Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.06.2018, RV/7102673/2015

Aufwendungen einer Fachhochschul-Lektorin für ihre Vertreter als Werbungskosten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch Sommer & Zarits Steuerberatung GmbH, Robert Graf-Platz 1 Tür 3, 7000 Eisenstadt, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 4/5/10 vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2012 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf), eine Pensionistin und Vortragende an einer Fachhochschule, wurde mit Bescheid vom zur Einkommensteuer für das Jahr 2012 veranlagt. Im Einkommensteuerbescheid wurden erklärungsgemäß Werbungskosten von 5.262,43 Euro in Abzug gebracht.

Auf einen Vorhalt des Finanzamtes vom übermittelte die Bf eine Aufstellung der Werbungskosten 2012. Der weitaus überwiegende Teil – so die Bf - betreffe Fremdleistungen. Diese seien deswegen entstanden, da die Bf zwar die Hauptverantwortliche bei den Vortragstätigkeiten gewesen sei, sie aber aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, diese selbst auszuüben. Diese Vorgangsweise sei mit den Auftraggebern akkordiert gewesen.


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Ausgaben 2012
Datum
Text
Kontobez.
brutto
H1
Fremdleistungen
2.320,00
H2
Fremdleistungen
675,00
H3
Fremdleistungen
1.740,00
4.735,00
 
Saturn
GwG
25,98
Saturn
GwG
74,89
Scheibner
GwG
6,50
K&H
GwG
1,92
Di Tech
GwG
46,90
Summe
156,19

Bücher, Post usw

371,24

Mit Bescheid vom wurde der Einkommensteuerbescheid vom aufgehoben und es erging gleichzeitig ein neuer Einkommensteuerbescheid, in welchem lediglich Werbungskosten von 527,43 Euro berücksichtigt wurden. Begründend führte das Finanzamt aus, dass der Begriff nichtselbständige Tätigkeit auch den Umstand erfasse, dass man sich nicht vertreten lassen könne. Auch bei gesundheitlichen Problemen könne es nicht Aufgabe des Arbeitnehmers sein, einen Vertreter zu suchen und zu bezahlen.

In der Beschwerde vom brachte die steuerliche Vertretung vor, dass die Bf neben ihren Pensionseinkünften noch Einnahmen aus einer Vortragstätigkeit beziehe, und wandte sich gegen die Nichtanerkennung der Vertretungshonorare. Lt. RZ 384 der Lohnsteuerrichtlinien seien Vertretungshonorare auch im nichtselbständigen Bereich in Ausnahmefällen denkbar. Da es sich in dieser RZ nicht um eine taxative Aufzählung handle, seien diese Honorare abzugsfähig. Sinn und Zweck dieser Lösung gegenüber den Auftraggebern sei gewesen, dass die Bf für den Fall, dass sich ihr Gesundheitszustand bessert, diese Tätigkeit wieder selbst ausüben hätte können. Ansonsten hätte es für die Bf keine Möglichkeit gegeben, wieder selbst tätig zu werden.

Zu bedenken sei auch, dass es bei der steuerlichen Qualifizierung von Vortragstätigkeiten in den letzten Jahren zu einigen Änderungen gekommen sei. Zuvor seien diese Tätigkeiten unter die selbständige Einkünfte gefallen und seien derartige Ausgaben unstrittig anerkannt worden. Da Ausgaben für die Erhaltung von Einnahmen Werbungskosten seien, werde um Anerkennung ersucht.

Das Finanzamt ersuchte die Bf um Vorlage des Dienstvertrages und Angabe der Vertreter.

Mit Schreiben vom übermittelte die Bf die Verträge mit der Fachhochschule der Wiener Wirtschaft. Aus den Verträgen, die immer für ein Vortragssemester ausgestellt werden, sei ersichtlich, dass es sich mit Sicherheit um keinen Dienstvertrag handle. Die Bf sei für die selbständige und eigenverantwortliche Abhaltung der Seminare, inklusive Planung, Vorbereitung und Durchführung zuständig. Dass diese Leistungen nun steuer- und sozialversicherungsrechtlich als Dienstverträge zu qualifizieren seien, ändere nichts an der Tatsache, dass der Vertragsinhalt dem Wesen eines Dienstvertrages keinesfalls entspreche.

Diese Vertretungen habe es immer schon gegeben, diese seien aber in den Jahren, als diese Leistungen lediglich gemäß § 109a EStG dem Finanzamt gemeldet werden mussten, immer anerkannt worden. Der Grund für die Vertretungen sei damals gewesen, dass sich die Bf jedes Jahr in den Wintermonaten eine geraume Zeit bei ihrer Familie in X aufgehalten habe. Die Weitergabe der Vorträge sei natürlich immer mit dem Auftraggeber abgesprochen gewesen.

