Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.07.2018, RV/2101222/2017

Keine Erstattung bei fehlender Unternehmerbescheinigung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin in der Beschwerdesache Beschwerdeführerin, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Graz-Stadt vom , betreffend Erstattung von Vorsteuern 10-12/2015 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin, die Bf. ist eine in Dubai ansässige Gesellschaft.

Der für den Zeitraum 10/2015 – 12/2015 eingereichte Antrag über die Erstattung von Vorsteuern (Erstattungsantrag) wurde vom Finanzamt mit der Begründung abgewiesen, dass der Antragsteller keine behördliche Bescheinigung seines Staates vorlegen konnte, dass er als Unternehmer unter einer Steuernummer eingetragen ist. Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass ein Antragsteller aus Dubai dazu nicht in der Lage sei, weil es in Dubai kein vergleichbares Mehrwertsteuersystem gäbe.

Mit der dagegen eingebrachten Beschwerde legte die Bf. eine Bescheinigung von Dubai Airport Freezone Authority vor. Dies sei die einzige Behörde, die bestätigen könne dass die Bf. in den Vereinigten Arabischen Emiraten eine Geschäftstätigkeit ausübt.

Die abweisende Beschwerde Vorentscheidung wurde damit begründet, dass die vorgelegte Bescheinigung nicht der in der Verordnung Bundesgesetzblatt 279/1995 geforderten Bestätigung entspricht.

Gemeinsam mit dem Vorlageantrag legte die BF eine Bescheinigung des Finanzministeriums der Vereinigten Arabischen Emirate vor. Dieser Bestätigung ist zu entnehmen, dass sie der Republik Österreich für Vorsteuererstattungzwecke vorgelegt werden soll. Inhaltlich wird nur bestätigt, dass die Bf. im Zeitraum eine Lizenznummer besitzt.

Rechtslage

Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern (ErstattungsVO), BGBl.Nr. 279/1995 zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 222/2009:

Art. 1 § 3a: Erstattungsverfahren für nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer

(1) Der nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat die Erstattung mittels amtlich vorgeschriebenem Vordruck beim Finanzamt Graz Stadt zu beantragen. Der Antrag ist binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Dem Erstattungsantrag sind die Rechnungen und die Belege über die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer im Original beizufügen.

(2) Der zu erstattende Betrag muss mindestens 400 Euro betragen. Das gilt nicht, wenn der Erstattungszeitraum das Kalenderjahr oder der letzte Zeitraum eines Kalenderjahres ist. Für diese Erstattungszeiträume muss der zu erstattende Betrag mindestens 50 Euro betragen

(3) Der Unternehmer muss dem Finanzamt Graz-Stadt in den Fällen des § 1 Abs. 1 Z 1 durch behördliche Bescheinigung des Staates, in dem er ansässig ist, nachweisen, dass er als Unternehmer unter einer Steuernummer eingetragen ist.

Das BFG hat erwogen

Art. 1 § 3a Erstattungsverordnung sieht vor, dass der Antragsteller seine Unternehmereigenschaft (Eintragung als Unternehmer) durch eine behördliche Bescheinigung seines Ansässigkeitsstaates, nachweisen muss.

Eine solche Bescheinigung muss zum einen den Vergütungszeitraum abdecken und zum anderen die Aussage enthalten, dass der Antragsteller Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts ist.

Demnach sind Bestätigungen, die - wie die erste im Beschwerdefall vorgelegte Bescheinigung - nicht die Aussage enthalten, dass ein Antragsteller als Unternehmer im Sinne des Mehrwertsteuerrechts unter einer bestimmten Steuernummer eingetragen ist, als nicht ausreichend iSd § 3a Abs. 3 der Verordnung zu werten.

Die zweite vorgelegte Bescheinigung des Finanzministeriums betrifft überdies ausdrücklich nicht den Antragszeitraum.

