Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 11.06.2018, RV/7102139/2018

Zurückweisung eines Vorlageantrages

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/7102139/2018-RS1
§ 17 Abs. 3 ZustellG ermöglicht keine Auslegung dahin, dass in einem Fall, in dem der Betroffene durch eine während des Laufes der Abholfrist bestehende oder eingetretene Krankheit an der nicht früher vorgenommenen Abholung innerhalb der Abholfrist gehindert ist, die wirksame Zustellung erst mit dem Ende der Krankheit angenommen wird.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf. gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 2/20/21/22 vom betreffend die Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten gemäß § 236 BAO beschlossen:

Der Vorlageantrag vom , eingebracht am , wird gemäß § 260 Abs.1 lit.b BAO iVm § 264 Abs.4 lit.e BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Mit Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom wurden von der Beschwerdeführerin (Bf.) zu Unrecht bezogene Beträge an Familienbeihilfe in Höhe von € 14.661,30 und Kinderabsetzbetrag in Höhe von € 6.360,80 rückgefordert.

Die Bf. beantragte die Nachsicht der genannten Beträge gemäß § 236 BAO. Der Antrag wurde mit Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom mit der Begründung abgewiesen, eine Gewährung der Nachsicht hätte nicht den geringsten Sanierungseffekt und würde an der Existenzgefährdung nichts ändern.

Gegen diesen Bescheid hat die Bf. mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Am wurde versucht, die Beschwerdevorentscheidung an der Wohnanschrift der Bf. zuzustellen. Da das Dokument nicht zugestellt werden konnte, wurde die Beschwerdevorentscheidung beim Zustelldienst (Österreichische Post AG) hinterlegt und die Bf. vom Zusteller schriftlich von dieser Hinterlegung und dem Beginn der Abholfrist, , verständigt.

Mit Eingabe vom , persönlich beim Finanzamt Wien 2/20/21/22 eingebracht am , stellte die Bf. den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

Der Vorlageantrag wurde mit Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen. Gegen diesen Bescheid hat die Bf. mit Eingabe Beschwerde erhoben. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, sie sei zu der Zeit krank gewesen und habe ihre Wohnung nicht verlassen können. Erst am habe sie die Benachrichtigung in ihrem Hausbrieffach gefunden und den Brief am selben Tag von der Post abgeholt. Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom  wurde der Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom aufgehoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass gemäß § 264 Abs.5 BAO die Zurückweisung nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge dem Verwaltungsgericht obliegt.

Beweiswürdigung:

Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Finanzamt Wien 2/20/21/22 vorgelegten Verwaltungsakten. Der Sachverhalt ist unbestritten.

Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 264 Abs.1 erster Satz kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).

Gemäß § 260 Abs.1 lit.b BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Gemäß § 264 Abs.4 lit.e BAO ist § 260 Abs.1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung) sinngemäß für Vorlageanträge anzuwenden.

Gemäß § 17 Abs.1 ZustellG ist, wenn "das Dokument" an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs.3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, das "Dokument" im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

Gemäß Abs.2 leg.cit. ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in "die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf)" einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnung-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben, sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

Gemäß Abs.3 leg.cit. ist das hinterlegte "Dokument" mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das "Dokument" erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte "Dokumente" gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs.3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem "das hinterlegte Dokument" behoben werden könnte.

Aus dem Vorbringen der Bf. geht hervor, dass sie sich zum Zeitpunkt der versuchten Zustellung in der Wohnung und somit regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten hat. Die Hinterlegung der Sendung erfolgte im Hinblick auf die nicht bestrittene Anwesenheit der Bf. an der Abgabestelle im Zeitpunkt der Zustellung zu Recht. § 17 Abs.3 ZustellG ermöglicht keine Auslegung dahin, dass in einem Fall, in dem der Betroffene durch eine während des Laufes der Abholfrist bestehende oder eintretende Krankheit an der nicht früher vorgenommenen Abholung innerhalb der Abholfrist gehindert ist, die wirksame Zustellung erst mit dem Ende der Krankheit angenommen wird ().

Die Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom gilt somit als am zugestellt, die  Frist zur Einbringung eines Vorlageantrages endete somit mit Ablauf des . Der am eingebrachte Vorlageantrag vom ist daher gemäß § 260 Abs.1 lit.b BAO iVm § 264 Abs.4 lit.e BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückzuweisen.

Bei der verfahrensgegenständlichen Konstellation sind der Bf. nach Abholung des Dokumentes immer noch drei Wochen Zeit zur fristgerechten Erhebung eines Vorlageantrages zur Verfügung gestanden, weshalb auch dem Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung kein Erfolg beschieden gewesen wäre.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs.4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, und die Entscheidung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entspricht, ist eine Revision nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 17 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Schlagworte
Hinterlegung
Krankheit
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.7102139.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at