In den letzten Jahren habe sich der Gesundheitszustand der Bf verschlechtert, die Verträge habe sie trotzdem immer angenommen, um im Falle der Genesung wieder selbst diese Vorträge durchführen zu können. In dieser Zeit habe sie von zu Hause aus die Vorträge koordiniert und habe mit ihren Vertretungen die Inhalte abgesprochen.

Da eine Besserung des Gesundheitszustandes jedoch nicht mehr zu erwarten sei, habe sie mit Ende des Wintersemesters 2013/2014 ihre Tätigkeit komplett eingestellt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab und führte aus: „Gemäß den Richtlinien Ihres Arbeitgebers werden Lektoren ab 108 LE als Angestellte qualifiziert. Sie hatten für das Wintersemester 2012/2013 insgesamt 3 Lehraufträge, wovon bereits einer 108 LE enthielt. Die Qualifikation ihrer Tätigkeit als unselbstständige geht aber überdies aus den Meldungen hervor, da über alle Lehraufträge ein Lohnzettel gemäß § 84 ESTG und keine Meldung eines Werkvertrages gemäß § 109a ESTG vorliegt.

Da sich nichtselbstständig Tätige grundsätzlich nicht vertreten lassen dürfen und Sie trotz Aufforderung (und Fristverlängerungen) keine Unterlagen vorgelegt haben, die beweisen, dass ihr Arbeitgeber die Vertretung zulässt, war spruchgemäß zu entscheiden.“

Die Bf beantragte mit Eingabe vom die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Nach Schilderung des Verfahrensverlaufes wandte der steuerliche Vertreter ein, dass aus den vorgelegten Verträgen eindeutig hervorgehe, dass es sich nicht um Dienstverträge im herkömmlichen Sinn handle, in dem die höchstpersönliche Leistungs­erbringung gefordert wird. Vielmehr sei von selbständig zu erbringenden Leistungen die Rede. Das beinhalte auch die Möglichkeit, Vertretungen zu nominieren. Mit den vorgelegten Unterlagen sei die Anerkennung von Vertretungen seitens der Fachhochschule eindeutig dokumentiert. Zusätzlich werde eine Bestätigung der Fachhochschule beigelegt, dass die Vortragenden auch gemeldet waren.

Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht:

Nach einer Anfrage des Bundesfinanzgerichts gab die Fachhochschule mit Schreiben vom bekannt, dass die Bf in den Wintersemestern 2011/12 und 2012/13 als externe Lektorin für A. tätig gewesen sei. Sie habe zum nebenberuflichen Lehrpersonal gezählt und habe sich daher kraft Gesetzes von anderen geeigneten Personen vertreten lassen können (§ 7 Abs 3 FHStG). Dieses gesetzlich vorgegebene, uneingeschränkte Vertretungsrecht sei auch vertraglich vereinbart gewesen. Die Bf sei demnach berechtigt gewesen, sich auf eigene Kosten und eigenes Risiko bei der Vertragserfüllung jederzeit und grundlos durch geeignete Dritte vertreten zu lassen. Dies gelte generell und daher auch (aber nicht nur) für den Fall einer Verhinderung. Dem Recht auf Vertretung entspreche die Pflicht, für eine geeignete Vertretung selbst zu sorgen und die Kosten des Vertreters selbst zu tragen.

Aufgrund dieser gesetzlichen und vertraglichen Rahmenbedingungen habe die Bf keine Einkünfte im Sinne des § 25 Abs 1 Z 1 EStG 1988, sondern Einkünfte im Sinne des § 25 Abs 1 Z 5 EStG 1988 bezogen (vgl auch Rz 992C letzter Absatz LStR).

Das Bundesfinanzgericht brachte diese Auskunftserteilung der Amtspartei zur Kenntnis. Da nach Rechtsansicht des BFG die Vertretungshonorare abzugsfähig seien, wurde die Abgabenbehörde um Stellungnahme hinsichtlich der Höhe der anzuerkennenden Aufwendungen ersucht.

Das Finanzamt forderte daraufhin bei der steuerlichen Vertretung Honorarnoten und Zahlungsbestätigungen an und leitete diese mit Schreiben vom (eingelangt am ) an das Bundesfinanzgericht weiter.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Beschwerde erwogen:

Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Die Bf bezog im Jahr 2012 neben ihren Pensionseinkünften auch Einkünfte als externe Lektorin an einer Fachhochschule. Als Lektorin hatte sie steuerpflichtige Bezüge von 5.387,70 Euro und machte Werbungskosten von insgesamt 5.262,43 Euro – darunter Honorarnoten in Höhe von 4.735 Euro – geltend. Aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes musste die Bf Unterrichtsstunden an Vertreter weitergeben. Die Bf war vertraglich und gesetzlich (§ 7 Abs 3 FHStG) berechtigt, sich auf eigene Kosten und eigenes Risiko durch geeignete Dritte vertreten zu lassen (siehe Bescheinigung der Fachhochschule vom ).