Vgl. dazu das Urteil des BFH V R 22/05 zu den inhaltlich gleich lautenden Bestimmungen in Deutschland:

"Das ergibt sich aus dem Zweck der Bescheinigung. Die Vergütung von Vorsteuerbeträgen nach § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff. UStDV setzt u.a. voraus, dass die geltend gemachten Vorsteuerbeträge gemäß § 15 UStG abziehbar sind (vgl. BFH-Urteil vom  V R 35/01, BFHE 202, 187, BStBl II 2003, 782, unter II. 1.). Denn diese Vorschriften sehen für im Ausland ansässige Unternehmer die Vergütung von Vorsteuerbeträgen abweichend von den für die im Inland ansässigen Unternehmer geltenden § 16, § 18 Abs. 1 bis 4 UStG (lediglich) ein besonderes Vergütungsverfahren vor (vgl. § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG); sie lassen aber die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs unberührt. Deshalb muss der die Vergütung von Vorsteuerbeträgen begehrende Steuerpflichtige bereits bei Leistungsbezug Unternehmer i.S. des § 2 UStG sein (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG).

Angesichts dieses offenkundigen Zwecks der von § 61 Abs. 3 UStDV geforderten Bescheinigung beruft sich die Klägerin ohne Erfolg darauf, dass in dieser Vorschrift lediglich von "Unternehmer" und "Steuernummer" - und nicht etwa von "Unternehmer i.S. des Umsatzsteuergesetzes" bzw. von "Mehrwertsteuerpflichtiger" oder von "Umsatzsteuernummer" bzw. "Mehrwertsteuernummer" die Rede ist.

Auch aus dem hier einschlägigen Gemeinschaftsrecht folgt, dass ein im Drittland --wie der Schweiz-- ansässiger Unternehmer die Erstattung von Vorsteuerbeträgen nur verlangen kann, wenn er nachweist, dass er eine wirtschaftliche Tätigkeit entsprechend Art. 4 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) ausübt.

Nach Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG erfolgen Mehrwertsteuererstattungen an nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Steuerpflichtige --wie die Klägerin-- entsprechend den in der Dreizehnten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 86/560 EWG --Richtlinie 86/560/EWG-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- Nr. 1 326/40) festgelegten Bestimmungen.

Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 86/560/EWG erfolgt die Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige auf Antrag des Steuerpflichtigen. Die Mitgliedstaaten bestimmen die Modalitäten für die Antragstellung einschließlich der Antragsfristen, des Zeitraums, auf den der Antrag sich beziehen muss, der für die Einreichung zuständigen Behörden und der Mindestbeträge, für die die Erstattung beantragt werden kann (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 86/560/EWG). Sie legen auch die Einzelheiten für die Erstattung, einschließlich der Fristen, fest (Art. 3 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie 86/560/EWG). Sie legen dem Antragsteller die Pflichten auf, die erforderlich sind, um die Begründetheit des Antrags beurteilen zu können und um Steuerhinterziehungen zu vermeiden, und verlangen insbesondere den Nachweis, dass er eine wirtschaftliche Tätigkeit entsprechend Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ausübt (Art. 3 Abs. 1 Satz 4 der Richtlinie 86/560/EWG).

Die in Bezug genommene Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG definiert den "Steuerpflichtigen" im Sinne des Mehrwertsteuerrechts. Danach gilt als Steuerpflichtiger, wer eine der in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

Aus Art. 3 Abs. 1 Satz 4 der Richtlinie 86/560/EWG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG folgt mithin, dass ein außerhalb des Gebiets der Gemeinschaft ansässiger Steuerpflichtiger die Erstattung von Mehrwertsteuerbeträgen nur dann erlangen kann, wenn er durch eine Bescheinigung der zuständigen Behörde des Staates, in dem er ansässig ist, den Nachweis erbringt, dass er eine wirtschaftliche Tätigkeit entsprechend Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ausübt.

Eine Diskriminierung von Unternehmern, die im Ausland ansässig sind, gegenüber in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Unternehmern liegt hierin --entgegen der Ansicht der Klägerin-- nicht.

Auch ein Unternehmer, der in der Bundesrepublik Deutschland ansässig ist und der in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft die Erstattung von Mehrwertsteuer verlangt, muss einen entsprechenden Nachweis vorlegen. Er muss nach Art. 17 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG i.V.m. Art. 3 Buchst. b Satz 1 der Achten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 79/1072/EWG --Richtlinie 79/1072/EWG-- (abgedruckt z.B. bei Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, B. 120) durch eine Bescheinigung der zuständigen Behörde des Staates, in dem er ansässig ist, den Nachweis erbringen, dass er "Mehrwertsteuerpflichtiger" dieses Staates ist. Dementsprechend sieht auch das Muster dieser Bescheinigung (Anhang B zur Richtlinie 79/1072/EWG) vor, dass der Steuerpflichtige "als Mehrwertsteuerpflichtiger" eingetragen ist.

