer Ansatz zu lassen. Die wiederkehrenden Bezüge seien direkt verknüpft mit außergewöhnlichen Belastungen iSd § 34 EStG 1988 in gleicher Höhe.
Um die Verknüpfung offen zu legen, seien in der ursprünglich eingereichten Steuererklärung deshalb sowohl die wiederkehrenden Bezüge, als auch die dafür ursächlichen außergewöhnlichen Belastungen in Ansatz gebracht worden.
Die wiederkehrenden Bezüge hätten jedoch ausschließlich den erforderlichen Pflegemehraufwand abgegolten, weshalb diese nicht steuerbar seien, da sie dem Empfänger kein disponibles Einkommen verschafft hätten (EStR Rz 7011 Mehrbedarfsrente).

Mit Beschwerde vom gegen obigen Bescheid für das Jahr 2016 wurde wie folgt ausgeführt:
Es werde der Antrag gestellt, die wiederkehrenden Bezüge in Höhe von 9.207,37 € als nicht steuerbar außer Ansatz zu lassen. Die wiederkehrenden Bezüge seien direkt verknüpft mit außergewöhnlichen Belastungen iSd § 34 EStG 1988 in gleicher Höhe.
Die wiederkehrenden Bezüge hätten jedoch ausschließlich den erforderlichen Pflegemehraufwand abgegolten, weshalb diese nicht steuerbar seien, da sie dem Empfänger kein disponibles Einkommen verschafft hätten (EStR Rz 7011 Mehrbedarfsrente).

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom  wurden obige Beschwerden als unbegründet abgewiesen wie folgt:
Eine Mehrbedarfsrente, das sei eine Rente, die ausschließlich einen erforderlichen Mehraufwand an Pflege und (insbesondere medizinischer) Betreuung des Empfängers abgelte, sei nicht steuerbar, da sie dem Empfänger kein disponibles Einkommen verschaffe, wenn der Mehrbedarf dem Grunde nach die Voraussetzungen der außergewöhnlichen Belastung nach den §§ 34 und 35 EStG 1988 erfülle (; ).
Bezahle ein Unterhaltspflichtiger die Pflegeheimkosten und bestehe ein konkreter (vertraglicher) Zusammenhang zwischen der Belastung mit den Pflegekosten und einer Vermögensübertragung (z.B. Übertragung eines Hauses) liege insoweit keine außergewöhnliche Belastung vor.
Da der Mehrbedarf daher dem Grunde nach nicht die Voraussetzung für eine außergewöhnliche Belastung erfülle, werde beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Mit Schreiben vom wurde jeweils der Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht gestellt.

Mit Vorlagebericht vom wurde oben angeführte Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und unter anderem wie folgt ausgeführt:
Sachverhalt:
Mit Übergabsvertrag vom hätten E.F. und Bf. ihren Landwirtschaftsbetrieb an A.B. und C.D. übergeben. Bei der Übergabe seien neben dem lebenslänglichen Wohnungsrecht unter anderem auch Pflege und Betreuung ausbedungen worden. Der Pflegefall sei eingetreten, die Betreuung sei mittels 24h-Pflegerinnen gewährleistet worden. Die Kosten der Pflegerinnen abzüglich Pflegegeld und -zuschuss seien von den Übernehmern getragen worden.
Aufgrund des Wertverhältnisses seien die Zahlungen (Kosten abzüglich Zuschüsse und Pflegegeld) bei den Übernehmern als außerbetriebliche Versorgungsrente (Rentenbarwert < 75 %) behandelt und als dauernde Lasten angesetzt worden. Bei den Übergebern seien die Zahlungen als wiederkehrende Bezüge und in gleicher Höhe als außergewöhnliche Belastung angesetzt worden.
Im Zuge der Erlassung des Erstbescheides sei von der Behörde die geltend gemachte außergewöhnliche Belastung nicht gewährt worden.
Beweismittel:
Übergabsvertrag, Berechnung Rente bzw. agB
Stellungnahme:
Eine Mehrbedarfsrente, das sei eine Rente, die ausschließlich einen erforderlichen Mehraufwand an Pflege und (insbesondere medizinischer) Betreuung des Empfängers abgelte, sei nicht steuerbar, da sie dem Empfänger kein disponibles Einkommen verschaffe, wenn der Mehrbedarf dem Grunde nach die Voraussetzungen der außergewöhnlichen Belastung nach den §§ 34 und 35 EStG 1988 erfülle (; ).
Bezahle ein Unterhaltspflichtiger die Pflegeheimkosten und bestehe ein konkreter (vertraglicher) Zusammenhang zwischen der Belastung mit den Pflegekosten und einer Vermögensübertragung (z.B. Übertragung eines Hauses) liege insoweit keine außergewöhnliche Belastung vor.
Da der Mehrbedarf daher dem Grunde nach nicht die Voraussetzung für eine außergewöhnliche Belastung erfülle, werde beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Vorliegend ist der Übergabsvertrag vom , abgeschlossen zwischen E.F. und Bf. als Übergeber und A.B. und C.D. als Übernehmer eines landwirtschaftlichen Betriebes.
Unter Drittens wurde wie folgt vereinbart:
"Die Übergeber bedingen sich folgende mit dem Stichtag der Übergabe beginnende lebenslängliche Rechte aus:
a. Wohnungsrecht
.....
b. Pflege und Betreuung
Die Pflege und Betreuung im Fall der Krankheit oder Gebrechlichkeit jedoch nur im Übergabshaus.
.....
Sollten die Übernehmer nicht in der Lage sein, die Pflege und Betreuung selbst zu erbringen, haben sie für eine geeignete Ersatzperson zu sorgen und die Kosten hierfür zu tragen, soferne nicht ein eigener gesetzlicher Leistungsanspruch der Übergeber besteht.
Für den Fall, dass der Übergeber dereinst ein öffentliches Pflegegeld erhalten sollte, gebührt dieses - als teilweise Gegenleistung für die vereinbarte Pflege und Betreuung - der pflegenden Person.
Die Verpflichtung zur Pflege und Betreuung erlischt, sobald sie im Rahmen einer Krankenhauspflege nicht mehr möglich ist.
....."