Nach den vertraglichen Vereinbarungen der Fachhochschule mit der Bf vom bzw. hatte die Bf ihre Leistungen als externe Lektorin im Ausmaß von jeweils 108 Lehreinheiten selbständig und eigenverantwortlich zu erbringen.

Laut den übermittelten Honorarnoten entfallen insgesamt 4.060 Euro auf Vertretungen im Unterricht und 640 Euro auf technische Beratung bezüglich PC und Drucker.

Rechtslage:

Gemäß § 25 Abs. 1 EStG 1988 sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn):

1.a) Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis.

5. Bezüge, Auslagenersätze und Ruhe-(Versorgungs-)Bezüge von Vortragenden, Lehrenden und Unterrichtenden, die diese Tätigkeit im Rahmen eines von der Bildungseinrichtung vorgegebenen Studien-, Lehr- oder Stundenplanes ausüben, und zwar auch dann, wenn mehrere Wochen- oder Monatsstunden zu Blockveranstaltungen zusammengefasst werden.

§ 47 Abs. 2 EStG 1988 bestimmt:

Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. ... Ein Dienstverhältnis ist weiters bei Personen anzunehmen, die Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 und 5 beziehen.

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Rechtliche Würdigung:

§ 25 Abs 1 Z 5 EStG 1988 kommt nur dann zum Tragen, wenn nicht bereits ein Dienstverhältnis nach den allgemeinen Kriterien gemäß § 47 Abs 2 erster und zweiter Satz EStG 1988 vorliegt (Braunsteiner/Lattner in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 25 Anm 59).

Aus dem Umstand, dass gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 der Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses seine Arbeitskraft schuldet, hat der Verwaltungsgerichtshofes geschlossen, dass sich ein Arbeitnehmer grundsätzlich nicht vertreten lassen kann und diesbezügliche Aufwendungen keine Werbungskosten darstellen ().

Nach dem vorliegenden Sachverhalt erhielt die Bf ihre Bezüge für Vorträge samt Abnahme von Prüfungen an einer Fachhochschule. Diese Leistungen waren selbständig und eigenverantwortlich im Rahmen eines vorgegebenen Lehrplanes zu erbringen. Die Tätigkeit ist daher nicht als Dienstverhältnis iSd § 47 Abs 2 erster und zweiter Satz EStG 1988 zu qualifizieren. Vielmehr liegen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 25 Abs 1 Z 5 EStG 1988 vor.

Die zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ist auf Bezüge iSd § 25 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 nicht anzuwenden , da für diese Einkünfte die ersten beiden Sätze des § 47 Abs. 2 EStG 1988 nicht gelten.

Auch die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofes (), dass der Einsatz einer Hilfskraft ein gewichtiges Indiz gegen die Annahme eines Dienstverhältnisses spricht, kommt im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, werden doch die Vertragsverhältnisse von Personen, die Bezüge gemäß  § 25 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 beziehen, in § 47 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 ausdrücklich als Dienstverhältnisse bezeichnet.

Es steht fest, dass die Bf auf eigene Kosten Vertreter einsetzen durfte. Die Honorare für Vertretungen sowie für technische Beratung sind in Höhe des im Rechtsmittelverfahren belegmäßig nachgewiesenen Betrages von insgesamt 4.700 Euro als Werbungskosten iSd § 16 Abs. 1 EStG 1988 anzuerkennen, zumal seitens der belangten Behörde nach dem Ersuchen des Bundesfinanzgerichts um Stellungnahme zu den Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach keine Einwendungen bekannt gegeben wurden.

Der nicht nachgewiesene Differenzbetrag von 35 Euro ist nicht zu berücksichtigen.

Der Beschwerde war daher teilweise stattzugeben.

Berechnung:


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Nachgewiesene Honorare
4.700,00
Vom Finanzamt anerkannt
527,43
Werbungskosten gesamt
5.227,43

Zulässigkeit einer Revision

Gegen dieses Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 3 B-VG i. V. m. § 25a Abs. 1 VwGG die Revision zulässig, da zu der Rechtsfrage, ob bei Bezügen gemäß § 25 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 Honorare für Vertretungen als Werbungskosten abzugsfähig sind, eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ersichtlich ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.7102673.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at