Überdies darf nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 86/560/EWG die Erstattung von Mehrwertsteuer an im Drittland ansässige Unternehmer nicht zu günstigeren Bedingungen erfolgen als für in der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Antragsteller nicht günstiger stellen darf als Antragsteller, die im (übrigen) Gemeinschaftsgebiet ansässig sind (vgl. BFH-Urteil vom  V R 49/01, BFH/NV 2004, 673, unter 2. b).

Zur Vereinbarkeit des Vorsteuer-Vergütungsverfahrens im Übrigen mit dem Gemeinschaftsrecht (Diskriminierungsverbot, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) verweist der Senat auf seinen Beschluss vom  V B 195/04 (BFH/NV 2005, 2064, mit Nachweisen)."

Die Erwägungen des BFH im oben wiedergegebenen Urteil lassen sich auch auf die österreichische Rechtslage übertragen.

§ 3a Abs. 3 der Erstattungsverordnung idF BGBl II 222/2009 ist auch mit den Bestimmungen der 13. Richtlinie, 86/560/EWG, zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige, vereinbar. Nach Art. 3 Abs. 1 bestimmen die Mitgliedstaaten die Modalitäten für die Antragstellung. Sie legen dem Antragsteller die Pflichten auf, die erforderlich sind, um die Begründetheit des Antrags beurteilen zu können und um Steuerhinterziehungen zu vermeiden, und verlangen insbesondere den Nachweis, dass er eine wirtschaftliche Tätigkeit entsprechend Art. 4 Absatz 1 der Richtlinie 77/388/EWG [nunmehr Art. 9 MwStSystRL 2006/112/EG] ausübt.

Österreich hat (wie auch beispielsweise Deutschland) die Erstattung an Drittlandsunternehmer von der Vorlage einer Unternehmerbescheinigung abhängig gemacht, die bestimmten Formerfordernissen genügen und aus der insbesondere eine steuerliche Erfassung hervorgehen muss.

Es hat also die Modalitäten zur Nachweisführung der Unternehmereigenschaft für Drittlandsunternehmer in der Erstattungsverordnung den Vorgaben der Richtlinie entsprechend und innerhalb des Gestaltungsspielraumes festgelegt.

Dies dient zweifellos auch einer gewissen Verwaltungsvereinfachung, die bei einem Massenverfahren wie dem Vorsteuererstattungsverfahren aus Zweckmäßigkeitsüberlegungen geboten ist. 

Der bloße Nachweis einer handelsrechtlichen Registrierung, Gewerbelizenz oder Mitgliedschaft in einer Handelskammer in einem bestimmten Staat ist nicht als ausreichende Unternehmerbescheinigung anzusehen.

Dies würde im Übrigen auch für Gemeinschaftsunternehmer nicht ausreichen, können diese doch nur über das Ansässigkeitsportal einen elektronischen Erstattungsantrag stellen, wenn zuvor der Ansässigkeitsstaat die Unternehmereigenschaft des Antragstellers überprüft und mit der Weiterleitung des Antrages konkludent für den Mitgliedstaat der Erstattung bestätigt hat (vgl. Art. 18 der RL 2008/9/EG). 

Ohne das Erfordernis einer entsprechenden Unternehmerbescheinigung iSd § 3a Abs. 3 der Erstattungsverordnung würde die Erstattung für Drittlandsunternehmer zu günstigeren Bedingungen erfolgen als für in der Gemeinschaft ansässige Unternehmer, was dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 2 der 13. Richtlinie (86/560/EWG) widerspräche, wonach die Erstattung nicht zu günstigeren Bedingungen erfolgen darf als für in der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige.

Kann die Antragstellerin keine Unternehmerbescheinigung iSd § 3a Abs. 3 der Erstattungsverordnung vorlegen, weil sie im Ansässigkeitsstaat nicht steuerlich erfasst ist, erfüllt sie eine der zwingenden Voraussetzungen der Verordnung nicht. Eine Vergütung der Vorsteuern kann daher schon aus diesem Grunde nicht erfolgen (, vgl bereits: -G/10 oder -G/10).

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfrage war anhand des eindeutigen Wortlautes der Verordnung zu lösen und stellt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 1 § 3a Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995
ECLI
ECLI:AT:BFG:2018:RV.2101222.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at