Dem Erkenntnis zugrunde liegender Sachverhalt

Mit Übergabevertrag vom haben der Beschwerdeführer sowie seine Ehegattin E.F. ihren landwirtschaftlichen Betrieb an A.B. und C.D. übergeben.
Als Gegenleistung wurde unter anderem Pflege und Betreuung im Bedarfsfall festgelegt.
Der Pflegefall ist eingetreten, der Beschwerdeführer bezog in den gegenständlichen Jahren Pflegegeld der Stufe 4. Diejenigen Kosten der häuslichen Pflege, die durch das Pflegegeld sowie einen Zuschuss Pflegefond nicht abgedeckt waren, wurden von den Übernehmern beglichen.
Jährlich waren in Summe 9.207,37 € - zu monatlichen Teilbeträgen - zu entrichten.

Unstrittig liegt der Barwert der für die Pflege zu leistenden Zahlungen unter 75% des Wertes des übertragenen Betriebes.

Strittig ist, ob das Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung iSd §§ 34 und 35 EStG 1988 dem Grunde nach bei den Übernehmern eine Voraussetzung für die Annahme einer nicht steuerbaren so genannten Mehrbedarfsrente ist.

Rechtliche Begründung

Gemäß § 29 Z 1 EStG 1988 sind sonstige Einkünfte nur:
1. Wiederkehrende Bezüge, soweit sie nicht zu den Einkünften iSd § 2 Abs. 3 Z 1 bis 6 gehören. Bezüge, die freiwillig oder an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person
.....
geleistet werden, sind nicht steuerpflichtig.
.....
Stellt ein aus Anlass der Übertragung eines Betriebes, Teilbetriebes oder Mitunternehmeranteiles vereinbarter wiederkehrender Bezug keine angemessene Gegenleistung für die Übertragung dar, sind die Renten oder dauernden Lasten nur dann steuerpflichtig, wenn
- sie keine Betriebseinnahmen darstellen und
- sie keine derart unangemessen hohen wiederkehrenden Bezüge darstellen, dass der Zusammenhang zwischen Übertragung und Vereinbarung der wiederkehrenden Bezüge wirtschaftlich bedeutungslos ist und damit eine freiwillige Zuwendung vorliegt.

In , wird wie folgt ausgeführt:
"Gemäß § 29 Z 1 EStG 1988 sind "wiederkehrende Bezüge" als sonstige Einkünfte steuerbar. § 29 Z 1 EStG 1988 bildet dabei einen Sondertatbestand, der bloß an den wiederkehrenden Zufluss von Bezügen, die allerdings auf einer einheitlichen Rechtsgrundlage beruhen müssen, anknüpft (vgl. etwa das Erkenntnis ).
Grundsätzlich reicht nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes für die Steuerbarkeit nach § 29 Z 1 EStG 1988 somit ein wiederkehrendes Element im beschriebenen Sinne. Ob die Rentenzahlungen bisherige Einnahmen ersetzen oder aus welchem Motiv heraus sie erbracht werden, ist dabei irrelevant. Der Gesetzgeber sieht nämlich in der gesicherten Wiederkehr von Einnahmen aus einem einheitlichen Rechtsgrund bereits die Steigerung der Leistungsfähigkeit, die eine Steuerpflicht rechtfertigt (vgl. Stoll, Rentenbesteuerung4, Rz 1010). Dass eine wiederkehrende Zahlung eine Abgeltung für die durch ein Schadenereignis notwendigen erhöhten persönlichen Anstrengungen oder für immaterielle Schäden darstellen mag, hindert eine Steuerpflicht demnach nicht (vgl. die Beispiele bei Stoll, Rentenbesteuerung4, Rz 1066 ff sowie das Erkenntnis , zu einem in Rentenform gezahlten Schmerzengeld). Wie Stoll, aaO, zu Recht hervorhebt, erfasst § 29 Z 1 EStG 1988 - schon aufgrund seiner Subsidiarität innerhalb der sieben Einkunftsarten - gerade solche Einkünfte, die mit einer Erwerbstätigkeit in keinem Zusammenhang stehen, also außerhalb der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 6 EStG 1988 anfallen und voraussetzungsgemäß außerhalb deren Bereiche in der persönlichen Sphäre ihren Grund haben, jedoch Rentenform aufweisen.

Von dieser Steuerpflicht machte der Verfassungsgerichtshof in seinem die so genannte Mehrbedarfsrente einer behinderten Person betreffenden Erkenntnis , dahingehend eine Ausnahme, dass eine Besteuerung von wiederkehrenden Bezügen allein auf Grund der Rentenform dann gleichheitswidrig sei, wenn ihr nicht ein Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit entspreche (vgl. hiezu ). Der Verfassungsgerichtshof rekurrierte dabei auf Sachverhaltskonstellationen, in denen die wiederkehrend zufließenden Beträge den durch eine Schädigung ausgelösten erhöhten Existenzbedarf des Steuerpflichtigen abdecken. Es geht dabei um einen Mehrbedarf des Steuerpflichtigen, der dem Grunde nach die Voraussetzungen der außergewöhnlichen Belastung nach §§ 34, 35 EStG 1988 erfüllt. Solcherart bringt der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis auch zum Ausdruck, die Nichterfassung der Rente im Rahmen der Einkünfte habe zur Folge, dass auch der damit abgedeckte Mehrbedarf nicht als außergewöhnliche Belastung in Abzug zu bringen ist."

Im gegenständlichen Fall ist unstrittig von einer außerbetrieblichen Versorgungsrente auszugehen, weshalb dem Grunde nach wiederkehrende Bezüge iSd § 29 EStG 1988 vorliegen. Strittig ist, ob die wiederkehrenden Zahlungen lediglich einen Mehrbedarf abdecken - im vorliegenden Fall die Pflegekosten der Übergeber.
Die Zahlungen der Übernehmer decken den Teil der Pflegekosten ab, der vom Pflegegeld und dem Zuschuss Pflegefond nicht kompensiert werden kann.
Es liegt daher iSd , kein disponibles Einkommen vor, den Bezügen steht keine Steigerung der Leistungsfähigkeit gegenüber.
Die strittigen Zahlungen sind daher beim Beschwerdeführer nicht steuerbar.
Dass die Zahlungen bei den Übernehmern abzugsfähig sind, steht dem nicht entgegen.

Die belangte Behörde prüfte zudem, ob der Mehrbedarf dem Grunde nach die Voraussetzungen der §§ 34 und 35 EStG 1988 erfüllt im Hinblick auf die Übernehmer.

Nach § 34 Abs.1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Abs. 2
Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
Abs. 3
Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Abs. 4
Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

Wesentlich kann allenfalls nur sein, ob der Mehrbedarf dem Grunde nach die Voraussetzungen der §§ 34 und 35 EStG 1988 beim Übergeber erfüllt.
Der Beschwerdeführer bezog in den Beschwerdejahren Pflegegeld der Stufe 4 sowie einen Zuschuss des Pflegefonds.
Das Pflegegeld der Stufe 4 steht zu, wenn pro Monat mehr als 160 Stunden Pflegebedarf anfallen. Es ist folglich aufgrund des Verlustes der Fähigkeit zur eigenen Haushaltsführung davon auszugehen, dass dem Grunde nach beim Beschwerdeführer eine außergewöhnliche Belastung vorliegen würde.

Den Beschwerden war daher statt zu geben, die wiederkehrenden Zahlungen stellen nicht steuerbare Bezüge dar.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis folgt der oben zitierten Rechtsprechung des VfGH und des VwGH, weshalb eine Revision nicht zulässig ist.

Linz, am

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